Mensch, ich hab ganz vergessen, dass ich die Geschichte hier noch nicht fertig hochgeladen habe...Dafür gibts jetzt also die letzten beiden Kapitel auf einmal. Außerdem hab ich noch einen weiteren Teil zur FF "Since Childhood" on gestellt.


Chapter 12: Das Ende

Er hatte genug! Die Umherfahrerei war doch komplett sinnlos! Er würde das Mädchen hier eh nicht finden. Sie war sicherlich schon längst zurück in die Stadt und er verschwendete hier nur seine Zeit und Benzin. Außerdem knurrte ihm der Magen und verlangte nach Nahrung.

War er vorhin nicht an einem Imbiss vorbei gefahren? Er wendete den schwarzen Wagen und fuhr den gleichen Weg zurück, den er eben erst gekommen war. Es war ihm egal, ob sein Partner ihn zusammenstauchen würde, weil er die Suche ohne Erfolg beendete.

„Soll Whiskey doch selbst in jedem dieser verdammten Häuser nachsehen!", fluchte er, als er den Imbiss erreicht hatte. Gerade wollte er das Auto verlassen, da klingelte sein Mobiltelefon, das er achtlos auf den Beifahrersitz geworfen hatte. Der Blick auf die Nummer des anrufenden Teilnehmers, die das Display anzeigte, verbesserte seine Laune nicht gerade.

„Ja?", fragte er mürrisch als er das Gespräch annahm, auch wenn er wusste, dass sein Partner seine Laune sicher nicht gut heißen würde.

„Deiner Stimmung nach zu urteilen warst du nicht erfolgreich", kam die Antwort unvermittelt.

„Na egal. Es gibt zum Glück noch fähigere Personen, die an dieser Aktion beteiligt sind." Hohn schwang in Whiskeys Stimme mit. Wie konnte er es nur wagen, ihn so anzugreifen? Sie standen auf einer Ebene und Whiskey hatte kein Recht zu solch einer Äußerung! Der Fahrer des schwarzen Wagens musste sich beherrschen, als er antwortete. Bloß nicht darauf eingehen! Whiskey provozierte gerne, also beschloss er die letzte Bemerkung erst mal zu übergehen.

„Bist du Hellseher?", fragte er stattdessen.

„Shôshû, witzig wie eh und je", konterte Whiskey und beendete das Vorgeplänkel, indem er auf den eigentlichen Grund seines Anrufs kam.

„Mezcal hat mir gerade mitgeteilt, dass er die Kleine hat. Irgendein Busfahrer hat sie aufgelesen und zur Polizei gebracht. Er kümmert sich darum, dass alles nach unseren Wünschen verläuft."

„Der gute Mezcal…Mensch, wie schafft er das nur?", kommentierte Shôshû die Nachricht.

„Well, he's just a lucky guy", kam Whiskeys Antwort, wobei seine Stimme eine Nuance Neid und Verachtung enthielt, die Shôshû jedoch nicht bemerkte. Dass sein Partner aber in seiner Muttersprache antwortete machte ihn stutzig. Normalerweise nutzte Whiskey das ihm verhasste Englisch nur, wenn er fluchte. Nun war aber nicht die Zeit, sich weitere Gedanken über die Bedeutung dieses Wechsels zu machen und Shôshû kam wieder auf das Mädchen zurück.

„Also willst du dich raushalten?" Eine einfache Frage und dennoch hatte sie etwas herausforderndes, das Whiskey aufgriff.

„Sicherlich nicht! Oder glaubst du, ich lasse zu, dass er für's Nichtstun und Glückhaben auch noch belohnt wird?" schnaubte Whiskey verächtlich und verdeutlichte so seine Meinung über Mezcal.

„Wir lassen ihn erst einmal. Aber wenn die Zeit gekommen ist übernehmen wir wieder."

Obwohl Whiskey ihm nicht gegenüberstand, wusste Shôshû, dass sich auf das Gesicht seines Partners ein siegessicheres und zu gleich hinterlistiges Grinsen geschlichen hatte. Und Shôshû wusste auch, dass dieses Grinsen wie das einer Raubkatze war, kurz bevor sie sich auf ihre, in der Falle sitzende Beute stürzte. Mezcal würde gut daran tun, Whiskey nicht in die Quere zu kommen, denn auch sein Glück würde ihm dann nicht mehr helfen können.

Shôshû war es egal, was aus dem Informanten wurde. Er hatte ihn noch nie leiden können und vielleicht war es ganz gut, wenn dieser Glückspilz ihnen nicht mehr im Weg war.

„Gut. Dann kann ich jetzt in aller Ruhe etwas essen und mich dann für ein paar Stunden aufs Ohr hauen."

