12. Juli, Glen Urquhart

Sehr geehrte Miss Granger,

Ihr Brief war zu keinem Zeitpunkt der Gefahr ausgesetzt, ein Opfer der Flammen zu werden. Zum einen, weil in dem Pensionszimmer in dem ich lebe, kein Kamin vorhanden und jede Form von offenem Feuer untersagt ist, zum anderen jedoch, weil mich der Inhalt an keiner Stelle dazu veranlasst hätte, den Brief zu verbrennen – ganz im Gegenteil.

Lassen Sie mich erst kurz von dem Anhang Ihres Briefes sprechen. Eine bessere Beurteilung hätte ich nicht wünschen können. Noch einmal danke dafür. Ich habe Ihr Schreiben gleich an das zuständige Amt weitergeleitet und bin nun sehr gespannt, ob man sich weitere „Bedingungen" einfallen lässt, oder ob man mir tatsächlich, wie zugesagt, die Möglichkeit gibt zu unterrichten. Mit der Aussicht auf Arbeit, erscheint der Gedanke, weitere Monate damit zu verbringen, aus dem Fenster zu sehen und sich die Zeit damit zu vertreiben, zu beobachten, wie die Sonne auf und wieder untergeht, unerträglicher als vorher.

Womit wir bereits beim Rest Ihres so erstaunlichen Briefes wären.

Womit fange ich an?

Vielleicht mit der begabten Schülerin, von der Sie schreiben, daß ich wenigstens ihr gegenüber mehr Begeisterung an den Tag hätte legen müssen. Klingt es überheblich, wenn ich schreibe, daß das Schicksal es anders gewollt hat? Wenn man von den ersten Wochen Ihrer Zeit in Hogwarts absieht, in der ich in der gesamten Klasse ausgetestet habe, welcher Schüler wo steht – was sein Lernverhalten und sein Verhalten im Unterricht einschloss, habe ich unzählige Male Ansätze gemacht, um Sie zu fördern, ohne daß es Aufmerksamkeit erregt – was stets im Ansatz erstickt wurde. Mal durch Ihre eigenen „Abenteuer", die ja unter anderem beispielsweise beinhalteten, daß sie mich bestohlen haben (spätestens nach dem wöchentlichen Bericht von Madame Pomfrey war klar, wo die fehlenden Zutaten geblieben waren – wobei ich bis heute über Ihren Patzer verwundert bin), mal durch die Anwesenheit von Mr. Malfoy Junior oder anderer „spezieller" Schüler, die höchst aufmerksam geworden wären, wenn ich ein Mädchen ihrer Abstammung gefördert hätte und zu guter letzt und in erster Linie, durch die Bitte des Schulleiters, mich den Schülern im allgemeinen, und speziell Ihnen gegenüber (sowie Mr. Potter und Mrs Weasley gegenüber) so zu verhalten, daß sie in keinem Fall meine Nähe suchen, was bei Ihrem Wissensdrang, Miss Granger, ohne entsprechende Maßnahmen ganz sicher der Fall gewesen wäre. Albus Dumbledore ging davon aus, daß Sie die inzwischen bekannten Fakten über mich vorzeitig herausgefunden hätten, wenn Sie in meinem näheren Umfeld gewesen wären. Bei Mrs. Weasley und Ihnen habe ich ihm zugestimmt – bei Mr. Potter hätte ich diesbezüglich keine Sorgen gehabt, aber aus persönlichen Gründen, war es mir nur recht, mich auch von ihm fernhalten zu sollen. Die Versuche in Potters fünftem Jahr, diese Grenze aufzuheben sind ja bekanntermaßen gescheitert.

Aber diese Gründe entschuldigen nicht meine Art Ihren Mitschülern gegenüber, für die eine so extreme Vorgehensweise nicht notwendig gewesen wäre. Ich habe wohl die Bequemlichkeit genossen, die es mit sich bringt, wenn man gemieden wird. Wenn ich geistig angespannt bin, reagiere ich mit Agression. Sicher nicht der schönste meiner Wesenszüge, aber in vielen Situationen hilfreich. Ungünstig und – da haben Sie wohl uneingeschränkt Recht - unfair war nur, daß meine geistige Anspannung in den seltensten Fällen etwas mit den Schülern zu tun hatte, die das Ergebnis erdulden mussten.

Ich entschuldige mich nicht für mein Verhalten. Ich bin, wer ich bin und ich war in den Jahren vor dem Fall des Lords über meine eigentlich vorhandenen Möglichkeiten hinaus gefordert. Vielleicht freut es Sie, zu hören, daß einige meiner späteren „Kameraden" am Hofe des Lords weit mehr abbekommen haben, als Ihre Mitschüler oder Sie selbst.

All dies ist keine Entschuldigung dafür, daß ich ein ungehaltener, launischer Mann bin – es erklärt nur, warum ich Sie, Miss Granger, nicht gesondert gefördert, oder gar mit Ihnen die Begeisterung für das Thema Zaubertränke geteilt hätte.

