Basierend auf den Romanen von Joanne K. Rowling.

Kapitel 1

Mit einem langen scharfkantigen Kamm fuhr Mrs. Black durch die dunklen Haare ihres Sohnes. Ihre Miene wirkte konzentriert, die schmalen Lippen waren zusammengekniffen und über ihrer Nasenwurzel hatte sich eine tiefe Falte gebildet. Ungehalten blickte sie ihren Sohn im Spiegel an, als dieser plötzlich ruckartig den Kopf zur Seite riss und das Gesicht verzog.

„Mum!", beschwerte sich Sirius. „Du reißt mir noch sämtliche Haare aus!"

„Stell dich nicht so an!", gab sie verärgert zurück. „An deinem ersten Schultag musst du anständig aussehen."

Mit einem Seufzen lehnte Sirius den Kopf wieder zurück und verdrehte die Augen.

„Und das habe ich auch gesehen!", fügte Mrs. Black hinzu und fuhr noch energischer als zuvor durch sein Haar.

Sirius konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Es verging ihm jedoch sofort wieder, als Mrs. Black im Eifer des Gefechts mit den Kammzinken in seine Kopfhaut stach.

„Autsch! Mum, findest du nicht, du hast allmählich genug gekämmt?"

„Wie man es nimmt!" Mrs. Black ließ den Kamm sinken und trat vor ihren Sohn. Mit leicht zusammengekniffenen Augen betrachtete sie ihn kritisch. „Knöpf dein Hemd zu!", mahnte sie und schloss mit ihren langen Fingern selbst die beiden oberen Knöpfe, die offen standen. „Und steck es in die Hose! Sonst siehst du noch wie ein schlampiger Muggel aus!"

Mit wehendem Haar verließ sie das Zimmer und verschwand im Bad. Sirius wusste, dass sie sich nun, nachdem er an der Reihe gewesen war, selbst herausputzen würde. Auch Regulus hatte die Prozedur bereits über sich ergehen lassen müssen – brav und schweigend zwar, doch, wie Sirius genau gesehen hatte, mit zusammengebissenen Zähnen, als sie mit dem Kamm auf ihn eingestochen hatte.

Man könnte meinen, die ganze Familie würde eingeschult, dachte er entnervt. Doch er kannte seine Mutter und war ihr Verhalten nicht anders gewohnt. Mrs. Black hätte nicht einmal ungeschminkt den Müll vor die Tür getragen. Und wenn sich die einzigartige Gelegenheit bot, vor allen anderen Zaubererfamilien auf Gleis Neundreiviertel mit Wohlhaben und Reichtum zu protzen, wäre sie verrückt gewesen, auf diese Gelegenheit zu verzichten. „Wir sind Blacks – verhalten wir uns dementsprechend ..." Er kannte ihr Gerede in und auswendig und konnte es allmählich nicht mehr hören. Wie angenehm es doch die nächsten Monate in Hogwarts werden würde, wenn er davon verschont blieb ...

Sirius rückte mit seinem Stuhl vor und betrachtete sich im Spiegel. Als seine Mutter an seinem Erscheinungsbild gefeilt hatte, war sie ihm auf die Nerven gegangen, doch nun wurden auch seine Augen kritisch. Sein schwarzes Haar glänzte und lag dicht wie ein Helm um seinen Kopf an. Mit welchen Unmengen an Haargel war die alte Hexe ihm nur zu Leibe gerückt? Sirius fuhr sich durch die langen Strähnen, legte den Kopf in den Nacken und schüttelte ihn kurz. Zufrieden blickte er seinem Spiegelbild entgegen, als er sah, dass ihm seine Haare wie gewohnt in die Augen fielen.

Sirius stand auf und war schon auf halbem Weg zur Tür. Doch bevor er sie erreicht hatte, drehte er sich erneut um und warf einen Blick zurück in den Spiegel. Abschätzend betrachtete er sich und zog er die Stirn kraus, dann öffnete er die obersten Knöpfe seines Hemds wieder.

„Hübsch, hübsch, der junge Black", flötete der Spiegel.

Sirius schenkte ihm ein Lächeln und schlenderte er die Treppe hinunter.

oOo

„Ihr Koffer liegt im zweiten Abteil von links, Master Black, Sir", piepste der winzige Hauself, nachdem er die Stufen des Wagons hinabgeklettert war.

