20. Juli, Norwich

Lieber Severus,

mit pochendem Herzen und hinter vorgehaltener Hand blicke ich auf diese Anrede. Das erste mal verwendete ich Ihren Vornamen in meinem Empfehlungsschreiben. Es geschah der Form halber, doch als ich ihn da zum ersten mal schrieb, wünschte ich mir insgeheim, Sie einmal direkt so ansprechen zu dürfen.

Vielleicht klingt es merkwürdig, aber Ihr Vorname gefiel mir schon, als ich noch Ihre Schülerin war. Er klingt warm, melodisch und weich. Ich muss zugeben, dass ich damals manchmal dachte, wie eigenartig es ist, dass ein so kalter Mensch einen solchen Namen hat. Heute weiß ich es besser! Sie sind kein kalter Mensch - und Sie waren es nie!

Aber noch ein Adjektiv würde ich Ihrem Namen zuordnen - geheimnisvoll. Und das sind Sie für mich nach wie vor.

Es hat nichts damit zu tun, dass ich Sie als 'unheimlich' bezeichnen würde - wie es zu meiner Schulzeit so viele meiner Mitschüler taten - sondern es ist Ihre ganz eigene Aura. Ich weiß nicht, ob Sie einen zu großen Preis für diese besondere Ausstrahlung bezahlen müssen, aber ich muss zugeben, dass sie faszinierend ist.

Mein Trank ist fertig. Eben habe ich ihn fertiggestellt - bevor ich Ihren Brief las...

Verzeihung, aber jetzt muss ich über mich selbst lachen - und vermutlich wissen Sie schon warum.

Mein Themenwechsel war wohl etwas zu abrupt, um nicht ein amüsiertes Lächeln auf Ihrem Gesicht zu hinterlassen.

Sie kennen mich, Severus - ich muss den Dingen auf den Grund gehen und daher möchte ich nicht so tun, als hätte ich nicht gesagt, dass ich Sie faszinierend finde.

Ich hoffe es schockiert Sie nicht, wenn ich dies sage. Für mich kommen viele Punkte zusammen, die dafür sorgen, dass Sie diese Wirkung auf mich haben. Zum einen Ihre absolut brillianten Fähigkeiten auf dem Gebiet der Zaubertränke. Zum anderen Ihre Eigenschaft, die Dinge mit absoluter Hingabe zu tun. Ihre Selbstdisziplin, die mir manchmal schon fast übermenschlich erscheint - ich denke diese Punkte erklären meine Faszination. Ich wollte Ihnen ja von meinem Trank erzählen.

Die Phiole steht hier gut versiegelt vor mir, während ich diese Zeilen an Sie richte. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin. Während des Brauens befiel mich auf einmal die Angst, dass ich etwas falsch gemacht haben könnte. Mir war klar, dass ich dann einfach von vorne hätte anfangen können - doch es kam mir wie ein Omen vor. Hätte es nicht beim ersten Versuch geklappt, so war ich mir sicher, dass auch morgen in St. Mungos weitere Probleme auftauchen würden. So aber habe ich ein gutes Gefühl - ein wirklich gutes!

Die Vollendung des Trankes ließ die Zaubertrankbrauerin in mir glücklich und zufrieden sein - Ihr Brief aber schaffte es, den Menschen Hermine Granger glücklich zu machen! Ich fühle mich jetzt so komplett - ein Gefühl, das wie eine Energiequelle in mir glüht.

Ihr Lob hat mich, trotz der Tatsache, dass ich alleine war als ich es las, erröten lassen.

Diese Worte aus Ihrer Feder zu lesen ist viel mehr, als ich mir in meinen kühnsten Träumen vorstellen konnte.

Und so wage ich zu träumen, dass auch Sie mich mit meinem Vornamen ansprechen würden - lassen Sie auch diesen Traum wahr werden - ich bitte Sie herzlich darum!

Sie sind einfach unglaublich! Sie haben die Orkney-Primeln gefunden! Dafür kann ich Ihnen gar nicht genug Dank sagen! Ich wäre gerne bei Ihnen gewesen, als Sie sie erblickten. Die Beschreibung wie Sie sich in diesem Moment fühlten, hat mich ebenfalls mit großem Glück erfüllt.

Ihre Briefe sind ein unglaublich großer Bestandteil in meinem Leben geworden und Sie dürfen keinerlei Zweifel daran hegen, dass ich sie aus freien Stücken - und mehr noch - aus echter Freude und Interesse, lese und beantworte. Ich bin so unglaublich glücklich, und auch ein wenig stolz, dass Sie gerade mir einen Einblick in Ihre Gefühle geben. Und ich wage zu sagen, dass ich vieles davon so sehr nachempfinde, dass es fast so ist, als würde ich es mit Ihnen erleben. Ähnlich wie Sie mich in Gedanken beim Brauen sehen, so sah ich Sie gedanklich vor mir, als Sie die Primeln fanden.

Einen Teil der kostbaren Pflanzen werde ich vor dem Zubettgehen noch zum Trocknen aufhängen, um sie haltbar zu machen, während der andere Teil mit einem Spritzer Kobragift, einem halben Liter Löwenzahnsud und einigen Schuppen des Bindenwarans über Nacht sanft köcheln wird. Morgen früh sollte ich dann damit die Essenz für den Malocchio-Trank zur Verfügung haben. Diesen Trank des Bösen-Blickes möchte ich auf seine Fähigkeit testen, unheilbringende Zauber zu neutralisieren. Ich weiß, ich habe viel zu viele Projekte, die mich gedanklich beschäftigen. Auch wäre es wohl gut, wenn ich mir mehr Ruhe gönnen würde. Doch ich kann nicht. Eine Macht treibt mich an, der ich mich einfach beugen muss. Und so werde ich wohl diese Nacht in meinem Labor auf der Couch schlafen, um das Köcheln zu überwachen. Doch keine Sorge, Severus - meinen Termin in St. Mungos werde ich nicht vergessen! Und für ein wenig Entspannung wird mein Treffen am Nachmittag mit Ginny Weasley sorgen. Gleich nach meiner Heimkehr werde ich Ihnen berichten, wie es in St. Mungos gelaufen ist.

Nun merke ich, wie die Müdigkeit mich einholt und es ist wirklich spät...oder wohl doch eher früh geworden. Ich werde wohl nach meinen Vorbereitungen wie ein Stein auf die Couch sinken.

Da ich die Eule mit diesem Brief erst morgen früh, vor meinem Aufbruch nach St. Mungos abschicken werde, wünsche ich Ihnen einen wundervollen Tag.

Herzlichst,

Hermine