„Jack,
wenn Du diesen Brief liest, werde ich aus unserem Haus ausgezogen sein und die Scheidung eingereicht haben.
Die Dinge liefen in den letzten Jahren zwischen uns nicht besonders gut und der letzte Monat war – nüchtern ausgedrückt (welch Ironie in der Wortwahl, merke ich gerade) – unerträglich. Ich habe nie erwartet, dass Du Dich mir vollends anvertraust, obwohl ich als Deine Ehefrau sicherlich ein Recht gehabt hätte zu erfahren, welche Sorgen Du hast.
Ich vermutete seit langem, dass Du eine Affäre hast. Die Bestätigung hast Du mir gegeben, als wir das letzte Mal miteinander geschlafen haben. Du hast mich „Ennis" genannt, Du warst schrecklich betrunken und ich schätze, dass Du es nicht einmal gemerkt hast.
Unnötig zu sagen, dass es für eine Ehefrau ein Schlag ins Gesicht ist, wenn der eigene Ehemann in fremden Betten wildert. Dass es sich bei der Affäre von Dir, Jack, nicht um eine Frau, sondern um einen Mann handelt, macht die Sache für mich in gewisser Weise einfacher, weil ich nun nicht mehr darüber grübeln muss, ob meine Nebenbuhlerin größere Titten hat, besser im Bett oder ein halbes Jahrhundert jünger ist als ich.
Dass ich es allerdings von Dir erfahren muss, wenn wir Sex haben, ist erniedrigend.
Jack, unter diesen Umständen kann und will ich unser Haus nicht mehr mit Dir teilen. Ich will nicht weiter von Dir ausgehalten werden. Ich ertrage es nicht mehr, in Deine Augen zu schauen, die Hoffnung darin zu sehen, wenn Du auf Deine Angel-Ausflüge gehst (jetzt wissend, woher die Hoffnung rührt), Dich zurückkommend ertragen zu müssen, bzw. das, was von Dir übrig geblieben ist, Deine Trinkerei, Deine Gleichgültigkeit Bobby und mir gegenüber – das ist kein Leben. Nicht für Dich, nicht für mich und schon gar nicht für unseren Sohn.
Ich werde nun für uns alle die Entscheidung treffen, denn mein Leben ist verdammt noch mal zu kurz, um an einem Ehemann festzuhalten, den ich mal geliebt habe, der mich – so wie ich das heute sehe – aber nie geliebt hat. Ich bin es meinem Sohn schuldig und ich bin es mir schuldig, einen Schlussstrich zu ziehen, neu anzufangen.
Wenn Du diesen Brief liest, gehe bitte zum Maklerbüro in der Elmos-Street. Dort sind die neuen Haustürschlüssel hinterlegt und die Scheidungspapiere. Bitte unterzeichne die Papiere direkt vor Ort. Du kannst aus dem Haus alles nehmen, was dort noch zu finden ist. Keine Sorge, ich habe Deine Sachen nicht angerührt. Du findest im Wohnzimmer noch einige Fotoalben von Bobby. Nimm sie mit, denn ich erwarte von Dir, dass Du Deinen Sohn nicht vergisst und Dich bei ihm meldest, sobald Du Dich irgendwo auf diesem Planeten niedergelassen hast. Trotz allem Jack, Bobby liebt Dich und Du bist sein Vater. Ich werde dem nie im Weg stehen, Du kannst ihn sehen, wann immer Du willst, also erfülle Deine Pflicht als Vater ihm gegenüber. Du erreichst mich immer über die Geschäftsadresse.
Was das Haus angeht und die Scheidungsmodalitäten: Ich habe das Haus vom Makler schätzen lassen. Der Verkehrswert liegt bei 120.000 Dollar. Die Hälfte davon steht Dir zu, da wir das Haus beide zu gleichen Teilen abbezahlt haben. Des weiteren gibt L.D. Dir seine seit Jahren versprochene Abfindung. Das sind noch einmal 60.000 Dollar. Sobald die Scheidungspapiere von Dir unterzeichnet sind, werde ich die Hälfte des Geldes auf Dein Bankkonto überweisen, der weitere Teil erfolgt, wenn wir rechtlich geschieden sind. Ich denke, das ist ein fairer Deal.
Jack, für Bobby versuche ich, Dich nicht zu hassen, damit ich Dir in die Augen sehen kann, wenn Du ihn besuchen wirst. Ob es mir gelingt – ich weiß es nicht ...
Lureen"
