Ai wischte sich die letzten Reste ihres Make-ups mit dem Abschminktuch ab und warf es gekonnt in den Mülleimer. Der Professor schnarchte schon selig, so wie sie selbst in ihr Bett schlüpfte.
Mit offenen Augen lies sie den Tag noch mal Revue passieren. Da klopfte es an der Tür laut und durchdringend.
´Wer kann das schon sein?´
Sie stieg wieder aus ihrem Bett und begab sich zur Tür, tiefste Dunkelheit umgab sie auf ihrem Weg.
„Immer mit der Ruhe."
Als Sie die Tür öffnen wollte zögerte sie augenblicklich. War sie den Wahnsinnig um die Uhrzeit noch die Tür zu öffnen?
„Wer ist da?" Auch wenn sie sich alles andere als stark fühlte, war ihre Stimme laut und frei vom Zittern.
„Nun mach schon auf Ai, es gibt Neuigkeiten. Der Inspektor hat mich eben angerufen und gesagt sie hätten die Männer nach denen wir uns noch Gestern bei ihm erkundigt haben gestellt."
Die klare Stimme Conans machte ihre Ängste wirkungslos und töricht.
´Ein Glück es ist Shinichi.´ „Ja ich mach ja schon auf"
Plötzlich konnte sie die Tür nicht schnell genug öffnen. So wie sie geöffnet war und den Blick auf ein Stück klaffendes Schwarz freigab, schrie Ai.
„Hallo Sherry, ich sagte doch, ich würde dich finden."
Gin stand da und lachte einfach nur auf grausame Weise, während Ai weiter und weiter schrie.
Sie schrie auch noch als sie aufwachte und trotzdem weiter Gins Lachen hörte.
Diesmal wachte sogar Agasa auf und blickte sich verstört um.
„Ai? Hast du so geschrieen?"
Ai konnte noch nicht antworten, schwer atmend saß sie steif aufgerichtet in ihrem Bett und versuchte dieses Lachen aus ihrem Kopf zu vertreiben. Dann stand sie etwas wackelig auf und bewegte sich zur Tür hin.
„Al.. alles wieder in Ordnung. Ich hatte einen Alptraum. Schlafen sie nur weiter Professor ich bleibe noch ein bisschen auf."
Agasa wusste er konnte momentan nichts für sie tun. Sie würde nicht wollen, dass er ihre Schwäche miterlebte, das war auch der Grund, weshalb er die Nächte davor so getan hatte als würde er noch schlafen. Aber diesmal war der Schrei noch panischer und ängstlicher gewesen, sodass er nicht wieder nichts tun konnte. Sie quälte sich, aus Gründen die ihm und sogar Shinichi verborgen waren.
Ai war schon längst zur Küche gewankt und nun erhob sich auch Agasa.
´Zum Teufel mit ihrem Stolz, jetzt kann ich sie doch nicht einfach allein lassen!´
„Ai was hältst du von einer heißen Milch? Außerdem hast du noch gar nicht erzählt wie es heute gelaufen ist."
Ai wollte ihm am liebsten sagen er solle gehen, aber sie war nur Gast in seinem Haus. Er hatte sie damals bei sich aufgenommen obwohl er wusste was sie getan hatte und wer sie war. Dafür war sie ihm unendlich dankbar. Auch jetzt wollte es sie ja nur ablenken und ihr ein guter Freund sein. Also nickte sie einfach stumm und wartet schweigend auf die Milch und darauf dass er das Gespräch eröffnen würde.
„Ich weiß um deine Alpträume, ich höre dich nun fast jede Nacht schreiend erwachen, aber so schlimm wie heute war es bislang noch nicht. Was bedrückt dich so? Es steckt doch mehr dahinter als nur die Suche nach dem Gift, oder?"
