23. Juli, Glen Urquhart
Liebe Hermine
Ich wünschte, auch hier würde es regnen und gewittern. Aber stattdessen wird der Druck in der Luft immer stärker, immer bedrückender. Man merkt, daß die Menschen agressiver werden, ohne daß sie es verhindern könnten. Da ich, aus nebensächlichen Gründen, mehr als früher auf meinen Wasserhaushalt achten muß, habe ich heute bereits mehrere Krüge Wasser geleert. Man kann gar nicht so schnell trinken, wie das Wetter dem Körper das Wasser wieder entzieht. Ich hasse den Sommer...
An das elektrische Licht der Pension habe ich mich recht schnell gewöhnt. Auch ich bevorzuge nach wie vor Kerzenlicht, vor allem, wenn es magisch verstärkt ist, aber da ich in den letzten Jahren auf die Verstärkung verzichten musste, habe ich zwangsweise häufig das elektrische Licht dem Kerzenschein vorgezogen.
Seit ich Ihnen geschrieben habe, daß ich wohl der schlimmste Träumer von allen bin, und das ich Träumerei als solche nicht gutheiße, habe ich viel über meine eigenen Träume nachgedacht. Und ich glaube, ich kann meine Träume – und möglicherweise sogar Ihre? – damit rechtfertigen, daß wir bei aller Träumerei trotzdem realistisch bleiben.
Meine Träume sind eher wie ein Buch, das ich mir selbst vorlese. Sie sind ausschweifend, komplex und dem, was man für die Realität halten könnte, nachempfunden. Aber es kommt immer der Punkt, an dem ich das Buch zuschlage und wieder genau weiß, wo ich bin, wer ich bin, wo ich hingehöre, was meine Aufgabe und mein Platz in dieser Welt ist.
Ich frage mich nur manchmal, ob meine eigene, reale Geschichte auch nur eine Art Buch ist, und ob irgendjemand nach dem Ende des Krieges mein Buch zugeklappt und in ein Regal gestellt hat, damit es dort vergessen wird.
Wenn das der Fall war, dann habe ich den Hauch der Hoffnung, daß die neuerlichen Ereignisse – Freispruch, Rückkehr in ein irgendwie geartetes Arbeitsleben, Wiederbenutzung von Magie – und ganz besonders der Briefkontakt mit Ihnen – eine Art zweiter Band sind, der gerade erst geöffnet wurde...
Was die Nähe zu Ihnen durch die Briefe betrifft, empfinde ich ebenso wie Sie. Ihre Briefe liegen, feinsäuberlich, in einer Mappe auf meinem Schreibtisch und gelegentlich hole ich sie hervor und lese sie mir noch einmal durch. Den neuesten trage ich üblicherweise so lange mit mir herum, bis ein neuer Brief angekommen ist.
Sie schreiben, daß dies alles ein Traum sein könnte, der Ihnen hilft, aus dem Alptraum zu entfliehen, der Sie umgibt. Wenn dies der Fall ist, dann will ich all meine Bedenken gegen Träume – wie unrealistisch sie auch sein mögen – beiseite legen und gerne gemeinsam mit Ihnen träumen...
Was meine Träume in den Highlands betrifft, muß ich sagen, daß die Highlands es einem, vor allem im Winter, sehr schwer machen, nicht zu träumen. Der Horizont verschwindet nur an den nebeligen Tagen in der Unendlichkeit, denn selbst wenn der Schnee hoch liegt, bricht doch immer wieder schwarzes hervor, in Form von Bäumen, Sträuchern oder gar zu spitzen Felsen. Aber genau das lässt die Landschaft so surreal wirken, daß man sich zwangsläufig von jedem realen Gedanken entfernt.
Sie frieren schnell? Dann wären Ihre Wanderungen durch die Januar-Highlands kurz, Hermine. Aber sie wären nicht weniger schön. Ich glaube, daß die Stille der winterlichen Hügel selbst sie, zumindest für eine Weile, verstummen lassen würde. Die Stille, die ja durch den Schnee so unendlich intensiviert wird, weil die Akustik sich so stark verändert, jeden Hall verschluckt und aus jedem Klang ein leises, kurzes, verschlucktes Geräusch macht. Intensiver kann man sich selbst kaum empfinden.
