28. Juli, London

Liebe Hermine

Der selbe Tag, der selbe Mann, die selbe Welt und doch erscheint es mir, daß sich alles ganz langsam, ohne, daß ich es verhindern könnte, vor meinen Augen auf den Kopf stellt!
Ich sitze hier neben diesem Kessel, kann nichts tun, als in den erforderlichen Abständen etwas hineinzugeben und umzurühren. Und während ich dies tue, steigt alles in mir hoch, was sich seit Tagen immer dominanter in mir aufbaut und gegen das ich nicht ankämpfen kann.
Ich drehe durch, Hermine! Ich werde wahnsinnig mit all den Dingen die geschehen, ohne daß ich einen Einfluß darauf habe! Ich fühle so unendlich viel Wut in mir! Ich will diesen verfluchten Kerl nicht nur zur Rede stellen - ICH will derjenige sein, der ihn befragt! Ich will jedes Quentchen Wahrheit aus ihm herauspressen und ihn danach zerschlagen wegwerfen. Er hat es gewagt, dich anzufassen mit dem einzigen Ziel, dich zu mißbrauchen. Er hat dich besessen, deinen Körper, deine Seele, deine Liebe und all dies einfach nur für seine Mittel benutzt und jetzt, da dies alles offenbar war, da er dich schon so unendlich verletzt hatte, wagt er es erneut, dich anzufassen und dir Gewalt anzutun! DIR! Jedes Mal an deinem Hals erschien mir ein Schrei in mein Gesicht: „Du kannst es nicht verhindern!" Wenn er in diesem Moment im Raum gewesen wäre, Hermine, ich hätte ihn umgebracht...
Hermine, ich brenne. Mein Geist schreit nach Gerechtigkeit und meine Seele bettelt um Frieden. Jedes noch so offene Wort an dich scheint doch nur wieder ein Schleier zu sein, durch den ich hindurchspreche. Dünner von mal zu mal - aber dennoch verhüllend. In all den Briefen habe ich es nicht fertiggebracht, dir in aller Deutlichkeit zu sagen, was zu sagen ist. Immer wieder habe ich neue schöne oder weniger schöne Umschreibungen gefunden. Aber angesichts dessen, was ich vorhabe, ist es mehr als an der Zeit, daß ich es ohne Umschweife, ohne Umschreibungen endlich sage: Ich liebe dich, Hermine! Ich habe es schon getan, als wir noch in Hogwarts waren, ich tue es immer noch und ich kann und WILL es gar nicht ändern!
Ich erwarte nicht, daß du diese Liebe erwiderst. Du gibst mir bereits soviel mehr, als ich zu hoffen gewagt hätte, aber es reicht nicht aus - es reicht nie aus...
Ich wollte dich loswerden, weil ich Angst vor dir habe. Ich wollte die Erinnerung an dich mitsamt dem Haus verbrennen, aber du hältst mich, ohne daß du es weißt, fest und ich komme nicht los von dir.
Es ist so lächerlich, daß alle Welt Angst vor mir hatte oder sogar noch hat. Ausgerechnet vor mir... dem größten aller Feiglinge! Ich habe Angst vor der Frau, die ich liebe, weil ich sie liebe! Ich scheue jeden Vergleich, mir wird übel, wenn ich daran denke, was du alles über mich erfahren könntest, die Erkenntnis daß ich bereits erbebe, wenn ich mir nur vorstelle, du könntest mich berühren, läßt mich ahnen, wie laut du darüber lachen würdest, wenn du feststellen könntest, wie ich reagiere, wenn du wirklich deine Hände auf mich legst.
Als mir in London ganz langsam bewußt wurde, was ich im Glen getan hatte, bin ich vor Verzweiflung beinahe durchgedreht. Und weißt du, was ich getan habe, als ich gesehen habe, daß das Haus noch steht? Daß das Bild noch da ist? Daß es die Briefe noch gibt? Ich habe geheult wie ein Schloßhund! Das erste Mal in meinem Leben! Habe da allein inmitten der Highlands vor dem Haus gestanden, vor dem einzigen Fleck der einem zu Hause für mich nahekommt, und geheult, bis mich meine eigenen Beine nicht mehr getragen haben und ich auf die noch regennasse Erde niedergesunken bin.
Hermine, jeder Grund den ich von meiner Seite aus dafür heranziehe, daß eine Beziehung zwischen mir und dir unmöglich, verboten, verwerflich, nicht denkbar ist, ist ausgedacht! Jeder einzelne Grund ist ein Anker, an dem ich meinen Verstand festgemacht habe, weil ich beziehungsunfähig bin! Ich kann lieben, sehr sogar - aber meine Liebe hat Alba getötet, meine Liebe hat Albus getötet und ich würde Dinge tun, um zu verhindern, daß dir meinetwegen ähnliches geschieht, die dich von mir wegtreiben würden.
Ich habe unendliche Angst, daß ich dich dadurch verliere, daß ich versuche, dir näher zu kommen. Und dich zu verlieren, könnte ich nicht ertragen.
Ich kann ertragen, von dir, auf diese „spezielle" Weise gemocht, aber nicht geliebt zu werden - aber ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn du wieder ganz aus meinem Leben verschwindest.
Deshalb ziehe ich meine Frage aus meinem letzten Brief zurück, die ich ohnehin nur gestellt habe, in der Hoffnung, daß du den Kontakt behalten möchtest und es dann noch einmal konkret schreibst. Stattdessen bitte ich dich von ganzem Herzen, meine Liebe anzunehmen, für die ich nichts im Gegenzug fordere, und mich über unsere Briefe an deinem Leben teilhaben zu lassen.

In Liebe
Severus