15. Juli, Glen Urquhart

Sehr geehrte Miss Granger,

auch von mir erst einmal nur Fakten:

1) Ich habe beim Ministerium für Patentrecht Anzeige gegen Mr. Montgomery erstattet. Entschuldigen Sie diese Vorgehensweise, ohne Sie darüber informiert zu haben, aber es war Eile geboten, denn auf diese Weise wurde eine einstweilige Verfügung erstellt und an St. Mungos weitergeleitet, die zumindest vorerst verhindert, daß die Rezeptur, bzw. das Mittel selbst, an wen auch immer verkauft wird. St. Mungos kann jetzt – zumindest für einige Tage – den Trank nicht von Ihrem (hoffentlich EX-) Verlobten in einer Versuchsreihe einsetzen, da kein Vertrag über eine solche Reihe abgeschlossen werden kann. Mit der Verfügung ist auch ein etwaiger Vertrag der in den letzten Tagen vielleicht getätigt wurde, vorläufig unwirksam. Da die Anzeige von mir eingereicht wurde und nicht von Ihnen, kann man Ihnen keine unlauteren Methoden vorwerfen, die eventuell zum Ziel haben, ihren Konkurrenten auszustechen. Ob mein Name in der Zaubertrankwelt noch irgendein Gewicht hat, weiß ich nicht zu sagen, aber das ist für diese Sache auch nur zweitrangig relevant. Das entscheidende war die Verfügung und diese ist rausgegangen.

Begeben Sie sich nun, sofern Sie dies nicht schon getan haben, ebenfalls ins Ministerium, in die Unterabteilung „Patentmissbrauch" und verlangen Sie dort, eine Aussage zu dem Fall zu machen – und bestehen Sie darauf, daß Sie die Befragung unter Veritaserum machen. Dafür gibt es spezielle Vorschriften, Sie brauchen also nicht zu befürchten, daß man Sie Dinge fragt, die mit der Situation nichts zu tun haben. Nehmen Sie unter allen Umständen Potter mit! Sowohl als Zeuge, als auch als Wegbereiter. Sinnvoll wäre, wenn auch er Anzeige erstattet. Sein Name als Held des Krieges hat in jedem Fall Gewicht und er wird Sie auch durch Hindernisse des Ministeriums führen, die Sie alleine vielleicht nicht durchdringen könnten.

2) Die Idee zu diesem Zaubertrank ist phantastisch! Daß es Ihnen gelungen ist, eine Rezeptur zu entwickeln, die diese Krankheit behandelt, ist weit mehr, als, selbst bei Ihrem brillianten Verstand, zu hoffen war. Die Zubereitung von Zaubertränken ist dem Zeichnen von Bildern nicht unähnlich. Die meisten die es versuchen, bringen ein halbherziges Gekrakel zustande. Einige wenige entwickeln eine meisterhafte Technik und sind irgendwann in der Lage, Meisterwerke anderer Künstler perfekt nachzuzeichnen – aber nur einige sehr, sehr wenige schaffen es, irgendwann ihre eigenen Ideen und Phantasien kreativ in gänzlich neuen Werken umzusetzen und erstrahlen zu lassen. Es war, auch bei Ihrem Fleiß und Ihrem Wissen, nie sicher, ob Sie auf der zweiten Stufe stehen bleiben, die schon höher liegt, als die, die die meisten erreichen können, oder ob Sie es zur echten Meisterschaft bringen. Ich weiß, Miss Granger, daß Ich ihnen in Ihrer kompletten Schulzeit das Lob vorenthalten habe, das Sie verdient hätten. Vielleicht kann ich ein klein wenig davon nachholen, wenn ich Ihnen nun das absolut ehrliche Kompliment mache, daß Sie eine meisterliche Leistung mit diesem Trank vollbracht haben und daß es mich sehr – sehr! – stolz macht, Ihr Lehrer gewesen zu sein.