Der Wunsch, es zu tun, war da... in Bezug auf beides – Förderung und Teilen...

Sie waren das, was ich in den Jahren meines Daseins als Lehrer gesucht hatte. Wären Sie in Slytherin einsortiert worden und hätten Sie nicht ausgerechnet mit Potter Seite an Seite gestanden, wäre vielleicht einiges anders gelaufen.

Aber ich bin nicht so überheblich, dies einfach zu behaupten – ich weiß nicht, ob es so gewesen wäre und wir werden es nie erfahren.

Doch ich musste nicht erst alles verlieren, um zu verstehen, was ich hatte. Das absolute Gegenteil war der Fall! Denn ich wusste schon während ich es noch genießen konnte, das es nicht lange halten wird. Ich hatte durchaus Freunde und ich hatte ein soziales Leben als Teil einer Gesellschaft. Ich hatte eine Arbeit und eine Aufgabe.

Manchmal wünsche ich mir wenigstens die Aufgabe zurück, obwohl das bedeuten würde, daß der Krieg noch nicht vorbei ist. Nein, natürlich meine ich das nicht ernst – aber manchmal erscheint alles besser, als dieses Nichts-Tun. Nun ja, dank Ihrer Hilfe hat es wohl bald endlich ein Ende.

„Sex on the Beach"? Es erscheint mir absolut unwahrscheinlich, daß Miss Hermine Granger etwas trinkt, das "Sex on the Beach" heißt! Sie hätten Ihre helle Freude auf meine Reaktion auf diese Zeile gehabt.

Cocktailtrinkende Verlobte eines Zaubertrankbrauers ohne Vergangenheit. Sie haben sich ganz offensichtlich verändert, Miss Granger. Speziell die Tatsache, daß Sie die Vergangenheit ihres Verlobten nicht hinterfragen, erscheint mir ganz und gar untypisch für Sie. Was, wenn der Hintergrund dieses Mannes Überraschungen birgt, die Sie nicht einfach so hinnehmen können? Aber wenn ich genauer darüber nachdenke, ist es vielleicht doch nicht so untypisch für sie, denn wenn es um Männer ging, sind Sie immer schon Wagnisse eingegangen, die nicht zu Ihrem ansonsten so ruhigen und überlegten Selbst passen. Die Freundschaft zu Potter und Weasley ist das krönende Leuchtfeuer für diese Charakterschwäche.

Die Wette mit Professor MrGonagall bezog sich in der Tat nur auf eine etwaige Vermählung. Und obwohl ich keine näheren Ausführungen zu meinen Gedanken mache möchte, angesichts der Vorstellung, daß Sie mit Mr. Weasley eine Affaire hatten (glauben Sie, daß er weiß, wie man dieses Wort schreibt?), kann eine solche wohl als kurzzeitige Geschmacksverirrung gelten und zählt damit nicht für das Gesamtbild. Sie sind ja selbst zu dem gleichen Schluß gekommen und haben sich für einen Wissenschaftler entschieden. Alles andere wäre bei Ihnen auch ein Witz gewesen! Oder Perlen vor die Säue... je nachdem von welchem Blickwinkel aus man es betrachtet.

Ich beneide Sie um die Möglichkeit, jeden Tag ins Labor gehen zu können – ganz gleich, wie es bislang ausgestattet ist. Sollten Sie irgendwelche frischen Kräuter aus den Highlands benötigen, gehe ich sie gerne sammeln. Für mich selbst macht es keinen Sinn, die geradezu berauschend mit Kräutern und Spezialitäten zugewuchertee Gegend zu durchforsten, da es mir ja seit Prozessbeginn verboten war, Magie zu benutzen oder Tränke zu brauen (eine Einschränkung, die das Ministerium „zufälligerweise" bisher noch nicht aufheben „konnte" – warum auch immer das nicht gehen sollte, ist mir schleierhaft - aber spätestens mit dem Eintritt in eine Schule wird sich dies endlich ändern). In der Anfangszeit in der ich hier eingezogen bin, war ich oft in der Gegend, aber irgendwann habe ich diese Gänge eingestellt.

Aber, bedenkend, daß Sie sich mit Heilkräutern beschäftigen, fällt mir ein - ich habe gestern die ersten Steinpollen gerochen und das heißt, daß die blauen Tintenflohsterne gerade in Blüte stehen dürften – wenn Sie diese im Laden kaufen, bezahlen Sie bekanntermaßen ein Vermögen dafür und das nur, weil ganz Großbritannien zu dumm und zu ungeduldig ist, sich wegen der kleinen Biester auf die Lauer zu legen.

Sollten Sie also Highlandkräuter benötigen... ich habe noch mindestens drei Wochen lang nichts zu tun...

Mit freundlichen Grüßen

Severus Snape

PS. Darf ich fragen, wann Sie zu heiraten gedenken?