31. Juli, Glen Strathfarrar

Meine geliebte Hermine,

entschuldige, daß ich mich, trotz deiner Bitte, nicht früher gemeldet habe, aber die Ereignisse des Tages waren... gelinde gesagt – aufregend und nachdem ich hier wieder angekommen war, bin ich fast augenblicklich auf dem Sofa eingeschlafen.

Nachdem ich mich, nach einer fürchterlichen Nacht, heute morgen noch vor der Arbeit zu einem Medizauberer begeben habe, haben sich die Ereignisse überschlagen. Nun ja... eigentlich hat sich nur ein einziges Ereignis überschlagen – dies aber richtig.

Kurz vorab, weil dir danach sowiso nicht mehr der Sinn danach stehen wird, zu fragen, wie es mir geht: der Besuch des Medizauberers hat ergeben, daß ich, medizinisch gesehen, paradox auf ein Mittel reagiert habe, das üblicherweise an Patienten verabreicht wird, um psychologische Zauber einfacher bei ihnen anwenden zu können – oder anders gesagt: das, was ich da, wann und wo auch immer, eingenommen habe, hätte normalerweise bewirken sollen, daß meine Körpertemperatur ansteigt und mein Geist in einem so überzogenen Maße wacher wird, daß er dadurch auch „offener" wird. Stattdessen ist meine Temperatur drastisch gesunken, ich bin dauermüde gewesen und vermutlich hat mein Geist sich gegen jedes Eindringen von außen verstärkt. Oder noch anders formuliert: es hat mir irgendwer, irgendwie ein Mittel verabreicht, das ganz offenbar dazu dienen sollte, meine geistigen Barrieren zu schwächen, so daß es leichter ist, in meine Gedanken einzudringen! Wer das war und warum, werde ich herausbekommen – aber das ist nicht das, was es heute zu schreiben gibt.

Das, was heute geschrieben werden muß, ist um ein Vielfaches – unangenehmer... Sollte Harry bereits bei dir gewesen sein, weißt du es unzweifelhaft schon – ich hoffe allerdings, daß er sich noch nicht hat blicken lassen, so daß ich es dir in schriftlicher Form erzählen kann, was sicherlich angenehmer ist, als einem von uns gegenüberzustehen, wenn die Geschichte ans Licht kommt.

Es ist so überaus peinlich...

Harry hat mich heute in meinem Büro aufgesucht, um mich zur Rede zu stellen. Er ist wohl direkt von dir ins Ministerium gegangen.

Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, daß er zu mir kommt!

Es steht jetzt auf jeden Fall fest, daß es ein paar beleidigende Worte für mich gibt, die du bisher noch nicht gefunden hattest. Allerdings waren meine Ausdrücke, soviel muß ich fairerweise sagen, auch recht... farbenfroh...

Er hat mich beschuldigt, deine derzeitige emotionale Verfassung auszunutzen und ich solle meine Finger von dir lassen. Meine Erklärungen, daß es bisher kein Treffen zwischen uns gegeben habe, das ein „Hand anlegen" überhaupt möglich gemacht hatte, stutzte er eindeutig. Ich weiß nicht, ob du es ihm nicht gesagt hattest, oder ob er es dir schlicht nicht geglaubt hatte, aber er war davon ausgegangen, daß wir uns regelmäßig sehen.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich noch der Schreibtisch zwischen ihm und mir...

Als seine Mutmaßungen über die Gründe meiner Annäherung an dich immer wilder und abstruser wurden und er immer wieder betonte, daß es sich auf meiner Seite nicht um Liebe, sondern lediglich um frisch aufgekeimte perverse Geilheit auf eine jungen Hexe handele, habe ich ihm irgendwann entgegengeschrieen, wie lange ich bereits diese Gefühle für dich habe – was wenig hilfreich war, weil ich damit in seiner Wortwahl sofort vom dreckigen Bastard zum pädophilen Bastard mutierte.

