Bei Grandelbart
Der Tag verflog für James' Geschmack entschieden zu schnell und als er schließlich vor dem Festmahl saß, dass die Hauselfen zur Feier des Tages zubereitet hatten, konnte noch nicht einmal Lily, die mit Engelszungen auf ihn einredete, ihn dazu bringen, mehr als ein trockenes Stückchen Brot zu essen.
Irgendwann wurden die Champions von Mr. Potter gebeten, ihn doch hinunter auf die Ländereien zu begleiten. James bekam von Sirius ein Schulterklopfen, von Remus irgendeinen letzten Rat, von Peter einen bewundernden Blick.
Von Sara gab es einen recht fiesen Kommentar und von Lily einen langen Kuss, der Marcel, als James sich zu ihm und Anastasia gesellte, zu dem Kommentar hinriss, dass „nichts ihm Glück bringen würde, wenn nicht das".
Es entlockte James kaum mehr als ein schwaches Grinsen, während Anastasia überhaupt nichts gehört zu haben schien, sondern wie ein Mantra leise Worte vor sich hinmurmelte, die sich bei näheren Hinhören als Zaubersprüche herausstellten.
Die Ränge im Stadion füllten sich schnell, während die drei Champions nervös und schweigend die Wand mit den drei Türen beobachteten, vor der sie standen, ganz so, als würde dort gleich etwas völlig unvorhergesehenes passieren.
Stattdessen erklang nur die magisch verstärkte Stimme von James' Vater, der alle zur dritten und letzten Aufgabe willkommen hieß und die Regeln erklärte.
„Die Champions werden gleichzeitig antreten, wobei Mr. Potter und Miss Jawlensky einen Zeitvorsprung von 3 Minuten bekommen, da sie in der Gesamtwertung momentan beide einen 6 Punkte-Vorsprung zu Mr. Couperin haben.
Jeder Champion wird durch eine dieser Türen treten und dahinter mir Aufgaben konfrontiert werden. Ich wünsche allen dreien ein gutes Gelingen. Mr. Potter, Miss Jawlensky, auf mein Kommando bitte."
Nur Sekunden später ertönte das Startgeräusch und James lief zur rechten Tür hin und sah aus den Augenwinkeln, dass Anastasia die Mittlere wählte.
Der Raum, den er betrat, war leer. Über seinem Kopf konnte er verschwommen die Gesichter der Zuschauer erkennen, wie auch beim ersten Mal geschützt durch eine Kuppel.
Das einzige, im Entferntesten spannende in dieser leeren, grauen Arena, war eine Tür am anderen Ende, die James unwillkürlich an die erste Aufgabe erinnerte, aber er verdrängt den Gedanken.
Tatsächlich kam, als sich die Türe öffnete, kein Dementor hindurch, sondern etwas sehr viel kleineres, aufgeregt flatterndes. James kniff die Augen zusammen – und hätte beinahe gelacht. Ein Schnatzer!
Die setzten ihm original einen Schnatzer vor, den es wohl galt, zu fangen. Und Schnatzer waren neugierig. Wenn James reglos stehen blieb, würde das Tierchen früher oder später schon kommen. Und das tat es auch.
Noch bevor das Stargeräusch für Marcel ertönte, kam der Schnatzer nah genug an James heran, dass er blitzschnell zupacken und es greifen konnte. Augenblicklich sprang die Tür ihm gegenüber auf.
Das erste, was er wahrnahm, war Kälte. Eisige Kälte. Alles, der ganze Raum, war bedeckt mit Eis und Schnee und es dauerte einige Sekunden, bevor er das riesige, pelziges Wesen erkannte, dass ihn betrachtete. Ein Yeti. Also brauchte er Feuer. Und etwas, das brannte.
„Holz... Holz...", murmelte James und sah sich hektisch um. Nur Eis. Verdammt. Er brauchte etwas brennbares. Holz, Papier, irgendetwas!
Der Yeti hatte mittlerweile wohl auch entschieden, dass er lange genug gestanden hatte und kam schwerfällig näher. James sah sich hektisch um. Er konnte sich nicht schon im zweiten Raum scheitern.
Er brauchte Holz. Und bevor er überhaupt begriff, was er tat, rief er auch schon „ferula" und mit einem Schwenk des Zauberstabs lag ein Haufen Holz vor ihm. Fehlte nur noch Feuer.
Wie, wie war noch gleich der Spruch? Der Yeti kam näher, milde interessiert, und James fluchte. Er wusste es, wusste es ganz genau. Und dann kam ihm ein Geistesblitz. Lilys Feuerzeug!
Er hatte es immer noch in der Tasche. Blitzschnell kramte er es heraus, schaffte es, es anzuzünden, ohne sich dabei die Finger abzufackeln und hielt dem Yeti einen brennenden Holzscheit entgegen. Beinahe beleidigt wich das weiße Ding zurück und ließ ihn durch.
