„Nein, Jack. Wir haben gesagt, wir sind vorsichtig."
„Ennis, verdammt ! Niemand kennt uns hier !"
„Halt die Klappe, Jack. Weißt genau, dass es gefährlich ist."
Trotziges Schweigen.
„Was, wenn uns jemand sieht ? Was werden die denken?"
„Wen interessiert's, was die denken ?'"
„Mich, Blödmann." Kurzes Aufstöhnen.
„Jack, sag ja nicht, dass wir nicht anhalten sollen", sagte Ennis verbindlicher. „Ne Tüte Schlaf kann ich auch brauchen – nach der Nacht gestern ..." Kurzer Blick zur Seite.
„Erinnere – mich – verdammt – noch – mal – nicht – an – letzte - Nacht, Ennis ! Bei der Aussicht auf diese Nacht wird der Gedanke an die letzte zu einer Tortur !" Jack schlug sich entnervt auf die Schenkel und sah ihn böse an.
Ennis blinzelte mit den Augen, ein leichtes Lächeln in den Augenwinkeln. „Jack, mach nich so'n Theater wegen einer Nacht. Haben schon ganz andere durchgestanden."
„Eben, genau deswegen ! Ich will die ganz anderen Nächte nicht mehr !"
Wieder schwiegen beide. Sie schwiegen lange. Plötzlich klopfte es an die Fensterscheibe von Jacks Wagen. Beide fuhren erschrocken zusammen und blickten sich an. Jack kurbelte das Fenster herunter. Vor ihnen stand ein älterer Mann, Schultern leicht gebeugt, tiefe Ringe unter den Augen, unrasiert.
„Hey, Ihr Cowboys, habt Ihr nen Techtelmechtel auf dem Parkplatz?", fragte er misstrauisch, einen Schwall schlechten Atem auf Jack loslassend.
Jack atmete reflexartig durch den Mund ein. „Nein, wir diskutieren hier die Weltpolitik. Was ist Dein Problem?", fragte er genervt.
„Mein Problem ist", sagte der Mann langsam, Wort für Wort betonend „Mein Problem ist, dass die Rezeption in ein paar Minuten schließt. ICH bin die Rezeption und falls Ihr Hundesöhne noch ein Zimmer in diesem verdammten Motel haben wollt, dann aber pronto raus aus dem Wagen. Mach wegen Euch keine Überstunden und bleibt ihr auf dem Parkplatz ruf ich die Polizei – ich bin nämlich auch der Parkplatz, wenn Ihr wisst, was ich meine, he?" Sprach's und drehte sich um.
Ennis stieß langsam die Luft aus, kleine Schweißtropfen standen auf seiner Stirn.
„Jack, ich hab's ja gesagt ..." „ENNIS, es reicht !", fuhr Jack ihn an. „Ich will nichts mehr hören von wegen hätte ... könnte ... wollte. Ich geht jetzt da rein und buch uns ein Zimmer. Entweder Du kommst mit – oder die Polizei sorgt für Deine Übernachtung !" Wütend grummelnd stieg Jack aus dem Wagen, schlug die Tür zu und ging mit energischen Schritten zum Eingang des Motels. Zähneknirschend folgte Ennis.
Der Mann von eben hockte auf einem Stuhl hinter dem Tresen, pulte gedankenverloren an seinen Fingernägeln und zog sporadisch an seiner Zigarre. Dicke Qualmwolken hingen in der Luft und Jack eröffnete das Gespräch mit einem Hustenanfall.
„Sir", krächzte er schließlich. „Danke für die freundliche Einladung eben. Hätten gern ein Doppelzimmer ... (scharfer Blick zu Ennis) mit zwei GETRENNTEN Betten." Ungeduldig tappte Jack mit den Fingern auf der Tresenplatte. Ennis stand hinter ihm, den Kopf gesenkt, ein rötlicher Schimmer überzog sein Gesicht.
Der Alte blickte auf. „Doppelzimmer, zwei GETRENNTE Betten. ... So so... Sag Euch was, Jungs. Für Sonderwünsche isses mir heute zu spät. Müsst ich ja selber in das Zimmer rennen und die Doppelbetten auseinander ziehen. Bin kein verdammter Wohlfahrtsverein. Schätze, geb Euch dann mal zwei Einzelzimmer." Prüfend blickte er Ennis und Jack an. „Hmm, geb' Euch die Zimmer zum Preis von einem Doppel. Kleines Entgegenkommen des Hauses." Glucksend füllte er die Anmeldebögen aus und überreichte den beiden je einen Zimmerschlüssel.
„Zimmer 115, Flur geradeaus, zweite Tür rechts. Zimmer 203, Treppe rauf, links halten, neben der Flurtoilette. Fahrstuhl is kaputt! Wünsche angenehme Nacht!"
Jack schnappte sich den Schlüssel von Zimmer 115, warf Ennis einen verzweifelt-hasserfüllten Blick zu und giftete ein „Gute Nacht" in die Runde. Ennis seufzte auf, tippte mit dem Finger an seinen Hut, nickte dem Alten zu und schlurfte die Treppe hinauf.
Sieben Stunden später und kein bisschen ausgeschlafen, war Ennis gerade mit Duschen fertig und hatte sich angezogen, als es klopfte. Zögernd ging er zu Tür und öffnete sie einen Spaltbreit.
Vor der Tür stand Jack, tiefe Ringe unter den Augen, ebenfalls geduscht und fertig angezogen.
„Morgen Cowboy", murmelte Ennis. Das brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Jack packte Ennis am Hemdkragen, schubste ihn ins Zimmer zurück. Mit funkelnden Augen sah er ihn an.
„Ennis, mein Freund. Das war das letzte Mal, ich wiederhole, das LETZTE Mal, dass ich so ein Affen-Theater mitgemacht habe. Ich habe eine beschissene Nacht hinter mir und von einem ‚guten Morgen" kann nicht die Rede sein", zischte er durch seine zusammen gepressten Zähne.
„Also sag's mir, sag's mir ehrlich und rette mir meinen Tag: hast Du gut geschlafen, mein Lieber?"
„Jack ... ich ..."
„SAG es mir!"
„Nein, ich habe nicht gut geschlafen, Jack fuckin' Twist", presste Ennis hervor.
Jack nickte, drehte sich um, murmelte ein „Geschieht Dir recht, Mistkerl" und wollte sich auf den Weg in Richtung Tür begeben, als er plötzlich von Ennis gepackt und zurück gezogen wurde.
Mit funkelnden Augen blickte Ennis Jack an, zog ihn an sich und küsste ihn hart auf den Mund. „Das war für letzte Nacht", sagte er nach einer Weile.
„Der ist für heute morgen" Lange Pause. „Und der ... ist für die Weiterfahrt nach Childress." Noch längere Pause.
Schließlich ließ Ennis Jack los. Schwer atmend standen sie voreinander, sahen sich an, sahen auf Ennis ungemachtes Bett ... und brachen beide in hilfloses Gelächter aus.
„Scheiße, Ennis", sagte Jack nach einer Weile und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Sehen wir zu, dass wir noch was zum Frühstück bekommen. Wenn ich hier länger stehen bleibe – ich schwör's Dir, dann leg ich Dich flach ... hier und auf der Stelle."
Ennis grinste, gab ihm einen Klaps auf die Schultern und einträchtig gingen sie zum Frühstück.
