Drei Tage später irgendwo in Wyoming

Ennis parkte seinen Wagen auf dem Schotterparkplatz. Jacks Auto stand schon da, Ennis war wie immer etwas spät dran. Er schulterte seinen Rucksack und ging auf die Suche nach Jack. Sein Angelzeug hatte er diesmal zu Hause gelassen.

Er überquerte den Parkplatz und ging – wie abgesprochen – in Richtung Süden. Sie hatten einen einsamen Platz an einem kleinen See ausfindig gemacht. Hoffentlich abgeschieden genug, dass niemand sie dort entdecken würde.

Die Sonne stand schon schräg am Himmel, er musste sich beeilen, wenn er noch vor Einbruch der Dämmerung an ihrem Treffpunkt ankommen wollte.

Ennis holte weit aus. Eine tiefe Ruhe überkam ihn, wie immer wenn er Natur um sich herum hatte und die Anwesenheit von Menschen nicht fürchten musste. Genau die richtige Umgebung für ihn, um sich mit Jack zu treffen. Nach einer halben Stunde sah er den See zwischen den Bäumen schimmern. Er ging schneller und dann sah er ihn.

Jack saß am See, blickte gedankenverloren aufs Wasser. Ennis blieb stehen. Jack sah müde aus. Seine Schultern waren eingesunken. Schuld wallte in Ennis auf und gleichzeitig verspürte er beim Anblick von Jack eine tiefe Zuneigung. Leise ging er auf ihn zu.

„Hallo, Cowboy", sagte er leise.

Jack drehte sich um, ohne aufzustehen. „Ennis, dachte schon, Du kommst gar nicht mehr. Haste Dich verfahren?" Ennis schüttelte den Kopf. Jack machte nicht den Eindruck, dass er ihn herzlicher begrüßen wollte und das verunsicherte ihn.

„Hatte noch was zu erledigen, Kumpel. Tut mir leid, dass Du warten musstest." Jack zog eine Augenbraue hoch. „Ist schon ok."

Ennis setzte sich neben Jack. „Siehst müde aus." „Bin sechzehn Stunden gefahren, Ennis. Was glaubste, wie Du dann aussiehst, hm ?" Beide schwiegen.

„Verdammt, Ennis, warum bist Du zu spät gekommen? Wir haben so wenig Zeit und dann kommst du zu spät. Ich hatte gehofft, wir können heute noch mit den Pferden weg." Ennis hörte Jacks Frust und wollte ihm gerade antworten, als Jack ihn fragend anblickte. „Wo sind die Pferde Ennis, he?" „Hab sie nicht mitgebracht, Kumpel."

„Wieso nicht? Is was mit Deinem Auto? Sind die Pferde nicht ok?" Jack wirkte beunruhigt. Als Ennis nichts sagte, wandte er sich entnervt ab. „Himmel Ennis, sprich doch endlich. Der ganze Trip hier wird ja immer schlimmer. Erst kommste zu spät, dann bringste die Pferde nicht mit. Fehlt bloß noch, dass Du die Angel vergessen hast." Ennis schnaubte und lachte leise. „Jack, wir haben in den letzten zehn Jahren die Angel nicht ein einziges Mal benutzt. Du kannst eh nicht stillsitzen, wie willste denn da die Fische anlocken, he?"

Wieder schwiegen beide. Nach einer Weile räusperte sich Ennis. „Jack, wegen neulich ... uh ... ich wollte Dir sagen – also .., es tut mir leid!"

Jack blickte ihn an. „Leid tut es Dir? Es tut Dir leid? Das ist alles, was Du dazu zu sagen hast? Scheiße Ennis, Du hast mir meine Seele entrissen, mein Herz gebrochen – und alles, was Du dazu zu sagen hast ist, dass es Dir leid tut?" Jack stand auf. „Ennis, ehrlich gesagt, ich bin in einer verdammt schlechten Verfassung. Steck Dir Dein Mitleid sonst wo hin. Es interessiert mich nicht. Ich habe die ganzen letzten Wochen damit zugebracht zu überlegen, ob ich heute überhaupt komme. Und wenn ich mir den bisherigen Verlauf unseres Treffens anschaue, dann wäre ich besser in Childress geblieben und hätte mich zu Tode gesoffen. Ich hab die Schnauze voll – ich hau mich hin." Ohne Ennis noch eines Blickes zu würdigen, drehte er sich um und ging ins Zelt.

Ennis saß wie versteinert da. Noch nie hatte eine Begegnung zwischen ihnen mit einem Streit begonnen und es ging ihm durch und durch. Wieder verspürte er das Ziehen in der Brust und er sehnte sich nach einem Schluck Whiskey. Aber er hatte seinen Proviant noch im Auto und Jack wollte er im Augenblick nicht fragen.

