Kapitel 3

St. Comgan

Das Dörfchen St. Comgan lag verträumt am Ende eines kleinen Flusses, wo dieser in den Ozean einmündete. Eine kleine Zauberergesellschaft lebte hier, seit ihre Vorfahren zu diesem aus-dem-Weg-Ort geflüchtet waren, als Resultat der Verfolgungen, welche die schottische Zaubererwelt unter der Herrschaft von James dem Vierten erschüttert hatte.

Während die wärmeren Gewässer und die weiten, sandigen Strände im Süden die Familien und die, die eine Vorliebe für Promenaden und ein aktives Nachtleben hatte, anzogen, war dieses verschlafene Fischernest ein Anziehungspunkt für solche, die die Schönheit in Urtümlichkeit und Einsamkeit sahen. Ein Teil des Strandes war seit Jahrhunderten mit einem Anti-Muggelzauber geschützt, was zur Folge hatte, dass er noch immer in seinem alten, unverdorbenen Zustand war.

Severus hatte lange darüber nachgedacht, was er in seinem ersten freien Sommer seit Jahren tun wollte. In Hogwarts zu bleiben hatte sich nicht sehr verlockend angehört. Die Mahlzeiten in einer fast leeren Grossen Halle zu sich zu nehmen, mit niemandem ausser einem eventuellen anderen Hauslehrer, der sich entschied dort zu bleiben, dem Direktor und Filch war nicht etwas, was ihm Spass machte. Das Schloss wirkte recht unheimlich, wenn es nur von einer Handvoll Menschen, den Geistern und den Hauselfen bewohnt wurde. Und er hatte in den letzten paar Jahren genug von Minerva und Albus gesehen - im Job und ausserhalb – dass es für ein ganzes Leben ausreichte.

Andererseits erschien der Gedanke an eine Besichtigungstour mitten in einer Menschenmenge etwa so verlockend wie angeschimmeltes Brot und saure Milch. So hatte er sich schlussendlich für St. Comgan entschieden.

Das kleine Gasthaus, wo Severus sein Zimmer gebucht hatte, stellte sich als relativ preisgünstig heraus, für Zauberer, die mal den Stress hinter sich lassen wollten. Weit hinter sich. Er hinterliess dem Angestellten am Empfang die entsprechende Menge Galeonen für einen sechswöchigen Aufenthalt, und stieg die knarrende Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte, betrat er sein neues Domizil und sah sich um.

Nicht schlecht.

Der Raum schien ausreichend sauber zu sein. Ein robustes, mit weissen Leinen bezogenes Bett, stand an einer Wand und es gab einen hochlehnigen Ledersessel vor dem grossen Kamin. Das Ganze sah wie ein guter Ort aus, um seine Abende mit einem Glas Wein und einem guten Buch zu verbringen. Ja, alles in allem sehr zufriedenstellend.

Innerhalb von zwei Tagen hatte er sich eine Routine angewöhnt. Frühstück im Gasthaus, ein Spaziergang den Strand entlang oder durch das Dorf, bewaffnet mit einem Lunchpaket, welches das Gasthaus seinen Gästen zur Verfügung stellte. Danach unterwegs etwas lesen bis zum Abend. Rückkehr zum Gasthaus für das Abendbrot, und lesen in seinem Zimmer bis es Zeit fürs Bett war. Für die ersten drei Tage war es der Himmel. Nach zwei Wochen war er zum Heulen gelangweilt.

Der Gasthof war nicht gerade überfüllt. Neben ihm gab es nur noch eine Gruppe von mittelalterlichen Hexen, welche ein großes Vergnügen darin zu sehen schienen, während des Tages über die Ländereien zu streifen und die Abende damit verbrachten, im Aufenthaltsraum Spielen nachzugehen. Und ein älteres Pärchen, das ohne ihre sehr hohen Gehstöcke nirgendwo hinzugehen schienen.

Nachdem sie eines Abends versucht hatten, ihn in ihre Gespräche mit einzubeziehen, kam er zu der Entscheidung, dass, egal was man über Minerva und Albus sagen konnte, sie zumindest nicht so entschieden langweilig waren.

