Kaum dass sie bei Rokko eingetroffen waren, hatte sich Janosch die kleine, rote Gießkanne geschnappt und hatte alle Blumen mit reichlich Wasser beglückt. Lisa nahm zwischenzeitlich an, dass Rokko eine Reisplantage hatte, so viel Wasser holte Jansoch unaufhaltsam aus dem Badezimmer. Immer wieder fiel er zwischendurch seinem Papa um den Hals, hüpfte durch die Wohnung, sang Weihnachtslieder und lachte ausgelassen, wenn Rokko ihn auskitzelte. Doch sie Aufregung hatte ihn ermüdet. Er hatte gerade dreimal von der Pizza abgebissen, als seine Äuglein nicht mehr wach bleiben wollten und ihn in das Land der süßen Träume schickten. Rokko nahm ihn vorsichtig auf den Arm und trug ihn in sein Bett, wo er Janosch behutsam zudeckte, ihm durch die wilden Locken strich und einen Kuss auf die Stirn gab.
Langsam schloss Rokko die Tür hinter sich. Lisa lächelte ihn unsicher an, als er aus dem Schlafzimmer zurückkehrte und mit wenigen Schritten am Sofa angekommen, nun neben ihr stand. Er nahm Janoschs Jacke, die neben Lisa lag und wollte sie beiseite legen, um sich dort zu setzen, als er das Namensschildchen bemerkte. 'Janosch Plenske-Kowalski' stand darin. Lisa wusste sofort, was es war, als Rokko sie fragend anblickte.
Lisa stellte ihren Teller beiseite, bevor sie ihre Hände knetend zu reden begann. "Janosch, er.. er hat mich gefragt, warum die Leute zu dir 'Kowalski' sagen, wir aber doch 'Plenske' heißen. Ich habe ihm erklärt, dass wir eben nicht verheiratet sind. Wir haben noch eine Weile diskutiert, bis Janosch nicht mehr davon abzubringen war, dass auch dein Name in seiner Jacke stehen sollte, damit alle sehen, dass du sein Papa bist. Nicht dass sich das überhaupt leugnen ließe, so ähnlich wie ihr euch seht..." Lisa lachte nervös und blickte Rokko unsicher an, der sich die Geschichte mit einem Schmunzeln angehört hatte. Er legte die Jacke, die er die ganze Zeit über immer wieder betrachtet hatte und über deren Namensschild er mehrfach mit dem Daumen gefahren war, beiseite und rutschte näher an Lisa heran. Rokko nahm ihre Hände in seine, sah ihr sanft in die Augen, ließ schließlich eine Hand los und strich Lisa über die Wange.
"Zeit zu reden, hm?" fragte er und Lisa nickte.
"Hast- hast du dir überlegt, wie es weitergehen soll mit uns? Machen wir so weiter wie bisher? Oder wirst du.. wirst du bei uns einziehen? Wirst du mich wieder küssen? Mir schwirren so viele Fragen durch den Kopf, aber nicht eine Antwort. Und ich brauche Antworten, Rokko. Ich- hast du Antworten für mich?"
"Du fragst dich, ob ich dich wieder küssen werde?" lachte Rokko und beugte sich als Antwort zu ihr, um ihre Lippen mit seinen zu bedecken. Lisas Hände legten sich auf seine Wangen und Rokko zog Lisa noch ein Stück an sich heran. Als sie sich nach einer Weile trennten, ließ Rokko sie nicht los, sondern hielt sie weiter fest. "Ich hab dich vermisst, Lisa", begann er ernst. "Und nicht nur während der Tage in Finnland. Ich hab dich all die Jahre seit unserer Trennung vermisst. Ich hab mich nach deinen Küssen gesehnt und deinen Umarmungen, nach deiner Nähe, deinem Duft, deinem atemberaubenden Lächeln." Lisa lächelte glücklich und ihre Arme schlossen sich noch fester um Rokko. "Als du plötzlich wieder da warst, da wusste ich nicht, ob ich dich überhaupt wiedersehen wollte. Ich weiß nicht, wie es gewesen wäre, wenn Janosch nicht..." Rokko brach ab und löste sich ein wenig von Lisa, um ihr in die Augen sehen zu können. "Lisa, ich will dich nicht mehr loslassen. Ich will abends nicht mehr gehen müssen, wenn du von der Arbeit nach Hause kommst. Und ich will jeden Morgen neben dir aufwachen."
Lisa strahlte ihn an. "Du gibst uns noch eine Chance?"
"Ja", flüsterte Rokko und küsste sie wieder.
Noch am selben Tag packten sie das Nötigste ein und brachten es in Lisas Wohnung, die von nun Lisas und Rokkos Heim sein sollte. Janosch bestand darauf, dass aus 'L und J Plenske' am Klingelschild 'Familie Plenske-Kowalski' werden sollte. Lisa hatte das neue Schild geschrieben und Rokko hatte es eingesetzt. Janosch war ihm dabei nicht von der Seite gewichen. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass sein Papa nun für immer bei ihm sein würde, dass er nie mehr weg müsste. Obwohl es noch eine Woche bis Weihanchten war, wusste Janosch ganz fest, dass sein größter Wunsch schon längst in Erfüllung gegangen war.
Als Rokko am Abend aus Janoschs Zimmer kam, wo er ihm noch seine Lieblingsgeschichte vorgelesen und die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, schlich er genau so leise ins Wohnzimmer, wo Lisa schon ungeduldig auf ihn wartete. Kaum dass er das Wohnzimmer betreten hatte, war Lisa mit wenigen Schritten bei ihm, schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich. Rokkos Hände lagen auf ihren Hüften, als er sie näher an sich zog. Lisa vergrub ihre Hände in seinen Haaren und seufzte, als Rokko mit einer Hand das Band aus ihren Haaren löste. Als ihre sich ihre Haare jedoch um ihre Schultern schmiegten, drückte Rokko Lisa leicht von sich. Schwer atmend standen sie vor einander, ihre Augen dunkel vor Leidenschaft.
"Lisa..." Sanft streichelte Rokko über ihre Wange. "Vielleicht sollten wir noch warten. Nicht alles gleich überstürzen. Schritt für Schritt vorwärts gehen. Auch wenn ich nichts lieber tun würde, als.." Er lächelte und küsste sie zärtlich. "Lass uns warten, das Fundament festigen, bervor wir am Ende etwas überstürzen. Bitte?"
Lisa seufzte, zog ihn ein letztes mal an sich, um ihn zu küssen und umarmte ihn dann fest. "Dann lass uns warten..."
Und auch wenn sie etwas später genau so eng umschlungen einschliefen, wie sie hier standen: ihr Entschluss sich Zeit zu lassen blieb bestehen.