Sirius nickte kaum merklich. Sein Blick schweifte neugierig über die Menschenmenge, doch die schrille Stimme seiner Mutter ließ ihn den Kopf wenden.

„Pass auf, dass du nichts von dem stinkenden Ruß einatmest!", mahnte sie ihren jüngeren Sohn, der staunend die scharlachrote Lok bewunderte. Als Regulus nicht hörte, griff sie mit einer schnellen Bewegung seinen Arm und zog mit einem Ruck zurück.

Mrs. Black steckte in einem langen, eisblauen Kleid und hatte ihren Pelzmantel über die Schultern geworfen. Ihr langes Haar war zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt.

Sie könnte hübsch aussehen, dachte Sirius, nicht zum ersten Mal. Wenn sie nur die Nase etwas tiefer tragen würde. Sie wirkt wie eine Königin, die auf ihre Diener hinabsieht ...

Tatsächlich hatte Mrs. Black soeben ihre Augen auf eine ärmlich aussehende Familie gerichtet. Beide Eltern und ihr Sohn trugen ausgebeulte Muggelkleidung. Sie waren gerade dabei, einen alten, arg ramponierten und ausgeblichenen Koffer die Stufen zum Wagon hinaufzuwuchten.

Herablassend lächelnd schüttelte Mrs. Black den Kopf. „Muggelstämmige", verkündete sie wissend, als ob sie in der Lage wäre, den dreien ihre Abstammung anzusehen. Dann wandte sie sich an Sirius und ihr Gesicht wurde ernst: „Ich erwarte, dass du in Hogwarts einen Weiten Bogen um ihresgleichen machst. Wag es ja nicht, dich mit ihnen abzugeben! Das Schicksal möge dafür sorgen, dass du in Slytherin landest, wo die Reinblüter noch unter sich sind."

Sirius hatte die Hände in die Taschen geschoben und kaum zugehört. „Jaah, Mum ...", murmelte er abwesend.

Prompt fasste sie ihn bei den Schultern. „Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!"

Sirius drehte widerwillig den Kopf. Obgleich Mrs. Black eine große Frau war, hatte er schon beinahe ihre Augenhöhe erreicht. Eindringlich blickte sie ihn an. „Ich weiß genau, mit welchem Gesindel du dich während der Ferien herumgetrieben hast", erklärte sie. „Halbblüter, Muggelstämmige, Gewöhnliche! Ab jetzt werden dein Vater und ich das nicht mehr tolerieren. Sollte uns noch einmal zu Ohren kommen, dass du dich mit solchen Leuten abgibst, wirst du dein blaues Wunder erleben."

Einen kurzen Moment lang klappte Sirius der Mund auf. „Woher willst du so genau wissen, dass ich ..." Doch dann blieb sein Blick an Regulus haften und ihm war, als kannte er die Antwort. „Ich glaube es nicht", sagte er und lachte humorlos auf. „Ist mir diese kleine Ratte von einem Bruder etwa nachgeschlichen ... ?"

„Hüte deine Zunge!", fauchte Mrs. Black. „Regulus ist dir nicht nachgeschlichen, er hat dich zufällig mit ein paar Jungen auf der Straße gesehen. Und er hat das einzig Richtige getan, indem er deinen Vater und mich davon unterrichtet hat. Also sei gewarnt. Ich werde deine Cousine bitten, ein Auge auf dich zu haben, während du in Hogwarts bist."

Sirius war bleich geworden vor Zorn. „Ich weiß schon, ihr hättet lieber einen zweiten Regulus als mich – noch jemanden, der dumm genug ist, nach eurer Pfeife zu tanzen. Nicht wahr?"

Seine Mutter sah aus, als ob sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte. Doch dann riss sie sich zusammen und begnügte sich mit einem tief verachtenden Blick. Sirius wusste, dass sie niemals in der Öffentlichkeit einen Streit ausgetragen hätte, wenn alle Umherstehenden zusahen. Um keinen Preis der Welt hätte Mrs. Black zugelassen, dass das Bild ihrer perfekten Familie einen Sprung bekam. Dabei wäre es Sirius am liebsten gewesen, wenn sie sich vor allen Leuten angeschrieen hätten. Es hätte wenigstens seinen Zorn gemildert ...

Eine lange Weile schwiegen sie beide. Wie eine Gewitterwolke, die sich entladen wollte, schwebte der Groll zwischen ihnen.

