Schattensprung

Es dauerte fünf Tage, bis Madame Pomfrey James für stark genug befand, aus dem Krankenflügel entlassen zu werden. Anastasia hatte noch am Tag der ersten Aufgabe gehen dürfen und Marcel hatte man am darauf folgenden Tag entlassen.

Unnötig zu sagen, dass diese beiden Informationen James ganz besonders wurmten, kratzten sie doch erheblich an seinem Stolz. Sicher, weder Anastasia noch Marcel hatten ein ‚Damals', aber trotzdem.

Vor allem lagen die beiden im Turnier auch weit vor ihm. Man hatte nämlich die Anzahl der Sekunden, die jeder es in der Arena ausgehalten hatte, zusammengezählt, durch zehn geteilt, gerundet und jedem als Punkte gutgeschrieben.

James war nach 658 Sekunden ohnmächtig geworden und hatte nun 66 Punkte. Anastasia war mit 911 Sekunden und 91 Punkten auf Platz eins und Marcel belegte bei 754 Sekunden und 75 Punkten Platz zwei.

Den Tipp würden sie alle bekommen, aber um den Abstand zu Anastasia aufzuholen, würde James sich schon ziemlich reinhängen müssen.

Aber, und das hatte er sich geschworen, er würde dieses Mal seinen verdammten Stolz ignorieren und Lilys Angebot annehmen. Schaden konnte es ja nie.

Also hatte er sich vorgenommen, sie zu fragen, ob sie ihm, sobald er den Tipp hatte, helfen würde, herauszufinden, was er tun sollte und mit ihm zu trainieren. Und genau das wollte er jetzt tun.

Das war auch der Grund, warum er die gesamte siebte Stunde, die für ihn eine Freistunde war, vor dem Arithmatik-Klassenraum verbracht hatte, um sie rechtzeitig abzufangen.

Und gerade, als er überlegte, ob er nicht doch auf einen anderen Zeitpunkt warten sollte, schellte es und nur Sekunden später öffnete sich die Türe. Die meistens Schüler strömten nach draußen, froh, endlich frei zu haben, aber Lily schien sich ungewöhnlich viel Zeit zu nehmen.

Sie bedeutete Bertha und Remus, die anderen beiden Gryffindors, die Arithmatik gewählt hatten, vorzugehen und war somit die letzte Schülerin, die den Raum verließ.

„Ich nehme mal an, du wolltest zu mir!", erkundigte sie sich, als James zu ihr aufschloss.

„Ja", er nickte, sah sie kurz an und hatte in eben jenem Moment einen ziemlichen Geistesblitz.

Das letzte, was er gehört hatte, als er während der Aufgabe ohnmächtig geworden war, war eine weibliche Stimme gewesen, die seinen Namen rief. Eine weibliche Stimme, die er nicht hatte zuordnen können. Bis jetzt. Jetzt begriff er, dass es Lily gewesen war. Gewesen sein musste. Warum wusste er nicht. Würde er erst viele Jahre später erfahren…

„James?", riss eben jene Stimme ihn aus seinen Überlegungen. James blinzelte, sah sie an und erinnerte sich selbst daran, was er hatte fragen wollen.

„Ich wollte auf dein Angebot zurückkommen. Mit der Hilfe", seine Stimme klang selbst für seinen eigenen Geschmack etwas zu unsicher. Falls Lily es jedoch bemerkt hatte, ließ sie sich nichts anmerken.

„Klar, kein Problem", sie lächelte, „wann kriegst du den Tipp für die nächste Aufgabe?"

„Nach dem Weihnachtsball", gab James Auskunft und verzog das Gesicht.

„Was ist los? Tanzt du etwa nicht gerne?", ärgerte sie ihn lachend und verlagerte das Gewicht der Bücher, die sie unter dem Arm trug.

„Naja. Geht so", James zog eine weitere Grimasse und warf dann einen Blick auf den Bücherstapel, „gib das her. Ich trag's."

Für einen Moment wirkte Lily verdutzt, dann jedoch lächelte sie und ließ zu, dass er die Bücher nahm.

„Danke", sie wirkte, als meinte sie es. James jedoch winkte ab: „Kein Problem." Die nächsten Minuten verbrachten sie in Schweigen.

Bis James irgendwann fragte: „Mit wem gehst du zum Ball?"