Ich habe oft stundenlang auf der Treppe vor der Tür gesessen und einfach nur die Landschaft angesehen. Einen großen Becher Tee in der Hand, in einen dicken Mantel gehüllt, die Wolken des Tees und meines Atems beobachtend. Wie ich schon schrieb, macht einem diese Atmosphäre die Gedanken frei. Ich bekomme nirgendwo soviel Luft wie in den Highlands.
Ich bin allerdings auch mit der Tatsache gesegnet, daß ich praktisch nie friere. Meine Schwester nannte mich in unserer Kindheit oft ihre „Wärmflasche", wenn wir nebeneinander gelegen haben. Lucius Malfoy, mit dem ich aus bekannten Gründen privaten Kontakt hatte, behauptete immer, ich fröre nicht, weil ich selbst aus Eis sei...
Nun, wie auch immer... Fakt ist, daß ich weder eine Wärmflasche noch aus Eis bin und daß auch ich irgendwann einen Punkt erreiche, an dem mir kalt wird. Interessanterweise passiert das immer erst dann, wenn ich jeden vernünftigen Punkt bereits so weit überschritten habe, daß es mir dann sehr schwer fällt, wieder warm zu werden. Als funktioniere das normale Warnsystem des Körpers bei mir nicht. Vermutlich wird mir genauso schnell kalt wie jedem anderen Menschen auch – ich bemerke es nur immer erst zu spät. Was allerdings der Wärmflaschentheorie meiner Schwester widersprechen würde...
Unter den wenigen Dingen, die mir privat geblieben sind, weil ich sie stets bei mir hatte, war eines der ganz wenigen Bilder, die ich damals mit einem Muggelgerät, das ich für Albus ausprobieren sollte, von der Treppe herunter, von meinem Stammplatz aus, gemacht habe. Ich habe Ihnen ein magisches Duplikat des Bildes beigelegt und bin sehr neugierig, ob das Bild den Zauber der Landschaft auch für Sie einfängt, oder ob man da gewesen sein muß, um es sehen zu können. Ich habe gerade in den letzten Tagen oft überlegt, ob ich im Winter noch einmal versuchen soll, das Haus zu öffnen – aber ich habe Angst vor der Enttäuschung, wenn es wieder nicht funktioniert. Vielleicht kann ich einfach nicht in den Windungen denken, die unser alter Schulleiter genutzt hat. Er war halt ein ganz außergewöhnlicher Mann. Ich glaube nicht, daß er das Haus vor mir verschließen wollte, sondern daß ein anderer Schutzmechanismus eingetreten ist, der es nur vor fremdem Zugriff schützen sollte. Ich bin sicher, daß er davon ausgegangen ist, daß ich seinen Schutzzauber löse. Aber da hat mich mein alter Freund leider überschätzt.
Ich vermisse ihn jeden Tag...
Er hat bis zuletzt versucht, mir seine Begeisterung für die hohen Feiertage zu vermitteln, aber er konnte wohl nicht flicken, was lange zuvor zerstört worden war.
Für mich haben Feiertage nichts von Verbundenheit, Frieden und Leichtigkeit, wie auch meine ganze Kindheit viele beschreibende Vokabeln auftauchen lässt – sicher aber nicht die Vokabel „Leichtigkeit".
Sie baten mich, über meine Kindheit zu schreiben. Dies ist dann wohl eine Gelegenheit dazu.
Feiertage waren für meine Familie die Umschreibung der nicht wünschenswerten Tatsache, daß mein Vater Urlaub hatte, wie sich dies ja für einen Familienvater gehört, und dementsprechend zu Hause war. An den Wochenenden konnte man ihm meistens aus dem Wege gehen – nicht aber, wenn er auch wochentags zu Hause war. Er war ein sehr aggressiver und gewaltbereiter Mann und seine Gewaltbereitschaft stieg während der „Feiertage" proportional zu seinem Alkoholpegel. Er war kein Alkoholiker, was er stets durch die Tatsache bewies, daß er wenige Tage vor Ende seines Urlaubs den Alkoholkonsum stoppte, um dann wieder völlig nüchtern seinen Dienst antreten zu können. Er hat nie zu Nüchterungstränken oder ähnlichem gegriffen. Er hat einfach wieder aufgehört zu trinken.