„He, Sie!", keifte seine Mutter plötzlich. Überrascht hob Sirius den Kopf. Eine Frau schien Mrs. Black versehentlich angerempelt zu haben, sie trug einen schweren Eulenkäfig und sah leicht erschöpft aus.

„Was fällt Ihnen überhaupt ein?", schimpfte Mrs. Black und klopfte ihren Mantel ab. „Haben Sie keine Augen im Kopf? Dieser Käfig da hätte mich beinahe getroffen. Seien Sie froh, wenn die Sache kein Nachspiel für Sie hat ..."

Die Frau, die offenbar zu einer Entschuldigung hatte ansetzen wollen, starrte Mrs. Black verdutzt an, ebenso ihr Mann. Auch ihr Sohn war stehen geblieben. Er war etwa in Sirius´ Alter, trug eine Brille und hatte schwarzes, verstrubbeltes Haar. Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke, dann schaute der Junge angewidert fort.

„Was für unmögliche Leute es doch gibt!", sagte Mrs. Black und schaute kopfschüttelnd der Familie hinterher, die sich wortlos umgewandt hatte und auf den Hogwarts-Express zugesteuert war. Sirius biss sich auf die Lippen und verkniff sich seinen Kommentar. Er wünschte nur noch, möglichst bald von hier fort zu kommen, weit weg von nervtötenden Stimme seiner Mutter. Nicht mehr lange, und er würde die Beherrschung verlieren ...

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, stieß die Dampflok einen kurzen Pfiff aus.

„Ich muss los", verkündete Sirius knapp und bahnte sich einen Weg zum nächsten Wagon. „Wiedersehen!"

„Denk daran, was ich dir gesagt habe!", rief ihm seine Mutter nach.

„Schick eine Eule, sobald du angekommen bist!", ließ sich sein Vater vernehmen, der noch immer mit Regulus neben der Lok stand. „Und benimm dich gut!"

Sirius schenkte keinem von ihnen einen weiteren Blick mehr. Mit schnellen Schritten erklomm er die Stufen des Wagons und schob sich an mehreren Schülern vorbei zu seinem Abteil. Bis auf seinen Koffer war es völlig leer. Sirius stieß ein erschöpftes Seufzen aus, schüttelte das Haar aus den Augen und ließ sich prompt in einen Sitz fallen. Er hatte das Gefühl, soeben einem Gefängnis entflohen zu sein. Wie herrlich ruhig und entspannend das Leben ohne seine Familie sein würde ... Sirius rutschte tiefer in seinen Sessel und legte die Füße auf den gegenüberliegenden Sitz.

oOo

Langsam ruckte der Hogwarts-Express an. Sirius hatte den Kopf an die Scheibe gelehnt und sah den Bahnsteig an sich vorbeiziehen. Noch immer drang der gedämpfte Lärm von Schritten und durcheinander redenden Stimmen aus dem Gang zu ihm herein. Plötzlich wurde die Abteiltür aufgerissen, ein erschöpft dreinblickender Junge mit hellbraunem Haar schaute durch den Spalt.

„Ist hier noch frei?", fragte er vorsichtig.

Es war eine überflüssige Frage, denn außer Sirius waren alle Plätze leer. Dennoch schien der Junge damit zu rechnen, sofort wieder hinausbeordert zu werden; er hatte kaum den Kopf ins Abteil gesteckt und Sirius´ Lächeln schien ihn zu überraschen.

„Sicher", war die Antwort.

Mühsam schob der Junge die Abteiltür ganz auf und zerrte seinen schmuddeligen Koffer hinein. Im selben Augenblick wurde Sirius klar, weshalb er mit Ablehnung gerechnet hatte. Sein Erscheinungsbild wirkte im Vergleich zu Sirius leicht schäbig, die Haare waren zerzaust und die Kleidung zerknittert und abgetragen. Wie hatte Mrs. Black doch gleich gesagt? Muggelstämmige! Sirius musste sich unwillkürlich vorstellen, wie sie reagieren würde, könnte sie ihren Sohn jetzt zusammen mit diesem Jungen sehen. Wahrscheinlich würde sie sich vor Entsetzen jedes Haar einzeln ausreißen.

Nun, soll sie sich doch ihre Frisur ruinieren, dachte er in einem Anflug von Gehässigkeit. Vielleicht wird sie wenigstens etwas ihrer Arroganz einbüßen, wenn sie eine Glatze bekommt!