Er blieb sitzen und hörte, wie Jack sich im Zelt auszog, den Reißverschluss seines Schlafsacks aufzog und in die Hülle kroch. Stille senkte sich über ihre kleine Enklave. Nach einer Weile meinte Ennis, Geräusche aus dem Zelt zu hören. Es klang wie unterdrücktes Weinen.

Ennis blieb das Herz stehen. Das konnte doch nicht sein ! Leise stand er auf und ging zum Zelt. Vorsichtig öffnete er die Plane und kroch ins Zelt. „Jack", flüsterte er. „Cowboy, was ist los?" Jack drehte sich weg. „Hau ab Ennis, lass mich in Ruhe."

Ennis zögerte. Schließlich zog er sich die Schuhe und seine Jacke aus und legte sich neben Jack. Sanft legte er seinen Arm um Jack und schmiegte sich an ihn. Er spürte, wie Jack sich versteifte. „Hey, Kumpel, entspann Dich, ok?" Zart strich er mit seiner Hand über Jacks Kopf, streichelte seine Wange und küsste seinen Nacken. Langsam fuhr er mit seiner Hand über Jacks Rücken, massierte seine verkrampften Muskeln. Seine Sinne waren bis aufs äußerste geschärft. Er nahm Jacks Geruch in sich auf, atmete ihn tief ein und drängte sich fordernd an seinen Rücken. Deutlicher fuhr er mit den Händen am Rücken entlang, über Jacks Hintern und tastet sich langsam nach vorne vor. Er spürte Jacks Erregung und beugte sich über ihn, um ihn zu küssen. Jack sah ihn aus dunklen Augen an, zögernd, ängstlich.

„Was ist Cowboy?" fragte Ennis zärtlich. „Brauchste ne extra Einladung?"

Hilflos nickte Jack. Ennis stöhnte leise auf, umfasste Jacks Kopf mit beiden Händen und presste seine Lippen auf Jacks Mund. Er schmeckte Salz von Jacks Tränen, Whiskey und einen leichten Nachgeschmack der letzten Zigarette. Tief drang er mit der Zunge vor, fordernd, drängend, knabberte an Jacks Lippen, umspielte seinen Mund, wanderte mit der Zunge von Jacks Ohr den Hals entlang, Jacks Duft einatmend. Aphrodisierend. Ennis Herz schlug schneller, seine Bewegungen wurden drängender, leise stöhnend zog er den Schlafsack weg, nestelte an Jacks Pyjamaknöpfen. „Himmel, Cowboy", murmelte er. „Was haste Dir das Scheiß-Ding überhaupt erst angezogen."

Ungeduldig riss er am Stoff, die Knöpfe sprengten ab und Jack lag nackt vor ihm. Sein Oberkörper schimmerte im Mondlicht. Ennis beugte sich über Jack, streichelte seinen Bauch und seine Brust. Fasziniert beobachtet er das Muskelspiel, als Jack sich leise stöhnend unter ihm wand, mitgetrieben von Ennis Leidenschaft. Jack hatte die Augen geschlossen und ergab sich Ennis Liebkosungen. Ennis beugte sich wieder über Jack. „Jack, bitte küss mich", bat er ihn flüsternd. Jack öffnete die Augen. Sein Blick heftete sich an Ennis, verschleiert vor Leidenschaft. Er sah Ennis an und entdeckte in seinem Blick eine tiefe Zärtlichkeit, als dieser ihn lächelnd ansah.

Ein überwältigendes Gefühl erfasste Jack. „Verdammt soll ich sein", dachte er. „Dieser Mann ist mein Leben und mein Tod."

Er setzte sich auf, umschlang Ennis mit seinen Armen, drückte ihn an sich, streichelte ihn und beugte seinen Kopf, um Ennis Mund zu empfangen. Wild trafen sie sich, verzweifelt klammerten sie sich aneinander, tief drangen ihre Zungen ein, ihre Hände umklammerten sich. Wie Ertrinkende hielten sie sich aneinander fest.

„Jack", murmelte Ennis „Jack, fuckin' Twist". Aufschluchzend suchte er wieder Jacks Mund. Küssend ließen sie sich fallen, so dass Jack nun auf Ennis lag. Irgendwie konnten sich beide von den restlichen Kleidungsstücken befreien. Hemmungslos fielen sie übereinander her, getrieben von dem einzigen Wunsch, die Einsamkeit der letzten Wochen vergessen zu machen – zumindest für ein paar Stunden.