„Ja, tu das. Ich fahr auch zurück zum Hotel. Wir sehen und dann später," beendete Whiskey das Telefonat und keine zwei Sekunden später lag Shôshûs Handy schon wieder auf dem Beifahrersitz, während sein Besitzer aus dem Wagen stieg, die Tür mit der Fernbedienung verriegelte und auf den Imbiss zuging.

Mit einem Lächeln betrachtete Shinichi seinen Freund von der Seite. Ja, so kannte er Heiji und er war unglaublich froh, dass der typische Charakter seines Detektivkollegen wieder zum Vorschein kam und die Trauer und Verzweiflung der letzten Stunden verschwunden war. Seit Heiji realisiert hatte, dass es Kazuha gut ging und er sie bald sehen würde, glitzerten seine grünen Augen voller Freude und sein Gesicht hatte die Verbissenheit verloren, mit der er nach Kazuha gesucht hatte. Viel zu lang schien ihm der Weg zum Krankenhaus und als sie mit dem Bus endlich vor dem riesigen Gebäude hielten, drückte Heiji ungeduldig den Knopf der Türöffnung.

Während sie nun gemeinsam zum Besuchereingang liefen, Shinichi ein paar Schritte hinter Heiji, der fast rannte, kam dem Detektiv aus Tôkyô das Bild eines kleinen Jungen in den Sinn, der es kaum erwarten konnte, seine Geburtstagsüberraschung zu bekommen. Ja, Heiji war in diesem Augenblick wieder wie ein Kind. Aber wer sollte es ihm verdenken?

Unwillkürlich tauchte eine Erinnerung vor Shinichis geistigem Auge auf, die noch nicht allzu lange zurück lag. Hatte er damals auch so ausgesehen wie Heiji jetzt? Hatten seine Augen an diesem Dienstagnachmittag vor einigen Monaten genauso geleuchtet, wie Heijis?

Vermutlich.

Shinichi schüttelte den Kopf. Er konnte diese beiden Situationen nicht miteinander vergleichen. Sicher, er war überglücklich gewesen, als er seinem Spiegelbild gegenübertrat und ihm nicht Conan, sondern sein wahres Ich, entgegenblickte. Und natürlich hatte die Tatsache, dass Ai Haibara ein Gegengift entwickelt hatte, dessen Wirkung nicht zeitlich begrenzt war, ihn beruhigt. Aber als er dann das Handy in der Hand gehalten und Rans Nummer wählen und ihr sagen wollte, das er nun endlich wieder zurück war, da hatte ihn die Unsicherheit gepackt.

Heiji würde das erspart bleiben. Es gab keine Zweifel, keine Lügen, nichts, das ihn verunsicherte, sondern nur die Freude, dass es seiner Freundin gut ging.

Am Empfang saß eine ältere Frau mit kurzen grauen Haaren, deren Schwesterntracht so weiß war, als sei sie soeben erst frisch aus der Wäscherei gekommen. Lächelnd begrüßte sie die beiden Detektive und fragte, wie sie ihnen helfen könnte.

„Ich möcht' zu Kazuha Tôyama. Sie ist vorhin hier her gebracht worden", sprudelte es aus Heiji. Doch seine Erwartungen, die Schwester würde ihm die Zimmernummer nennen und er könne sofort weiter, wurden enttäuscht.

„Und Sie sind bitte wer?", wollte die Empfangsschwester immer noch mit einem Lächeln, aber bestimmter Stimme, wissen. Verduzt sah Heiji die Frau an und erst eine Sekunde später erkannte er, dass diese Frage durchaus normal war.

„Mein Name ist Heiji Hattori. Kazuha Tôyama ist meine Freundin", antwortete er schließlich. Doch statt der Erlaubnis, nun zu Kazuha gehen zu dürfen, erhielt er nur eine weitere Frage.

„Sie sind also nicht mit Fräulein Tôyama verwandt?" Immer noch klang die Stimme freundlich, allerdings mischte sich Bestimmtheit in sie, die Heiji jedoch nicht bemerkte. Es dauerte ihm einfach nur zu lange, viel zu lange, bis er zu Kazuha konnte. Sein Geduldsfaden wurde mit jeder verstreichenden Minute dünner und er war nah daran seine Beherrschung zu verlieren. Shinichi, der bisher schweigend neben seinem Freund gestanden hatte, spürte, dass die Anspannung in Heijis Mimik zunahm und legte ihm beruhigend und warnend zu gleich, seine linke Hand auf den Arm. Ein kurzer Seitenblick genügte, um Heiji verständlich zu machen, dass er sich besser beruhigen sollte. Langsam, kaum merklich, nickte der junge Mann und entspannte sich etwas. Shinichi wandte sich daraufhin an die Krankenschwester, die auf eine Antwort wartete.

