Das neue Jahr sollte mit einer großen Feier bei Kerima eingeläutet werden. Etwa 100 Gäste hatten sich am Silvesterabend in der Geschäftsetage versammelt: Mitarbeiter, deren Partner und auch einige Kinder. Alles war in silber und dunkelblau dekoriert, überall funkelten kleine Sterne und noch immer lag ein Rest des Weihanchtszaubers in der Luft. Es war ein buntes, fröhliches Fest. Lisa musste noch kurz etwas besorgen, während Rokko sich zu Bruno an den Tresen gesellt hatte und ein Bier mit ihm trank.

"Na, Herr Kowalski? So glücklich heute Abend? Das Familienleben gefällt dir wohl?" Bruno schlug Rokko lachend auf die Schulter und stieß mit seinem Bier an das von seinem Gegenüber.

"Ja, ich könnte kaum glücklicher sein. Du würdest aber auch im Kreis grinsen, wenn du keine Ohren hättest. Darf ich fragen, was dich so wohl gestimmt sein lässt?"

"Die Liebe, lieber Rokko, die Liebe... Davon weißt du ja auch eine ganze Menge, ne?" Wieder grinste er breit. "Aber ich verrate dir was: ich habe darüber nachgedacht, Angelina zu heiraten."

"Ach! Angelina? Da gratulier' ich doch." Rokko streckte Bruno seine rechte Hand entgegen. "Die große Liebe?"

"Ja", seufzte Bruno zufrieden. "Ich hab lange gesucht. Angelina und ich.. das war nicht einfach. Vor allem, weil ich am Anfang so ein Idiot war. Ich hab lange gebraucht, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Und als ich dich, Lisa und Janosch zu Weihnachten gesehen hab, da wusste ich, dass ich das auch will: so eine kleine Familie. Und ich weiß, dass Angelina die Frau dafür für mich ist."

"Ich wünsch euch alles Gute."

"Danke."

Während sie noch über dies und jenes plauderten und Bruno Rokko versprach, ihm ein Paar maßgeschneiderte Schuhe anzufertigen, öffneten sich die Fahrstuhltüren und eine lachende Lisa betrat wieder die Geschäftsetage. Rokkos freudiges Lächeln gefror jedoch, als Lisa auch noch David Seidel folgte. Rokko glaubte ein Gespenst zu sehen. Sollte der nicht auf einem der sieben Weltmeere schippern? Was machte er in Berlin? Und vor allem: wie schaffte es David Seidel immer wieder genau dann aufzutauchen, wenn zwischen Rokko und Lisa alles wunderbar schien? Bruno fiel auf, dass Rokko die Gesichtszüge entglitten waren und folgte seinem Blick. Auch er erkannte den leger gekleideten, bärtigen Seidel junior sofort. Er hatte sich schon gefragt, ob er jemals wieder hier auftauchen würde. Die eMail, die kurz vor Weihnachten als Antwort auf die Silvesterpartyeinladung gekommen war, hätte er wohl genauer lesen sollen, dann wäre zumindest er, Bruno, auf diesen Auftritt vorbereitet gewesen. Bruno sah Lisa lachen und wandte sich um, um Rokkos starren Blick vorzufinden.

"Alles klar?" fragte er ihn und sah ihn besorgt an.

"Ja, klar, alles.. alles wunderbar." Rokko versuchte ein Lächeln, scheiterte jedoch.

Schon kamen Lisa und David auf sie zu.

"Seht mal, wen ich unten angetroffen hab!" begann Lisa überschwänglich und schien Davids Arm auf ihren Schultern gar nicht schlimm zu finden.

"Herr Seidel!" begrüßte ihn Bruno freundlich, aber mit Zurückhaltung. "Zurück in Berlin?"

"Ja, es wurde mal wieder Zeit. Das graue Wetter hat mir doch sehr gefehlt. Und dann sind ja hier auch immer liebe Menschen, die man vermisst." Dabei grinste er so seltsam Lisa an und ließ seinen Blick dann zu Rokko schweifen. "Ach, Kowalski. Lang nicht mehr gesehen", ließ er in einem abfälligen Tonfall verlauten und streckte auch ihm eine Hand entgegen.

"Herr Seidel", nickte Rokko nur und nahm die Hand nicht, was ihm sofort einen leicht erschütterten Blick von Lisa einbrachte, die sogleich versuchte, die Situation aufzulockern.