Während er sprach stellte er die Milch vor Ai auf den Tisch und nippte geduldig an seiner und wartete auf ihre Antwort. Er war sich nicht mal sicher, ob sie überhaupt antworten würde, denn er wusste auch um ihre Verschlossenheit. Es war weiß Gott nicht leicht, aber sie schafften es doch ganz gut sich zu organisieren. Sie schmissen zusammen den Haushalt und mittlerweile konnte sich Agasa nicht mehr vorstellen ohne Ai zu wohnen. Deshalb empfand er es als zunehmend bedrückend sie so leiden zu sehen, in seinem Herzen war sie schon lange so etwas wie seine Tochter oder Nichte.
„Ich bin mir auch durchaus bewusste, dass sie sich sorgen Professor, aber ich kann und möchte sie nicht mit meinen Alpträumen belasten."
Sie konnte nicht sagen was oder besser gesagt wer sie Nachts in ihren Träumen heimsuchte. Sie hasste den Gedanken, dass Gin sie nach wie vor besaß , mit ihr spielte und bedrohte.
„Du solltest dann aber auch wissen, dass es mich mehr belastet dich so zu sehen. Seit du nun hier wohnst kommen wir gut miteinander aus und für mich bist du teil meiner Familie, ich kann es deshalb nicht länger hinnehmen, dass du dich vor mir verschließt. Wem hilft es denn, wenn du dich und deine Gedanken einsperrst?"
Er schaute sie nicht direkt an, es war ihm auch nicht gerade leicht gefallen das zu sagen.
Es verging eine Zeitlang in der niemand ein Wort sprach. Erst Agasa brach das Schweigen wieder.
„Shinichi ist zwar ein meisterhafter Detektiv, aber er kann nur schwer die Gefühle der Menschen in seiner Nähe verstehen oder gar spüren. Seine Spürnase scheint in dem Sinne blind, taub und stumm zu sein, aber sogar er fragte mich, was mit dir los sei, da du in der letzten Zeit noch zurückgezogener seiest als sonst.
Und ich konnte ihm nicht antworten, weil du dich nicht mal mir anvertraust. Shinichi ist sicher nicht der Richtige um darüber zu sprechen, aber ich bin doch, will ich sagen durch meine Lebenserfahrung kein schlechter Zuhörer.
Sieh es mal so, wenn du diese Gefühle wie ein Glotz am Bein mit dir rumträgst wirst du wahrscheinlich im entscheidendesten Moment darüber stolpern."
Zum ersten mal betrachtete Ai den Professor genau, so wie er sie fürsorglich anblickte spürte sie fast väterliche Wärme. Sie hatte über alles nachgedacht nur nie über die Menschen um sie herum und dabei übersehen, dass es durchaus Menschen gab denen sie vertraute. Agasa war so etwas wie ein Vater für sie geworden, aber reichte das?
Agasa sah durchaus ein, dass dieses Gespräch zwar kurz gewesen war, allerdings ebenso anstrengend für sie beide. Er hatte Ai wieder genügend zum denken gegeben und deshalb erhob er sich und schüttete die fast noch volle Tasse Milch in den Ausguss.
„Ich denke du brauchst jetzt wieder etwas Zeit für dich. Wenn du reden willst, du weißt wo du mich findest. Gute Nacht Ai."
Und weg war er. Ai dagegen blieb noch lange sitzen bis sie der Schlaf überraschte und sie in den nächsten Alptraum zog.
Diesmal wusste sie es sofort, dieser Alptraum würde anders werden und das auf eine sehr beängstigende Art und Weise. Es war dunkel um sie herum und mit der letzten Kraft Hoffnung versuchte sie die Küche zu sehen, als beweis, dass sie doch nicht träumte und sich nur in der dunklen Küche befand.
Aber sie wusste eigentlich schon vorher, dass es aussichtslos war.
Sie war kraftlos geworden, wie sollte sie ihr Leben kontrollieren können wenn ihr das noch nicht mal mit ihrem Alpträumen gelang? Jeder konnte seine Träume beeinflussen, Ärzte sagten das doch immer zu ihren Patienten. Sie versuchte sich wieder auf ihren Alptraum zu konzentrieren.