„Er ist nicht mit ihr verwandt, aber wird bereits erwartet" Shinichis ruhiger und sachlicher Ton wirkte auf Heiji wie ein Medikament, das seine Nerven lockerte und ihm das Gefühl gab, alles würde ein gutes Ende nehmen.

Shinichi gelang es, die Krankenschwester dazu zu bringen, sich telefonisch mit ihrer diensthabenden Kollegin der Station, auf die Kazuha gebracht worden war, in Verbindung zu setzen. Nach einigen Minuten, in denen ihre Kollegin Rücksprache mit Frau Hattori hielt, ob es seine Richtigkeit habe und dieser junge Mann am Eingang wirklich zu Kazuha durfte, legte die Empfangsschwester den Hörer wieder auf und sprach Heiji an, während sie gleichzeitig etwas auf einen Zettel schrieb.

„Es ist wohl alles in Ordnung", sagte sie und legte den Zettel, auf dem sie eben geschrieben hatte, auf den Tresen, der zwischen ihr und den beiden Detektiven stand.

„Fräulein Tôyama liegt in Zimmer dreitausendachtzehn. Sie nehmen den Aufzug dort hinten", erklärte sie und zeigte dabei mit dem Arm die Richtung an.

„In der dritten Etage steigen Sie aus und halten sich dann immer links."

Heiji nahm den Zettel mit der Zimmernummer entgegen, bedankte sich und durchquerte dann mit schnellen Schritten die Eingangshalle. Die Front gegenüber der großen Glastür, durch die sie vorhin das Gebäude betreten hatten, wurde fast vollständig von schweren Stahltüren ausgefüllt, hinter denen sich die Lifte befanden. Heiji steuerte auf eine der Türen zu, die sich gerade geöffnet hatte und aus der eine Handvoll Passagiere ausstieg. Als die Kabine bis auf zwei Pfleger, die sich angeregt über ein Baseballspiel unterhielten, leer war, stiegen Heiji und Shinichi ein. Heiji drückte auf dem Tastenfeld die Drei und einen Augenblick später schloss sich die Tür. Sanft glitt der Aufzug bis in den dritten Stock und kam zum Halten. Die Tür war noch nicht ganz geöffnet, als Heiji schon die Kabine verlassen hatte.

„Du hast es ja wirklich eilig", meinte Shinichi lächelnd und folgte seinem Freund den Gang hinunter, so wie es ihnen die Krankenschwester am Empfang beschrieben hatte. Zu beiden Seiten des breiten Flures gingen Zimmer ab und an jeder der geschlossenen weißen Türen hing ein Schild, das die jeweilige Zimmernummer angab. Darunter, auf einer kleinen Tafel, waren die Namen der Patienten aufgeführt, die zurzeit im jeweiligen Zimmer lagen.

„Dreitausendsechzehn….dreitausendsiebzehn…dreitausendachtzehn. Na endlich!" Heiji hatte seine Hand schon auf die Türklinke gelegt, als Shinichi ihn daran erinnerte, dass er vermutlich besser wäre, zuerst anzuklopfen.

„Oh…ähm…ja", murmelte Heiji und Shinichi musste sich ein Lachen verkneifen. Heiji benahm sich wirklich wie ein Kind.

Der Meisterdetektiv Westjapans klopfte. Einmal. Zweimal. Keine Reaktion. Unsicher drehte er sich zu Shinichi um der hinter ihm stand. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern, griff an Heiji vorbei nach der Klinke und öffnete die Tür vorsichtig einen Spalt, als diese von innen weiter aufgezogen wurde und das freundliche Gesicht Shizukas sie begrüßte.

„Da seid ihr ja", empfing sie die beiden, trat zur Seite, damit sie in das Zimmer gehen konnten und schloss die Tür dann wieder.

Dämmerlicht umfing die Detektive und es dauerte einen Moment, bis ihre Augen sich daran gewöhnt hatten. Das Zimmer war nicht sehr groß und außer dem Bett, in dem Kazuha lag, dem Nachttisch daneben und einem Kleiderschrank gab es keine Möbel. Neben der Tür, die auf den Flur hinausführte, ging rechts eine, ebenfalls weiße, Türe mit der Aufschrift „Badezimmer" ab. Die Fenster gegenüber der Zimmertür reichten bis auf den Boden, doch nun hinderten die zugezogenen Vorhänge das Tageslicht daran, in den Raum zu dringen.