Der Junge hatte seinen Koffer auf der Gepäckablage verstaut und blickte sich zögernd um. Rasch nahm Sirius seine Füße vom gegenüberliegenden Platz.

„Setz dich."

„Danke", erwiderte er und setzte sich erleichtert. Doch noch immer musterte er seinen Mitfahrer aus scheuen Augen. Er wirkte ein wenig angeschlagen, im Licht des Abteils war sein Gesicht müde und grau.

„Geht es dir nicht gut?", fragte Sirius und beugte sich vor. „Du siehst aus, als ob du krank wärst."

Der Junge lächelte gequält. „Ich schätze, die ganze Aufregung wegen Hogwarts schlägt mir auf den Magen."

„Gehörst du auch zu den Erstklässlern?"

Er nickte. Erfreut streckte Sirius ihm die Hand hin. „Black. Sirius Black."

„Ich bin Remus ... Lupin", erwiderte er langsam und schüttelte seine Hand.

Zögernd betrachtete er Sirius, der ihm jedoch vergnügt zulächelte. „Waren das eure Hauselfen, die das Gepäck trugen?", fragte Remus schließlich, wobei eine Spur Neugierde in seiner Stimme mitschwang.

„Ja, meine Mutter kann sich kein einziges Mal die Hände selbst schmutzig machen. Deshalb hat sie die Hauselfen zum Zug beordert."

„Ihr müsst eine sehr wohlhabende Familie sein."

Sirius zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich, ja, aber mir ist das gleich."

Ungläubig zog Remus die Stirn kraus, doch in seinen Augen schien ein wenig Erleichterung zu glimmen.

„Meine Familie wäre froh, einen Hauselfen zu haben", gestand er plötzlich offenherzig.

„So toll sind die auch wieder nicht", entgegnete Sirius abwinkend. „Gehen dir ständig auf den Geist mit ihrem übertriebenen Gehabe. Ja, Master Black, sehr wohl, Master Black, einen angenehmen Tag noch, Master Black ..." Remus musste grinsen, als Sirius die Augen zur Decke verdrehte. „Naja, egal ... hattest du eine weite Reise bis nach London?"

Remus wollte gerade antworten, als sein Blick plötzlich zur Abteiltür wanderte. Auch Sirius wandte den Kopf. Draußen auf dem Gang schien es Aufruhr zu geben, sie hörten zornige Stimmen, die wild durcheinander schrieen. Unverzüglich stand Sirius auf und öffnete die Tür, Remus folgte ihm.

„Das war pure Absicht von dir!", erklang es aus dem Gang.

Sirius und Remus steckten die Köpfe aus dem Abteil. Links und rechts von ihnen standen sich zwei Jungen gegenüber. Beide hatten ihre Zauberstäbe gezückt und musterten einander zornig. Zwischen ihnen kniete ein kleiner, etwas pummeliger Junge am Boden und klaubte mit hochrotem Gesicht seine Kleidungsstücke auf. Sein geöffneter Koffer, der neben ihm lag, war offenbar aufgesprungen.

Sirius erkannte den linken der drei sofort wieder – sein schwarzes Haar schien noch ein wenig mehr zu Berge zu stehen als auf dem Bahnsteig, wo seine Mutter gegen Mrs. Black gerempelt war, doch seine Miene war nach wie vor äußerst angewidert. Den Jungen zu seiner rechten hatte Sirius noch nie gesehen. Mit seinen kalten Augen und dem bleichen Gesicht, das von schwarzen, öligen Haarsträhnen umrahmt wurde, wirkte er allerdings alles andere als sympathisch. Als er sprach, war seine Stimme nicht mehr als ein leises Zischen. „Wieso Absicht? Was kann ich dafür, wenn mir der kleine Dummkopf mitten vor die Füße rennt?"

„Du hast Peter absichtlich umgestoßen, weil es dir hier im Gedränge zu langsam ging!", rief sein Gegenüber wütend. „Bleib sofort stehen!", fügte er hinzu, als er sah, dass sich der bleiche Junge verdrücken wollte.

Nicht minder zornig drehte sich dieser um. „Und wenn nicht, Potter? Spiel dich bloß nicht so auf! Ich glaube kaum, dass du als Erstklässler überhaupt einen Zauber zustande bringst."

