Messer, Gabel, Schere, Licht…

„Na komm schon, noch ein Mal. Versuch's noch mal", forderte James Lily auf und warf ihr ihren Zauberstab zu. Sie versuchte zwar ihn zu fangen, griff aber ins Leere und der Stab landete klappernd auf dem Holzboden.

„Ich kann es aber nicht", fauchte sie ihn an, „ich kann es einfach nicht. Warum verstehst du das nicht?"

„Doch, du kannst es", widersprach James, hob ihren Zauberstab selber auf und hielt ihn ihr hin. Lily nahm ihn an sich, wischte sich unwillig eine verschwitze Haarsträhne aus dem Gesicht und funkelte ihn an. James grinste ziemlich unverschämt zurück.

„Nur weil es dir anscheinend unglaublich leicht fällt, heißt dass nicht, dass es dem Rest der Zaubererwelt genauso geht", fauchte Lily und ignorierte die Hand, die er ihr hinstreckte, um ihr vom Boden aufzuhelfen.

James zuckte einfach mit den Schultern, beugte sich zu ihr hinunter, umfasste ihre Taille und zog sie trotz ihres Protests mit sich hoch.

„Deshalb bring ich's dir bei", erklärte er ihr.

„Du versuchst seit drei Tagen, es mir beizubringen und bisher sind wir kein Stückchen weiter. Du könntest deine Zeit auch sinnvoller nutzen und für's Turnier üben", bemerkte Lily, immer noch nicht besänftigt.

„Oh, ich habe beschlossen, die NEWTs sind wichtiger als das Turnier", erwiderte James nonchalant und schob Lily, bevor sie etwas sagen konnte, ein Stückchen Schokolade zwischen die fest zusammengepressten Lippen.

Bisher hatte Schokolade bei ihr noch immer Wunder vollbracht. Auch jetzt schien es James, als war ihr Blick etwas weniger tödlich, was, bei näherer Betrachtung, aber auch daran liegen konnte, was er gerade gesagt hatte.

„NEWTs sind wichtiger als das Turnier?", wiederholte Lily ungläubig, kaum, dass sie die Schokolade heruntergeschluckt hatte.

„Hmh", James nickte, „du weißt schon. Zukunft und das ganze. Außerdem habe ich beschlossen, nicht mehr so ehrgeizig zu sein. Du weißt schon. Was du damals am See gesagt hast."

„Ah ja", Lily nickte langsam und sah ihn mit funkelnden Augen an, „und ich vermute, die willst Jahrgangsbester in Verwandlung und VgddK werden, nicht wahr?"

„Natürlich", James nickte völlig ernst und verstand nicht so ganz, warum Lily in schallendes Gelächter ausbrach.

„Was…?", begann er, aber sie unterbrach ihn, immer noch leise lachend: „Oh, nichts. Rein gar nichts. Machen wir weiter? Vorausgesetzt, du bist wirklich so sicher, dass du mir Verwandlung beibringen kannst, wenn Professor McGonagall es nicht geschafft hat."

Kurz sah James sie nachdenklich an, dann nickte er langsam: „Ja. Ja, ich bin mir sicher. Und ich werde es dir beweißen. Guck doch mal bitte, ob die Türe gut verschlossen ist."

Etwas verwirrt sah Lily ihn an, tat aber wie ihr geheißen und belegte die Tür mit einem weiteren Bann, den zu brechen es schon eine ganze Menge Zauberkraft gebraucht hätte.

„Zufrieden?", fragte sie James etwas sarkastisch, er aber grinste sie nur an und nahm ihrem Sarkasmus damit jede Schärfe.

„Dreh dich um", forderte er sie immer noch grinsend auf. Lily rollte die Augen, damit er auch ja sah, für wie unnötig sie sein Spielchen hielt, drehte sich aber brav um.

Für einige Sekunden geschah gar nichts, dann hörte sie plötzlich hinter sich ein Geräusch – beinahe so, als würde ein Pferd scharren. Langsam drehte Lily sich wieder zu James um, sah sich aber nicht mit ihrem Freund konfrontiert, sondern mit einem – Hirsch.