In der dritten Woche zog eine Tieffront über sie herein. Es nieselte durchgehend für drei Tage, nur unterbrochen durch heftigere Regenschauer. Die Hexen schien das nicht weiter zu stören, ihrem kreischenden Lachen nach zu urteilen, welches vom Aufenthaltsraum durch das ganze Haus dröhnte. Am Abend des zweiten Tages war sich Severus sicher, dass - würde er nicht bald raus kommen - er mindestens eine oder zwei, wenn nicht gleich alle von ihnen mit eigenen Händen erwürgen würde.

Es gab nur zwei magische Niederlassungen in dem Dorf. In der Nähe des Meeres das Gasthaus, wo Severus sich eingemietet hatte, und ein kleines Pub, weiter unten an der Strasse. Dorthin entschied er sich zu gehen.

Nachdem er aus dem Regen in den Raum gehuscht war und die Regentropfen von seinem nassen Überhang weggeschüttelt hatte, trat er an die verkratzte Eichenbar und bestellte bei dem gesetzten Barkeeper einen ‚Whisky on the rocks'. Er konnte es brauchen.

Er blickte in den Raum auf der Suche nach einer Sitzgelegenheit. Scheinbar hatte jede Hexe und jeder Zauberer an diesem scheußlichen Abend dieselbe Idee wie er gehabt. Der einzige freie Stuhl war am unteren Ende der Bar. Mit dem Drink in der Hand ging er durch den rauchgefüllten Raum und ließ sich auf dem hohen Barstuhl nieder. Zu seiner Linken saß, völlig mit sich selber beschäftigt, ein junges Paar mit zwei Drinks vor sich. Zu seiner Rechten saß eine Frau, tief in Gedanken mit einem Glas Weißwein in den Händen. Er runzelte die Stirn als er kurz zu ihr hinüberblickte. Sie erschien ihm irgendwie bekannt.

Er war sich sicher, dass er sie schon vorher im Dorf gesehen hatte. Ja – zuerst hatte er geglaubt, dass sie eine Muggeltouristin war, als sie, in einem Buch lesend, bei einem Muggelpub am einem kleinen Tisch, welcher im wärmeren Wetter auf dem Gehsteig stand, gesehen hatte. Oder als sie auf dem Steg den Möwen Brot zugeworfen hatte. Später jedoch war er im muggelgeschützten Teil des Strandes an ihr vorbeigelaufen. Sie hatte ihn angelächelt, als er an ihr vorbeiging.

Er sah wieder kurz zu ihr herüber. Mittelgroß, schmal gebaut, braunes Haar achtlos zurückgebunden. Ungefähr in seinem Alter, vielleicht einige Jahre jünger. Ja, er erkannte sie wieder.

In diesem Moment drehte sie sich um und sah ihn an. „Habe ich Sie nicht schon hier in der Gegend gesehen?" fragte sie, als ob sie sich nicht ganz sicher wäre. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. „Mein Name ist Hannah."

Er besah sich ihre Hand für einen Moment, bevor er sie ergriff. "Severus."

"Severus? Ungewöhnlicher Name. Es passt aber irgendwie zu Ihnen."

Er blickte sie scharf an. Sie lächelte ihn an – da gab es keinen Anhaltspunkt, dass sie es als Stichelei gedacht hatte.

"Ich weiß nicht ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung war", antwortete er mit einem Kräuseln der Lippen.

Sie lachte. "Fassen Sie es als Kompliment auf. Hannahs sind Dutzendware. Ich habe mir immer gewünscht, einen etwas einzigartigeren Namen zu haben."

Ehe er es sich versah, befand sich Severus in eine angenehme Konversation verstrickt, die allerdings vor allem von ihr getragen wurde. Als sie sich eine Stunde später erhob, stellte er mit erheblicher Überraschung fest, dass er sich sogar ziemlich gut unterhalten hatte.

„Es war nett, mit dir zu sprechen", sagte sie, während sie eine bauchige Tasche vom Boden hochhob und sich zum Gehen bereit machte. „Werde ich dich wieder sehen?"

Er zuckte zurückhaltend mit den Schultern. „Ich werde noch einige Wochen im Dorf sein."

"Dann darf man ja hoffen." Mit einem letzten Lächeln verschwand sie und ließ ihn mit der Frage zurück, wie viele Whiskys er brauchen würde, bevor er die kreischenden Hexen wieder ertragen konnte, ohne einen Mord zu begehen.

sssssssssssssssss TBC sssssssssssssss