Während er noch durch die Tür lief, fiel James ein, dass es „incendio" hieß, aber dann rammte er die Füße in den Boden.
Ihm gegenüber stand ein Zauberer, oder irgendein anderes menschenähnliches Wesen mit Zauberkräften, ganz in schwarz gehüllt und mit einer erschreckenden Ähnlichkeit zu Todessern, und schleuderte ihm einen Entwaffnungszauber entgegen. Gerade noch rechtzeitig sprang James zur Seite.
Sekunden später flog ein Fluch auf ihn, dem er noch knapper entging und er beschloss, dass es Zeit war, sich zu verteidigen. Und das Angriff die beste Verteidigung war, wusste er ja schon lange.
„Impedimenta!", rief er und der andere Zauberer wich lachend aus und sandte einen Fluch zurück. Nur Sekunden später waren beide in ein schnelles Duell verwickelt. Flüche flogen hin und her und James spürte einen stechenden Schmerz, als einer von ihnen traf.
Blut sickerte über seine Wange und für einen Moment verlor er den Halt, schickte ohne zu zielen ein Lähmzauber los – und traf.
Misstrauisch piekte James den anderen Zauberer mit seiner Schuhspitze an, als er passierte, aber er blieb still. James zuckte mit den Achseln, murmelte den Heilzauber und die Wunde an seiner Stirn schloss sich.
Gleichzeitig entkorkte er mit den Zähnen den Stärkungstrank, den er aus seiner Tasche gefischt hatte und stürzte ihn herunter. Den konnte er jetzt bestens gebrauchen. Dann lief er wieder los, durch die Türe – und keuchte unwillkürlich auf.
Der Raum war leer. Leer bis auf einen Körper in der Mitte. Einem Körper in schwarzen Hogwarts-Roben und mit dunkelrotem Haar. Augenblicklich war James da, kniete neben ihr, strich die Haare zur Seite – und sah direkt in Lilys blutverschmiertes Gesicht.
Ihre Augen blickten leer zu ihm auf. Sie war eiskalt.
„Lily! LILY!", unwillkürlich schüttelte er sie, aber sie rührte sich nicht, hing nur schlaff in seinen Armen. Was hatten sie jetzt schon wieder mit ihr gemacht? WAS?
Hektisch sah James sich um, suchte etwas, irgendetwas – sah eine Truhe in der Ecke – und lachte erleichtert. „Ridikkulus!" Und der Irrwicht verpuffte ins Nichts.
Er wusste, dass es wichtig war. Lilys Tod, seine größte Angst. Aber das, was ihn im nächsten Raum erwartete, ließ ihn den Gedanken auf später verschieben. War es nämlich beim Yeti eiskalt gewesen, war es jetzt glühend heiß.
James wich zurück, dankte Lily im Stillen für ihre Voraussicht und kippte den Feuerschutztrank hinunter, den sie hatte mitgehen lassen. Dann erst ging er nah genug an den Drachen heran, dass dieser ihn erkennen konnte.
Er war klein, ein Baby wohl erst, spuckte aber fröhlich Feuer vor sich hin. Mit Vorliebe in James Richtung. Versenkte natürlich auch sofort den Umhang dabei. James fluchte leise und schickte vage einen Löschzauber in Richtung des Drachens.
Ein paar Flammen verloschen, aber nichts dramatisches passierte. Auch der Flammengefrierzauber oder der lang geübte aguamenti taten ihre Wirkung zwar, bewirkten aber nicht viel.
Sich weiter gegen die Flammen verteidigend wich James zurück, betrachtete den Drachen, den gepanzerten Körper, die blitzenden Augen – und hörte Lilys Stimme in seinem Kopf, die ihm ungeduldig einen Bindehautfluch vorschlug.
So den Drachen beseitigt lief James weiter, kein Gefühl für die Zeit mehr, aber immer auf der Hut, und war überrascht, dass sich der nächste Raum still präsentierte. Bis der die Sphinx erkannt, die behäbig aufstand und auf ihn zuging.
„Es ist am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig, am Abend dreifüßig. Von allen Geschöpfen wechselt es allein in der Zahl seiner Füße; aber eben, wenn es die meisten Füße bewegt, sind Kraft und Schnelligkeit bei ihm am geringsten", verkündete sie mit geheimnixvoller Stimme und James konnte für einen Moment nur starren.
Dann regte sich irgendetwas in seinem Gedächtnis, eine Erinnerung an das gerade gehörte – und mal wieder konnte er sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Warum genau Lily in irgendeinem Gespräch mal einen ‚Ödipus-Komplex' erwähnt hatte (oder was es war), wusste James beim besten Willen nicht, aber an die Geschichte dieses Ödipus', die sie ihm und Sirius anschließend erzählt hatte, erinnerte er sich schon noch.
