18. Juli, Inverness

Liebe Miss Granger,

bitte nicht...

Was muß ich tun – was kann ich tun, damit Sie mir meinen von Wut und Enttäuschung gelenkten Brief verzeihen? Ich finde keine Worte, um zu beschreiben, wie sehr ich mir wünsche, ich hätte gewartet – nur wenige Minuten – so lange, bis ich Ihren Brief in Händen gehalten hätte, der bei mir ankam, als die Eule die mit meinem Brief davonflog, noch zu sehen war. Ich hätte, wie es dann zu spät geschehen ist, meinen Irrtum sofort erkannt.

Ich gebe zu, daß ich ihn auch so hätte erkennen müssen. Ich hätte sehen und wissen müssen, daß es nicht sein konnte, daß Sie selbst so agieren – nicht nach dem was Sie mir geschrieben hatten.

Aber, Miss Granger – ich vertraue nicht! Ich vertraue Ihnen nicht, ich vertraue mir nicht – ich vertraue diesem ganzen verfluchten Leben nicht! Es hat mich gelehrt, daß nichts Gutes von Dauer ist und daß immer dann, wenn man glaubt, dieser Grundsatz sei gerade eben aus den Angeln gehoben worden, der nächste Schlag besonders heftig ist. Der Flug mit Hilfe Ihrer Briefe war so hoch – daß ich bereit war, zu glauben, daß der Fall danach zwangsläufig umso tiefer sein mußte. Ich habe alles geglaubt, was ich plötzlich klar zu erkennen glaubte. Ich habe geglaubt, daß Sie jede wütende Zeile über ihren Verlobten über Bord geworfen haben, als er wieder vor Ihnen gestanden und Sie mit seinem, wie sie selbst schrieben, so schönen Lächeln bezaubert hat. Habe geglaubt, daß Sie, weil Sie doch selbst geschrieben hatten, daß Ihre Gefühle für ihn nicht fort sind, sofort verziehen haben. Habe geglaubt, daß Sie beide dann kopfschüttelnd und meine Einmischung belächelnd ins Ministerium gegangen sind. Ich habe wirklich geglaubt, daß es offenbar nicht nötig ist, die verräterischen Untertöne die ich gesucht hatte, zwischen Ihren Zeilen zu suchen, wenn Sie durchaus in der Lage schienen, etwas zu tun, daß mir so offen zeigt, was Sie von mir, bzw. dem was ich getan habe, halten.

Ich war so dumm!

Und dann las ich ihren Brief – Ihren wunderschönen Brief!

Es ist sehr lange her, daß mir so übel war und daß meine Knie so sehr ihren Dienst versagen wollten. Ich schäme mich zutiefst, Miss Granger, Ihnen zugetraut zu haben, was die Information behauptete, die mir zugespielt worden war. Und ich bitte Sie um Verzeihung.

Wie Ihr kurzer Brief danach zeigte, waren Sie selbst ebenfalls darauf gekommen, daß Montgomery Vielsafttrank benutzt hat, um weiteres zu erreichen. Meine Notiz war deshalb so kurz, weil ich mich auf der Stelle nach St. Mungos aufgemacht habe und von dort auf der Stelle zu meinem alten Lehrer Raphael Montgomery gereist bin, weil ich mir von hier weitere Erkenntnisse erhofft habe.

In der Befürchtung, mit meinem Brief die zarten persönlichen Bande zwischen uns zerstört zu haben, halte ich mich von hier an wieder ausschließlich an Fakten.

Ich habe folgendes in Erfahrung bringen können. Ich glaube, daß Ihr Montgomery die Formel für die Rezeptur die Sie entwickelt haben, verändert hat. Anbei eine Kopie der Unterlagen, die er in St. Mungos eingereicht hat. Eigentlich sollte dort Ihre Formel stehen – aber nach der Durchsicht, die ich mir erlaubt habe, um sicher zu gehen – bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß dieser Trank nicht das bewirken kann, was Sie mir geschrieben haben! Es sind Winzigkeiten, die mir dabei unmöglich erscheinen. Das Grundgerüst ist brilliant, phantastisch und ohne jeden Zweifel zur Bekämpfung einer Schizophrenie gedacht, aber es sind Faktoren darin, die nicht in Ihre Beschreibung passen! Allem voran die Verwendung von gelbem Brückenkraut! Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie dieses Kraut verwenden, da ich sicher bin, daß Sie genauer als jeder andere Mensch aus meinem Umfeld – mit Ausnahme vielleicht von Raphael – wissen, daß das gelbe Brückenkraut jede Form von eigener Entscheidung unterdrückt! Sie schrieben aber, daß genau das, das Besondere sei, daß die behandelte Person sich selbständig entscheiden könne, in welcher Form sie verbleiben wolle. Dazu hätte es der Verwendung des purpurnen Brückenkrautes bedurft. Zumindest dann, wenn das Brückenkraut der Faktor für die Entscheidungsfähigkeit sein soll.