Wäre er alkoholkrank gewesen, hätte ich ihm eventuell verzeihen können...
Er hat seinen Frust über schlechte Bezahlung, ungenügenden gesellschaftlichen Rang und andere Dinge, an seiner Familie ausgelassen und dabei im Jahr bevor ich selbst nach Hogwarts kam im Alkoholrausch in seinem Weihnachtsurlaub meine Schwester Alba erschlagen. Sie war zwei Jahre älter als ich und hatte versucht, sich zwischen ihn und mich zu stellen. Es ist als Unfall tituliert und zu den Akten gelegt worden. Ich habe in der Befragung, die in Gegenwart meines Vaters durchgeführt wurde, nicht gewagt, mich vor den Beamten gegen ihn zu äußern. Die Beamten haben mich als „wohlgeratenen" Sohn gelobt und mit meinen Eltern wieder nach Hause geschickt. Damals habe ich mich dafür verachtet, aber im Laufe der Jahre ist mein Urteil über mich selbst diesbezüglich milder geworden und ich würde heute keinem Kind in der gleichen Situation einen Vorwurf aus seiner Angst machen.
Wo ich gerade bei dieser Stelle angelangt bin, habe ich eine Bitte an Sie, Hermine. Sie leben derzeit in Norwich. Dort befindet sich die Millenium-Library, richtig? Ich kann dort, als Zauberer, ohne Muggel-Ausweis und ähnliches, keine Bücher ausleihen. Aber in der magischen Welt gibt es zu dem Thema das ich suche, keine Informationen. Ich habe im letzten Jahr für ein paar Tage die Eignerin dieser Pension versorgt, eine sehr liebenswerte Dame, die sich, speziell in der Anfangszeit, überaus freundlich um mich bemüht hat, ohne dabei je aufdringlich gewesen zu sein. Sie war letztes Jahr krank und da haben wir für einige Tage einmal die Rollen getauscht und ich habe ihr während der Pflegezeit die Freude gemacht, ihr beim Fernseh-Schauen Gesellschaft zu leisten. Sie liebt dieses Gerät mit seinen bunten Ergüssen. An einem Abend kam spät eine Dokumentation aus dem Real-Bereich der Muggel (also kein Film, sondern angeblich echte Fakten) und dort habe ich erfahren, daß es in der Muggel-Gesetzgebung ein Gesetz gegen den Strafbefund der „Kindesmisshandlung" gibt. Stimmt das? Etwas Vergleichbares existiert in der magischen Welt nicht. Es mag Ihnen jetzt ein wenig abstrus vorkommen, daß ausgerechnet Ex-Professor Snape sich für dieses Thema interessiert, aber ich würde mich gerne darüber informieren, ob man in unserer Welt einen Weg finden kann, ein ähnliches Gesetz auf den Weg zu bringen.
Der „Unfall" meiner Schwester war im Ministerium detailiert als „Unfall bei der Züchtigung im Rahmen der Kindeserziehung" festgehalten worden – was den Magie-Gesetzen vollkommen als Erklärung ausreichte und absolut legal ist. Wäre es Ihnen möglich, mir eventuell Kopien der entsprechenden Gesetzespassagen der Muggel zukommen zu lassen, und vielleicht sogar den einen oder anderen Präzedenzfall?
Aber bevor falsche Eindrücke entstehen: meine Kindheit war kein durchgehender Alptraum, wie es jetzt klingen mag. Mein Vater war üblicherweise nur an den Wochenenden zu Hause und in den Ferienzeiten. In den Freiräumen dazwischen war es recht angenehm, im Hause meiner Eltern Kind zu sein. Mein Vater wurde obendrein nach diesem Vorfall übrigens deutlich „milder". Die seltenen Fälle von häuslicher Gewalt die es danach noch gab, waren nie mehr gegen mich gerichtet. Es hatte ihn offenbar sehr geschockt, was er getan hatte. Meine Schwester wurde nach ihrem Tod in unserem Haus praktisch nicht mehr erwähnt. Man hatte relativ schnell alles entfernt, das an sie erinnert hätte, als habe es sie nie gegeben. Allerdings habe ich Jahre später bei den Unterlagen meines Vaters ein Bild von ihr gefunden, das er wohl heimlich aufbewahrt hatte. Es steht heute in der Hütte im Glen.