"Ja, dann lasst uns mal feiern. Ich würde jetzt gern einen Saft trinken." Lisa ging zur Cateringkraft, um sich etwas zu trinken zu holen. David folgte ihr, genau so wie Rokkos Blick. Bald waren sie wieder bei ihnen, wo sie den ganzen Abend blieben. Bruno hatte sich schon bld verabschiedet, um sich ganz Angelina zu widmen. Lisa stand zwischen David und Rokko, der seine Hand auf ihren Rücken gelegt hatte. Rokko wollte nicht eifersüchtig sein, doch Lisa und David so unbeschwert miteinander reden zu sehen, fiel ihm schwer. Erst jetzt bemerkte er, dass er Lisa nie gefragt hatte, wie die Trennung von David verlaufen war - ob freundschaftlich oder im Streit. Er wusste nur, dass es wegen Janosch und letztlich wegen ihm selbst geschehen war. Lisa hatte gesagt, dass sie ihn liebte. Warum sollte er ihr also nicht glauben? Er wollte ihr so gern glauben. Rokko schob alle dunklen Gedanken beiseite und wandte sich Lisa zu. Seine Hand lag auf ihrer Hüfte und er zog sie ein wenig näher, um sie zu küssen. Lisa legte ihre frei Hand auf seine Schulter und erwiderte den Kuss ganz sanft und liebevoll.

"Sag mal, wo ist eigentlich dein Sohn", stupste David sie von der Seite an und unterbrach den Kuss.

"Janosch ist mit den anderen Kindern unterwegs. Ah, da kommt er ja." Kaum war sein Name gefallen, war Janoschs Lockenkopf in der Menge aufgetaucht. Er suchte nach seinen Eltern, konnte sie aber erst nicht finden. Als er sie entdeckte, lief er eilig auf sie zu. Er wollte kuscheln und krabbelte sofort auf Lisas Arm, als sie sich zu ihm hinunterbeugte. "Janosch, erinnerst du dich noch an Onkel David? Er hat uns mal besucht."

Janosch lächelte David an, klammerte sich dann aber wieder an Lisa.

David räusperte sich. "Er ist ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten, Kowalski."

"Ich bin auch sehr glücklich, einen Sohn wie Janosch zu haben." Rokko lächelte stolz und ehrlich.

"Natürlich. Ahhh, ich hatte ja noch was für dich, Janosch", grinste David und fingerte einen Teddy aus seinem Jackett hervor.

"Danke!" Janosch freute sich über den kuschelweichen Teddy sehr und zeigte ihn sofort Rokko. "Papa, guck, der sieht aus wie der Papa-Bär auf meinem Teller."

"Ja", lächelte Rokko und nahm seinen Sohn, der zu ihm wollte, auf den Arm. Er hielt ihn ganz fest und strich druch seine Locken.

"Lisa", wandte sich David wieder an sie, "hast du vielleicht Lust zu tanzen?"

"Ist das okay, Schatz?" fragte sie Rokko.

Der lächelte. "Klar. Geh nur."

Lisa sah Rokko etwas irritiert an, gab ihm noch einen Kuss und wurde dann auch schon von David auf die Tanzfläche gezogen. Sie tanzten ausgelassen und lachten viel. Rokko sah, dass sie sich die ganze Zeit über unterhielten. Er blickte sich suchend nach Bruno um. Ein wenig Gesellschaft wäre jetzt ganz nett gewesen. Aber Rokko vermutete, dass Bruno wohl noch heute Abend Angelina einen Antrag machen würde. Ein Antrag zu Silvester - wie perfekt. Rokko seufzte und wandte seinen Blick von der Tanzfläche ab. Diese verdammte Eifersucht! Sie trat immer auf den Plan, wenn David Seidel in der Nähe war. Ob sich das je ändern würde? Rokko wollte sich ablenken und beschäftigte sich mit Janosch, der immer noch den Teddy im Arm hatte. Sein kleiner Sohn erinnerte ihn an die vergangen, wundervollen Monate, die sie miteinander verbracht hatten.

"Papa?"

"Ja?"

"Ich hab dich lieb", platzte Janosch plötzlich heraus und umarmte Rokko innig.

