Rosifer
Es geht schon weiter. Danke für dein Review. Ich habe zwei Enden. Mal sehen, welches nach dem Überarbeiten am besten passt. °zwinker°
2. Schatten der Vergangenheit
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Sirius stand auf den Stufen und atmete die frische frühabendliche Luft ein. Es war gut, der stickigen Atmosphäre des Pubs entkommen zu sein. Dieses Etablissement war eines der wenigen nur Zauberern zugänglichen Lokalitäten. Muggel waren hier zwar nicht unerwünscht, allerdings, welcher Muggel betrat schon freiwillig ein einsturzgefährdetes Haus? Sirius streckte seine Glieder und seufzte. Worauf hatte er sich da nur eingelassen, wie sollte er auf die Schnelle eine Frau auftreiben, die sich in ein unbequemes, aufreizendes Kostüm stecken ließ, nur um aus einer albernen Papptorte zu springen und ihre Verführungsküste an einen Mann zu verschwenden, der ohnehin nicht schwach werden würde? Schließlich würde dieser Glückspilz wenige Stunden später Lily Evans heiraten.
Black strich sich durchs Haar; ein vergebliches Unterfangen, da die Strähnen sofort wieder in ihre Ausgangslage zurückfielen, und schlug den Kragen der Lederjacke hoch.
Er wollte noch nicht nach Hause. Der Abend war noch jung und zu Hause... niemand erwartete ihn. Wenn er an die gemütliche Atmosphäre von Godric's Hollow dachte und mit der sachlichen Kühle seines Appartments in London verglich, wirkte letzteres noch steriler als sonst. Er verabscheute London in diesem Augenblick. Wenn er ehrlich war, dann musste er gestehen, dass er eines sein ganzes Leben lang vermisst hatte; Geborgenheit. Sicherlich betrachtete Mrs Potter, James' Mutter, ihn als ihren zweiten Sohn, doch das war er nun einmal nicht. Sirius neigte den Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite und ließ seine Nackenwirbel knacken. Zügig lenkte er seine Schritte zu seiner dunklen Maschine, die ganz in der Nähe stand.
Wenige Momente später war ein sattes Brummen zu hören. So musste ein Motorrad klingen, das war Musik in seinen Ohren. Sirius hatte seine Lady gestartet und fuhr langsam, auf blauen Dunst, in die London entgegengesetzte Richtung. Noch aus den Augenwinkeln konnte er wahrnehmen, wie ein abgehetzt wirkender Peter ins Pub stürmte. Aber das war Sirius nunmehr egal, er wollte nicht mehr umkehren, sondern den Wind in seinem Gesicht spüren. Also gab er Gas. Er hätte mit seinem Motorrad auch fliegen können, doch dazu war es noch nicht dunkel genug. Würde er von Muggeln gesehen, wie er sich mit einem Zweirad in die Lüfte erhob, wäre er in Schwierigkeiten, was Black absolut vermeiden wollte, so sauste er mit überhöhter Geschwindigkeit die Straße entlang.
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Sirius war bereits länger als eine Stunde unterwegs, was ihm jedoch wesentlich kürzer erschien, als er Durst verspürte. Er fuhr die nächste Siedlung an, ein kleines Dorf mit Kirche, Marktplatz, einer Handvoll Häuser und einem kleinen, etwas heruntergekommen wirkenden Pub, vor dem er hielt. Als drei Männer gröhlend das Lokal verließen, war Sirius versucht, seine Lady wieder zu besteigen und einfach auf ein Bier zu verzichten.
Muggel, stellte der junge Mann stirnrunzelnd fest. Auf Muggel hatte er im Augenblick keine Lust. Doch als die drei, ohne von ihm Notiz zu nehmen, ein fesches Lied auf den Lippen vorbei torkelten, sicherte er sein Motorrad mit Flüchen vor Diebstahl und erklomm mit energischen Schritten die verwitterten Stufen. Mit einem kräftigen Ruck stieß er die schwere Eichentür auf.
Lautes Lachen, dumpfes Reden und fröhlicher Gesang zu walisischer Musik schwirrten durcheinander; Dunst, Qualm, der Geruch nach Alkohol, Schweiß und Parfüm schlugen Sirius entgegen. Er betrat das Pub und hatte das merkwürdige Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Dass er hier unter so vielen Menschen nicht auffallen würde, war ihm nur recht. Ein einzelner Mann konnte schnell übersehen werden, wenn er es wollte. Er drängelte sich an der Theke vorbei und bestellte im Vorbeigehen beim Wirt ein Bier und einen doppelten Whisky. In der hintersten Ecke erspähte er einen freien Tisch, den er ansteuert. Sirius ignorierte die neugierigen Blicke, mit denen er als Fremder in einer Dorfkneipe rechnen musste. Er entledigte sich seiner Lederjacke, warf sie über einen der Stühle und ließ sich dann auf die Bank fallen. Einen Fuß stemmte er gegen die Strebe des Stuhles, auf dem die Jacke lag.