„James?", fragte sie unsicher, „James, das ist nicht lustig. Ich weiß nicht, wo du dich versteckst oder wie du das machst, aber hör auf damit!" Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme nervös und angespannt.

James ließ sich jedoch nicht blicken. Stattdessen tat der Hirsch, ein großes, stattliches Exemplar mit einem weit verzweigten Geweih, einige Schritte auf sie zu und, als Lily nicht zurückwich, schloss schließlich die Distanz zwischen ihnen und stupste sie an.

Lily blieb wie erstarrt stehen und versuchte, die Teile dieses Puzzles zu einer Lösung zusammenzukriegen, während der Hirsch vorsichtig begann, mit seiner Nase ihre Haare zu zerwuscheln.

„Das… das ist unmöglich…", murmelte Lily, hob ihrerseits eine Hand und strich dem Tier (wenn es denn eines war) über die Stirn, „… der helle Wahnsinn…" Der Hirsch trat etwas weg von ihr und verwandelte sich – in James.

„Du bist ein… du bist… aber wie…?", wisperte Lily, zu geschockt, um einen kompletten Satz zu formen.

„Ein Animagus, ja", James nickte, „seit ungefähr zwei Jahren. Hat uns drei Jahre gekostet, herauszufinden, wie es geht. Sirius und mich, meine ich."

„Sirius… er ist auch ein… einer?", fragte Lily langsam, immer noch Vollendens verwirrt.

„Hm. Ein Hund", antwortete James, „aber du darfst es niemand – wirklich niemandem – sagen, ja? Bitte, Lil." Und das brachte Lily dazu, wieder zu sich zurück zu finden.

„Wofür hältst du mich?", schnappte sie, „ich mag ja eine Niete in Verwandlung sein, aber vollkommen verblödet bin ich nicht. Ich weiß ganz genau, was passiert, wenn das jemand herausfindet."

„Ist ja gut", beschwichtigend hob James die Hände, „reg dich nicht auf." Lily hob nur eine Augenbraue, erwiderte aber nichts weiter, da es in dem Moment an der Türe klopfte.

„Hey, ich bin's. Lasst mich rein", hörte man gedämpft Sirius' Stimme und Lily ließ mit einem Wink ihres Zauberstabes den Schutzbann um die Türe verschwinden.

Es war ihre Idee gewesen, Sirius mit in James' Training für das Trimagische Turnier einzubeziehen und bisher hatte es sich als sehr gute Entscheidung herausgestellt, war James doch weit mehr dazu bereit, sich mit Sirius zu duellieren als mit Lily.

Die hatte sich, nachdem James ihr gebeichtet hatte, dass er schlicht Angst hatte, ihr irgendetwas zu tun, zwar ziemlich aufgeregt, dann aber nachgedacht und festgestellt, dass es eigentlich ungemein praktisch war. Sollten die beiden sich doch verfluchen und sie war fein raus.

„Und, was übt ihr?", erkundigte Sirius sich gerade und schlug die Türe hinter sich zu. Ein Blick auf das halb verwandelte Schwein, dann stöhnte er: „NEWTs?" Beide, Lily und James, nickten: „NEWTs."


Die verhassten und gefürchteten NEWTs kamen und gingen und schließlich, am 24.6, dem Abend nach der letzten Prüfung, stand die letzte Prüfung des Trimagischen Turniers bevor.

Da besagte Prüfung im Fach Alte Runen war, welches weder James noch Lily oder Sirius belegt hatten, hatten sie beschlossen, nach dem Frühstück noch ein letztes Mal zu trainieren und so hatten sie sich mal wieder in dem leeren Klassenzimmer getroffen, das Professor McGonagall ihnen überlassen hatte.

Sirius war zwar bisher noch nicht aufgekreuzt, da er, wie er sagte, eine ordentliche Mahlzeit brauchte, bevor er arbeiten konnte, aber Lily und James trainierten schon seit gut einer Stunde und gerade im Moment waren sie bei Löschzaubern angekommen.

