20. Juli, Norwich
Lieber Severus,
zuerst einmal habe ich das Verlangen, mich bei Ihnen zu entschuldigen. Auch wenn ich mir sicher bin, dass Sie das ganze Ausmaß gar nicht nachvollziehen können, so möchte ich doch um Verzeihung für meine unangebrachten Worte bitten.
Mein Bekenntnis, Sie faszinierend zu finden, hatte wohl noch andere Gründe als die Eigenschaften, die ich Ihnen zuschrieb. Es ist wohl viel eher so, dass ich ein wenig verwirrt bin, welche Entwicklung wir bereits in dieser kurzen Zeit durchlaufen haben. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Sie für durchaus attraktiv halte und mich nicht getraute, dies als einen meiner Gründe für meine Faszination anzugeben.
Ich denke, da dies nun ausgesprochen ist, können wir zu dem Punkt unserer Freundschaft zurückkehren, der angemessen ist.
Und bevor Sie falsche Schlüsse ziehen - ich mag immer an Büchern interessiert gewesen sein - an präzise gebrauten Tränken, aber ab einem gewissen Zeitpunkt sah auch ich Männer mit den Augen einer Frau, und wenn ein Mann einer Frau sagen kann, dass er sie attraktiv findet, ohne dass daraus gleich ein hintergründiger Gedanke entsteht, so möchte ich gerne, dass mir als Frau das gleiche Recht eingeräumt wird.
Was Ihren Namen betrifft, so haben Sie mit der Bedeutung natürlich absolut recht - doch es ist der Klang, der ihn weich und melodisch macht. Mein Name hingegen ist vielleicht mit einer Geschichte verbunden, die ihn leidlich bedeutsam macht, doch gefällt sein Klang mir nicht sonderlich.
Mein Besuch heute morgen in St. Mungos verlief recht vielversprechend. Justins Trank wurde inzwischen von einem Beamten des Ministeriums abgeholt und sichergestellt. Professor Shipton ist in St. Mungos mein Ansprechpartner. Er versicherte mir, dass er sogar außerordentlich interessiert an meinem Trank sei.
Die Versuchsreihe soll sobald als möglich gestartet werden. Erst einmal sind jedoch noch die Wege der Bürokratie zu beschreiten und so werden wohl noch ein paar Tage vergehen, bis ich endlich hundertprozentig weiß, ob ich den Auftrag wirklich in der Tasche habe.
Ein Empfehlungsschreiben Ihres Freundes Montgomery wäre zu diesem Zeitpunkt sicher in der Lage, den Vorgang etwas zu beschleunigen, denn wie mir Professor Shipton mitteilte, hat der Wirbel um den Trank inzwischen einige Skeptiker auf den Plan gerufen, die vielleicht nichts an dem Trank selbst auszusetzen haben, sehr wohl aber an meiner Person.
Das ist wiederum ein Punkt der mich wütend auf die ganze Ungerechtigkeit in diesem Fall macht. Justin hat es geschafft, meinen Ruf zu schädigen, ehe dieser sich überhaupt in den nötigen Kreisen festigen konnte. Vielleicht verstehen Sie nun, warum ich noch nicht in Jubelgeschrei ausbreche, sondern mich lieber daran erinnere, dass es meistens anders kommt, als man denkt.
Ich habe auch im Ministerium vorbeigeschaut, da ich noch etwas Zeit zur Verfügung hatte, bis ich mich mit Ginny treffen wollte. Von dort gibt es leider noch nichts neues zu berichten. Man versicherte mir, dass es noch zu früh für Resultate sei, man aber gezielt nach Justin Montgomery suche. Der Beamte hat sich sogar entschuldigt, weil man im Ministerium nicht merkte, dass es sich bei der Begleitung des Verdächtigen um eine Person unter Vielsafteinfluss handelte.
Mein Treffen mit Ginny war wirklich äußerst erholsam. Ich bin jetzt Besitzerin eines neuen Abendkleides - nur der richtige Anlass es zu tragen, wird sich mir wohl so schnell nicht bieten.
Aber dies bereitet mir zur Zeit die wenigsten Sorgen.
Herzliche Grüße,
Hermine