Die Antwort darauf folgte schneller, als er blinzeln konnte. „Petrificus Totalus!", erschall es durch den Gang. Es war ein schwacher Zauber, doch Sirius sah genau, dass er ansatzweise zu wirken schien. Als der bleiche Junge zum Gegenschlag ausholen wollte, hoben sich seine Arme nicht weiter als zehn Zentimeter. Abrundtief zornig ergriff er die Flucht. Aber auch seine Beine schienen beeinträchtigt zu sein, es gelang ihm nur mit größter Mühe, zurück in sein Abteil zu hinken.

Sein Gegner ließ triumphierend den Zauberstab sinken. Sirius musste zugeben, dass er beeindruckt war. Für einen Erstklässler, der noch keine einzige Unterrichtsstunde abgesessen hatte, war es eine brillante Leistung gewesen, die ihn überraschte.

Langsam kniete sich der Junge hin und half dem anderen, seine Sachen zurück in den Koffer zu stopfen. Doch er schien die beobachtenden Blicke zu spüren. Als er den Kopf hob, trafen sich seine und Sirius´ Augen erneut, und Sirius las seiner Miene ab, dass er ihn als denjenigen erkannte, dessen Mutter die seine zur Schnecke gemacht hatte.

„Was glotzt ihr beiden so blöd?", rief der Junge herausfordernd.

Leicht empört öffnete Sirius den Mund. Eine Weile noch starrte ihn der Junge namens Potter finster an, dann wandte er sich wieder ab und sammelte einen Spitzhut vom Boden auf. Sirius zog abrupt seinen Kopf zurück und ließ die Abteiltür zuknallen.

„Das war ein beachtliches Stück Magie", bemerkte Remus, nachdem sie sich wieder gesetzt hatten. „Wenn er wirklich ein Erstklässler ist, wie wir."

Sirius nickte, doch noch immer wirkte er verstimmt. Während Remus begeistert anfing, über Flüche und Gegenflüche zu reden, verhielt er sich die restliche Fahrt über recht wortkarg. Es gefiel ihm nicht, dass er offensichtlich auf Ablehnung stieß, bei jemandem, der ihn ernsthaft beeindruckt hatte. Würde ihn Potter wirklich aufgrund seiner arroganten Mutter verurteilen?

oOo

Inmitten eines Stroms aus Erstklässlern betraten Sirius und Remus die Eingangshalle von Hogwarts. Flackernde Fackeln brannten an den Wänden und warfen zitternde Schatten über ihre Gesichter, während sie sich umsahen. Remus wirkte fasziniert von der edlen Marmortreppe und schien sich zusammenreißen zu müssen, um nicht mit offenem Mund stehen zu bleiben.

„Riesig!", flüsterte er Sirius zu. „Dieser Raum ist so hoch, dass ich kaum die Decke erkennen kann!"

Sirius gab ein Geräusch von sich, das nicht klar erkennen ließ, ob es nun Zustimmung oder Zweifel ausdrücken sollte. Tatsächlich wusste er nicht recht, ob ihm das Schloss gefiel. Vieles hier erinnerte ihn an zuhause und erschien ihm eine Spur zu protzig, angefangen von den blank geputzten Fliesen bis zur hohen gewölbeartigen Decke. Dennoch war es zweifelsohne schön anzusehen.

Professor McGonagall geleitete sie in einen kleinen Raum neben der Großen Halle und ließ sie kurz allein. Remus begann rastlos von einem Fuß auf den anderen zu treten.

„Was meinst du, in welches Haus du geschickt wirst?", fragte er Sirius nach einer Weile.

Ein wenig ratlos hob Sirius die Schultern. „Ich nehme das wie es kommt, denke ich."

Remus nickte.

„Was ist mit dir?", wollte Sirius wissen.

„Oh, nun ja … Gryffindor wäre natürlich nicht schlecht. Aber ich weiß wirklich nicht, ob ich dorthin gehöre." Etwas verlegen lächelte Remus ihn an, dann wandte er sich um und begann im Raum auf und ab zu gehen.

Schließlich kehrte Professor McGonagall zurück und führte sie in die Große Halle, wo die Auswahl-Zeremonie stattfinden würde. Beim Eintreten hob Sirius den Kopf und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. So langsam begann ihm das Schloss zu gefallen, besonders diese Halle, die sich zum Himmel zu öffnen schien. Samtschwarz, glitzernd und voller Sternen erstreckte sich die Nacht über ihren Köpfen. Lächelnd warf Sirius einen Blick zu Remus, um zu sehen, was sein neuer Freund von dieser wundersamen Halle hielt. Remus schaute nervös grinsend zurück. Inzwischen wirkten die meisten Gesichter um sie herum angespannt und aufgeregt, wie Sirius erkannte, als er sich zu den anderen Erstklässlern umwandte. Sirius horchte in sich selbst hinein und stellte fest, dass auch sein eigenes Herz etwas schneller schlug als sonst ...

