Kapitel 3: Ein neuer Weg
Am nächsten Morgen kam Harry, trotz drei
Stunden Schlaf, ausgeruht zum Frühstück. Er hatte damit
angefangen seine Vergangenheit zu analysieren, und damit bei den
Dursleys begonnen. Dabei war bei ihm die Frage aufgekommen, warum
Dumbledore nicht dafür gesorgt hatte, das die Dursleys ihn wie
einen Menschen behandelten. Wenn er in Hogwarts so scharf drauf
gewesen war, Harry auszuspionieren dann, so glaubte Harry, hatte er
seine Kindheit bestimmt auch ausspioniert. Also warum hatte der
Direktor zugelassen, dass Harry wie ein Haussklave schuften musste,
und als Dudleys Punchingball herhalten musste?
Und noch etwas war
ihm aufgefallen. Neville war im Waisenhaus aufgewachsen. Das
bedeutete, es gab keinen Blutschutz bei ihm und Todesser hätten
ihn jederzeit angreifen können. Aber warum hatte Dumbledore ihn
dann nicht auch in ein Waisenhaus gebracht, sondern zu den Dursleys?
Seine Ausrede mit dem Blutschutz war, in Harrys Augen, flöten
gegangen. Wenn Neville trotz seines Aufenthaltes im Waisenhaus hier
lebendig ankam, wäre Harry auch am Leben geblieben.
"Morgen
Harry, warum so nachdenklich?", riss Dracos Stimme denn
Schwarzhaarigen aus seinen Gedanken.
"Ich bin dabei, mir über
etwas klar zu werden, allerdings drängen sich mir immer mehr
Fragen auf, je mehr ich nachdenke. Das ist zum ausrasten", meinte
Harry nur und griff sich ein Brötchen um zu
frühstücken.
"Vielleicht können wir dir ja
helfen?" fragte Neville vorsichtig nach.
Eine Zeit lang sah
Harry seine beiden neuen Freunde nur an. Könnte er ihnen alles
erzählen? Was würden sie von ihm halten? Wie würden
sie reagieren? Könnten sie ihm helfen?
"Ich überlege
es mich, aber zur Zeit kenne ich euch, glaube ich, noch nicht gut
genug, und es ist auch etwas schwer, das alles zu erklären",
meinte Harry nur und beschloss erst mal, alleine weiter zu
machen.
"Sag bloß du vertraust uns nicht", meinte Draco
leicht eingeschnappt.
"Ich kenne euch seit gestern und soll euch
all meine Geheimnisse verraten? Sorry aber ich glaube dafür ist
es noch etwas zu früh. Ich vertrau euch, bis zu einem gewissen
Punkt, sonst würd ich nicht hier sitzen, aber das ginge etwas zu
weit."
Draco seufzte. "Hast ja recht. Aber glaub mir, du
kannst mir vertrauen und solltest du Hilfe brauchen, helfe ich
dir."
"Ich auch", lächelte Neville.
"Danke. Wenn
ich Hilfe brauche, komm ich zu euch. Versprochen."
Snape war
gerade dabei die Stundenpläne zu verteilen. Vor Harry blieb er
länger stehen.
"James Sohn im Hause Slytherin, wenn das
nicht eine Überraschung ist."
"Guten Morgen Professor
Snape", meinte Harry nur. Er hatte beschlossen zu versuchen, auch
mit dem Tränkemeister Waffenstillstand zu schließen, sonst
würde er in dessen Haus nicht gut Kirschenessen haben. "Bevor
Missverständnisse auftreten, wollte ich ihnen nur sagen, ich bin
nicht mein Vater. Ich weiß, dass sie und er sich in ihrer
Schulzeit nicht leiden konnten, und wollte mich in aller Form bei
ihnen für meinen Vater entschuldigen. Ich hoffe, sie nehmen die
Entschuldigung an."
Snape sah Harry nur in die Augen. In ihnen
sah er tiefe Ehrlichkeit, dennoch war er sich nicht sicher, ob er dem
Jungen vor sich glauben sollte. Er versuchte, in dessen Gedanken
einzudringen, stieß aber auf eine höchst komplizierte
Blockade, die er nicht überwinden konnte.
"Sie beherrschen
Okklumentik, Mister Potter?" fragte er überrascht.
"Und
Legimentik, Sir", antwortete Harry.
"Interessant", mit
diesen Worten ging Snape weiter. Harry atmete erleichtert aus. Seine
Blockade hatte gehalten.
"Wow, du beherrscht so hohe Magie?"
fragte Draco ihn verblüfft.
"Ja."
"Wieder eins
deiner Geheimnisse?"
"Ja und hier wohl mein Größtes."
"Ich
kann dich nicht dazu überreden es mir zu erzählen,
oder?"
"Nein", grinste Harry Draco verschmitzt an. Er hätte
nie gedacht, dass der Blonde so neugierig sein könnte.
