22. Juli, Norwich
Lieber Severus,
Sie sagten, Sie werden nie wieder über die Dinge schreiben, die Sie mir im letzten Brief gestanden haben. Und ich werde Ihren Wunsch respektieren - doch ich bitte Sie...lassen Sie mir die Möglichkeit darauf zu antworten.
Ihr Brief stellt meine Gefühle völlig auf den Kopf.
Ja, ich weiß, dass Sie genau dies eigentlich nicht beabsichtigen wollen - und doch...das was Sie mir mitgeteilt haben, ist für mich von so großer Bedeutung, dass es mich ganz und gar gefangen nimmt.
Wie hätte ich ahnen können, dass Sie diese Gefühle haben? Oder besser gefragt, wie blind bin ich, Severus? Das einzige, was meine absolute Blindheit mildert, ist Ihre große Kunst, Ihre Emotionen so gut zu verbergen, dass man sie einfach nicht erahnen kann.
Ich weiß nicht, ob ich so bin wie Sie mich sehen. Es gibt sicher einige Dinge, die Sie zum Tode nicht an mir ausstehen könnten. Zum Beispiel die Tatsache, dass ich bereits am Morgen meine Umwelt mit einem endlosen Monolog 'beglücken' kann. Selbst Justin, der sich doch vermutlich in vielem zusammenreißen musste, um mir Liebe vorzugaukeln, hat sich darüber beschwert. Ich wage gar nicht mir vorzustellen, wie ein gemeinsamen Frühstück zwischen Ihnen und mir ablaufen würde.
Aber sehen Sie...was schreibe ich da nur schon wieder? Ein gemeinsames Frühstück ruft in mir die Gedanken an eine gemeinsame Nacht hervor - und dies ist nicht gut! Es ist gar nicht gut!
Es ist nicht gut, weil Sie vollkommen recht damit haben, dass eine Beziehung zwischen uns völlig unangemessen wäre. Und dennoch überschlagen sich meine Gedanken fast bei der Vorstellung, Sie mit nacktem Oberkörper durch die Highlands wandern zu sehen.
Merlin steh mir bei! Ich rede mich um Kopf und Kragen!
Vielleicht wäre es besser, bei meinem nächsten Brief meine Feder mit einem Zauber zu belegen, der dafür sorgt, dass sie ihren Dienst versagt, wenn ich mich nicht an mein Versprechen halte, das ich Ihnen jetzt zu geben gedenke.
Auch ich werde diese Gefühle nach diesem Brief nie wieder erwähnen - aber in diesem...in diesem werden Sie damit leben müssen!
Ihre Beziehungen dienten bislang nur der sexuellen Befriedigung - dies ist ein Umstand, der mir eigentlich nicht so schockierend vorkommen sollte, wie er es tat.
Doch rührt diese Empfindung bei mir nicht daher, dass Sie ausschließlich aus Lust und nicht aus Liebe mit Frauen zusammen waren, sondern daher, dass Sie so viel mehr in mir sehen, als in diesen Frauen. Für mich ist es in der Tat wichtig, dem Mann, dem ich meinen Körper schenke, auch in Liebe verbunden zu sein - wohin mich das geführt hat, haben wir ja nun gesehen.
Sie sagen, dass ich keine Frau für nur eine Nacht bin - Severus, soll ich Ihnen sagen, wie oft ich mich in letzter Zeit dafür selbst verflucht habe!
Vielleicht will ich zuviel, wenn ich einen Mann suche, der mich liebt, und der sein Leben mit mir verbringen will.
Es mag Sie überraschen, aber es gibt nicht viele Männer, die eine Partnerschaft auf gleicher Ebene führen können.
Und nun, da ich um so vieles achtsamer geworden bin, wage ich gar nicht mehr damit zu rechnen, dass ich jemanden finde. Ein Mann, der nicht nur mir, sondern auch meinem Beruf Interesse entgegenbringt, wird für mich immer verdächtig sein. Andererseits, kann ich mir nicht vorstellen, mein Leben mit jemandem zu teilen, der sich nicht für meine Arbeit interessiert.
Vielleicht ist es da nur zu verständlich, dass ich mich gerade in Dinge verrenne was Sie angeht.
Denn Ihr Interesse war immer da. Ihr Interesse an mir - und an meiner Arbeit.
Und was das vielleicht Tragischste an dieser Sache ist, ist die Tatsache, dass auch mein Interesse an Ihnen recht früh aufgetreten ist.
Als ich jünger war, war es die Begeisterung für Ihr Fach - der Sie immer wieder einen Dämpfer versetzten, was mich jedoch nur selten davon abhielt Ihnen imponieren zu wollen. Später, als ich ein Teenager war, flammte ein neues Interesse an Ihnen auf - es wurde mir besonders deutlich, als Sie mir einmal eine Stelle in einem Rezept zeigten, die ich scheinbar übersehen hatte. Sie standen hinter mir und ihr Arm streifte mich, als Sie sich vorbeugten, um mir die entsprechende Stelle zu zeigen. Ich spürte Sie dicht hinter mir und atmete Ihren Geruch tief ein, während ich folgsam nickte. Heute darf ich Ihnen gestehen, dass ich die Zeile damals durchaus mit Absicht überlesen habe. Ich wollte Ihnen nahe sein. Das hat mich damals selbst überrascht, denn es war nur einige Monate her gewesen, dass ich noch Angst vor Ihnen hatte. Ja - Sie lesen richtig - ich hatte Angst vor Ihnen.
