Ennis verstummte. Sein Gesicht war tränenverschmiert, sein Blick ausdruckslos. Schwer atmend blickte er auf den Boden.
Jack blickte ihn fassungslos an und wusste nicht, was er sagen sollte.
Er hatte Angst, Ennis zu berühren. Er wusste, dass Ennis in emotionalen Situationen aggressiv reagieren und jegliche Zuwendung und jeglichen Trost wild von sich weisen würde. Eine solche Auseinandersetzung wollte er in jedem Fall vermeiden.
Und er fühlte sich schuldig. Ennis hatte seinetwegen eine Entscheidung getroffen – mit furchtbaren Auswirkungen: seine Mädchen waren vorerst unerreichbar, er hatte keinen Job mehr, kein Geld – und McGill wusste von Ennis' Neigungen. Ennis konnte nicht mehr zurück in sein altes Leben. Jack schauderte als ihm klar wurde, dass sein winziger Funken Hoffnung in einer Katastrophe für sie beide enden würde, wenn Ennis der Preis für die gemeinsame Zukunft zu hoch war.
„Ennis", flüsterte Jack schließlich. „Ennis, wann ist das alles passiert?" „Heute morgen, Jack" stammelte Ennis mit tonloser Stimme. Er stöhnte auf, hielt sich seinen Bauch und stürmte aus dem Zelt. Jack hörte sein Würgen und Schluchzen und wagte nicht sich zu rühren.
Erst als Ennis verstummte, ging er leise zu ihm, hockte sich neben ihn und nahm in sanft in den Arm. Ennis ließ es geschehen und zu Jacks Fassungslosigkeit gesellte sich ein Gefühl tiefen Erstaunens als er merkte, dass Ennis sich fallen ließ, hilflos an ihn klammernd.
Beschützend schlang er die Arme um Ennis, wiegte ihn behutsam hin und her und murmelte leise unzusammenhängende Wörter – einfach nur, um etwas zu sagen von dem er hoffte, dass es Ennis beruhigen würde.
Und so hockten sie in der sternklaren Nacht und hielten sich gegenseitig fest.
„Ennis", wisperte Jack nach einer Weile. „Lass uns ins Zelt zurück gehen, ok?" Ennis nickte nur und stand auf. Doch bevor er Jack ins Zeltinnere folgte, ging er zum See, ließ sich am Ufer nieder, spülte seinen Mund mit Wasser aus, trank ein paar Schlucke und wusch sein Gesicht mit kaltem Wasser ab. Er schauderte.
Jack beobachtete ihn aus der Entfernung, sah wie das Mondlicht seinen Rücken silbrig schimmern ließ, erfreute sich an dem Spiel der Muskeln – und wäre am liebsten über ihn hergefallen, um ihn dort und auf der Stelle zu nehmen.
In diesem Augenblick drehte Ennis sich um. Ihre Blicke trafen sich, über die Entfernung, versanken ineinander. Ennis ging langsam auf Jack zu und blieb dicht vor ihm stehen.
Seine Augen leuchteten, seine Haut glühte. Sanft nahm er Jacks Gesicht in seine Hände und streichelte mit den Daumen Jacks Wangen, strich zart über Jacks Lippen und beugte sich zu ihm.
Jacks Knie wurden weich und er musste sich an Ennis festhalten, um nicht zu straucheln.
Atemlos sah er Ennis an, tatenlos gebannt in dieser intimen Situation. Er hatte Ennis noch nicht so sanft und zärtlich erlebt, noch nie war Ennis so behutsam mit Jack umgegangen.
„Jack", flüsterte Ennis mit rauer Stimme. „Mein Tag war unglaublich beschissen. Mein Leben liegt in Trümmern vor mir. Das einzige, ich schwör's bei Gott, das einzige, was mich heute aufrecht erhalten hat, war der Gedanke, Dich wieder zu sehen, und Dir zusagen, dass ich ... dass ich Dich ..."
Ennis stockte und blickte zu Boden.
Jack wagte nicht zu atmen und streichelte sanft Ennis Rücken, um ihn zum Weitersprechen zu ermutigen. Ennis vergrub sein Gesicht in Jacks Haaren und hielt in fest an sich gedrückt.
„Jack", wisperte er so leise, dass Jack es kaum hören konnte. „Ich bin hier, weil ich Dir sagen möchte, dass ich Dich liebe und ich bin hier, weil ich Dir sagen möchte, dass ich ‚ja' sage."
Jack blickte Ennis lächelnd an, in seinen Augen schimmerten Tränen. Er umfasste Ennis Kopf mit beiden Händen, sanft erst, dann zog er ihn heftig zu sich hin und küsste ihn mit einer Leidenschaft, die ihrer beider Herzen sprengen und sie in dieser Nacht noch lange nicht schlafen ließ.