Während Shinichi seinen Blick durch den Raum schweifen ließ, blieb Heijis an dem Bett, oder besser gesagt, der Person darin, haften. Zögerlich trat er an das Bett heran, um Kazuha besser sehen zu können und ein Stein fiel ihm vom Herzen. Er hatte sich die schlimmsten Verletzungen ausgemalt, hatte die Bilder von Shinichis Rückkehr, die sich in sein Gedächtnis gebrannt hatten, auf seine Freundin übertragen. Doch nun, als er sie vor sich sah, blass zwar, aber sonst wie er sie kannte, fühlte er sich unendlich erleichtert. In die Erleichterung mischte sich aber auch Wut. Wut auf diejenigen, die ihr das angetan hatten, die sie verletzt hatten und ihr den Vater für immer entrissen hatten. Unwillkürlich ballten sich Heijis Hände zu Fäusten. Er würde dafür sorgen, dass diese Kerle bezahlten!

„Du kannst ruhig zu ihr gehen." Die sanfte Stimme seiner Mutter verscheuchte die Wut und brachte Heiji ins Hier und Jetzt zurück.

Er wechselte noch einen Blick mit Shizuka, die ihm aufmunternd zu nickte und sich dann mit den Worten „Ich werde in der Cafeteria etwas zu trinken besorgen" verabschiedete. Aber erst als Frau Hattori das Zimmer verlassen und die Tür hinter sich zugezogen hatte, wagte es Heiji, die Distanz zwischen sich und Kazuha zu überwinden. Er blickte auf seine Freundin hinab und fragte sich, wann er sie zum letzten Mal schlafend gesehen hatte. Es musste schon einige Jahre zurück liegen, denn er sah in seiner Erinnerung ein Mädchen, das höchstens zehn Jahre alt war.

Ein zärtliches Lächeln huschte über seine Lippen und seine rechte Hand berührte Kazuhas Wangen, ehe er registriert hatte, dass er den Arm überhaupt bewegte.

Shinichi beobachtete die beiden einen Augenblick, dann schlich er sich leise aus dem Zimmer und ließ Heiji mit Kazuha und seinen Gefühlen für sie alleine.

Heiji hörte, wie sich die Tür nun auch nach Shinichi schloss und er war seinem Freund dankbar, dass er die Situation verstand und sie alleine ließ. Der junge Mann setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Kopfende des Betts stand, ohne aber dabei seine Hand zurück zu ziehen, die nun auf Kazuhas kleinerer Hand ruhte. Liebevoll strich er mit seinem Daumen über ihre Haut, die nun noch heller zu sein schien als sonst, was den Kontrast zu seiner Haut nur noch verstärkte. Es war in diesem Moment, in diesem abgedunkelten Krankenzimmer, als Heiji begriff, was sein Herz schon lange gewusst hatte. Er liebte Kazuha! Immer, wenn sie in Gefahr war hatte er Angst um sie gehabt. So war es auf der Insel der Meerjungfrauen und so war es auch, als er erfahren musste, dass sie verschwunden war. Schon seit längerer Zeit fühlte er so, doch hatte er sich immer eingeredet, dass es eher auf eine geschwisterliche Beziehung zurückzuführen sei. Natürlich fand er sie attraktiv, doch das allein war noch keine Liebe.

Erst jetzt, als er an ihrem Bett saß und ihr schlafendes, friedliches Gesicht betrachtete, während er ihre Hand auf eine völlig neue Weise berührte, wurde ihm alles klar. Nicht plötzlich, nein, diese Liebe war keine von denen, die ständig in Filmen vorkamen. Er hatte nicht das Zimmer betreten, sie gesehen und sich in sie verliebt, als sei ein Blitz vom Himmel auf ihn nieder geschossen. Die Gefühle, die er für das Mädchen vor ihm hegte, waren schon lange in ihm, jahrelang. Vielleicht hatte er sich schon in Kazuha verliebt, als sie noch in die Grundschule gegangen waren. Genau wusste er es nicht. Und es war ihm auch egal.

Die Liebe zu ihr war stetig gewachsen, jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr, das er mit ihr verbrachte. Und Heiji war sich sicher, absolut sicher, dass Kazuha seine Gefühle erwiderte. Es gab keinen Zweifel, obwohl sie nun schlief und er nicht in ihre Augen sehen konnte.

Ebenso wenig spielte es eine Rolle, wann sie sich ihre Gefühle gestehen würden. Eigentlich hatte sie es schon längst getan.

Bereits als sie zu Kazuhas Zimmer gelaufen waren, hatte Shinichi bemerkt, dass sich im Gang zwei Männer aufhielten, deren Augen jeden begleiteten, der sich Zimmer dreitausendachtzehn näherte.