Als ich das gesehen hatte, habe ich mir erlaubt, Raphael aufzusuchen, und ihm die Aufzeichnungen zu zeigen. Bitte seien Sie versichert, daß Raphael zu den verschwiegensten Zauberern gehört, die ich kenne! Ihr Trank ist bei ihm zu keiner Sekunde in Gefahr gewesen – zumal ich die Kopie Ihrer Aufzeichnung keine Sekunde aus den Augen gelassen habe. Aber Raphael hat auch nicht einmal gefragt, ob ich ihm auch nur eine einzige Seite des Textes überlassen könnte. Er stimmt meiner Auffassung zu und fügte, nach sorgfältigem Studium noch hinzu, daß er es für gefährlich hält, den Trank nach der Hinzugabe des Monniumstaubes ganze vierundzwanzig mal rechtsherum umzurühren. Er befürchtet – und da stimme ich ihm zu – daß der Trank damit so intensiv wird, daß die Einnahme des Trankes sich nicht nur auf die Person auswirken würde, die ihn genommen hat, sondern auch auf alle Zauberer und Hexen, die sich in einem gewissen Umkreis um die behandelte Person herum aufhalten.

Miss Granger – Ihr Trank ist zu einer tickenden Bombe umfunktioniert worden. Im richtigen Moment an die richtige Person verabreicht, kann der der den Trank verabreicht hat offenbar bestimmen, zu welcher Seite die Schizophrenie des Patienten umschlägt, da dem Patienten mit dieser Formel diese Entscheidung nicht mehr selbst möglich ist, und erreicht damit das Selbe für die umstehenden Personen – ganz gleich ob diese krank waren oder nicht. Ob der Trank im Gegenteil auch in der Lage wäre, Muggel zu Magiern zu machen, konnte Raphael nicht sagen und auch ich weiß es nicht. Ich glaube eher nicht – aber ich weiß es nicht.

Alle großen Erfindungen dieser Welt wurden auch für Schreckliches benutzt. Sehen Sie diesen Missbrauch als Kompliment an Ihre Arbeit. Aber nun stellen Sie sich auch vor, in der Testphase würde der Trank – wie es zu Promotionszwecken oftmals geschieht – in Anwesenheit irgendwelcher großer magischer Köpfe oder Regierungspersonen vorgeführt und alle Anwesenden würden zu magieunfähigen Muggeln werden! Selbst wenn keine großen Häupter der Öffentlichkeit anwesend wären, würden die Versuche doch mindestens in der Umgebung großer, wichtiger Medi-Zauberer und Medi-Hexen geschehen – die dadurch ebenfalls zu Muggeln würden.

Ich glaube, daß Montgomery durch sein Manöver mit dem Vielsaft-Trank versucht hat, daß St. Mungos den Trank doch probeweise herstellt und der Presse vorstellt. Ich weiß nicht, ob irgendwelche konkreten Personen zu diesen Testreihen eingeladen werden – aber ich bin sicher, daß Ihr Verlobter entweder aus eigenen Motiven, oder aber weil es ihm sehr viel Geld bringt, eine Art Anschlag mit dem Trank plant. Er wusste glücklicherweise allem Anschein nach nicht, daß die Verfügungen, die durch meine Anzeige ausgelöst worden waren, noch wirksam sind.

Ich überlasse es selbstverständlich Ihnen, in St. Mungos aufzuklären, was mit ihrer Formel geschehen ist – das alleine dürfte Ihnen dort Tür und Tor für Ihre Glaubwürdigkeit öffnen und ich bin sicher, daß man danach auch Ihren Trank dort mit Kusshand nehmen wird. Raphael hat sich, falls dies erforderlich sein sollte, bereiterklärt, eine Empfehlung für Ihre Arbeit auszustellen. Er zählt unter den Zaubertrankbrauern zu den alten Weisen und sein Wort hat großes Gewicht in St. Mungos. Ich soll Sie grüßen und Ihnen schreiben, daß er sie gerne einmal kennenlernen würde.

Die Unterlagen zu der veränderten Version Ihres Trankes liegen anbei und ich versichere Ihnen, daß es, zumindest durch meine Person, keine weiteren Kopien davon gibt.

Der fachliche Teil des Briefes ist geschrieben und die Übelkeit kehrt wieder.

Bitte, Miss Granger, schreiben Sie mir, daß ich den Briefkontakt zu Ihnen nicht durch verletzte Eitelkeit und mein aufbrausendes Wesen verloren habe.

Hochachtungsvoll

Severus Snape