„Keine Ahnung. Ehrlich gesagt habe ich daran noch gar nicht gedacht", jetzt war es an Lily, das Gesicht zu verziehen, „du?"

„Eigentlich wollte ich dich fragen", gab er widerstrebend zu, „nur als Freunde, verstehst sich."

„Sind wir Freunde?", fragte sie und blieb stehen, um ihn ansehen zu können.

„Ich weiß nicht", erwiderte James wahrheitsgemäß, „aber es wäre… schön… wenn wir welche wären. Oder nicht?"

„Ja", sie nickte.

„Ja, du kommst mit zum Ball oder ja, wir sind Freunde?", erkundigte er sich.

Lily lachte: „Beides."


„Schon ein Date für den Ball, Prongs?", erkundigte sich Sirius einige Tage später und schob eine weitere Gabel Kartoffeln in den Mund.

„Ja", James nickte und goss Kürbissaft in seinen Becher, „wie sieht's bei dir aus, Pad? Moony? Wormtail?"

Sirius nickte und nuschelte etwas in seine Kartoffeln hinein, was von James als ‚ja, er habe ein Date' und ‚er würde mit Beth Fawcett gehen' interpretiert wurde.

Elizabeth ‚Beth' Fawcett war eine Sechstklässlerin aus Ravenclaw und auf der ganzen Schule dafür bekannt, ungewöhnlich hübsch und mindestens ebenso klug zu sein. Sie war nicht nur Vertrauensschülerin, sondern auch sehr beliebt und wurde schon als Lilys Nachfolgerin auf dem Schulsprecherposten gehandelt.

„Ich hab noch keine gefragt", gab Remus zu, nachdem er sich mit angeekeltem Gesichtsausdruck von Sirius abgewandt hatte.

„Ich auch nicht", schloss Peter sich an, offensichtlich erleichtert, dass er nicht der einzige war, der noch kein Date hatte.

„Na, dann sieht es ja so aus, als hätten wir eine Mission", bemerkte James und grinste, „mit wem würdet ihr denn gerne gehen?"

Bevor Peter oder Remus antworten konnten, tauchte plötzlich Anastasia hinter den Jungen auf.

„Hi James", grüßte sie fröhlich, „hallo ihr anderen." James grüßte zurück, während die anderen drei irgendetwas nuschelten.

„Wie kann ich dir helfen, Stasya?", erkundigte James sich jetzt, doch Anastasia winkte ab:

„Du gar nicht." Sie ließ ihren Blick kurz über die anderen Marauder gleiten und fixierte dann Remus.

„Remus Lupin, richtig?", hakte sie nach und fuhr, nachdem Remus bestätigt hatte, dass er tatsächlich er war, fort, „ich wollte fragen, ob du Lust hast, mich zum Weihnachtsball zu begleiten."

„Ähm, ja, sicher", erwiderte Remus, sichtlich überrumpelt.

„Freut mich. Wir treffen uns dann da", Anastasia trat schon wieder den Rückzug an, „ciao, Remus. James, man sieht sich. Tschüß, ihr anderen beiden."

Sie verschwand wieder nach sonst wohin und ließ vier sehr überrumpelte Marauder zurück.

„Okay", James fing sich als erster, „ich würde sagen, Moony hat ein Date." Die anderen konnten nur stumm nicken.

„Fehlt nur noch Wormtail", stellte Sirius fest, nachdem er sich gefangen und einen weiteren Bissen Kartoffeln genommen hatte.

„Mit wem würdest du den gerne zum Ball gehen?", wiederholte Remus James' Frage von vorhin.

„Ich weiß nicht", gab Peter zu, „eigentlich ist es mir egal."

„Hübsch sollte sie aber schon sein", bestimmte Sirius.

„Und nicht zu dumm", fügte Remus hinzu.

„Definitiv vierte Klasser oder drüber", erweitere Sirius die Liste.

„Ja", Remus nickte, „aber nicht zu groß."

„Keine Slytherin", fuhr Sirius fort.

„Und nett", vervollständigte Remus und er und Sirius drehten sich zu James um.

„Emma Summers. Hübsch, recht klug, fünfte Klasse, Hufflepuff, mittelgroß und ziemlich nett", zählte er auf.

