Gegenspieler
Für Florian, den ich bis aufs Blut hasse, dessen jede Meinung ich verneine, und der mich immer wieder dazu provoziert, besser zu werden als er.
Ein kleines Mädchen, oder war es ein Junge ? - ich kann es aus euren Augen nicht ablesen, ist tot.Ich sehe es an euren ein wenig tiefer hängenden Schultern, an den kaum merkbar dunkleren Ringen unter euren Augen, an eurer Art, wie ihr heute mitredet, ein bisschen zu enthusiastisch und ein bisschen zu laut.Ihr wart beide hier, aber ihr wart alleine, alleine mit dem Kind, war es blond oder schwarzhaarig, es ist euch egal, es hat gelitten und ihr habt nicht helfen können. Ihr habt es gesehen, seine Augen, ob blau oder braun – sie starren euch an, wann immer ihr die euren schließt, ich weiß, sie jagen euch, stumm, bittend, ängstlich, anklagend.Ihr begegnet euch an diesen Tagen noch mit mehr Wut als sonst, aber ihr beide wisst, dass die Wut daher kommt, dass ihr hilflos seid – ihr habt in diesem Krieg die wichtigsten Rollen, aber das Kind ist tot. Das ist das einzige Zugeständnis, dass ihr euch gegenüber machen könnt. Zu einem zivilen Gespräch hat das trotzdem nicht geführt.
Wenn ich jetzt eure Gedanken lesen würde, ich würde nicht wissen, wessen sie sind. Das Kind, die Tatsache, dass es nicht sterben hätte müssen, wenn nur.. Mörder, denkt ihr euch, schon wieder jemand tot, weil ..
Das einzige, was euch unterscheidet, sind eure Masken, strahlend oder wütend – aber sie dienen beide demselben Zweck – sie halten die Leute davon ab, zu nahe zu kommen. Angst, ihr würdet sie damit gefährden?
Wenn ich euch nur einmal zeigen könnte, wie gleich ihr seid, wenn ihr nur einmal wissen würdet, dass ihr nicht alleine Voldemort und seinen Gefangenen seht, dass ihr nicht alleine jeden Tag mit den Tränen kämpft, wenn ihr die Zeitung lest.
Aber ihr geht aneinander vorbei. Arroganz, habe ich in den ersten Jahren gedacht, falscher Stolz und Selbstmitleid. In Wirklichkeit ist es eure Angst, eure panische Angst, jemand könnte erahnen, was durch euren Kopf geht, ihr könntet noch mehr Gemeinsamkeiten haben, der verhasste Kontrahent könnte denselben Schmerz, dieselbe Angst, dieselbe Wut und denselben verzweifelten Wunsch nach Veränderung fühlen. Die mutigsten Männer in diesem Land haben Angst vor Freundschaft und Liebe.
Ihr habt es mir beide gestanden, nicht mit euren Worten, nein, nie würde euch so etwas über die Lippen kommen, aber mit euren Gesten, mit eurer Art, mit körperlicher Nähe umzugehen, mit euren Blicken, wenn ihr glückliche Familien seht. Ihr sagt euch, es liegt daran, dass ihr nie Liebe erfahren habt. Wenn ihr nur wüsstet, wie sehr wir euch lieben! Nicht die Mädchen, die euch zu Knien liegen und die Jungen, die euch anbeten, weil ihr so geheimnisvoll und mächtig und aufregend seid, aber auch - wir! Wie könnten wir einen nicht lieben, der unsere Lasten trägt, der für uns alles aufgibt, für uns kämpft! Wir könnten wir einen nicht lieben, der uns so sehr liebt, dass er sein Leben für uns gäbe!
Und nicht nur wir – sondern auch ich alleine liebe euch, liebe euer Wesen, so ungebrochen, stolz und doch so verletzlich. Ich liebe die Art, wir ihr für Unschuldige kämpft, und ich liebe es, wenn ihr versucht, die Menschen aufzurütteln aus ihrer Trägheit und Arroganz. Ich liebe das sanfte Lächeln auf euren Lippen, den vollkommenen Frieden, wenn ihr eurer Leidenschaft nachgeht, ich liebe eure wütenden Reden, wenn ihr versucht, jemanden aufmerksam zu machen.
Wie kann ich euch sehen lassen, was Liebe ist, wenn ich euch gelehrt habe, dass der einzige richtige Blickwinkel der nach vorne ist?
Wie kann ich euch retten, wenn ich selber von euch Hilfe suche?
A/N: Ich lasse diese Geschichte einfach einmal so stehen. Was passiert, wenn der einzige Mensch, der einen verstehen würde, der eigene Gegenspieler ist?