"Schade.
Und warum hast du dich bei Severus entschuldigt?"
"Du nennst
ihn beim Vornamen?"
"Ja, er ist mein Pate."
"Jetzt wird
mir einiges klar", murmelte Harry nur.
"Wie meinst du das?"
fragte Draco verwirrt.
"Nicht wichtig. Ich habe mich
entschuldige, weil mein Vater und seine Freunde Snape in seiner
Schulzeit immer geärgert haben. Ich sehe meinem Vater ähnlich
und wollte nicht, dass er mich jetzt dafür bestraft, dass mein
Dad früher Mist gebaut hat."
"Oh. Verständlich",
meinte Draco und wandte sich wieder seinem Frühstück
zu.
"Wir haben in der ersten Stunde Verteidigung gegen die
Dunklen Künste", meinte Neville, der den Stundenplan
betrachtete.
"Was? Na prost Mahlzeit", meinte Harry nur und
ließ seine Kopf auf die Tischplatte fallen. Das Schuljahr fing
ja gut an. In der ersten Stunde gleich einen von Voldemort
besessenen, stammelnden Trottel.
Draco und Neville warfen sich nur
verwirrte Blicke zu.
Die Verteidigungsstunde war so langweilig
wie nie zuvor. Zumindest für Harry, weshalb er auch nach den
ersten zehn Minuten einschlief. Als Draco ihn endlich wieder wach
bekommen hatte, weil Professor Quirrell das Desinteresse seines
Schüler überhaupt nicht lustig fand, wurde ihm erst mal
eine Frage bezüglich des im bisherigen Unterricht erläuterten
Stoffes gestellt.
Harry seufzte nur schwer und antwortete, zum
Erstaunen der Klasse, fehlerfrei und weitaus ausführlicher, als
Quirrell es ihnen erklärt hatte. Dann legte er seinen Kopf
demonstrativ wieder auf die Tischplatte und schlief weiter.
Ganz
ähnlich lief es auch in den anderen Fächern ab, die er an
diesem Tag hatte, weshalb Harry Slytherin bis zum Ende des Tages 35
Minuspunkte wegen seines Desinteresses, aber dennoch 50 Pluspunkte
auf Grund seiner richtigen Antworten einbrachte.
Neville warf ihm
den Tag über bewundernde Blicke zu. Er selbst hatte es nicht
halb so leicht, mit dem Stoff des Tages mitzukommen. Draco meinte am
Abend nur, das Harry wohl mit so ziemlich allem durchkommen
würde.
Am Abend verzog Harry sich, nach dem er die
Hausaufgaben des heutigen Tages erledigt hatte, zurück in sein
Zimmer. Er wusste, das Snape misstrauisch geworden war. Sonst hätte
er ihm beim Essen nicht ständig diese seltsamen Blicke
zugeworfen. Draco und Neville waren ihm heute im Laufe des Tages noch
sympathischer geworden. Besonders Draco mit seiner
zynisch-spöttelnden, aber dennoch aufrichtigen Art. Deshalb
hatte Harry beschlossen, Draco und Snape einzuweihen. Zwar lief er
dadurch Gefahr, ernsthafte Probleme zu bekommen, aber sein Entschluss
stand fest. Deshalb warf Harry schnell einen Blick auf die Karte des
Rumtreibers, wo er Snape in seinem Büro sitzen sah. Zu Harrys
großer Erleichterung alleine.
Dann verließ er sein
Zimmer wieder und ging zu Draco, der Neville gerade bei den
Hausaufgaben half.
"Draco, könntest du kurz mitkommen?"
fragte er den Blonden.
Dieser sah Harry verwirrt an.
"Warum?
Ist irgendwas?"
"Frag nicht, komm einfach. Bitte", meinte
Harry nur genervt.
"Schon gut, ich komm ja schon", brummte der
Blonde, stand auf und folgte Harry aus dem Gemeinschaftsraum und
Richtung Snapes Büro.
"Was willst du denn von mir?"
"Erst,
wenn wir bei Snape sind", antwortete Harry nur.
"Wieso
ausgerechnet Severus?"
Harry dachte über seine Antwort kurz
nach, ehe er meinte.
"Weil er mir eine große Hilfe sein
könnte."
Dann klopfte er an Snapes Tür. Ein
unfreundliches "herein" erklang, und Harry und Draco traten
ein.
"Guten Abend Professor Snape", meinte Harry.
"Mister
Potter, Mister Malfoy. Was führt sie zu so später Stunde
noch zu mir?" fragte Snape, und deutete den Jungs mit einer Hand
an, sich zu setzten.
"Harry meinte, er wolle mir etwas erzählen.
Warum wir hier sind, weiß ich auch nicht", meinte Draco und
setzte sich. Harry blieb stehen.
"Nun Mister Potter, was wollten
sie uns denn erzählen?" fragte Snape verwundert nach.
Harry
atmete tief durch.
