Etwa eine halbe Stunde später saßen sie beide in der Bar vor einer Flasche Rotwein, jeder sein Glas in Händen. Stella hatte nicht lange gezögert und gleich eine ganze Flasche geordert. Wenn sie Mac schon mal am Schlafittchen hatte und ihn unter Leute brachte, dann sollte das auch nicht zu kurz sein. Nach Hause würden sie schon irgendwie kommen. Außerdem war es in New York eh oft tödlich einen Parkplatz zu finden, so dass sie ihren Wagen gerne mal in der Tiefgarage des Gebäudes stehen ließ, welches das CSI-Team beherbergte, und mit der U-Bahn nach Hause fuhr.

„Und was ist mit der, die gerade reinkommt?" fragte sie Mac, der an seinem Wein nippte.

„Stella, du gibst wohl nie auf." seufzte Mac. Er fand es zwar ganz nett, dass seine Kollegin versuchte ihn mit Frauen bekannt zu machen und zu verkuppeln, aber er war einfach noch nicht so weit. Er war noch nicht bereit wieder eine Frau so nah an ihn herankommen zu lassen, er war noch nicht so weit sich wieder zu verlieben. Trotzdem drehte er den Kopf in Richtung Tür um zu sehen, wie die Frau, die Stella meinte, aussah. Er wusste genau, dass dies zu auffällig war, aber er wollte sich nicht von Stella auch noch anhören müssen, weshalb er noch nicht mal mehr Frauen ansah. Die hoch gewachsene Blondine fing seinen Blick auf, der auffälliger kaum mehr hätte sein können und wand sich dann ab. Es überraschte Mac nicht im Geringsten, dass sie auf einen Mann am Tresen zusteuerte und ihn geradezu demonstrativ zur Begrüßung auf den Mund küsste.

Mac zuckte nur mit den Schultern bevor er sich wieder Stella zuwandte und einen weiteren Schluck von seinem Weinglas nahm.

„Sorry." kommentierte Stella den Kuss der Blondine und damit ihren absoluten Fehlgriff. Sie wusste, dass Mac eher Blondinen bevorzugte, zumindest hatte sie den Eindruck gewonnen. In der Zeit in der sie zusammen arbeiteten hatte er sich immer eher nach einer Frau mit hellen Haaren umgesehen als nach einer Brünetten, wie Stella selber eine war. Zwar bedauerte sie diese Tatsache auf der einen Seite, auf der anderen Seite machte dies es ihr aber auch einfacher Macs Desinteresse an ihr zu akzeptieren. Sie war halt nicht sein Typ.

Mehr oder minder schweigend tranken sie weiter. Hier und da griffen sie Geschichten aus ihrer Arbeit auf. Fast alles drehte sich um den Job, wirklich private Gespräche waren eine solche Rarität, dass Stella sich an jedes Detail erinnerte, was Mac ihr mal über seine Ehe, seine verstorbene Ehefrau oder über Freunde erzählt hatte.

Mac Taylor lebte für seine Arbeit.

Sie redeten über alte Fälle, bestellten eine weitere Flasche Wein und rollten einen Fall erneut auf, dessen Akte ungelöst weggelegt werden musste, in der Hoffnung, der Alkohol würde sie vielleicht auf ein paar gute Einfälle bringen. Doch nichts war. Stella war zu Mac um den Tisch herumgerutscht um genauer sehen zu können wie er eine Skizze anfertigte, wobei seine Hand doch schon etwas ungenauer den Stift führte. Der Alkohol zeigte seine Wirkung. Ohne wirklich vorher darüber nachgedacht zu haben legte sich Stellas Hand auf Macs, die das Papier in Position hielt.

Durch die plötzliche Berührung aus dem Konzept gebracht sah Mac zwei Sekunden später auf und in Stellas Augen. Nicht nur die Koordinationsfähigkeit, auch die Reaktionszeit litt schon unter dem Alkoholeinfluss. Nicht, dass Mac keinen Alkohol trank oder vertrug, aber trotzdem war die Wirkung jetzt schon stärker, als er erwartet hätte. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass die Luft in der Bar langsam schlecht wurde: Zu viele Menschen auf kleinem Raum und immer weniger Sauerstoff in der Bar.

Mac füllte ihre Gläser erneut auf und leerte den letzten Tropfen aus der Flasche in sein Glas, während Stellas Hand immer noch auf seiner ruhte. In einer anderen Situation, zu einem anderen Zeitpunkt, an einem anderen Abend, da hätte er vielleicht seine Hand weggezogen, da hätte er Stella vielleicht gefragt, was das sollte.

Aber nicht an diesem Abend.

Es fühlte sich gut an, ihre warme Hand auf seiner zu spüren. Auch wenn er es nicht zugeben würde, denn dafür war er viel zu sehr ein ‚ganzer Kerl', diese kleine Geste gab ihm ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit.

Er griff nach seinem Weinglas und leerte es erneut in wenigen Zügen und winkte dann den Kellner heran, während Stella in wesentlich kleineren Schlücken als Mac ihr Glas auch leer trank. Mac bezahlte, bevor er sich an Stella wandte und mit einem warmen, sehr vertraut klingendem Tonfall sagte: „Komm, lass uns gehen."

Es war Stellas Hand, die sich von seiner löste, bevor sie sich erhob. Galant, so weit es in seinem doch relativ angetrunkenem Zustand noch möglich war, half Mac ihr in ihre Jacke, bevor er sein Jackett wieder überzog, dass er, fast aus reiner Gewohntheit, nach dem reinkommen ausgezogen und über den Stuhl gehängt hatte.

Doch kaum waren sie draußen griff seine Hand auch schon wieder nach Stellas. Ihre Finger verharkten sich ineinander. Wortlos gingen sie, wobei Mac Stella die Führung überließ, aber sehr wohl merkte, dass sie die Richtung zu ihrer Wohnung einschlug.

„Kommst du noch mit rauf?" Es war schon fast obszön, wie offen sie ihm diese Frage stellte. Sie waren beide angetrunken, wenn nicht sogar betrunken. Aber die klare Nachtluft hatte den Schleier des Alkohols wenigstens etwas gelichtet, so dass Mac sich später nicht darauf würde hinausreden können, dass er betrunken war.

„Auf einen Kaffee?" fügte Stella hinzu, als keine Reaktion von Mac kam, vor dem sie stand, ihn ansah und dabei immer noch seine Hand hielt.

Sie merkte, dass sich ihr Herzschlag beschleunigt hatte, dass ihre Handflächen leicht feucht waren. Eine Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, dass sie sich beruhigen sollte. Wenn Mac noch mit hinaufkäme, dann bestimmt nicht, um mit ihr ins Bett zu steigen, sondern wirklich auf einen Kaffee. Oder um sich ein Taxi zu rufen. Oder ein Glas Wasser zu trinken.

Trotzdem machte ihr Herz einen kleinen Hüpfer als Mac langsam nickte. Sie schloss die Haustür auf und stieg die Treppe hinauf, dabei Mac hinter sich spürend.

Wir sind nur Freunde. Nur gute Freunde. Nur Freunde, die vielleicht ein Glas Wein zuviel zusammen heute Abend getrunken haben. Immer wieder sagte sie sich dies im Geiste vor, während sie die Stufen hinaufstiegt, bis sie schließlich vor ihrer Wohnungstür stand. Ihre Finger zitterten leicht als sie den Schlüssel ins Schloss steckte und aufschloss.

- tbc -