Sirius stöhnte. Seit er dieses Pub betreten hatte, hatte er das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Er fühlte sich mit einem Male leer und verloren. Wenn er vorhin geglaubt hatte, es wäre richtig, hier zu verweilen, so verwarf er nun den ersten Eindruck als falsch und bedauerte, eingekehrt zu sein. Selbst beim Motorradfahren hatten ihn Gedanken übermannt, die ihm sonst fremd waren. Er sehnte sich nach etwas, das er nicht erklären, geschweige denn erfassen konnte. Er starrte aus dem Fenster, jedoch drang sein Blick nicht durch die Scheibe hindurch. Die Dunkelheit außerhalb des Hauses verwandelte die Scheiben in Spiegel. So sah er sich mit sich selbst konfrontiert. Sirius fixierte einen Punkt auf der Stirn seines verzerrten Spiegelbildes und dachte an Lily. Das Gespräch mit Remus hatte Erinnerungen wach gerufen. Er hatte Lilys Gesichtsausdruck genau vor Augen, als er ihr gestanden hatte, hin und wieder auch mit Remus zu schlafen. Sie hatte entsetzt und enttäuscht gewirkt, ja sogar wütend und verletzt. Letzteres war Sirius erst sehr spät aufgefallen. Es hatte ihn fast einen ganzen Sommer gekostet, um mit Lily wieder den Zustand der Freundschaft zu erreichen, wie vor Beginn ihrer Affäre. Um die Weihnachtszeit in ihrem letzten Schuljahr hatte er es dann endlich geschafft, James und Lily zu verkuppeln. Jedoch hätte er es niemals für möglich gehalten, dass beide jemals heiraten würden.
Sirius seufzte und langte in seine Hosentasche. Er zog ein Etui hervor, entnahm ihm eine Zigarette und steckte sie sich an der Kerze an.
"Hey, Kumpel, deinetwegen wird ein Seemann sterben!", gröhlte jemand von der Bar herüber.
Sirius warf ihm einen Blick zu, hob die Augenbraue und zuckte mit den Schultern. Muggel, dachte er bei sich und blies sinnend den Rauch in Richtung Decke. Manchmal bedauerte er es, sie gehen gelassen zu haben. Dass auch sie ihn hin und wieder vermisst hatte, wusste er nur zu genau. Es war in jenem letzten Schuljahr einige Tage nach Ostern gewesen, als sie ihm gestanden hatte, am Tag, an dem das große Osterfeuer stattgefunden hatte, von Sex mit ihm geträumt zu haben. Sirius kratzte sich mit dem Daumen an der Stirn. Sein Gesicht nahm einen verbissenen Ausdruck an. Sie heiratet ihn!, schrie etwas fassungslos in seinem Innern. Wehe er ist nicht gut zu ihr! Ich bringe ihn um! Ich schwör's! Entsetzt zuckte er bei diesen Gedanken zusammen, lehnte den Kopf gegen die Wand und schloss für einen Moment die Augen.
Erschrocken erkannte er, dass es stimmte. Er würde James windelweich prügeln, wenn er Lily nicht der beste Ehemann werden würde, der er sein könnte. Sirius musste sich eingestehen, dass er noch immer Gefühle für Lily hatte. Ja, er liebte sie, doch es war eher die Liebe eines großen Bruders zu seiner kleinen Schwester, als die Liebe eines Mannes zu einer Frau.
Vor Jahren hatte er anders empfunden. Er hatte sie begehrt und war zum ersten Mann in ihrem Leben geworden. Im Gegensatz zu Lily hatte Sirius für einen 16-jährigen schon einiges an Erfahrung gehabt, die er nicht zuletzt der verschrobenen Ansicht seiner Mutter zu verdanken hatte, die es schlichtweg als nicht standesgemäß ansah, sich von einem Hauselfen das Haar und die Kleidung richten zu lassen. Also hatte sie stets eine junge Person im Hause, die dies bewerkstelligte. Meistens handelte es sich dabei um irgendein mittelloses junges Ding, das gerade erst von der Zaubererschule kam und keinerlei Aussicht auf eine gute Anstellung hatte, weil ihm entweder die Beziehungen oder aber das Talent fehlten. Sirius grinste bei der Vorstellung, dass seine Mutter vor etwas mehr als drei Jahren diese Einstellung verflucht hatte.
"Carissa", murmelte er und starrte in die Kerze. So hatte das Mädchen geheißen, das zu ihnen ins Haus kam, als er gerade 14 geworden war. Mit ihren damals 17 Jahren hatte sie, als er sie das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte, so erwachsen und reif und einfach... unnahbar gewirkt.