"Draco, du hast mich doch heute gefragt, um
was ich mir so viele Gedanken mache. Und ich weiß, dass sie
Professor Snape, mir nicht wirklich trauen, wohl auf Grund der
Tatsache, dass ich Okklumentik beherrsche. Deshalb glaube ich, dass
es am sinnvollsten wäre, euch beide einzuweihen. Allerdings ist
es etwas kompliziert zu erklären. Moment", meinte Harry und
setzte sich nun doch auf den Stuhl. Er hatte in einem Buch mal etwas
über die Trennung der Seele von dem Körper gelesen und
beherrschte seit einiger Zeit auch dieses Phänomen. Langsam
schloss er die Augen und konzentrierte sich. Der elfjährige
Körper begann zu strahlen und sackte leicht in sich zusammen,
als das Licht feste Konturen annahm und sich von ihm entfernte.
Ungläubig sahen Professor Snape und Draco auf Harry, als das
Leuchten nachgelassen hatte. Da stand Harry. Siebzehn Jahre alt und
in eine nachtschwarze Robe gehüllt.
"Ich bin zwar Harry
Potter, aber nicht der Harry Potter aus dieser Dimension. Da wo ich
herkomme, wurde nicht Neville, sondern ich von Voldemort angegriffen.
Vor einiger Zeit fand ich dann ein Buch, in dem stand, dass es ein so
genanntes alternativer Universum gibt. Ich bin hier, weil ich wissen
wollte, wie es gewesen wäre, wenn nicht ich der Auserwählte
bin."
"Und warum erzählst du uns das jetzt?", fragte
Snape verwirrt.
"Weil ich schon sehr bald festgestellt habe,
dass Dumbledore mich mein Leben lang belogen und ausgenutzt hat. Das
will ich Neville ersparen. Doch ich bin auf viele Fragen gestoßen,
die ich mir nicht selbst beantworten konnte. Professor Snape, in wie
weit sind sie Voldemort treu? Und bitte, seien sie ehrlich. Es ist
für mich von größter Wichtigkeit."
Snape sah die
Seelengestalt unsicher an, ehe er antwortete.
"Meine gesamte
Treue gehört ihm."
"Er ist im Schloss."
"Wie das
und wo?"
"Bei Professor Quirrell. Durch den Todesfluch, den
Neville auf Voldemort zurückgeschickt hatte, ist er jetzt nur
noch eine körperlose Seele. Er hat sich bei Professor Quirrell
eingenistet, weil dieser dumm und leichtgläubig genug war, ihn
ohne an mögliche Konsequenzen denkend, aufzunehmen."
"Was
sucht er hier?"
"Den Stein der Weisen. Ich würde gerne
mit Voldemort reden, weiß aber nicht, wie ich sein Vertrauen
gewinnen kann. Professor, würden sie mir bitte dabei helfen,
Kontakt mit ihm aufzunehmen?"
"Natürlich."
"Und
was willst du von mir?", fragte Draco verwirrt.
"Ich möchte,
das du dafür sorgst, das Neville aus der ganzen Sache raus
gehalten wird. Ich weiß wie schnell man mit elf Jahren
beeinflusst werden kann. Er soll sich seine eigene Meinung über
alles bilden können, wenn er alt genug ist, es zu
verstehen."
"Gut. Aber warum willst du mit dem dunklen Lord
reden?"
"Ich habe gründlich über alles nachgedacht
und bin nun, da ich weiß, das Dumbledore nur auf seinen eigenen
Vorteil bedacht ist, dazu bereit, mir auch die andere Seite
anzuhören. Für mich ist es äußerst wichtig zu
erfahren, wo ich wirklich stehe und das kann ich nur, wenn ich mit
Voldemort persönlich rede."
"Draco, gehe bitte zurück
in den Gemeinschaftsraum", meinte Snape plötzlich.
Draco
sah seinen Paten an.
"Okay. Ich verspreche dir, das ich gut auf
Neville aufpassen werde. Wirst du in deine Dimension
zurückgehen?"
"Ich weiß es nicht, Draco. Aber wenn
ich mich morgen noch seltsamer als sonst benehme, weißt du,
dass ich nicht mehr da bin."
Draco ging auf Harry zu.
"Sind
wir in deiner Dimension Freunde?"
"Bis jetzt nicht, aber ich
hoffe, dass sich das bald ändert."
"Ich auch. Mir dir
kann man nämlich echt gut reden."
"Mit dir auch und jetzt
geh bitte, bevor Neville seine Hausaufgaben noch komplett vermurkst",
grinste Harry.
"Gut. Bis irgendwann", meinte Draco und verließ
das Zimmer.
"Wenn du in den Körper zurückgehst, können
wir uns auf den Weg machen", meinte Snape. Harry nickte nur und
kehrte in den elfjährigen Körper zurück. Dann
verließen er und Snape das Büro des Tränkemeisters.