Mir war schon immer klar, dass Sie ein mächtiger Zauberer sind. Die Tränke sind Ihre Leidenschaft, doch Sie beherrschen so vieles mehr! Und damals war mir bewusst, dass Sie auch über Schwarze Magie verfügten. Zu diesem Zeitpunkt machte mir das Angst. Ich bin sicher, Sie verstehen dies, denn diese Form von Magie hat damals nicht nur kleinen Schülerinnen wie ich es war, Angst eingejagt. Heute sind Sie zweifelsohne immer noch im Besitz dieser Fähigkeiten, jedoch haben Sie bewiesen, dass Sie sie niemals nutzen würden, nachdem der Krieg vorbei ist und Voldemort der Geschichte angehört. Dies ist auch einer der Gründe, die mich so unendlich wütend machen, dass Ihnen so übel mitgespielt wird. Ich weiß nicht, ob es so selbstgerechte Menschen gibt, die Ihnen glauben irgendetwas heimzahlen zu müssen - doch ich bin mir stets bewusst, dass Sie jeden Tag für die Dinge büßen, und Sie eine ECHTE Rehabilitation verdient hätten.
In den letzten Tagen haben mich so viele Gefühle durchflutet, wie lange nicht mehr.
Von unendlicher Enttäuschung, bis hin zum höchsten Höhenflug.
Sie sagen, dass ich Justin noch liebe - Sie sagen, dass ich mich so schnell in keine neue emotionale Abhängigkeit stürzen kann - und Sie haben recht, mit zweiterem auf jeden Fall. Das Gefühl der Liebe kann ich inzwischen nicht mehr empfinden - eher eine Taubheit die alles überlagert.
Dieser elende Kerl hat mich so gedemütigt, dass ich ihm jeden Cruciatus wünschen würde, den ich ohne nach Askaban zu kommen verwenden könnte - da dies leider immer noch kein einziger ist, werde ich mich wohl mit primitiveren Mitteln zufrieden geben müssen, wenn ich ihn jemals in die Finger bekomme. Der Gedanke, dass er mein Denkarium hat, macht mich von Tag zu Tag kränker.
Ich hoffe, dass er bald gefasst wird, damit ich diesen Teil meines Lebens abhaken kann.
Wäre Justin tatsächlich der Mann gewesen, den ich heirate - hätte ich womöglich niemals erfahren, was Sie wirklich mit mir verbindet. Wenn ich diesem widerlichen kleinen Betrüger also für irgendetwas dankbar sein kann, dann wohl dafür.
Ja, ich bin dankbar, dass ich davon weiß, auch wenn ich damit gleichzeitig die schlimmste Nachricht von Ihnen bekommen habe, die ich mir nur vorstellen kann. Nämlich die Tatsache, dass Sie mich aus genau diesem Grunde niemals mehr sehen möchten.
Sollten wir uns durch Zufall dennoch begegnen, so werden wir es als Freunde tun - und nur heute und in diesem Brief möchte ich Ihnen sagen, dass da immer der Gedanke sein wird, wie es hätte sein können, wenn wir uns unter anderen Umständen begegnet wären - wenn ich nicht erst sechszehn gewesen wäre, als auch Ihr Interesse an mir so groß war...wie hätte es sein können?
Keine Antwort auf diese Frage...und Hermine Granger muss sich damit abfinden...keine Sorge...ich werde mich damit abfinden.
Als ich die letzte Fütterung der Tintenflohsterne vornahm, war ich wohl noch etwas in Gedanken. Ehe ich mich versah, saß mir der mit den vielen Blütenblättern am Finger. Ich wollte schon die Augen zukneifen, in Erwartung seines Bisses - aber dann geschah etwas Merkwürdiges. Der Ruhige - der, von dem ich fast das Gefühl habe, dass er mich beobachtet, wurde plötzlich sehr agil. Er sprang auf den Bissigen und zusammen purzelten sie zu Boden, dann trennten sie sich wieder und nun sitzen sie in entgegengesetzten Richtungen im Käfig. Ich weiß noch nicht so recht, was ich davon halten soll, aber ich werde die zwei im Auge behalten. Zudem habe ich die Entdeckung gemacht, dass sich wohl zwei Pärchen gebildet haben - zumindest wenn ich davon ausgehe, dass die mit den feineren Blättern Weibchen sind.
Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, was die weiteren Entwicklungen angeht.
Was mir ein bisschen Kummer macht - obwohl ich weiß, dass es in freier Natur auch vorkommt, ist die Tatsache, dass sich vier überhaupt nicht mehr rühren und wie Blüten eines Baumes an ein Stück Holz geklammert sind. Vielleicht ist es doch so, dass sie zwischen einem Leben als Tier und Pflanze wechseln. Dies könnte auch ihre lange Lebensdauer erklären, da sie zwei verschiedene Organismen haben, die jeweils abwechselnd belastet werden.
Aber dies ist nur blanke Theorie - jedoch mache ich mir Notizen über ihr Verhalten. Wenn St. Mungos meinen Trank doch nicht möchte, kann ich ja immer noch auf Verhaltensforscherin umsatteln.
Diesen Brief nun zu beenden fällt mir so schwer wie lange nicht mehr, denn es bedeutet, dass ich damit meine Chance aufgebe, Ihnen die ganze Wahrheit über meine Gefühle Ihnen gegenüber schreiben zu dürfen - doch ich habe mein Wort gegeben und ich werde es halten, denn eines möchte ich Ihnen versichern...auch ich möchte unseren Briefwechsel auf gar keinen Fall missen!
Ihre Hermine Granger
