Something's changing…
Der Weihnachtsball wurde ein voller Erfolg. Man tanzte, am Anfang zu Orchestermusik, später zu der der Hobgoblins, man aß vom reichhaltigen Büffet, man trank Punsch (dank Sirius alkoholhaltig), man unterhielt sich miteinander und nicht wenige Pärchen suchten sich eine stille Ecke irgendwo im Schloss, um ein bisschen Zeit für sich zu haben.
James war aufgefallen, dass Sirius und Beth hatten sich recht früh verzogen hatten und auch Emmy und ihr Date (Alain Simenon, wie er von Lily erfahren hatte) schon seit geraumer Zeit verschwunden waren.
Peter und Emma saßen an einem Tisch mit Emmas Freundinnen und deren Dates und unterhielten sich, ebenso Candy und ihr Durmstrang-Typ (laut Lily hieß er Aleko Duberowa), die einige Tische weiter bei ein paar anderen Durmstrangs saßen.
Bertha tanzte mit ihrem Franzosen (ein gewisser ‚Bernard Sagan'), direkt neben Lily und Remus. Anastasia war vor einigen Minuten mit einer ihrer Freundinnen verschwunden, nachdem diese einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte, dessen Grund James nicht mitbekommen hatte.
Jetzt gerade beobachtete er Marcel, der versuchte seine Christine nach draußen zu lotsen. Sie schien sich zu sträuben, kicherte dabei aber unentwegt. James verdrehte die Augen und ließ den Blick weiter gleiten.
Er sah, wie Anastasia die Halle wieder betrat, ohne ihrer Freundin, sich kurz umsah und dann zu Remus und Lily hinging. Lily hatte die andere ebenfalls entdeckt, trat einen Schritt von Remus weg, grinste und sagte irgendetwas.
Anastasia erwiderte lachend und Remus grinste ebenfalls, dann begannen die beiden zu tanzen, während Lily sich umdrehte und ließ den Blick durch die Halle schweifen. James fing ihren Blick ein, sie lächelte und ging zu ihm herüber.
„Hey", sie schien leicht außer Atem vom Tanzen, „wollen wir nach draußen gehen? Ich brauche dringend frische Luft."
„Klar, kein Problem", James nickte, „ich hole eben unsere Umhänge. Wartest du solange?"
„Wenn du schon so ein Gentleman bist, bleibt mir ja wenig anderes übrig", neckte Lily ihn, wartete aber tatsächlich, bis er mit den Umhängen zurückkehrte.
Ihrer war weiß.
Schneeweiß, das sich gegen das rote Kleid absetzte. So typisch für sie. Es war simpel, so simpel, dass niemand sonst darauf gekommen wäre. Und das machte es so genial.
Seiner dagegen war schwarz.
Schwarz wie seine Festrobe. Ebenfalls sehr simpel, aber mehr ein einfallsloses simpel, als ein geniales.
Was hatte Remus noch mal gesagt, nachdem Lily ihren Namen in den Kelch geworfen hatte? „Wolltest du nicht gewinnen? Evans doch ist die einzige, die außer dir noch zur Debatte stehen würde." Oder was in der Art.
Auf jeden Fall hatte er Recht gehabt.
„James?", Lily winkte mit einer Hand vor seinem Gesicht, „wo bist du?"
„Hab nur gerade über was nachgedacht", wich er augenblicklich aus und warf sich seinem Umhang über. Lily trug ihren bereits und griff nach seiner Hand, um ihn mit nach draußen zu ziehen.
„Worüber?", fragte sie, kurz nachdem beide das Schulgebäude verlassen hatten.
„Über das Turnier", erwiderte James, immer noch ausweichend.
Lily grinste: „Nur mal zur Abwechselung, nicht wahr?" Auch er musste lachen.
„Naja, eigentlich habe ich daran gedacht, dass Remus gesagt hast, du wärst die einzige, die außer mir noch eine Chance gehabt hätte, Champion zu werden", gab James zu, „und daran, dass er Recht hatte."
„Hey, heute richtig ehrlich", neckte sie, schien die Tatsache aber nicht wirklich schlecht zu finden.