Es gibt Grenzen, die auch Harry Potter nicht überschreiten sollte – und so war der Schutzwall Schreibtisch plötzlich nicht mehr zwischen uns, weil wir irgendwie, ohne es bemerkt zu haben, an der Seite vorbei, aufeinander zugegangen waren.

Ein Wort gab das andere. Er zog seinen Zauberstab. Ich fauchte ihm entgegen, ob er meine, daß er inzwischen in der Lage sei, mich in einem magischen Duell fertigzumachen, woraufhin er seinen Zauberstab in die Ecke warf und mit den Worten „Dafür brauche ich keine Magie" ausholte und zuschlug...

Der Schlag hatte mich so unvorbereitet getroffen, daß ich meinen eigenen Zauberstab verlor... und anstatt ihn mir mir einem „accio" wiederzuholen... ebenfalls ausholte und zurückschlug.

Es ist so peinlich... so absolut entwürdigend... aber es ist nun einmal passiert.

Wir haben uns geprügelt wie die Kesselflicker und es ist etliches in meinem Büro zu Bruch gegangen.

Ich habe mich, meine Verfassung bedenkend und die Tatsache, daß ich zwanzig Jahre älter bin als er, zwar relativ lange gehalten, aber letztendlich war ich dem durchtrainierten Quiddich-Spieler und Aurorer in dieser Prügelei natürlich unterlegen.

Wir sahen beide nicht mehr besonders gut aus, als der Kampf endete. Blutige Nasen und aufgeschlagene Lippen – beide. Ich auf dem Rücken auf dem Boden liegend, Harry auf mir draufsitzend, beide nach Luft ringend und uns anfunkelnd.

Ich weiß nicht genau, was dann passiert ist, aber ich habe für einen Moment zu meiner Ruhe zurückgefunden, trotz der völlig entwürdigenden Lage – vielleicht weil sie so skurril war, daß sie irgendwie unwirklich erschien – oder ich hatte das Gefühl, daß es nun auch nicht mehr schlimmer werden konnte – was auch immer es war, ich konnte auf jeden Fall ruhig erklären, daß ich mir die Gefühle für dich sehr lange verboten habe und daß ich mich nie in der Absicht bei dir gemeldet hatte, das zu bewirken, was geschehen ist.

Und da hat er mich plötzlich anders angesehen als vorher. Irgendwie bestürzt, als erkenne er etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Und er fragte mich „Sie lieben Sie wirklich, oder?"

Ich habe als Antwort seine Hand gegriffen und sie mir an die Schläfe gelegt. Er hat es sofort verstanden und gehandelt. Ich habe ihn nur einige wenige, schnelle Bilder sehen lassen, aber die schienen ihm ausgereicht zu haben und als ich ihm leise sagte, daß ich dich mehr liebe, als mein Leben, und das nicht erst seit zwei Wochen, ließ er von mir ab und half mir hoch.

Er war offenbar sehr verwirrt und sah mich immer wieder sehr merkwürdig an, bevor er mir sagte, daß er nicht gedacht hätte, daß ich so empfinden könne und daß er noch eine Weile brauchen würde, um das ganz und gar zu verstehen, daß er es aber versuchen wolle.

Es war natürlich alles andere als ein Kompliment – aber ich habe verstanden, was er meinte.

Und wir waren uns einig, daß wir miteinander klarkommen müssen, weil keiner von uns auf dich verzichten möchte und kann.

Ich glaube nicht, daß du Harry als Freund verlieren wirst.

Die Frage ist nur, ob du uns nach diesem unfassbar kindischen Auftritt überhaupt noch haben willst.

Ich liebe dich – auch mit blauem Auge und blutiger Nase... und, wie ich verschämt zugeben muß, in der schmunzelnden Gewissheit, daß Harry genauso aussieht...

Ich liebe dich so sehr, daß ich mich für dich sogar zum Trottel mache – was ist nur aus mir geworden...

Und wie seltsam ist es, daß ich trotzdem so glücklich bin!

Ich hoffe sehr, daß du mir verzeihen kannst, daß ich mich so benommen habe.

Ich liebe dich

Dein Severus