"Ich hab dich auch sehr lieb." Rokko hielt Janosch ganz fest und noch ein wenig fester, als David, der so eben an ihm vorbei tanzte, zu Lisa meinte, dass er sich manchmal wünschte, Janosch wäre sein Sohn. Rokko stockte der Atem. David Seidel war offenbar dabei, Lisa um eine zweite Chance zu bitten. Rokko sah nicht mehr, wo die beiden waren, konnte sie auf der Tanzfläche nicht mehr entdecken. Ihm wurde heiß und leicht übel. Wo waren sie nur? Sollte er nach ihnen suchen?

Als er merkte, dass Janosch eingeschlafen war, beschloss er, nach Hause zu gehen. Ihm schwirrte der Kopf und die Ruhe würde ihm gut tun. Er holte seinen und Janoschs Mantel, ging dann zu Bruno, um ihm zu sagen, er solle Lisa ausrichten, dass sie schon gegangen waren und verschwand im Aufzug. Bis zu ihrer Wohnung war es nicht weit. Ab und zu schreckte Rokko zusammen, wenn in der Nähe ein Böller hochging, aber sie kamen unbeschadet an. Rokko legte Janosch ins Bett und schloss leise die Tür hinter sich. Die Wohnung war so still ohne Janoschs Kichern und Lisas Lachen. Ihn überkam eine seltsame Leere. Rokko blickte seufzend auf die Uhr. Es war Dreiviertel Zwölf, noch eine Viertelstunde bis Mitternacht also. Er entschloss sich dazu, auf dem Balkon auf das große Feuerwerk zu warten, das sich unweigerlich am Berliner Nachthimmel abspielen würde. Rokko fror trotz seines Mantels und schlang seine Arme um seinen eigenen Körper. Es ärgerte ihn maßlos, dass er so eifersüchtog geworden war. Anstatt nun mit Lisa das neue Jahr zu beginnen, war er allein.'Du kannst ihr vertrauen!' sagte er sich selbst immer wieder. 'Sie liebt dich.'

Er hörte nicht, wie sich die Balkontür hinter ihm öffnete und wieder schloss, spürte erst, dass jemand hinter ihm war, als sich zwei schlanke Arme um ihn schlossen.

"Du warst nicht mehr da, als ich zum Tresen zurückkam", flüsterte Lisa, ihren Kopf an seinen Rücken gepresst.

"Janosch ist eingeschlafen. Ich wollte ihn lieber nach Hause bringen und ich dachte, du könntest dich ruhig noch amüsieren."

Lisa drehte ihn zu sich, wollte ihm in die Augen sehen. "Ohne dich?" Sie schüttelte den Kopf. "Ich will mit dir in das neue Jahr starten, will in deinen Armen von der Zukunft träumen. Ich liebe dich, Rokko. Ich liebe dich so sehr, dass es weh tut ohne dich zu sein."

Er seufzte und lehnte seine Stirn an ihre. "Ich war ein ganz schöner Idiot heute Abend, hm?"

"Nein, ganz und gar nicht. Ich hätte die Situation besser einschätzen sollen. David und ich werden immer Freunde sein, aber nie mehr. Vergiss das nicht. Ich werde alles dafür tun, dass du dir meiner Liebe sicher sein kannst."

Als an anderer Stelle in Berlin der Countdown gezählt wurde, küsste Rokko Lisa lang und leidenschaftlich. Er zog sie in seine Arme und Lisa suchte wie schon bei seinem Kuss vor wenigen Wochen nach Halt, als ihre Knie weich wurden.

"Ich liebe dich", flüsterte Rokko in Lisas Ohr, als sie sich voneinander gelöst hatten. Eng umschlungen standen sie auf dem Balkon und beobachteten, wie unzählige Raketen auf die Reise in den sternenklaren Berliner Himmel geschickt wurden. Lisa hatte ihren Kopf auf Rokkos Schulter gelegt und er glaubte, sie wäre eingeschlafen, als sie plötzlich etwas verlauten ließ. Erst war es nur ein Flüstern, dann wurde es lauter.

"Heirate mich. Heirate mich, Rokko!"

"Was?"

Lisa hob ihren Kopf und sah ihn mit glänzenden Augen an. "Bitte, heirate mich, Rokko. Werde mein Mann."

"Du machst mir einen Antrag?"

"Ja. ich will dich heiraten. Ich will den Rest meines Lebens an deiner Seite verbringen. Willst du auch?"

Rokko sah sie eine Weile an, nickte dann fast unmerklich und lächelte. "Ja", flüsterte er. "Ja, ich will."