Um sie herum war alles dunkel und sie ertastete Wände aus Ziegelsteinen um sie herum. Wo war sie?
Sie lehnte ihren Kopf an die Wand und blickte so unbeabsichtigt nach oben worauf sie auf einen Blutroten Mond blickte.
´Nach oben hin ist dieser Kasten also offen? Moment heißt das etwa ich bin...?´
Sogleich lenkte sie ihren Blick nach unten und tatsächlich sie befand sich in einem Kamin.
´Augenblick mal ich bin in meinem richtigen Körper, bitte lass mich keinen Overall tragen. Bitte nicht dieser Alptraum!´
Das was sie sah gefiel ihr noch weniger. Sie hatte eine Hautenge und knappe Jeans, welche an den Hosenbeinen ausgefranst war, dazu Ballerinas mit leichtem Absatz und zur Krönung des ganzen ein knappes Top, dessen Farbe sie nur erahnen konnte ein blutiges Rot.
´Meine Alpträume sind ja richtige Folterinstrumente, dass ist jetzt wirklich zu viel!´
Sie war in ihrer Verzweiflung am überlegen, was schlimmer wäre diese Klamotten oder lieber eben Nackt? Aber für weitere Überlegungen war es bereits zu spät
Frustriert ließ sie den Kopf hängen und wünschte sich sehnlichst sie hätte nicht.
Unten blickte ihr das ihr altbekannte Gesicht ihres Alptraumes entgegen, Gin.
„Super Aussicht hat man von hier unten! Schade das Wodka das nicht sehen kann."
Ai lief knallrot an, an so einen Alptraum hatte sie nicht gedacht und das aus gutem Grund...
„Komm doch rauf wenn du dich traust." Ai musste wahnsinnig geworden sein so was zu sagen. So schnell sie konnte kletterte sie rauf, dem Blutrotem Mond entgegen.
Mist sie hatte recht gehabt das Top war blutrot. Sie verwünschte ihre Fantasie.
Wie bereits erwartet wartete Gin auf sie. Er lies es sich nicht nehmen sie ausgiebig von unten nach oben zu begutachten.
„Der blutrote Mond schmeichelt dir Sherry. Eine würdige Atmosphäre zu sterben. Findest du nicht?"
Sie sagte nichts, sollte er sie doch erschießen, dann würde sie wenigstens aufwachen.
„Du solltest aufhören weg zulaufen Shiho. Sieh nur was es dir bringt, ich suche dich in deinen Alpträumen heim, wenn du vollkommen schutzlos bist."
Mit einem Mal spürte sie eine Wut in sich, keine Angst mehr.
„Du sollst mich nie wieder Shiho nennen!"
Sie spürte wie sich eine 45er in ihre Hand legte. Sie erhob sie Gin entgegen, ohne Zittern und ohne Skrupel so wie sie es gelernt hatte, von ihm.
„So kenne ich meine kleine, arme Shiho. Dir hat es früher immer gefallen, wie ich dich nannte. Na los schieß wenn du glaubst es befreit dich. Du weißt, du wirst mir immer gehören.
Ai konnte diese Worte nicht mehr ertragen, vor allem weil sie irgendwie stimmten.
Mit der Kaltblütigkeit einer erzogenen Killerin schoss sie direkt in das eisige Lachen, welches sich in ihr Herz bohrte und es erfrieren ließ noch nachdem Gin zu Boden sank.
Ihre Hände waren blutig und die Waffe glitt ihr aus den Händen, das Lachen aber hielt an.
In einem Strudel wurde alles um sie herum blutrot.
Erst die Stimme Agasa´s holte sie in die Wirklichkeit zurück.
„Ai wach auf, die Schule fängt gleich an. Hast du etwa die ganze Nacht hier geschlafen?"
Wie hypnotisiert blickte sie erst ihre Hände an, lief zum Waschbecken um sie sich zu waschen und schaute erst dann den Professor an.
„Professor, ich glaube ich würde gerne reden."