Und das denen kein besseres Rätsel einfiel, war ja wohl lachhaft. „Der Mensch. Jetzt lass mich vorbei", verlangte er und grinste.
Vage registrierte er, dass das da gerade bereits der sechste Raum gewesen war, da betrat er den nächsten. Und seine Nackenhärchen stellten sich auf. Es war ruhig. Zu ruhig. Schlecht beleuchtet noch dazu. Irgendetwas war hier ziemlich faul.
Unwillkürlich umklammerte James seinen Zauberstab etwas fester, dachte kurz daran, sich zu leuchten, beschloss dann aber, dass er seinen Stab bereit haben musste. Immer noch geschah nichts. Unruhig blickte James sich um.
Er war mit einer kalten Nase, einem blutigen Kratzer, dem größten Schreck seines Lebens, versenkten Augenbrauen und einem ruinierten Umhang hier hindurch gekommen. Bisher war also alles überraschend gut gelaufen. Es schien ihm, als sollte das hier erst die richtige Aufgabe werden.
Die, an der sie alle drei scheitern würden. An der er scheitern würde. Immer noch blickte er sich suchend um, bis er plötzlich aus den Augenwinkeln etwas wahrnahm. Schwarz. Knapp über dem Boden. Schwebend. Teppichähnlich. Ein Letifold. James erstarrte.
Setzten die gerade ernsthaft einen Letifold auf ihn an? Das so ziemlich gefährlichste Tier, das die Zaubererwelt zu bieten hatte?
Hektisch kramte er in seinem Kopf nach etwas, das er tun konnte, einem Zauber oder sonst irgendeiner Verteidigungsmöglichkeit. Wartete auf den Geistesblitz, der sich nicht einstellte.
Und der Letifold kam näher. Und näher.
James wich zurück. Zurück, zurück… prallte mit dem Rücken gegen die Wand, fluchte leise, dachte an Lilys Rat zur Acromantula („Bete!"), fluchte noch mal.
Der Letifold näherte sich ihm immer weiter, langsam, behäbig, als wäre er ein sicheres Fressen. Und irgendetwas an dem Gedanken ärgerte James.
Er würde sich nicht kampflos umbringen lassen (auch wenn er bezweifelte, dass sie ihn wirklich würde sterben lassen… aber man wusste ja nie).
Wahllos begann er, Flüche und Zauber auf das schwarze Viech abzufeuern. Alle prallten ab. Der Letifold kam näher… näher… näher… dann: „Expecto Patronum."
Ein silbernen Hirsch.
Der Letifold wich zurück… zurück… zurück.
James lachte.
So schnell er konnte rannte er auf die letzte Tür zu, riss sie auf, rannte hindurch und wurde von frenetischem Jubel begrüßt. Sekunden später war er von Menschen umringt.
Sirius schlug ihm auf die Schulter.
„Bei Grandelbart, James, das war genial", rief Remus und niemand kam darauf zu fragen, wer Grandelbart war.
Sara fiel ihm um den Hals.
Peter schrie etwas über den Jubel, das keiner verstand.
Lily küsste ihn.
Die Juroren schüttelten ihm die Hand.
Marcel, bei dem Drachenbaby ausgeschieden, ließ sich zu einem Glückwunsch herab.
Anastasia, viele Minuten nach ihm angekommen, umarmte ihn.
Seine Mutter hatte Tränen in den Augen.
Sein Vater wirkte stolz wie noch nie.
Man gab ihm den Pokal.
Blitzlichter gingen los.
Fragen und Glückwünsche erreichten in Fetzen seine Ohren.
James stand einfach da und grinste.
Grinste, weil er genau das hatte, was er wollte.
Und während er so da stand, in Mitten des Jubels, einen Arm um Lily geschlungen, mit dem anderen und Sirius Hilfe den Pokal in die Höhe gereckt, drehte er sich zu Remus, sah ihn herausfordernd an und fragte:
„Hab ich's dir nicht gesagt?"
Das war's dann auch mal wieder.
Bester Dank geht an Andrea1984, Andrea Lupin, artemischel, asap, HexenLady, Inujeanne, jolly-for-heart07, Karsten, Lily Summer, Maja-chan, Mary, miriam, Mrs.Potter-Evans, MyLoveIsYourLove, NymphadoraTonks, primoentchen, Sanny12, sophie, TryPepper und Zaubermaus.
Besonderer Dank und die Widmung dieser FF gehen dieses Mal an Lena (APWBDumbledore).
Naja, man sieht sich.
P.S. Der Grandelbart ist übrigens ein Insider. Muss niemand verstehen.