Hmmm... was mag für Sie wohl von Interesse sein, was die Kindheit des Severus Snape betrifft? Ich bin in der Umgebung von Liverpool aufgewachsen und war stets sehr stolz darauf, nie den dort vorherrschenden Dialekt gesprochen zu haben – was mir in der Schule allerdings bereits den Ruf des Wichtigtuers einbrachte. Mich hat das in meiner Überzeugung allerdings nur noch bestärkt. Da ich in den ersten vier Jahren – wie es üblich ist – eine ganz normale Schule besucht habe, gemeinsam mit Muggeln, war es fatal, den „modischen" Notwendigkeiten nicht zu folgen. Wir hatten aber weder die finanziellen Möglichkeiten, noch das stilistische Verständnis für die aktuellen Trends. Das war dann wohl der Schlussstrich unter meinen Status als Sonderling. Das machte mir in dieser Schule aber absolut nichts aus. Ich hatte, heimlich natürlich, bei den entsprechenden Gang-Anführern schnell klar gemacht, daß es sicherer war, mich nicht in irgendeiner Form zu bedrohen. Ganz im Gegenteil war es so, daß ich sehr bald die Gangs auch der älteren Klassen hinter den Fassaden sehr gut im Griff hatte. Ich habe dafür gesorgt, daß sie nie ihr Gesicht in Bezug auf mich verloren haben und sie haben mir besorgt, was ich haben wollte.
Nun... vielleicht hätte ich Ihnen so was lieber nicht schreiben sollen? Severus Snape im zarten Alter von sieben Jahren bereits im Hintergrund der Boss über die gefürchtetste Grundschul-Gang Liverpools... Ich bin sicher, daß Ihnen gerade vor Lachen die Tränen die Wangen herablaufen, liebste Hermine.
Ich jedenfalls muß heute noch lachen, wenn ich daran denke, was für Forderungen ich an die armen Kerle gestellt habe! Aber ich habe stets bekommen, was ich wollte.
Diese „schöne" Zeit war natürlich vorbei, als ich nach Hogwarts kam. Dort konnten alle zaubern und jede Form von unerlaubter Magie wurde sofort geahndet. Hier nützte es nicht einmal mehr etwas, daß ich schon zu Beginn meines ersten Jahres weit mehr wusste und konnte, als meine Klassenkameraden. Ich war, zum Teil aus den gleichen Gründen wie anfangs in der Grundschule, der Sonderling – nur daß ich hier kein Mittel mehr in der Hand hatte, das das hätte ändern können.
Lilly Potter war die einzige Schülerin, die ein gewisses Interesse an mir zeigte, weil sie eine leidenschaftliche Zaubertrankbrauerin war und wir schnell begriffen, daß wir in diesem Spiel auf dem gleichen Level spielten. Der Spitzname „Halbblutprinz" stammte übrigens von ihr und hatte sich aus einer Reihe von scherzhaften Anekdoten ergeben, die wir während der gemeinsamen Laborstunden ausgetauscht hatten. Bis ich an diesem schrecklichen Abend von Albus Tod Potter verraten habe, daß es sich um mein Buch handelte, wussten nur Lilly und ich von dem Namen. Er hatte also keinesfalls etwas mit Größenwahn zu tun und zeigte nicht, daß ich mich in irgendeiner Form als „Prinz" bezeichnen wollte – es war nur ein freundlich gemeinter Neck-Name von Lilly Potter...
Auch von ihr steht ein Bild in meinen verschlossenen vier Wänden im Strathfarrar.
Wenn ich recht darüber nachdenke, stammen viele der Dinge, die ich heute aus der Hütte vermisse, aus meiner Kindheit und Jugend. Erstaunlich... ich habe nie darüber nachgedacht... aber es ist tatsächlich so...
Nur wenige Gegenstände und Bilder habe ich in den späteren Jahren hinzugefügt. Ein Bild von Albus... ein Strauß mit getrockneten Kräutern, die mir Remus einmal als Dank für den Wolfsbann-Trank von einer nächtlichen Tour mitgebracht hat. Sie waren gleichzeitig unglaublich schwer zu finden gewesen UND völlig falsch... aber ich fand die Mühe, die er sich gegeben hatte so freundlich, daß ich den Strauß getrocknet und aufbewahrt habe – außerdem riecht er noch immer sehr gut...