Nachdem der Sprechende Hut sein Lied gesungen und einen lang anhaltenden Applaus dafür geerntet hatte, verschaffte sich Professor McGonagall mit einem Räuspern Gehör. In der Halle kehrte langsam Ruhe ein. Professor McGonagall schob ihre viereckigen Brillengläser zurecht, entrollte ein langes Pergament und begann, nacheinander ihre Namen zu verlesen.

Sirius wurde gleich nach „Abbott, Paul" und „Black, Narzissa" aufgerufen. Langsam schlenderte er nach vorn, griff mit einer Hand nach dem Hut und zog ihn über den Kopf.

Eine leise piepsige Stimme ertönte. „Wollen wir doch mal schauen", sagte sie und klang äußerst interessiert. „Ein kluger Kopf, wie ich sehe. Viel Ehrgeiz und Eigensinn darin ... Mut überdies, oh ja, großer Mut, ganz offensichtlich. Und eine tiefe Sehnsucht nach etwas Wahrem, sehr tief ... Nun, in welches Haus soll ich dich schicken?"

Sirius hörte den Pulsschlag in seinen Ohren, als der Hut in Schweigen verfiel. Seine Eltern hatten in letzter Zeit häufig über dieses Thema gesprochen. Natürlich wollten sie ihn in Slytherin sehen, doch es hätte nicht deutlicher sein können, wie sehr sie diese Möglichkeit anzweifelten. Auch Sirius hatte seine Zweifel ...

„Zweifel?", fragte der Hut plötzlich und Sirius zuckte überrascht zusammen. „Nun, du könntest du in so manches Haus passen, durchaus. Aber du selbst hast schon lange entschieden, welchen Weg du gehen willst, meine ich. Ich schicke dich nach GRYFFINDOR."

Das letzte Wort scholl laut und deutlich durch die Halle. Sirius zog den Hut vom Kopf und wischte sich das Haar aus den Augen, während der Tisch an der linken Seite zu klatschen begann. Ein paar Schüler winkten oder zwinkerten ihm zu. Mit einem kaum merklichen Lächeln legte Sirius den Hut auf den Stuhl und suchte sich einen Platz in ihrer Mitte.

Die restliche Auswahl zog sich lange hin. Nach einiger Zeit fühlte Sirius, der seit dem Mittag nichts mehr gegessen hatte, seinen Magen knurren. Gelangweilt streckte er die Beine unter dem Tisch aus und setzte sich erst wieder gerade hin, als Remus´ Name aufgerufen wurde. Gespannt wartete er, wie der Sprechende Hut entscheiden möge. Als er schließlich „GRYFFINDOR!" rief, klatschte Sirius am lautesten.

„Willkommen", grinste er, als sich Remus an seiner Seite niederließ, und hielt ihm die flache Hand hin. „Ich weiß nicht, ob ich dorthin gehöre … Bist du immer so ein Tiefstapler?"

Remus ging nicht darauf ein, blickte Sirius jedoch strahlend an und schlug ein. Er war vor Aufregung immer noch ein wenig blass.

„Pettigrew, Peter", rief Professor McGonagall kurze Zeit später. Sirius und Remus sahen zu, wie der kleine, pummelige Junge aus dem Zug nach vorne stolperte und mit zitternden Händen den Hut aufsetzte.

„GRYFFINDOR!", rief der Hut nach einer langen Weile.

„Potter, James!"

Peter´s Beschützer, der schlanke Junge mit den verstrubbelten Haaren, trat vor. Er schien es kaum erwarten zu können, den Hut aufzusetzen und in sein Haus eingeteilt zu werden. Eilig streckte er die Hand aus und zog ihn auf den Kopf. „GRYFFINDOR!", rief der Hut zum dritten Mal.

Sirius registrierte, dass der Hut bei James sehr schnell entschieden hatte, während Peter ihn beinahe eine Minute lang auf dem Kopf behalten hatte. Mit gemischten Gefühlen beobachtete er, wie die beiden am anderen Ende des Tisches Platz nahmen. Er war sich nicht sicher, ob er sich darüber freute, dass sie ebenfalls in Gryffindor gelandet waren.