Sie trugen zwar zivile Kleidung, doch war es dem Detektiv nicht entgangen, dass es sich bei den beiden um Polizisten handelte. Angesichts der Situation auch nicht verwunderlich, schließlich war es durchaus möglich, dass die Entführer auftauchen würden.

Einige Minuten, nachdem Shinichi das Krankenzimmer verlassen hatte, hörte er das näherkommende Quietschen von Ledersohlen auf dem Boden und als er in die Richtung blickte, aus der die Geräusche kamen, sah er, wie Frau Hattori zurück kam. Doch nicht ihre Schuhe, sondern die ihres Begleiters, verursachten das Quietschen. Shinichi kannte den Mann, oder besser, Conan kannte ihr. Es war Inspektor Otaki, der müde aussah und einen Becher, gefüllt mit dampfender Flüssigkeit, Shinichi vermutete Kaffee, in der Hand hielt.

Als sie bei Shinichi ankamen reichte Frau Hattori dem jungen Mann einen Becher voll Kaffee.

„Vorsichtig", warnte sie ihn. Shinichis Hände schlossen sich um das Plastikbehältnis und er bedankte sich bei Shizuka.

„Inspektor Otaki, wenn ich Ihnen Shinichi Kudô vorstellen darf?" Frau Hattori deutete auf den Detektiv und die beiden Männer grüßten sich mit einem Nicken.

„Man liest einiges von Ihnen, jetzt, da Sie wieder aufgetaucht sind", begann Otaki und nahm einen Schluck seines Kaffees.

„Und nur gutes", fügte er dann hinzu.

Shinichi lächelte, antwortete dann jedoch: „Das Gleiche kann man von Heiji auch sagen. Ich wette, die Zeitungen in Ôsaka schreiben mehr über seine als über meine Erfolge."

Otaki stimmte ihm nickend zu, wobei seine Augen einen gewissen Stolz nicht verbergen konnten.

„Wenn wir schon bei Heiji sind", wechselte Shizuka das Thema, „ich nehme an, er ist bei Kazuha?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, und so nickte Shinichi nur kurz, ehe er an seinem heißen Kaffee nippte.

„Na dann brauchen Sie sich ja keine Sorgen zu machen", sagte Shizuka und sah dabei Otaki an. „Wenn Heiji bei ihr ist, passiert ihr sicher nichts."

Otaki schwieg für einen Moment. „Hoffentlich haben Sie Recht."

Es wurde Abend und noch immer war Heiji an Kazuhas Seite. Das Mädchen schlief und Heiji betrachtete sie einfach. Irgendwann war seine Mutter ins Zimmer gekommen und hatte ihm einen Becher Kaffee auf den Nachttisch neben Kazuhas Bett gestellt, den er jedoch unangerührt ließ.

Heiji nahm auch das Klopfen an der Tür nicht wahr und zuckte zusammen, als mit einem Mal drei, in weiße Kittel gekleidete, Menschen im Raum standen. Der Arzt, ein Mann mit kurzem grauem Haar, bat ihn, auf dem Gang zu warten, bis die Visite abgeschlossen war. Nur widerwillig stand Heiji auf und verließ das Zimmer. Bevor er durch die Tür trat blickte er sich noch einmal um, und sah, wie Kazuha, von der Krankenschwester geweckt, versuchte sich aufzusetzen. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke, dann schob der Pfleger den Detektiv auf den Gang und die Tür schloss sich.

Als sich die Tür nach einer halben Stunde, für Heiji war es eine Ewigkeit, wieder öffnete und der Arzt mit seinen Helfern hinaus trat, wurde er sofort von Heiji gefragt, ob man nun wieder zu Kazuha dürfe. Der Mann mit dem weißen Kittel konnte nur ein „Ja" heraus bringen, den Rest hörte Heiji überhaupt nicht mehr. Lächelnd sah der ältere Mann dem Detektiv nach, ehe er sich an Frau Hattori wand, um ihr von der Visite zu berichten.

„Es ist alles in Ordnung. Ich denke, sie kann morgen früh nach Hause gehen."

Erleichtert atmete Shizuka auf. „Wunderbar!"

Shinichi fiel auf, dass Frau Hattoris Augen den gleichen Glanz hatten, wie Heijis, doch etwas anderes bemerkte er nicht.

Niemand der drei, die dem Arzt zuhörten, nahm Notiz von dem Polizisten, der bis gerade eben noch neben seinem Kollegen auf einem Besucherstuhl gesessen hatte, und nun aufstand, dem Mann neben sich ein „Ich komme gleich wieder" zuraunte und den Gang ein Stück hinunter schlenderte, bis er von der Gruppe nicht mehr zu sehen war. Dann kramte er sein Handy aus der Jackentasche, tippte eine Nummer ein und wartete. Es dauerte ungewöhnlich lange, bis abgehoben wurde, und als sich eine Männerstimme meldete, die sich anhörte, als sei ihr Besitzer vom Klingeln des Telefons geweckt worden, bestätigte sich der Verdacht des Polizisten.