„Die kenne ich", warf Remus ein, „Vertrauensschülerin, oder?" James nickte und sah Peter erwartungsvoll an.

„Meinetwegen", murmelte der.

James grinste und drehte sich zum Hufflepufftisch um: „Hey, Summers! Lust mit meinem Freund Peter zum Weihnachtsball zu gehen?"

Eines der Mädchen kicherte und nickte dann. James grinste: „Da hast du dein Date, Wormtail."

„Mit wem gehst DU eigentlich hin, Prongs?", erkundigte Sirius sich zwischen zwei Bissen.

„Lily", erwiderte James betont lässig.

Auf seine Freunde hatte das eine gemischte Wirkung. Remus klappte der Mund auf, seine Hand mit der Gabel verharrte auf halbem Weg zwischen Teller und Mund, Peter fiel vor Schreck von der Bank und kippte dabei seinen Becher Kürbissaft über sich und Sirius spuckte prustend seine Kartoffeln zurück auf dem Teller und starrte James an.

„Lily? Lily EVANS?", schrie er beinahe. James nickte, grinste und warf einen Blick zu Lily, die nicht weit von ihm entfernt saß.

Sie hatte sich umgedreht und beobachtete die vier Jungen sichtlich amüsiert. Ihre Freundinnen sahen ebenfalls herüber, wirkten aber eher verwirrt, als amüsiert. Candy stieß Lily an, fragt etwas.

Die Rothaarige grinste, antwortete und betrachtete mit schief gelegtem Kopf die sprachlosen Gesichter der anderen vier.

Sara fing sich als erste: „WAS BITTE? Ist dir noch zu helfen?" Lily lachte.

Emmy schaltete sich jetzt ebenfalls ein und sagte etwas zu Lily, woraufhin diese grinsend nickte. Sara hatte sich derweil wieder ihrem Teller zugewandt, wirkte allerdings immer noch mehr oder minder geschockt und murmelte irgendetwas vor sich hin.

Lily erwiderte lachend etwas zu einer Frage von Bertha, drehte sich dann wieder um und fing James Blick ein. Grinsend zuckte sie mit den Schultern, zwinkerte ihm dann zu und wandte sich wieder ihren Freundinnen zu.

James grinste ebenfalls, tat es ihr dann gleich und drehte sich zu den anderen Maraudern um.

„Okay, jetzt weih uns doch bitte ein, wie bei Grindelwald du das hingekriegt hast", bemerkte Remus trocken, bemerkte dann seine immer noch in der Luft schwebende Gabel und legte sie auf den Teller, ein Hauch von rosa auf den Wangen.

„Na, dass würde ich auch gerne mal wissen", kam es von Sirius. Peter war nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich zog er sich Kürbissaftfreie Kleidung an

„Naja, eigentlich war's simpel", James grinste, „ich habe sie einfach gefragt."


„Du gehst mit James Potter zum Ball? Freiwillig?", hakte Emmy ungläubig nach.

Lily nickte grinsend. „Was ist nur aus der Welt geworden?", Bertha seufzte theatralisch.

Lily lachte: „Ich dachte, dass könntest du mir sagen. Weißt du nicht immer alles?"

Sie sah noch einmal zu James und zwinkerte ihm zu, bevor sie sich wieder umdrehte.

„Mit wem geht ihr?", wechselte Candy das Thema.

„Mit diesem gutaussehende blonde Typ aus Beauxbaton. Alain wie-auch-immer", antwortete Emmy und grinste viel sagend.

„Simenon. Alain Simenon", warf Lily trocken ein. Emmy verdrehte die Augen und sah dann auffordernd zu Candy.

„Aleko Duberowa", erklärte die, „aus Durmstrang. Und du, Sara?"

„Tim Fawcett. Blond, Hufflepuff, unser Jahrgang", nuschelte Sara in ihr Essen.

„Ach, der liebe Timotheus", Emmy grinste, „er küsst gut, ist aber sonst nicht sonderlich einfallsreich."

„Danke, Em, viel zu viele Informationen", wehrte Lily ab und drehte sich zu Bertha um, „mit wem gehst du?"

„Bernard Sagan, auch aus Beauxbaton", gab Bertha Auskunft.

„Na, dann sieht es ja aus, als könnten wir uns auf einen netten Abend freuen", Emmy grinste, „nicht wahr, Lil?"