Es geht weiter...
Der Teil trägt seinen Titel schon zu recht, aber das werdet ihr ja lesen...
Chapter 2: Eine schreckliche Entdeckung
Die Wunde an ihrer Seite schmerzte. Sie konnte kaum atmen, ohne dass es weh tat. Zum Glück blutete die Wunde nicht mehr. Ihr Top hatte sich an der Seite bereits rot gefärbt, aber es war wohl nur ein Streifschuss, also nichts lebensgefährliches.
Sie betete, dass es bei dieser einen Verletzung bleiben würde, aber der Mann, der seit einigen Stunden bei ihr war, gab ihr das Gefühl, dass sich ihre Gebete nicht erfüllen würden.
Er hatte sie von der Nebenstraße, in der sie angeschossen worden war hier her gebracht. Wo „hier" genau war wusste sie nicht. Von dem, was sie im Dämmerlicht, das durch die staubigen und teilweise zerbrochenen Fenster, fiel sehen konnte befand sie sich in einer alten Lagerhalle. Kazuha vermutete, dass er sie in eine der leerstehenden Hallen gebracht hatte, die am Stadtrand von Osaka befanden und in nächster Zeit abgerissen werden sollten. Mit Bestimmtheit konnte sie ihren Standort aber nicht identifizieren.
Der Mann in Schwarz, so nannte sie ihn, weil er ganz in Schwarz gekleidet war, hatte ihr eine Tablette verabreicht, bevor er sie hier her verschleppt hatte. Sie konnte sich nur noch daran erinnern, dass ihr Blick verschwamm und die Umgebung zusehends verschwand, bis sie das Bewusstsein verlor. Und als sie wieder zu sich kam befand sie sich an diesem düsteren Ort.
Seit diesem Zeitpunkt waren laut ihrer Armbanduhr mehr als eine Stunde vergangen.
„Das würd' bedeuten"überlegte sie, „dass ich vor etwa zwei Stunden angeschossen wurd'. Dann isses auch schon so lange her, dass ich mit Heiji verabredet war!"
Der Gedanke an Heiji schmerzte sie und gab ihr doch auch neue Hoffnung. Wenn schon so viel Zeit seit ihrem Verschwinden verstrichen war würde er sicher schon nach ihr suchen. Und mit ihm die Polizei. Zusammen würden sie sie schnell finden, da war sich das Mädchen sicher.
Wie um die aufkeimende Hoffnung auf baldige Rettung zu bestärken tastete sie mit ihrer rechten Hand nach dem Anhänger ihrer Halskette. Als sie das kleine Briefchen, das ihren größten und wertvollsten Schatz enthielt, gefunden hatte umschloss sie es und sie meinte die Kraft, die sie in diesem Glücksbringer glaubte, zu spüren.
Er würde sie finden. Schließlich trug er den Gegenpart zu ihrem Glücksbringer
Mir diesem Gedanken und dem Glücksbringer weiter fest umklammert, schlief Kazuha erschöpft ein.
So bekam sie auch nicht mehr mit, wie der Mann, der sich die ganze Zeit über in ihrer Nähe aufgehalten hatte, ohne sich bemerkbar zu machen, ein Handy aus seiner Manteltasche nahm und eine Nummer wählte, die sich bereits in sein Gedächtnis gebrannt hatte.
„Sie schläft", war alles, was er sagte. Dann hörte er der Stimme zu, die ihm Anweisungen gab, bestätigte mit einem „Ja" und beendete das Telefonat.
Während er das Handy zurück in die Manteltasche steckte ging er die paar Schritte zu Kazuha und beugte sich zu der am Boden liegenden jungen Frau hinunter. Er betrachtete sie, wobei ein Grinsen über sein Gesicht huschte. Das war also Toyama Kazuha, die Tochter des Hauptkommissars, den seine Kollegen morgen früh finden würden. Tot.
Der Mann richtete sich wieder auf und steckte sich eine Zigarette an.