3) Miss Granger – ich kenne Ihren Verstand und weiß, wozu Sie in der Lage sind! Setzen Sie sich hin und schreiben Sie alles auf, woran Sie sich erinnern können! Versuchen Sie, die Rezeptur in Ihrem Kopf wieder neu zusammenzustellen! Sie können das! Und verzweifeln Sie nicht, wenn es nicht sofort gelingt. Wenn Sie glauben, daß Sie bestimmte Bereiche nicht zusammenbekommen, dann hören Sie für einige Minuten auf und versuchen Sie zur Ruhe zu kommen. Atmen Sie tief durch und schließen Sie für einige Minuten die Augen. Sie werden Sehen, daß die Bilder der beschriebenen Seiten in Ihren Kopf zurückkehren. Setzen Sie sich vielleicht mit Ihren Gedanken und einem Notizblock in die Wanne und lassen Sie Ihre Sinne von angenehmen Dingen berieseln, während sie nachdenken. Je weniger Sie versuchen, Ihren Verstand zu zwingen, diese Dinge preiszugeben, umso mehr wird er kooperieren und jedes Detail wieder herausrücken. Ich habe, wenn ich Details von „gewissen" Treffen, in Hogwarts aus der Erinnerung wieder zusammensetzen musste, mehr als eine Stunde in der Wanne verbracht... je entspannter der Geist, umso williger ist er auch. (mischen Sie dem Wasser neben irgendeinem Duft den Sie mögen, unbedingt auch soviel Johanniskrautblüten wie hineinpassen und ein paar Tropfen Passionsblumenöl bei – Sie werden den Unterschied merken. Passionsblumenöl besitze ich leider nicht, es ist aber durchaus erschwinglich und vielleicht haben Sie ja sogar welches im Labor – aber Johanniskrautblüten gibt es hier im Überfluß und deshalb sende ich Ihnen mit diesem Brief genug für die eine oder andere gefüllte Wanne.)

Doch nun fort von den Fakten...

Miss Granger, ich habe Ihnen von meinen Befürchtungen geschrieben und ich wünsche mir nun so sehr, sie wären völlig unberechtigt gewesen. Worte scheinen nun so sinnlos, so ohne jede Hilfe zu sein. Obendrein bin ich in höchstem Maße ungeübt darin, jemandem Trost zu spenden, der in Not ist. Für diese Dinge waren stets andere zuständig. Mich hier in geschriebener Form Worte stammeln zu hören, die aus meiner Feder lächerlich klingen müssen, ist Ihnen vermutlich eher unangenehm als hilfreich.

Ich wünsche Ihnen von Herzen, daß Harry, Ron und vor allem Ginevra Ihnen tröstend zur Seite stehen.

Miss Granger, mich in dieser Situation zu finden, zu fühlen, was ich nun fühle, diese unbändige Wut über das zu empfinden, was Ihnen widerfahren ist, die Enttäuschung die Sie empfinden müssen, beinahe als körperlichen Schmerz nachfühlen zu können, ist mir so unglaublich fremd, daß ich vor diesem Gefühl beinahe davonlaufen möchte. Aber Sie können nicht davonlaufen, obwohl es für Sie so vollkommen unerträglich sein muß, wie könnte ich dann, obwohl nur aus der Ferne beobachtend, an Flucht denken? Und wohin...?

Wie kann ich Ihnen beistehen? Vermutlich geht es gar nicht... Ich kenne keinen Trank, der ein verwundetes Herz heilen kann. Ich kann Ihnen nur versichern, daß ein Herz, wenn man es möchte, auch die schlimmsten Vewundungen übersteht.

Ja, ich kann verstehen, daß Sie sich an die winzige Hoffnung klammern, die Eulen könnten gute Nachrichten zurückbringen. Aber Sie wissen auch, daß es nicht geschehen wird.

Die Entäuschung, das Gefühl des Betrogen-Seins in Wut umschlagen zu lassen ist gut! Es ist heilsam. Es hilft einem, bei Verstand zu bleiben.

Erinnern Sie sich daran, daß ich einmal geschrieben habe, daß geistige Angespanntheit bei mir für gewöhnlich in Agression Ausdruck findet? Ich bin viele Jahre auf Messers Schneide gewandelt. Es war meine eigene Entscheidung und ich habe sie nie bereut, aber man lässt, wenn man so lebt, viele Dinge hinter sich, ohne die man sich sein Leben eigentlich nicht vorstellen konnte...

Aber es geht!

Es geht wirklich!

Es macht allerdings auf Dauer ein wenig unbeliebt... weshalb Sie versuchen sollten, die Agression in andere Bahnen zu lenken, als auf die Mitmenschen, die Ihnen Gutes wollen. (Ministeriumsbeamte aus Ämtern die jetzt gerade für Sie nicht wichtig sind, Potter, Weasley und dumme Schüler ausgenommen...) Aber Albernheiten beiseite: Sie haben wohl Recht, wenn Sie sagen, daß Sie nicht sehen wollten. Ich vermute, daß Sie längst geahnt haben, daß irgendetwas nicht stimmt und daß Sie einfach zuviel Angst hatten, daß Sie verlieren könnten, was Sie hatten.

