Jack erwachte im ersten Morgengrauen und wusste nicht wo er war. Langsam versuchte er, sich zu orientieren, verwirrt, dass nicht wie sonst ein alkoholdurchtränkter Nebel sein Bewusstsein umhüllte. Und dann kam die Erinnerung wieder. Die letzte Nacht, die hemmungslose Leidenschaft, Ennis. Ein Traum. Ein wundervoller Traum. Er stöhnte lustvoll auf.
„Gib Ruhe Cowboy, is noch zu früh", grummelte es neben ihm und ein Arm legte sich schlaftrunken auf seine empfindlichste Stelle. Jack zog die Luft ein und war schlagartig hellwach. Ennis war tatsächlich da, es war kein Traum gewesen!
Jack drehte den Kopf. Ennis lag dort, wieder selig schlafend. Jack blickte ihn an, sah Ennis dunkelblonde Haare, die sich an den Ohren leicht lockten, die Augenbrauen, sonst immer misstrauisch gerunzelt, nun im Schlaf entspannt, von einzelnen grauen Härchen durchzogen, seine langen blonden Wimpern, und die ersten kleinen Fältchen, die sich in den Augenwinkeln zeigten, sein Mund – sonst immer etwas verkniffen und verbittert – im Schlaf lächelnd.
Jack stellte sich vor, wie dieser Mund ihn in der letzten Nach geküsst, ihn animiert und angeregt hatte – und ein erregtes Kribbeln fuhr in Wellen durch seinen Körper.
„Lass ihn schlafen", dachte er. „Genieß den Anblick und denk Dir was schönes dabei, aber lass ihn schlafen ... lass ihn schlafen ... lass ihn ..." „Ach Scheiß drauf – schlafen kannst Du im nächsten Leben" murmelte Jack in Ennis Ohr und ehe er wusste, was er tat, küsste er Ennis sanft auf den Mund.
Keine Reaktion.
Er küsste ihn wieder.
Keine Reaktion.
Er küsste ... Himmel ! Jack wusste nicht, wie ihm geschah, als Ennis ihn plötzlich packte und ihn – immer noch schlaftrunken – auf den Rücken drehte, sich auf ihn legte, seinen Körper drängend an ihn presste und ihm die Lunge aus dem Leib küsste. „Ennis", keuchte Jack nach einer Weile. „Ich wusste nicht, dass Du ... also ... Verdammt ... nimm mich mit ... so war das nicht ... ich wollte doch bloß ... oh, die Uhrzeit muss ich mir merken ..." konnte er nur noch unzusammenhängend stammeln.
„Jack, halt die Schnauze, ich hasse Geplapper am frühen morgen", flüsterte Ennis mit vor Erregung heiserer Stimme. Jack lachte leise und tat, was Ennis wollte.
Einige Stunden später und um einige Erfahrungen und Freuden reicher, saßen Ennis und Jack einträchtig nebeneinander am Lagerfeuer und genossen die morgendliche Stimmung am See.
„Jack," sagte Ennis nach einer Weile. „Wie geht es jetzt weiter, hm?"
„Tja, schätze, wir werden hier noch ein bisschen sitzen, uns unterhalten, was soviel heißt wie „Ich-rede-und-du-hörst-zu", und wenn uns die Lust überkommt, weil wir beide so unwiderstehlich sind, werden wir uns die Seele aus dem Leib vögeln. Herrliche Vorstellung...!", sagte Jack und blickte Ennis träumerisch lächelnd an.
„Jack", murmelte Ennis und eine leichte Röte überzog seine Wangen. „DAS habe ich nun nicht gemeint. „Nein? Dann präzisiere Deine Frage, Ennis", sagte Jack, leise in sich hinein lachend.
„Ich meine ... uh ... also, was werden wir tun, wenn wir von hier wegfahren?"
„Ach so, daran hast Du gedacht", sagte Jack mit gespielter Enttäuschung.
„Tja, schätze, ich hab da noch ein paar Dinge in Childress zu klären", sagte er eine Weile später und blickte Ennis ernst an. „Bin's Lureen und Bobby schuldig. Muss auf jeden Fall noch mal hin. Was ist mit Dir? Haste noch privaten Kram in Riverton?" Ennis nickte.
„Tja, dann sieht das wohl so aus, dass wir gemeinsam nach Riverton fahren, Deine Sachen holen. Ich fahre dann nach Childress und wir treffen uns irgendwo in der Mitte und schauen, wo wir bleiben können."
Ennis blickte Jack stirnrunzelnd an. „Jack, brauchst nicht mit nach Riverton kommen. Denke, ist besser, wenn ich alleine fahre." Jack blickte Ennis prüfend an und schüttelte den Kopf.
„Nein, Ennis. Ich werde mit Dir mitkommen. Von hier sind es nur ein paar Stunden Fahrt und ich möchte nicht, dass Du alleine fährst, nach allem, was dort passiert ist." Als Ennis widersprechen wollte, fiel Jack ihm ins Wort: „Ennis, ich seh das so: von jetzt und in alle Ewigkeit, in guten wie in schlechten Zeiten, verstehst Du, was ich Dir sagen will? Du musst nichts mehr alleine durchstehen und deswegen komme ich mit Dir mit, Diskussion beendet !"
Ennis schwieg, schwieg lange und Jack dachte schon, dass er zu weit gegangen war, als Ennis ihn endlich lächelnd ansah, nickte und leise sagte: „Von jetzt und in alle Ewigkeit, in guten wie in schlechten Zeiten. Ja, Jack, ich habe verstanden. Ich werde Dich mitnehmen nach Riverton und danach fahren wir beide nach Childress." „Keine Widerrede", setzte er mit einer energischen Handbewegung nach, als Jack Luft holte.
„Du Schweinehund", sagte Jack leise lächelnd und nahm Ennis Hand in seine Hand. „In Ordnung. Bringen wir also morgen gemeinsam unser Leben in Ordnung.