Lisa atmete erleichtert aus, nahm Rokkos Gesicht in beide Hände und zog ihn sanft zu sich, um ihn zu küssen. "Ich werde Frau Kowalski!"

"Endlich."

"Endlich."

Dann küssten sie sich wieder und gingen schließlich in die Wohnung zurück. Die Kälte hatten sie lange nicht gespürt, hatten sie erst bemerkt, als kleine Eiskristalle in ihren Haaren funkelten. Kaum waren sie Flur, kam Janosch angetapst. Er war von den Raketen wach geworden und auf der Suche nach seinen Eltern. Rokko nahm Janosch auf den Arm und küsste ihn sanft auf die Stirn. "Deine Mama will mich heiraten!" Janosch blinzelte ihn an und langsam bogen sich seine Mundwinkel zu einem breiten Strahlen nach oben. Lisa umarmte beide legte ihren Kopf wieder auf Rokkos Schulter.

"Krieg ich dann auch einen Bruder?" wollte Janosch wissen und sah seine Eltern mit großen Augen an.

"Darüber müssen wir dann mal reden", grinste Rokko.

Als Rokko und Lisa später in ihrem Bett nebeneinander lagen und Lisa Rokkos Hand in ihrer hatte, bemerkte er, wie Lisa selig vor sich hin lächelte.

"Woran denkst du?"

"An unsere kleine Familie."

"Das ist ein schöner Gedanke."

"Ja... Rokko?"

"Hm?"

"David hat viele dumme Sachen gesagt auf der Party."

"Ich weiß."

"Du sollst aber auch wissen, dass ich ihm gesagt hat, er soll es lassen. Dass ich dich liebe und dass ich so wahnsinnig glücklich bin mit dir und Janosch." Lisa drehte sich auf die Seite und sah Rokko an, der immer noch an die Decke starrte. "Du musst dir den Platz in meinem Herzen nur mit zwei anderen teilen."

"Gleich zwei?" Er hatte sich auch auf die Seite gedreht, sah sie nun an, seine Hand noch immer in ihrer.

"Ja. Der eine ist unser wundeschöner Sohn."

"Und... der andere?"

"Der - oder die - andere. Das werden wir erst in neun Monaten wissen."

"Du bist.."

"Schwanger - mit unserem zweites Kind." Lisa strahlte nun noch mehr und beobachtete genau, wie sich Rokkos Gesicht von Überraschung zu grenzenloser Freude wandelte. Er zog Lisa in seine Arme und hielt sie ganz fest.

"Seit wann weißt du es?"

"Ich habe es seit gestern geahnt, aber ich weiß es erst seit ein paar Minuten. Ich hab mir vorhin noch einen Test aus der Apotheke geholt. Ich wollte dir nichts sagen, bevor ich es nicht genau wusste." Lisa strahlte. Ihre Augen funkelten ihn an und Rokko hielt sie noch ein wenig fester.

"Du machst mich zum glücklichsten Mann der Welt." Wieder küsste er sie.

Die Ereignisse hatten sich an diesem Abend geradezu überschlagen, Rokko hatte eine Gefühlsachterbahn durchlaufen. Von Glück über Eifersucht und Schmerz bis hin zu unbändiger Liebe - nur Lisa vermochte all diese Gefühle in ihm auszulösen. Nur Lisa. Er hatte es immer gewusst, dass Lisa die Frau seines Lebens war. Und endlich, endlich würde sie auch auf dem Papier seine Frau sein.

Rokko und Lisa Kowalski. Und Janosch. Und ihr zweites kleines Muckelchen. Und während sie Arm in Arm einschliefen, träumten sie von ihrer gemeinsamen Zukunft.

ENDE

Wir sind also am Ende der Geschichte von Rokko, Lisa und Janosch, die ich alle drei sehr vermissen werde. Ich finde, es ist Zeit 'Danke' zu sagen.

Danke an Binchen für die große Inspiration und die Ideen, die ich verwenden durfte, wenn meine eigenen nicht wollten.

Danke an Chrissi für unermüdliches beta-lesen und kritisieren, wenn ich mal wieder zu sehr rumgekitscht habe ;-) Und Danke für deine starken Nerven!

Danke an alle anderen, die meine Story mit ihrem überwältigenden Feedback unterstützt haben.

Ihr seid die Besten :-)

Anne