Er selbst hatte gerade die Nachricht vom Tod Toyamas erfahren. Gern wäre er selbst derjenige gewesen, der die tödliche Kugel abgegeben hatte, doch seine Aufgabe war eine andere. Er hatte so lange gewartet, bis das Signal kam und hatte dann die Privatnummer der Toyamas gewählt. Als sich die Tochter des Hauptkommissars meldete übermittelte er die Nachricht, die er zuvor als E-Mail erhalten hatte: "Dein Vater wird sterben." Danach legte er auf. Wie die junge Frau mit der Nachricht umgehen würde war ihm egal.
Er wusste aber, dass sie versuchen würde ihren Vater im Präsidium und über Handy zu erreichen. Dort würde aber niemand abnehmen. Dafür hatte die Organisation gesorgt.
Und wenn sie ihren Vater nicht erreichen könnte gab es nur eine logische Folge. Es war faszinierend, wie dieses Mädchen jeden einzelnen Schritt so tat, wie der Boss es vorhergesagt hatte.
Die junge Frau hatte nicht gezögert und sofort den einzigen Menschen, der ihr so nah stand wie ihr Vater angerufen. Heiji Hattori. Der Sohn des leitenden Hauptkommissars von Osaka.
Danach hatte er leichtes Spiel gehabt. Die Frau hatte sich auf den Weg in die Stadt gemacht. Zuerst hatte er sich gewundert, dass sie sich nicht mit diesem Detektiv in ihrem Haus traf, oder zu ihm ging. Aber eigentlich war es ihm egal. Seinen Plan konnte er so oder so ausführen.
Und nun lag sie hier vor ihm auf dem Boden und schlief.
Er zog den Rauch seiner Zigarette tief ein und ließ dabei seinen Blick über Kazuhas schlafende Gestalt wandern. „Eigentlich schade um die Kleine."
Aber das Schicksal, das diesem Mädchen bevorstand war bereits festgelegt, und daran würde auch niemand mehr etwas ändern können. Nicht einmal ihr „Freund", dieser Möchte- Gern- Schnüffler, konnte noch was für sie tun.
Der Mann in Schwarz ließ den Rest seiner Zigarette auf den Boden fallen und trat sie mit der Spitze seines Schuhes aus.
„So wirst du auch enden, Hattori! Ich werde dich zerquetschen wie ein Insekt!"
Heiji war froh die Hauptstraße zu verlassen, denn so langsam setzte der Feierabendverkehr ein, und schon bald würde man auf den Straßen, die aus Osaka hinaus führten nur noch im Stopp- and- Go voran kommen.
Der junge Mann lenkte sein Motorrad in eine Seitenstraße und hatte nach wenigen Minuten sein Ziel erreicht.
Das Haus, vor dem er anhielt, lag dunkel und still da. Nichts besonderes, dachte er sich, denn schließlich war Kazuha' s Vater wie sein eigener Hauptkommissar und kam des öfteren erst spät abends nach Hause.
Früher, kurz nach dem Tod ihrer Mutter, hatte Kazuha oft bei den Hattoris übernachtet, wenn ihr Vater länger weg war.
Heiji erinnerte sich noch gut daran. Sie beide waren damals erst 10 gewesen und es hatte ihnen deshalb nichts ausgemacht in einem Zimmer zu schlafen. Heute, fast 10 Jahre später, wäre das Ganze doch schon erheblich peinlicher und Kazuha würde ihm sicher alle Ausdrücke für einen Perversen an den Kopf werfen, die sie kannte.
Für ihn selbst wäre es auch komisch mit der Frau, die er seit dem Kindergarten kannte und der er mehr vertraute als jedem anderen Menschen auf der Welt, in einem Raum zu schlafen.
Aber wenn der junge Mann ehrlich war würde er genau das nur zu gerne. Seine Freundin aus Kindertagen war, auch wenn er das nicht gerne zu gab, eine attraktive Frau geworden.
„Hey! Was denk' ich da," schalt sich der Detektiv selbst. So konnte er doch nicht von seiner besten Freundin denken! Sie war doch eher eine Schwester für ihn! Basta!
Damit war das Thema erledigt. Fürs erste.