„Warum muss dieser verfluchte Zauber so schwer sein?", beschwerte James sich, während Lily das Zimmer davor rettete in Flammen aufzugehen.

„Er ist nicht schwer", verbesserte sie, „du bist nur nervös."

„Bin ich nicht", widersprach James augenblicklich und bewies damit, dass er es doch war. Lily seufzte und strich sich die Haare aus dem Gesicht.

„Okay. Versuchen wir's stattdessen noch mal mit Aguamenti", schlug sie vor, aber anstatt das Feuer im Kamin wieder zu entfachen, kramte sie in ihrer Tasche herum und zog schließlich einen kleinen Gegenstand heraus.

„Was ist das?", fragte James, sofort neugierig.

Lily lachte: „Ein Feuerzeug. Ich bin so müde, dass ich wahrscheinlich das ganze Zimmer in Brand setze, wenn ich noch einmal versuche, Feuer herauf zu beschwören." James runzelte die Stirn und betrachtete sie kurz.

Sie sah tatsächlich unglaublich müde und abgespannt aus und er erinnerte sich, dass sie nicht nur täglich mit ihm trainiert, sondern auch für ihre NEWTs gelernt und jeden Abend in der Bibliothek nach neuen, nützlichen Sprüchen für ihn gesucht hatte. Er wollte nicht wissen, wie viele Stunden sie in den letzten beiden Wochen geschlafen hatte.

„Dann leg dich was hin" schlug er vor und zuckte mit den Schultern, „ich komm schon klar."

„Heute Abend ist dieser ganze Spuk doch sowieso vorbei. Und so lange halte ich schon noch durch. Und danach sind eh Ferien, also habe kann ich wunderschön ausspannen und muss mir über nichts mehr Gedanken machen – zumindest nicht, bis die NEWTs-Ergebnisse kommen", erwiderte sie lachend und beugte sich vor, um das Feuer anzuzünden.

James beobachtete sie und war dermaßen fasziniert von diesem ‚Muggel-Ding', dass er, ohne es zu merken tatsächlich einen tadellosen Löschzauber auf das Feuer losließ und den Aguamenti gleich hinterher.

„Siehst du, geht doch", wies Lily in grinsend darauf hin. James jedoch schien sich nicht wirklich für das gelöschte Feuer zu interessieren, sondern beäugte noch immer das Feuerzeug.

„Kann ich das mal sehen?", erkundigte er sich und kam ein paar Schritte näher.

„Sicher", erwiderte Lily lachend, „aber pass auf. Da kommt richtiges Feuer raus." James warf ihr einen vernichtenden Blick zu, griff aber nach dem dargebotenen Feuerzeug.

Bevor er es allerdings näher begutachten konnte, öffnete sich die Türe und Sirius trat ein, gefolgt von James' Eltern und Sara.

„Seht mal, wen ich hilflos im Schloss herumirrend gefunden habe", verkündete er theatralisch und entdeckte im gleichen Augenblick das Feuerzeug in James' Hand.

„Was ist das?", verlangte er zu wissen, fingerte aber, ohne eine Antwort abzuwarten, sofort daran herum.

„Pass auf!", warnte Lily noch, aber noch bevor sie ihren Satz beendet hatte, schrie Sirius schon auf und ließ das Feuerzeug fallen.

Lily seufzte und warf James einen Blick zu, der seinerseits die Augen verdrehte, das Feuerzeug einsammelte und es, nach kurzem, unschlüssigem Herumdrehen, vorerst in seine eigene Hosentasche gleiten ließ, während seine Mutter sich um Sirius' anscheinend verbrannte Finger kümmerte.

„Was macht ihr schon hier, Dad?", erkundigte James sich derweil bei seinem Vater. Aus den Augenwinkel sah er, wie Sara Lily etwas zuflüsterte und kicherte.

„Die Familien der Champions sind eingeladen worden, sich die dritte Aufgabe anzugucken", erklärte Mr. Potter. Sofort stellte sich ein merkwürdiges Flattern in James' Magengegend ein.

Die dritte Aufgabe…