„Tja", James grinste. „Eigentlich bin ich ja froh, dass dieser Kelch dich genommen hat", bemerkte Lily nach einer kleinen Pause, „weil, eigentlich wollte ich eh nicht mitmachen. Das ist nichts für mich. Und falls das Ding mich doch genommen hätte, wärst du Schuld gewesen!"
Bei den letzten Worten piekte sie mit dem Zeigefinger gegen seine Brust. Er zeigte sich ziemlich unbeeindruckt, hob ebenfalls eine Hand, zog ihre ohne jeglichen Kraftaufwand weg und grinste.
Zu spät fiel ihm auf, dass ihr linke Hand noch immer in seiner einen lag, während seine andere ihre rechte jetzt am Handgelenk umfasste. Und das hatte zur Folge, dass sie einander gegenüber standen. Sehr nah gegenüber.
„Ähm, ja", brach Lily die Stille und versuchte sich an einem Grinsen. Es wollte nicht so ganz gelingen.
„Ja", auch James klang unsicherer, als es ihm lieb war, „genau." Wozu er gerade zugestimmt hatte oder ob es überhaupt etwas zum zustimmen gab, wusste er nicht so genau. Aber irgendetwas hatte er ja sagen müssen.
Lily hatte ihren Versuch, zu lächeln aufgegeben und biss sich stattdessen ziemlich nervös auf die Unterlippe. James löste unterdessen seine Hand aus ihrer und hob sie.
Ein paar Augenblicke verharrte er so, unsicher, ob er das hier durchziehen wollte, dann entschied er, dass sie schon längst verschwunden wäre, wenn sie hätte verschwinden wollen und begann ganz vorsichtig ihre Wange zu streicheln.
Lily blinzelte kurz, anscheinend überrascht, dann flatterten ihre Augenlider, bevor sie sich schließlich ganz schlossen. Sie sah nicht aus, als wolle sie wegrennen.
Also beugte er sich nach vorne, immer noch vorsichtig und völlig darauf bedacht, sie ja nicht zu verschrecken. Seine Lippen waren nur noch Zentimeter von ihren entfernt, da hörten beide plötzlich ein Knacken hinter sich.
Lily trat sofort einen Schritt weg und sah sich suchend um, während James seine Hand in die Tasche seiner Robe schob, weil ihm schlicht nichts besseres einfiel.
„Was war das?", fragte Lily, ihre Stimme kaum mehr als ein Wispern. „Weiß nicht", auch James flüsterte, „aber ich habe vor, es raus zu finden."
Seine rechte Hand, immer noch um ihr Handgelenk gewunden, zog sie mit ihm, als er näher an das Gebüsch trat, aus dessen Richtung das Knacken gekommen war. Jetzt hörten sie auch ein Kichern – eindeutig weiblich – und ein paar gemurmelte, allerdings unverständliche Worte – männlich, ebenso eindeutig.
James bog ein paar Zweige zur Seite und sah aus den Augenwinkeln, dass Lily es ihm gleich tat. Dann warf er einen Blick durch das Gebüsch hindurch und was er da sah, gefiel ihm so ganz und gar nicht.
„Okay", hörte er auch sofort Lilys leise Stimme neben sich, „reg dich jetzt bitte nicht auf, James. Bitte."
„Aber… aber das… das ist meine Schwester", presste er zwischen den Zähnen hervor.
„In der Tat", Lily nickte, „das ist Sara. Ein siebzehnjähriges Mädchen, das gut auf sich selbst aufpassen kann und ganz sicher keinen großen Bruder braucht, der sie vor etwas – oder jemandem – beschützt, vor dem sie überhaupt nicht beschützt werden will."
„Aber dieser… dieser Typ wagt es sich, meine kleine Schwester zu…", James schien das Wort nicht über die Lippen zu bringen.
Lily tat es für ihn: „…küssen. Genau. Völlig simpel. Nichts, worüber man sich aufregen müsste oder sollte."
„Aber…", setzte James schien wieder an, ganz offensichtlich ziemlich unglücklich mit der Situation.
„Komm, James", Lily sah ihn an, „Sara sieht nicht so aus, als wollte sie gerettet werden und außerdem ist Tim Fawcett wirklich nett. Das musst selbst du zugeben."