Sirius schluckte trocken. Wieso brauchte der Wirt für ein Bier und einen doppelten Whisky so ewig lange! Er seufzte, und wieso stellte er sich in diesem Augenblick gerade jene Carissa vor, wie sie in einem Hauch von Nichts aus dieser albernen Torte auftauchte und sich verführerisch bewegte.
Eine verräterische Wärme machte sich in seinem Schritt breit. Carissa war ohne einen einzigen Verwandten und im wesentlichen auch ohne Geld zurückgelassen worden. Die spärlichen Mittel hatten gerade einmal genügt, um das Schulgeld für Hogwarts begleichen zu können. Sie war nur eine durchschnittliche Hexe gewesen und hatte die Schule mit befriedigend abgeschlossen. Doch sie war fleißig und bezaubernd gewesen, so dass sie auf Fürsprache seines Vaters, der gerne ein reizendes, frisches Gesicht um sich hatte, von seiner Mutter als Zofe angestellt wurde.
Sirius rutschte unbehaglich auf der Bank hin und her. Er versuchte sich abzulenken, doch seine Gedanken kehrten immer und immer wieder zu der ehemaligen Zofe seiner Mutter zurück. Das Mädchen war wie ein Sonnenschein gewesen, der das düstere Haus der Blacks mit ein wenig Wärme versorgte. Doch diese Wärme hielt nicht lange vor. Häufig hatte Sirius gesehen, dass die Augen der schönen Zofe vom vielen Weinen geschwollen und gerötet waren. Nach und nach hatte sie ihre Munterkeit verloren und immer seltener hatte Sirius sie lächeln gesehen.
Auch ihm hatte es die Tränen in die Augen getrieben, seine Zeit in diesem Haus bei seinen lieblosen Eltern zu verbringen, in diesem finsteren Museum.
Sirius wischte sich über die Augen und fixierte einen Punkt am Fenster. Die Erinnerung an Carissa war lebendiger denn je. Sie war, als er sie kennen gelernt hatte, einen ganzen Kopf größer als er gewesen, doch war er schnell gewachsen und hatte sie binnen eines Jahres eingeholt. Sirius lächelte. Sie hatte die wundervollsten Augen gehabt, die er je bei einer Frau gesehen hatte, von so intensivem Blau, das es beinahe Schwarz schien und kaum einen Kontrast zur Pupille bildete. Sie hatte langes schwarzes Haar gehabt, das weit über den Rücken hinabfloss und im Schein der Kerzen leicht bläulich schimmerte. Sirius räusperte sich.
Wo nur dieser verdammte Whisky bleibt!, fluchte er stumm. Er hatte sich genau in dem Augenblick in sie verliebt, in dem sie ihn angelächelt hatte. Die Wärme in seinen Lenden nahm beängstigend zu.
Es war mehr gewesen, als eine kindliche Schwärmerei. In ihrer Gegenwart hatte sich die Welt aufgehört zu drehen, seine Schlagfertigkeit und sein Witz hatten ihn verlassen, seine Zunge hatte ihren Dienst verweigert und anstelle eines sinnvollen Satzes hatte sein Mund nur unverständliches Gestammel hervorgebracht. Doch es hatte ihm merkwürdigerweise stets ein Gefühl von Geborgenheit gegeben, sie in der Nähe zu wissen.
In ihren Augen allerdings, war er nur ein Kind gewesen, das sie necken konnte, wenn es ihr wie ein Schatten folgte, war es denn einmal daheim. Denn die meiste Zeit der Ferien hatte Sirius bei den Potters verbracht, worüber er mehr als froh war.
Sirius fluchte leise, als er merkte, dass er von seiner Zigarette nur einen Zug genommen hatte. Er schnippte die Asche, die mittlerweile ein kleines Türmchen vor dem Filter gebildet hatte, weg, tat einen letzten Zug und drückte die Zigarette aus. Dann lehnte er sich zurück und versuchte sich zu entspannen. Allerdings gelang ihm das nicht. Ungewollt ja zwanghaft schob sich das Bild der grazilen Frau vor sein geistiges Auge. Wieso dachte er gerade jetzt so intensiv an Carissa? Er konnte es sich nicht wirklich erklären. Es musste wohl daran liegen, dass er, als er das Pub betreten hatte, unter all dem Rauch, Qualm und Gestank glaubte, ein schwaches Echo eines Parfüms wahrnehmen zu können, das ihn an sie erinnerte. Oder ob es doch eher daran lag, dass er in sich eine unbestimmte Sehnsucht fühlte? Er würde es fast Unzufriedenheit, ja Ruhelosigkeit, nennen, die gestillt werden wollte.