Das war nicht der richtige Zeitpunkt für Smalltalk. Es kam äußerst selten vor, dass man ihn so antraf und immer war es eine gefährliche Situation. Ein falsches Wort und ungebändigter Zorn war das Ergebnis. Mezcal zog es vor, dies zu umgehen.

„Ich bin im Krankenhaus", begann er. Es war wie immer unnötig, seinen Namen zu nennen. Obwohl Whiskey eben erst aufgewacht war, hatte er mit Sicherheit auf das Display seines Mobiltelefons gesehen, wusste also, mit wem er sprach. Als keine Reaktion außer einem müden, mürrischen „Hn" zu ihm drang, fuhr Mezcal fort.

„Die Abendvisite ist grade vorbei und in einer Stunde ist die Besuchszeit rum. Dann sind alle weg."

Das hatte Whiskeys Lebensgeister geweckt. Die Stimme, mit der er Mezcal antwortete klang keine Spur mehr müde. „In einer Stunde also. Shôshû und ich werden da sein."

Einen Augenblick hörte man nur Rascheln in der Leitung, als Whiskey seine Jacke anzog, die restliche Kleidung hatte er anbehalten. „Du bist nicht die einzige Wache, oder?" Die Frage war eigentlich überflüssig. Natürlich würden mindestens zwei Polizisten aufpassen, damit sich niemand Unbefugtes dem Zimmer des Mädchens näherte.

„Noch einer. Ich kümmere mich um ihn. Er wird uns nicht im Weg stehen", versicherte Mezcal.

„Gut. Die Besucher…Wer ist alles da? Dieser Jungschnüffler und wer sonst?", fragte Whiskey.

„Seine Mutter und Otaki. Außerdem noch ein Kerl. Ungefähr das gleiche Alter wie der kleine Hattori. Ich hab ihn schon mal gesehen. Er kommt mir bekannt vor, ich weiß aber nicht mehr, wo und wann das war. Aber er ist wohl ein Freund."

„Alles Personen, die nach der Besuchszeit rausgeworfen werden", murmelte Whiskey. „Ich ruf Shôshû an. Sorg du dafür, dass der Bulle nicht da ist, und dass wir auch rein kommen."

„Das ist kein Problem", erwiderte Mezcal und erklärte, wo das Zimmer lag, und wie er und Shôshû dorthin gelangten, ohne auf lästiges Krankenhauspersonal zu stoßen.

Nachdem Mezcal das Telefonat beendet und das Handy wieder zurück in die Jacke gesteckt hatte, ging er zu seinem Posten zurück. Heute war definitiv sein Glückstag! „Oder zumindest einer davon", dachte er und konnte ein selbstgefälliges Grinsen nicht unterdrücken.

In Kazuhas Zimmer waren die Vorhänge zurückgezogen worden, doch die untergehende Sonne erhellte es nur spärlich. Dennoch war die Deckenbeleuchtung ausgeschalten und der Raum in Dämmerlicht gehüllt, wie schon beim ersten Mal, als Heiji neben Kazuhas Bett gesessen hatte. Jetzt aber war sie wach und als sie sah, wer durch die Tür herein kam, hellte sich ihre Miene auf.

„Heiji", mehr ein Hauchen, doch er hörte es und setzte sich wieder auf den Stuhl neben dem Kopfende. Ohne darüber nachzudenken nahm er ihre Hand und strich vorsichtig darüber. Sie ließ es zu und beide bemerkten erst nach einem Augenblick, was sie taten. Doch statt zurück zu fahren, wie sie es sonst in solchen Situationen immer taten, blieben beide ruhig sitzen. Nur die Röte auf ihren Wangen war wie immer.

Stille breitete sich aus, angenehm nach all den Ereignissen, und beide genossen einfach nur die Anwesenheit des anderen.

„Hast du lang gewartet?", flüsterte Kazuha und erntete damit einen fragenden Gesichtsausdruck Heijis. Dann begriff er erst, was sie meinte und schüttelte den Kopf.

„Nein. Ich hab' versucht dich anzurufen, aber es ging niemand ran. Also bin ich zu euch und…", er brach ab. Das Bild des toten Kommissars erhob sich bedrohend vor Heijis geistigem Auge und der Detektiv schob es hastig beiseite. Kazuha sollte nicht ständig daran erinnert werden, dass ihr Vater tot war und er wollte es auch nicht. Schnell wechselte Heiji das Thema.