„Nett?", echauffierte sich James, „nett?" „Schh, sei leise, bei Grindelwald", Lily legte ihm die Hand auf den Mund, schien aber Sekunden später zu begreifen, was sie tat und nahm sie weg, dankbar dass die Dunkelheit ihr Erröten verdeckte.
„Tut mir ja Leid", entschuldigte James sich halbherzig, „aber Fawcett ist trotzdem nicht nett."
„Doch, ist er und vor zehn Minuten hättest du mir da auch zugestimmt", widersprach Lily, „du magst ihn nur jetzt nicht, weil er deine Schwester küsst."
James zuckte bei ihren Worten zusammen, was Lily wiederum dazu brachte, mit den Augen zu rollen.
„Das ist Grund genug, ihn nicht zu mögen", versuchte er jetzt zu argumentieren.
Lily schien kurz zu überlegen, ob sie sich auf eine Diskussion einlassen wollte, entschied sich dann jedoch dagegen, seufzte und verkündete: „Na gut, dann mach halt was du willst. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Ich bin jetzt auf jeden Fall weg. Tschüß, James."
Sprach's, zog ihre Hand auf seinem Griff, drehte sich um und lief zum Schloss hoch. James verharrte einen Moment, sah dann von Lily zu Sara und Fawcett und zurück zu Lily, bevor er die Zweige losließ und ihr hinterher rannte.
Sollte Sara doch machen, was sie wollte. Er hatte Wichtigeres zu tun.
„LILY!", als er sie einholte, war sie bereits am Schlosstor angelangt. Dort drehte sie sich um, als sie ihren Namen hörte, sah ihn und lächelte.
„Hey. Hast du's dir doch noch anders überlegt?", fragte sie, während James zu ihr aufschloss und versuchte, zu Atem zu kommen. Geduldig wartete Lily, bis er sich von seinem Sprint erholt hatte und wieder sprechen konnte.
„Ja", er nickte, noch immer kurzatmig, „ich habe beschlossen, dass ich Wichtigeres zu tun habe."
„Was da wäre?", erkundigte Lily sich unschuldig und kämpfte ihr Grinsen nieder.
„Keine Ahnung. Was würde die Lady denn gerne als nächstes tun?", fragte James nun seinerseits und grinste sie gewinnend an. Auch Lily gab ihre Versuche, ein ernstes Gesicht zu behalten auf und lachte.
„Weiß nicht. Erstmal rein gehen. Ich friere", schlug sie vor und schlang die Arme um sich, wie um zu beweißen, dass sie wirklich fror.
James nickte: „Aber natürlich, Mylady. Ihr Wunsch ist mein Befehl." Lily lachte, als er einen tiefen Diener machte und ihr die Türe aufhielt.
Trotz des Beinahe-Kusses, den keiner von beiden mehr ansprach, und der Sara-Episode, die ebenfalls nicht mehr angesprochen wurde, hatten Lily und James noch ziemlich viel Spaß auf dem Ball.
Doch auch dieser Abend ging zu Ende und, während die Bandmitglieder ihre Sachen einpackten, die ersten Hauselfen sich heimlich durch die Schatten stahlen, die letzten Schüler die Halle verließen und zwei oder drei Mädchen noch verlorene Haarklammern und Ohrringe suchten, gingen die drei Champions nach vorne zu Dumbledore.
Dort erhielt jeder von ihnen ein Pergament, einen aufmunternden Blick und ein ‚viel Glück', bevor sie mit ihrem Hinweis und dem Kommentar, dass die zweite Aufgabe in ziemlich genau zwei Monaten anstand ins Bett geschickt wurden.
Sehr konzentriert auf ihr Pergament und mindestens ebenso verwirrt, machten sich die drei auf den Weg zu ihren jeweiligen Schlafplätzen. Lily, die an der Türe auf James gewartet hatte, blickte ebenfalls auf das Pergament, dass er mit gerunzelter Stirn studierte und las die Verse darauf:
Geboren im Feuer und voll von Bestreben,
Sein
Leben allein wird die Zeit dir vorgeben.
Weisheit am Anfang, am Ende die
Tapferkeit,
Bewachen tut's, wogegen dein Herz nicht gefeit.
Und wenn du willst wissen, wo zu finden es
ist,
So suche die Gerechten, die sind ohne List.