Heiji nahm dem Helm ab und legte ihn auf den Sitz, dann ging er die wenigen Meter zur Eingangstür. Er wollte gerade klingeln, hielt jedoch in der Bewegung inne.
Was sollte es bringen zu klingeln? Das Haus war offensichtlich leer. Es war alles dunkel und auch das Auto stand nicht auf seinem Platz in der Auffahrt.
Der junge Mann wollte gerade zurück zu seinem Motorrad gehen, als etwas an der Tür seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Er beugte sich hinunter und betrachtete das Schloss. Heiji wusste, dass die Toyamas erst letzte Woche eine neue Tür hatten einbauen lassen, weil die alte nicht mehr richtig schloss. So fand er es ungewöhnlich, dass sich in dem sonst so glatten Holz nach nur so kurzer Zeit bereits ein Kratzer fand.
Mit dem Fingernagel des rechten Daumens fuhr er über den Kratzer. „Ziemlich tief," stellte er fest.
Auch die Form des Kratzers irritierte ihn. Er war gerade, etwa 2 cm lang und endete am Türrahmen.
„Für nen Kratzer von nem Schlüssel isser zu grad, das passt nich."
Für den Detektiv gab es nur eine Möglichkeit, wie der Kratzer entstanden war: Jemand hatte versucht sich Zugang zum Haus zu verschaffen, und das ohne die Einwilligung der Eigentümer.
Ob er es auch geschafft hatte konnte Heiji nicht sagen. Das Schloss wies keine Schäden auf, die darauf hindeuteten.
Plötzlich schoss dem Detektiv sein Fall durch den Kopf.
Auch dort hatte es zunächst keine Hinweise darauf gegeben. Nur das Chaos in der Wohnung, die aufgerissenen Schränke und durchwühlten Schubladen bewiesen, dass jemand in der Wohnung gewesen war und etwas gesucht hatte.
Heiji's Aufgabe war es heraus zu finden, wer es gewesen war und was er gesucht hatte. Normalerweise wäre der Fall auch kein Problem für den Detektiv. Die Sache, die den Fall so kompliziert machte und Heiji am Grübeln hielt, waren die nicht vorhandenen Einbruchsspuren an den Fenstern und Türen.
So seht Heiji die beiden Türen, die ins Freie führten, untersuchte, er konnte keine Kratzer oder sonstige Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen in das Haus finden.
Nun gut, Kratzer gab es genügend, aber der Hausherr beteuerte, die wären schon zu vor da gewesen und er selbst hätte sie verursacht, als er nachts betrunken nach Hause gekommen wäre.
Natürlich vermutete der Detektiv, dass der oder die Einbrecher dann über einen Zweitschlüssel ins Haus gekommen waren, aber auch diesen Verdacht stritt der Hauseigentümer ab. Er habe keinen Schlüssel irgendwo hinterlegt und seinen eigenen trage er immer bei sich. Dadurch sein es einem Dieb unmöglich den zu entwenden.
Heiji überzeugten diese Beteuerungen nur halbwegs, aber er konnte seine Vermutungen nicht beweisen. So verbrachte er zahllose Nächte damit alle Szenarien eines Einbruchs durch zu spielen, doch er kam zu keiner Lösung.
Erst jetzt, als der junge Mann vor der Haustür der Toyamas stand und ihm das Gefühl eines Déjà- vus nicht mehr los ließ, begriff er, wie die Eindringlinge in beiden Fällen ins Haus gekommen waren. Die Kratzer!
An der Tür seines Klienten waren davon eine ganze Menge, aber Heiji meinte sich an einen zu erinnern, der ihm merkwürdig vorgekommen war. Die Form war der des Kratzers an der Tür der Toyamas sehr ähnlich. Fast schon identisch!
Heiji würde diesen Verdacht noch überprüfen und die beiden Kratzer mit einander vergleichen müssen, aber er war sich sicher, dass sich dadurch seine Vermutung nur bestätigen würde: Die Einbrecher in beiden Fällen waren die selben!
Wenn es aber die selben waren mussten sie es auch hier geschafft haben ins Haus einzudringen.