„Kudô is' auch hier", verkündete er. Freude glitzerte in Kazuhas Augen.

„Is' Ran auch da?", wollte sie wissen. Es wäre schön, ihre Freundin wiederzusehen. Doch Heiji musste sie enttäuschen. „Nee. Sie konnt' nicht mit." Als er Kazuhas Reaktion sah, fügte er schnell hinzu: „Aber vielleicht kommt sie noch. Und wenn nich' fahr'n wir eben nach Tôkyô. Was hältste davon?" Und gemeinsam fingen sie an Pläne zu schmieden, erinnerten sich an vergangene Besuche. Sie lachten und es fühlte sich schön an nach den vergangenen Tagen, die so viel Dunkelheit gebracht hatten.

Mezcal schaute auf seine Armbanduhr und hoffte, dass sein „Kollege" es nicht auffällig fand. Immerhin hatte er in der vergangenen Stunde zwanzig Mal nach der Zeit gesehen und er glaubte, dass kein normaler Mensch das tat. Doch der Polizist neben ihm schien nichts zu bemerkten, blätterte weiter gelangweilt in einer Zeitschrift und blickte ab und zu den Gang hinunter.

Bisher war nichts Ungewöhnliches gesehen und außer Frau Hattori, Otaki, Heiji und diesem anderen Kerl hatte Kazuha keinen Besuch gehabt.

„Ist Frau Hattori schon gegangen?", fragte Mezcal. Er war vor kurzem Kaffee holen und als er zurückgekommen war, hatte er nur seinen Kollegen vorgefunden.

„Ja", murmelte der Mann und sah von der Zeitschrift auf. „Otaki und sie wollten noch zum Präsidium. Ich glaube Otaki kommt später wieder her."

„Aha." Gut, dann würde alles nach Plan verlaufen. Jetzt musste Mezcal nur noch dafür sorgen, dass dieser Kerl verschwand.

„Mensch", stöhnte er. „Hab ich einen Kohldampf", und traf damit, wie erhofft, ein Bedürfnis des Polizisten.

„Nicht nur du", erwiderte er und fuhr sich mit einer Hand über den Bauch. „Ist schon Stunden her, seit ich zum letzen Mal was gegessen hab."

„Uhm", machte Mezcal und trieb das Spielchen weiter. „Ich komme bald um vor Hunger", brummte er, und als der andere Mann sich erhob und erklärte, das er in der Cafeteria etwas für sie besorgen würde, spürte er hämische Freude in sich aufsteigen. Es hatte funktioniert! Ganz einfach.

Kaum war der echte Polizist außer Sicht, nahm der unechte sein Handy, wählte Whiskeys Nummer und wartete, bis dieser abnahm. Es dauerte nicht lange, nur ein Klingeln, und Whiskeys tiefe Stimme erklang durch den Hörer.

„Ja", fragte sie.

„Ihr könnt kommen", antwortete Mezcal und legte sofort wieder auf. Alles andere war bereits geklärt und nur fünf Minuten später stand Whiskey vor ihm. Shôshû wartete unten im Wagen, abfahrbereit, für den Fall, dass er schnell gehen musste. Mezcal blickte den Flur hinab. Es würde noch mindestens zehn Minuten dauern, bis der Polizist wieder hier wäre, und das war mehr Zeit, als sie brauchten.

Vorsichtig klopfte Mezcal an die Zimmertür, um festzustellen, ob Kazuha bereits schlief. Als niemand reagierte und auch sonst kein Geräusch aus dem Zimmer drang, nickte Whiskey und Mezcal öffnete die Tür. Es war dunkel und sie mussten sich mit dem spärlichen Licht, das vom Flur durch die offene Tür hinein fiel, zufrieden geben. Darauf bedacht, das Mädchen nicht zu wecken und so einen Alarm zu riskieren, schlichen sie zum Bett. Doch als Whiskey in die Tasche seines schwarzen Mantels griff, um das Tuch und das kleine Fläschchen Chloroform herauszuholen, traf ihn etwas hart am Hinterkopf. Ehe er in vollkommener Dunkelheit ertrank, erkannte er, was, oder besser gesagt wer, ihn außer Gefecht gesetzt hatte, und dieses Gesicht, dieses wütende Gesicht des jungen Mannes, der ein Bambusschwert in den Händen hielt, und dessen Augen ihm Hass entgegen schleuderten, würde ihm immer im Gedächtnis bleiben.