Hören Sie das nächste Mal wieder auf Ihren Instinkt.

Den Instinkt, der aus dem Hintergrund die krummsten Dinger, die Mr. Harry Potter in seiner Schulzeit gedreht hat, abgesichert hat.

Den Instinkt, der Sie als einzige hat verstehen lassen, warum Ich vorzeitig das Thema Werwölfe behandelt hatte. Den Instinkt, der Sie die Rezeptur für Ihren Heiltrank hat finden lassen.

Sie können das Gefühl der Liebe für diesen Mann nicht abstellen, obwohl Sie wissen, was er Ihnen angetan hat? Ich habe davon gehört, daß es so sein kann. Frauen, die ihre Männer auch dann noch lieben, wenn sie von ihnen geschlagen werden. Männer die ihre Frauen auch dann noch lieben, wenn sie von ihnen wieder und wieder betrogen werden... Sie fragen, ob ich dieses Gefühl kenne. Nein, Miss Granger. In diesem Punkt sind Sie mir eine Lebenserfahrung voraus. Wenn man von der freundschaftlichen Liebe zu meinem Mentor Albus Dumbledore absieht (und man beachte, wohin ihn das gebracht hat...) ist mein Leben bisher zu chaotisch verlaufen, als daß darin für romantische Gefühle Platz gewesen wäre.

Und wenn ich heute sehe, wohin es einen führen kann, wenn man Liebe empfindet, dann bin ich erneut froh, daß mir derlei bisher nicht widerfahren ist.

Wieviel angreifbarer macht es, wenn man liebt. Die großen Geschichten über die Liebe handeln immer nur von dem Schmerz den sie bringt. Warum strebt nur ein jeder so sehr danach, diesen Schmerz zu fühlen? Ich bin sicher, daß ich dem Schicksal dankbar sein kann, daß es mich bisher mit derlei Folter verschont hat. Mir reichte das, was ich auch ohne dieses ach so umschwärmte Gefühl erleben musste.

Ich denke, Miss Granger, daß ich Ihnen in dieser schlimmen Zeit eine Winzigkeit zukommen lassen kann, die Sie aufmuntern wird. Ich war in der Nacht im Glen Strathfarrar äußerst erfolgreich. Ich habe elf Tintenflohsterne einsammeln können und sende sie Ihnen nun mit diesem Brief in ihrem kleinen Käfig. Ich habe, für die ersten Tage, bis Sie das Futter brauen konnten, ein wenig von den Pflanzen aus ihrer ursprünglichen Umgebung beigelegt. Wenn Sie die Knirpse vor sich auf den Tisch stellen und eine kurze Weile beobachten – ich glaube man KANN nicht so traurig sein, daß sie einen nicht zum Lachen bringen. Es ist unvorstellbar, was die Winzlinge in den wenigen Stunden die sie jetzt bei mir sind, schon alles gemacht haben. Sie halten ihren Käfig übrigens penibelst reinlich, weshalb ich dazu rate, den Käfig auf ein auswechselbares Tuch zu stellen... Und erschrecken Sie sie nicht – die Flecken die sie dann aus dem Käfig nach außen spritzen, kriegen Sie von der Tischplatte nie wieder ab. Egal ob mit oder ohne Unterlegtuch. Vorsicht vor dem mit den vielen Blütenblättern – dieser beißt! (ich wusste nicht, daß sie das können...)

Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden, was den Fortgang dieses Desasters betrifft.

Mit freundschaftlichen Grüßen

Serverus Snape

PS. Da das Leben, wie Sie selbst sagen, jetzt weitergehen muß, bitte ich Sie erneut um eine Liste aller Dinge, die Sie aus den Highlands für Ihr Labor benötigen können. Sie sollten keinerlei Hemmungen dabei haben, weil die Tatsache, daß etwas auf der Liste steht, für mich nicht bedeutet, daß ich dies um jeden Preis besorgen muß – es gibt mir vielmehr die Möglichkeit, auszusuchen, was ich beschaffe. Erwarten Sie also nicht, daß ich eine „Komplettlieferung" anberaumen werde – sondern nur das schicke, was ich suchen möchte und finden werde.