Aber ich denke, daß ich nun bereits wieder ausschweifend genug über mich selbst geschrieben habe und mein Blick war gerade wieder auf Ihren Brief gefallen, so daß ich nicht umhin konnte, zum wiederholten Male Ihre Zeilen darüber zu lesen, daß Sie glauben, kein sonderliches Glück in der Liebe zu haben. Sie sind noch so jung, Hermine, Sie haben unglaublich viel Potential, Sie haben keine Vergangenheit, die Ihnen die Zukunft verbauen könnte und Sie haben noch so unendlich viel Zeit!
Aber falls sie partout Sorge haben, Sie könnten Ihren Lebensabend alleine verbringen...Hey! Machen wir es doch, wie die verrückten Amerikaner, die sich einen „Notfallkandidaten" zulegen – wenn wir beide also, sagen wir in... 70 Jahren noch niemanden gefunden haben, dann heiraten wir – wenn wir uns das versprechen, dann brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen, daß wir „leer" ausgehen. Bis dahin sind wir beide unansehlich und stellen diesbezüglich keine Ansprüche mehr. Sex spielt dann ohnehin keine Rolle mehr und wir können uns gemeinsam der Versorgung unserer Zipperlein widmen. Und wenn Sie dann immer noch soviel reden, höre ich vermutlich schlecht genug, daß es mich nicht mehr stört. Ich mochte noch nie tanzen – Sie können es dann nicht mehr – also das klingt doch nach einer perfekten Lösung, oder?
Sprechen Sie über diese Möglichkeit doch einmal mit Ginny – aber seien Sie vorsichtig, daß Sie beide an dem Abend nicht soviel trinken, daß Sie dem Vorschlag zustimmen! Ach, Hermine... es ist so angenehm, Ihnen diesen Unfug zu schreiben. Diese Dinge, Gefühle, Vermutungen, Erinnerungen mit Ihnen teilen zu können. Ja, natürlich, wir haben inzwischen beide begriffen, daß zwischen den Zeilen ein paar Dinge stehen, die dort nicht stehen sollten – aber mir ist das, speziell in diesem Augenblick, wieder einmal völlig egal, denn ich genieße es so sehr, mit Ihnen zu „reden"... Ich denke, daß es Ihnen mit ihrer Freundin Ginny ähnlich ergeht? Über alles reden zu können?
Weiß Ginny von unserem Briefwechsel? Ich halte Mrs. Weasley für eine vertrauenswürdige Person und wäre Ihnen nicht böse, wenn Sie das Bedürfnis gehabt hätten, über die Grenzwertigkeit unseres Briefkontaktes mit ihr zu sprechen. Was jeden anderen Ihrer Freunde betrifft, bitte ich Sie, unsere Briefe vertraulich zu behandeln. Bedenkend, wie privat Ihre Briefe an mich im Gegenzug sind, glaube ich eigentlich nicht, daß ich das überhaupt erwähnen muß, aber ich möchte es trotzdem getan haben. Auf meiner Seite gibt es niemanden, bei dem es Grund gäbe, ihm oder ihr Ihre Briefe zu zeigen oder davon zu erzählen – wodurch meine Verschwiegenheit schon aus rein faktischen Gründen, also aus Mangel an Gelegenheit, gewährleistet ist.
Ich muß übrigens jedes Mal auf eine ganz und gar ungewollte Weise schmunzeln, wenn ich lese, daß der Mann für Sie ein Mann wäre, der es mögen würde, wenn seine Frau die ganze Nacht über einem qualmenden Kessel mit Zaubertränken verbringt... einer der sich selbst für dieses Thema interessiert...
Sie erwähnen das immer wieder...