Mezcal hörte den Schlag, sah die Gestalt mit dem Schwert und seinen Partner, der zu Boden sank. Und dann spürte er, wie jemand seine Handgelenke packte, sie nach hinten riss und mit unwiderstehlicher Kraft auf seinem Rücken festhielt. Dann wurde die Deckenbeleuchtung eingeschaltet und die plötzliche Helligkeit blendete ihn so sehr, dass er seine Augen zukneifen musste. Als er sie einen Herzschlag später wieder öffnete, bot sich ihm ein erschreckendes Bild. Im Zimmer, von dem er geglaubt hatte, es sei bis auf Kazuha leer, befanden sich sechs Polizisten, darunter der Polizeipräsident Hattori und Inspektor Otaki. Zwei Beamte zerrten den benommenen Whiskey aus dem Raum, ein anderer ließ gerade die Handschellen um Mezcals Gelenke zuschnappen, während der letzte Polizist seine Jacke durchsuchte.

Immer und immer wieder hallte eine Frage durch Mezcals Gedanken: „Warum?! Wie konnte das nur schief gehen?"

Er verstand es nicht.

Als die Polizisten ihn hinaus führten, fiel sein blick auf die im Bett liegende Kazuha und den jungen Mann, der neben ihr saß, ihre Wange streichelte und leise auf sie einredete. Heiji fühlte, dass er beobachtet wurde und drehte seinen Kopf in Mezcal Richtung. Verachtung, Wut und Hass schlugen dem Mann entgegen und er fühlte sich erleichtert, als die Beamten ihn auf den Flur hinaus und weg von Heiji führten.

Der Gang, der vor ein paar Minuten noch menschenleer gewesen war, wurde nun von uniformierten Männern und Frauen bevölkert. Dies hier war keine spontane Aktion, sondern gut organisiert, fiel es Mezcal auf und die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag aus heiterem Himmel. Sie hatten ihn durchschaut! Sein Geheimnis war aufgeflogen und zweifelsohne nicht erst heute.

Auf die Frage, wann und wie sie seine Tarnung herausgefunden hatten, und warum er dennoch als Wache für Kazuha aufgestellt worden war, anstatt sofort im Gefängnis zu landen, hatte er keine klare Antwort, nur Vermutungen. Vielleicht würde er später etwas erfahren, doch was brachte es ihm?

Mezcal fühlte, wie die Bitterkeit dieser Niederlage in ihm aufstieg. Er hatte versagt. Sein Glück, auf das er immer vertrauen konnte, hatte ihn verlassen.

Heizo Hattori betrachtete, nachdem die beiden Männer abgeführt worden waren, seinen Sohn und zwei Seiten kämpften in seinem Innern gegeneinander. Heiji hatte einen Mann niedergeschlagen, der zwar des Mordes an einem Hauptkommissar verdächtigt wurde, doch diese Anschuldigung rechtfertigte nicht Heijis Verhalten. Heizo hatte ihm gestattet, bei Kazuha und somit der Ergreifung zu sein, aber er hatte darauf bestanden, dass Heiji sich aus der Sache heraushielt und passiv blieb.

Nun hatte sein Sohn diese Anordnung missachtet und es irgendwie geschafft, das Schwert mitzubringen, ohne dass Heizo es bemerkt hatte. Dafür musste er gerügt werden. So machte es Heizo mit all seinen Männern, wenn sie sich nicht an Abmachungen hielten. Heiji hatte bei diesem Einsatz, wenn auch nur indirekt, unter seinem Befehl gestanden, aber er war nun mal auch sein Sohn. Und diese einfache Tatsache macht es dem Polizeipräsidenten unglaublich schwer, die richtige Entscheidung zu treffen.

Als Vater verstand er Heijis Gefühle, seine Wut auf diese Kerle, die seiner Freundin so viel Leid angetan hatten, und sein Reaktion. Heizo beschloss abzuwarten. Jetzt war sicher nicht der richtige Moment, um Heiji klar zu machen, dass er Befehle missachtet hatte. Im Innersten wusste Heizo, dass dieser Moment nie kommen würde und verließ gemeinsam mit Otaki das Zimmer.

Leise sprach Heiji auf Kazuha ein, als könne ein zu lautes Geräusch sie erschrecken, und streichelte ihr dabei sanft über den Arm. Sein Vater hatte Kazuha in alles eingeweiht und ihr auch die Möglichkeit geboten, sich zu verstecken, so dass sie Whiskey nicht sehen müsste. Doch das Mädchen hatte sich geweigert und die ganze Sache durchgestanden. Als sie aber nun mit Heiji alleine war, brach alles über ihr zusammen und Tränen liefen ihre bleichen Wangen hinab.

Heiji zog sie zu sich, legte seine Arme um Kazuha und wartete. Mehr konnte er nicht für sie tun. Er konnte ihr nur zeigen, dass er für sie da war. Jetzt und auch in Zukunft.