Sirius starrte erneut in die Kerze und nahm gedankenverloren wahr, wie ihm jemand sein Bier und den Whisky brachte. Er fühlte sich beobachtet, als er automatisch nach dem Whisky langte. Während er es zum Mund führte, schaute er auf und blaffte unfreundlich: "Ist noch was?"
Er runzelte die Stirn und erahnte hinter dem dicken Tabakdunst ein Gesicht, dessen Züge ihm sehr bekannt vorkamen.
"Hallo, Blacky!", wurde er leise mit melodischer Stimme angesprochen.
Sirius erstarrte in der Bewegung. Diese Stimme, keuchte er im Innern. Er verschüttete die Hälfte seines Whisky, als er das Glas wieder zurück auf den Tisch jonglierte. Es jetzt in der Hand zu behalten, wäre mehr als gefährlich für seine Hose gewesen. Nur eine Person hatte ihn je Blacky genannt, was er sehr verabscheut hatte. Sirius konzentrierte sich und konnte nach einer Weile durch den Qualm hindurch sehen. Er schaute genau in schwarz-blaue, von dichten, sanft geschwungenen Wimpern umrahmte Augen, exakt jene, an die nur wenige Momente zuvor gedacht hatte. Sirius räusperte sich.
"Sieh einer an, Carissa. Was machst du denn hier?", fragte er und versuchte seiner Stimme einen gelassen klingenden Unterton zu verleihen, was gründlich misslang. Der Zauber des Augenblicks verschwand. Die nunmehr 22-jährige Frau stand schön wie eh und je, ein wenige voller an den richtigen Stellen vielleicht, neben seinem Tisch. Sie presste ein rundes Tablett wie einen Schild vor die Brust. Ihr herrliches Haar war zu einem wirren Knoten auf dem Kopf aufgetürmt. Eine Strähnen hatten sich gelöst, und leicht genervt strich sie sie fahrig hinters Ohr. Sirius hatte es glänzender in Erinnerung. Er ließ einen Blick über ihre gesamte Erscheinung gleiten. Ihre langen Beine steckten in Netzstrümpfen, deren Bündchen unter dem knappen Rock hervorlugten. Hohe Pumps mit Pfennigabsätzen vervollständigten das Bild.
Carissa errötete leicht und verlagerte das Gewicht von einem auf das andere Bein. In einem Ton, der vor Ablehnung nur so triefte, erwiderte sie: "Na bedienen, wonach sieht es denn sonst aus!" Sirius zuckte zusammen und deutete ihr triumphierendes Lächeln richtig. "Was machst du hier?", hörte er sie in der nächsten Sekunde fragen. Wie albern die Frage geklungen hatte, musste sie wohl selbst erkannt haben. Denn ihre kleine Zähne gruben sich in ihre Unterlippe und sie wich seinem Blick aus.
Sirius lehnte sich grienend zurück und entgegnete spöttisch: "Einen Whisky trinken, wonach sieht es denn sonst aus?"
Belustigt registrierte er, wie sich ihr Gesicht verzog, sie sich pikiert auf dem Absatz umdrehte und zur Theke stöckelte.
Sirius sah ihr kopfschüttelnd nach, griff nach dem Schnapsglas und kippte dessen Inhalt in einem Zug die Kehle hinunter. Der Whisky brannte in seinem ausgedörrten Hals. "Das hast du gründlich vermasselt, Blacky!", spöttelte er leise vor sich hin. Enerviert fuhr er sich mit der Hand über Mund und Kinn. Dass ausgerechnet sie hier arbeiten musste! Wie kam sie hierher? Fragen über Fragen brannten ihm auf der Zunge. Doch eines bereitete ihm eine Art Genugtuung. Sein sechster Sinn hatte ihn nicht getäuscht.
Er legte den Kopf schräg und wäre beinahe von der Bank gefallen, als er ihr weiter nach sah. Sie bewegte sich noch ebenso geschmeidig und elegant wie früher. Fasziniert betrachtete er, wie ihr Rock bei jeder auch noch so leichten Bewegung der Hüfte ein Stückchen nach oben rutschte und den Blick auf weiche weiße Haut freigab. Ihre Kurven versprachen Entzücken und reinste Ekstase. Sirius musste schlucken und langte ungestüm nach dem Bier, dass sie ihm gebracht hatte, drei Schlucke und das Glas war leer.
Sirius schloss die Augen und unterdrückte ein Stöhnen. Das Kribbeln in seinem Bauch, das er glaubte verloren zu haben, meldete sich wieder in stürmischer Intensität. Es war wie damals, wie damals als sie ... Er schüttelte den Kopf und erinnerte sich an den Tag zurück, an der er seinem Elternhaus für immer den Rücken gekehrt hatte.
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° tbc °
