Childress, Texas

Jack lag auf der Couch im Wohnzimmer, eine halbe Flasche Whiskey neben sich und Lureens Körperduft auf seiner Haut. Sie hatten miteinander geschlafen. Er wusste nicht mehr wie es dazu kommen konnte. Er wusste nur noch, dass er über sie hergefallen war wie ein Wahnsinniger und mit jedem Stoß, den er ihr versetzt hatte, an Ennis gedacht hatte. Lureen hatte sich danach wortlos umgedreht, die Decke über die Schultern gezogen und das Licht gelöscht.

Er ahnte, dass sie sich in den Schlaf weinte und er konnte es nicht ertragen. Wieder einmal hatte er sie betrogen, wieder einmal hatte er Ennis betrogen.

Er ging ins Wohnzimmer, um die ganzen letzten Stunden und die letzten Wochen zu ertränken. Getrunken hatte er immer schon aber in den letzten drei Wochen war es wirklich schlimm. Er wusste, dass auch in der Stadt mittlerweile über ihn geredet wurde. Bei der letzten Landmaschinen-Ausstellung vor zwei Wochen war er auf den abendlichen Welcome-Partys regelmäßig sturzbetrunken gewesen und einmal hatte er einen der Aussteller aus Austin versucht anzubaggern. Erinnern konnte er sich daran nicht. Aber L.D. Newsome hatte dafür gesorgt, dass ihm der Vorfall ins Hirn eingebrannt wurde. Seine ätzenden Bemerkungen am nächsten Tag und seine wiederholten Angebote, dass er ihm Geld geben würde, wenn er endlich aus der Stadt verschwinden würde, halfen mit, dass sich Jack noch erbärmlicher fühlte. Ihm wurde ihm schlecht.

Stöhnend lief er ins Badezimmer und übergab sich. Sein Leben war eine einzige Hölle und er wusste sich einfach nicht mehr zu helfen.

Ennis Abfuhr schmerzte ihn, schmerzte ihn mehr, als er je für möglich gehalten hatte. „Ennis, Du Hundesohn!", flüsterte Jack und lehnte sich erschöpft an die Kloschüssel. „Wenn ich nur wüsste, wie ich von Dir loskomme."

Er krümmte sich, schlurfte ins Wohnzimmer zurück und ließ sich aufs Sofa fallen.

In drei Tagen würde er Ennis treffen und er hatte noch keine Entscheidung getroffen, ob er hinfahren würde. Selbstverständlich war mit Lureen alles abgesprochen und natürlich hatte er seine Tasche auch schon gepackt. Aber bei dem Gedanken daran, Ennis wieder zu sehen, bekam er Angst. Angst vor der nächsten Trennung, Angst vor den Wochen, die dann folgen würden, Wochen voller Sehnsucht und Qual, Angst vor den vielen einsamen Stunden, Angst vor den Schuldgefühlen Bobby und Lureen gegenüber, weil er wieder monatelang unausstehlich sein und wie ein Zombie durch die Gegend laufen würde. Je länger er mit Ennis zusammen war, je älter er wurde, umso schlimmer wurde es. Mehr und mehr überkam in das Gefühl, sein Leben rinne durch seine Hände und mittlerweile war es ihm egal, ob er sich morgen zu Tode saufen würde oder nicht.

Mit Ennis Absage für eine gemeinsame Zukunft war das letzte bisschen Hoffnung, das letzte bisschen Selbsterhaltung abhanden gekommen und er ließ sich treiben. Es war ihm einfach alles so egal.

Tränen liefen über seine Wangen, Jack merkte es nicht.

In drei Tagen würde er Ennis wieder sehen und er wusste genau, dass allein Ennis Anwesenheit, ihn mürbe machen würde. Ihm war ihm klar, dass die Woche, die vor ihnen lag, das Paradies auf Erden sein würde. So war es immer. Sie sahen sich monatelang nicht, kamen für ein paar Tage zusammen und es passte. Sie waren wie Jing und Jang. Sie verstanden sich ohne Worte, konnten gemeinsam lachen, liebten sich bis zur Erschöpfung und fingen wieder von vorne an. Bei dem Gedanken an die wenigen gemeinsamen Nächte, die sie bisher verbracht hatten, verspürte Jack ein Sehnen in seinen Lenden, ein erwartungsfrohes Kribbeln im Bauch – und er wusste in dem Moment, er würde hinfahren. Und wenn es das letzte Mal sein sollte, er musste Ennis sehen.

„Scheiße", nuschelte Jack aus tiefster Seele, drehte sich um, nahm die Whiskey-Flasche in seinen Arm und schlief ein.