Was Sie allerdings auch immer wieder erwähnen, ist die Tatsache, daß Ihnen Ihre wiederholten Angriffe auf meine Person leid tun. Hören Sie bitte auf damit. Wenn ich erwähne, daß Sie mich angezündet oder in der Heulenden Hütte ausgeschaltet haben, dann stets in dem Zusammenhang, daß ich Sie dafür bewundert habe! Sie haben ohne Ausnahme aus absolut freundschaftlichen Gründen gehandelt. Daß Ihnen hin und wieder Fakten nicht bekannt waren, dafür konnten Sie nichts. Aber Sie haben NIE einen Angriff auf mich ausgeübt, der allein dem Zweck gedient hätte, mich zu verletzen – körperlich oder emotional.
Und auch Ihr „Geständnis" über die Namensgebung der Tintenflohsterne ist einfach nur wieder... Hermine pur... Hermine – als ich gelesen habe, wie sie die beiden genannt haben, habe ich hier mit offenem Mund gesessen. Ich habe versucht – ich haben WIRKLICH versucht, zu grollen... aber es kommt immer nur dieses etwas misslungene Geräusch dabei heraus, das mir böse Geister als ein leises Lachen interpretieren würden.
So, so... Snape ist also der Bissige, und Severus ist der, der Sie still beobachtet – und Severus passt also auf, daß Snape Sie nicht beißt... Hermine – Sie sollten Theaterstücke schreiben! Und – DOCH – ich unterstelle Ihnen daß es eine Ihrer hysterisch angehauchten Ideen war! Eine ihrer unvergleichlichen, eindeutig überaus weiblich hysterischen Ideen! Diese Namensgebung läuft auf dem gleichen, rein intuitiven Level wie die eine oder andere Bemerkung in Ihren Briefen, die mir direkt unter die Haut gingen, und die Sie im nächsten Satz stets sofort wieder revidiert haben. Zwei Tintenflohsterne mit meinem Namen zu beehren, ist ganz offensichtlich genauso „Bauch"-Sache, wie Ihre Erwähnung über Frühstücke und meine Bekleidung bei meiner letzten Highland-Wanderung.
Hermine, Hermine... Sie sind so sehr ein Bauch-Mensch. Und nichts von dem, was Ihr Bauch Ihnen sagt, schafft es, mich zu verärgern. Zu meinem großen Ärgernis – weil es mangelnde Selbstkontrolle verrät – sogar genau im Gegenteil! Ich bin verwundert – ja. Grenzenlos erstaunt – ja. Ich bin... egal... Aber ich bin nicht verärgert... Ich glaubte während unseres Briefwechsels ein einziges Mal Grund zu haben, verärgert zu sein – aber dieser Irrglaube hat mein Vertrauen in die Hermine die ich nun kennenlernen durfte, so sehr gefestigt, daß sich das Schicksal nun schon wirklich etwas einfallen lassen müsste, um mich davon zu überzeugen, daß Sie keine liebenswerte Frau sind. Und mit diesem „liebenswert" meine ich nicht „nett", sondern liebenswert...
Kommen wir am Ende zu einem unangenehmeren Punkt als über Sie persönlich zu sprechen: Das Denkarium... wenn das Ministerium das Denkarium findet – wovon auszugehen ist – wird das, was sich darin befindet, mit Sicherheit komplett für die Beweisführung verwendet werden.
Aber ich habe eventuell eine Idee, was das Denkarium betrifft. Ich werde in jedem Fall meine Augen und Ohren offen halten, was die Untersuchungen betrifft. Vielleicht habe ich ja jetzt, wo ich ab morgen offiziell im Ministerium arbeite, die eine oder andere Möglichkeit. Und ich hoffe, daß Shipton sich bald bei Ihnen meldet. Vergessen Sie nicht, daß Sie für ihn vermutlich nur ein weiterer Fall von vielen sind. Von seiner Seite gibt es vielleicht keinen Grund für Eile – üben Sie sich also in Geduld.
herzlichst
Ihr Severus
PS.
Anbei die Kopie des Fotos.
... und was, Hermine, wollten Sie mir schreiben, bevor Sie stattdessen nur noch „bis bald" geschrieben haben...?
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Wer das Bild haben möchte, also das "Foto", daß Snape Hermine in dem Brief beigelegt hat - der Blick von der Verandatreppe des Hauses im Glen Strathfarrar auf die Umgebung... der möge uns einfach nur seine Mail-Adresse in der Review hinterlassen und wir schicke es zu.