Die Auswahl-Zeremonie ging langsam zu Ende. Als einer der letzten wurde der bleiche Junge mit den langen, öligen Haarsträhnen aufgerufen. Irgendjemand musste ihn vom schwachen Zauber der Ganzkörperklammer befreut haben, denn als er auf „Snape, Severus" hin nach dem Hut griff, schienen ihm seine Arme wieder zu gehorchen. Severus wurde nach Slytherin geschickt. Langsam trottete er durch die Halle auf den rechten Tisch zu und nahm neben Sirius´ Cousine Platz, die nicht gerade begeistert davon zu sein schien.

Nach ein paar Einführungsworten Dumbledores begann die gesamte Schule mit dem Festessen. Sirius kam sich regelrecht ausgehungert vor und langte dementsprechend zu. Eine Weile sprach niemand, alle waren mit Kauen beschäftigt. Remus schluckte einen Bissen Yorkshire-Pudding hinunter, dann wandte er sich grinsend Sirius zu.

„Ich werde gleich nachher eine Eule an meine Eltern schicken", sagte er zufrieden. „Sie werden sich freuen, dass ich nach Gryffindor gekommen bin."

„Wirklich? Deine Eltern scheinen vernünftige Leute zu sein." Einen Moment lang blickte Sirius finster auf sein angebissenes Steak. Als Remus jedoch fragend die Augenbrauen hob, schüttelte er nur den Kopf. Er hatte keine Lust, sich den Appetit von Gedanken an seine eigenen Eltern verderben zu lassen.

„Es heißt, Dumbledore selbst wäre in Gryffindor gewesen", mischte sich ein blonder Junge neben Remus ein. „Ich bin Frank Longbottom", fügte er lächelnd hinzu und gab ihnen nacheinander die Hand. Remus fing an, sich mit Frank über das Schloss und die Ländereien zu unterhalten, während sich Sirius zum wiederholten Mal einen Nachschlag auftat.

Nachdem alle ihre Hauptspeise beendet hatten, wurde das Dessert aufgetischt. Sirius hatte ein Gespräch mit einer blonden Zweitklässlerin begonnen. Allerdings hörte mehr zu als das er redete, da er voll und ganz mit seinem Nachtisch beschäftigt war.

„Sirius", sagte sie und zwirbelte eine ihrer langen Haarsträhnen um den Finger, „das ist ein Stern, nicht wahr?"

Kauend nickte Sirius.

„Ich liebe die Sterne!", sagte das Mädchen hingerissen. „Astronomie ist eines meiner Lieblingsfächer. Es wird hoch oben im Nordturm unterrichtet."

„Was genau lernt ihr in Astronomie?", fragte Sirius, als sein Mund wieder leer war.

„Wir beobachten die Sterne mit Teleskopen und studieren die genaue Position der Sterne und Planeten. Vielleicht klappt es morgen aber nicht, bei Vollmond ist es meistens nicht dunkel genug, leider. Ich mag diesen theoretischen Kram nicht. Den Himmel zu betrachten ist viel spannender."

Sirius konnte sich nicht vorstellen, was daran spannend sein sollte, nickte aber trotzdem. Einen Moment später wurde die Tafel von Dumbledore aufgehoben. Sirius streckte sich gähnend, er fühlte sich träge und schläfrig.

„Ich könnte gleich hier am Tisch einschlafen", verkündete er an Remus gewandt.

Remus saß zusammen gekauert auf seinem Stuhl, es schien ihm nicht gut zu gehen.

„Ist irgendetwas?", fragte Sirius verwundert.

Schon im Zug hatte Remus kränklich ausgesehen, doch nun, wo das Festmahl vorbei war, wirkte er regelrecht elend. Seine Augen waren dunkel umschattet, das Gesicht so weiß wie die Wände.

„Ich muss wohl ... zu viel gegessen haben", murmelte er heiser.

„Du hast dir doch kaum nachgenommen."

Remus stand auf, seine Miene spiegelte Unbehagen. „Ich glaube, ich sollte die Vertrauensschüler fragen, wo sich der Krankenflügel befindet."

Schon war er inmitten des Gedränges verschwunden. Sirius blickte ihm nach und hob eine Augenbraue. „Das kann man wohl sagen", murmelte er.