Das Gehirn des Mannes arbeitet fieberhaft. Fragen schossen durch Heiji's Kopf, während er um das Haus herumging und auf der Rückseite an dem Gitter, an dem sich Pflanzen, deren Namen ihm nicht einfielen, hinauf rankten, zu dem Fenster kletterte, hinter dem das Zimmer seiner besten Freundin lag.
Schon oft war er über diesen Weg ins Haus gekommen. Nachts, wen er durch Klingeln Herr Toyama geweckt hätte.
Die nächtlichen Besuche waren aber spärlich geworden. Früher, vor ein paar Jahren, hatte er fast jede Nacht bei Kazuha verbracht. Sie hatten viel geredet. Über die Schuleüber seine Fälle und wie gefährlich die doch waren, was ausschließlich Kazuha's Meinung war.
Dann, mit der Zeit, hatte Heiji Kazuha's Zimmer nur noch über das Gitter betreten, wenn sie verabredet waren und es ihm zu blöd war draußen darauf zu warten, dass sie endlich fertig war. Dafür hatte es einmal sogar eine Ohrfeige kassiert, als er, wie immer ohne Vorwarnung in ihrem Zimmer stand, sie aber noch nicht fertig war und nur in einem Bademantel vor ihm stand.
Selbst der Gedanke an die Szene konnte den jungen Mann in Angst versetzen. Seit dieser Begegnung hatte er stets angerufen, bevor er in ihr Zimmer platzte.
Doch jetzt hielt er das für unnötig. Außerdem lag sein Handy zu Hause.
Er kletterte nach oben, entriegelte geschickt das Fenster und ließ sich in das Zimmer gleiten. Einige Augenblicke blieb er stehen und gab seinen Augen Zeit sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
Mit ein paar Schritten hatte er das Zimmer durch quert und öffnete die Tür zum Flur. Wieder blieb er stehen und lauschte, aber es war nichts zu hören.
„War doch klar, Depp! Is' ja niemand da," schalt sich der Detektiv selbst und ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss.
Als er das Wohnzimmer betrat traute er seinen Augen nicht!
Hier gab es kein Chaos, keine durchwühlten Schubladen und auch keine umgestoßenen Möbel. Alles war ordentlich!
Heiji besah sich die anderen Räume, aber weder in der Küche noch im Esszimmer gab es etwas ungewöhnliches. Somit blieben nur noch zwei Zimmer und Heiji zögerte sie zu betreten.
Von seinem Vater wusste er, dass Arbeitszimmer tabu waren. Die Erfahrung hatte er selbst gemacht. Und das Schlafzimmer von Toyama wollte der junge Mann ebenfalls nicht betreten.
Doch er musste herausfinden was der Eindringling hier gesucht hatte und ehe er sich versah stand er vor dem Arbeitszimmer.
Die Tür war verschlossen und Heiji rechnete damit, dass sie auch verschlossen war. Trotzdem versuchte er sein Glück und drückte die Klinke nach unten.
Zu seiner Überraschung schwang die Tür nach innen auf.
Jemand musste die Jalousien heruntergelassen haben, denn das Zimmer war vollkommen dunkel.
Heiji trat ein und tastete neben dem Türrahmen nach dem Lichtschalter. Als er ihn gefunden hatte und das Licht aufflammte musste er der junge Mann die Augen schließen, so sehr blendete es ihn.
Doch als er sie einige Sekunden später wieder öffnete wünschte er sich, er hätte es nicht getan. Er wünschte sich nie dieses Zimmer betreten zu haben.
Hinter dem Schreibtisch saß Herr Toyama und starrte Heiji an.
Der Detektiv konnte sich nicht abwenden, so sehr es das auch wollte. Aber das Blut, das aus Toyama's Brust trat hielt seinen Blick gefangen.
Der junge Mann stand wie erstarrt da. Er wusste, was das hieß, aber begreifen konnte er es nicht. Und er wollte es auch nicht.
Das war es also, was die Einbrecher gewollt hatten. Kazuha's Vater töten.
