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12. Finale oder "Ja, ich will"
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Der arme Alastor Moody, bedauerte Carissa ihren Bodyguard im Gedanken.
Eigentlich sollte er sie nach Hause bringen und nun kam er gar nicht so schnell hinterher, wie sie voraneilte. Natürlich gab es ihr schon ein gewisses Gefühl der Sicherheit, zu wissen, dass er ihr in einigem Abstand folgte – genauer gesagt – versuchte zu folgen. Er hechelte wie nach einem Mittelstreckenlauf und Carissa fragte sich, ob er tatsächlich noch so nüchtern war, wie Remus es prophezeit hatte. Nüchtern kam er ihr nämlich nicht vor, eher etwas angeheitert, anders vermochte sie sein zeitweises Taumeln nicht zu erklären.
Verdammter Alkohol!, schimpfte sie stumm. Sie stapfte mit verbissenem Gesichtsausdruck durch die Stadt und war sich durchaus bewusst, dass ihre verbissene Miene selbst den hartnäckigsten Vergewaltiger oder skrupellosesten Mörder, Dieb, was auch immer, in die Flucht geschlagen hätte. Die Wut stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, wie ein Seitenblick in die spiegelnden Scheiben eines parkenden Autos Carissa bestätigte.
Verdammter Abend!, fluchte sie. Verdammter Sirius! Alles verkorkst! So ein Mist!
Genau, Sirius! Sirius hatte den Abend verkorkst und Sirius war so und so Schuld, dass sie sich jetzt so bloßgestellt fühlte. Was hatte sich dieser Idiot nur dabei gedacht, sich und vor allem sie vor seinen Freunden so vorzuführen? Nun gut, die Tortenfüllung hatte sie selbst gewollt und eigentlich auch ihren Spaß daran gehabt. Sie hatte sogar sehr viel Spaß daran gehabt. Vor allem beim Strippen, sodass sie sich fragte, ob sie doch eine verkappte exhibitionistische Ader habe.
Sie mochte und konnte nicht leugnen, sich in Sirius' Eifersucht gesonnt und die Macht, die sie über die Männer hatte ausüben können, genossen zu haben. James war ein herrliches Objekt gewesen, das es zu verführen galt. Bereitwillig hatte er sich auf dieses Spielchen eingelassen, allerdings auch gewusst, dass es sich um ein Spielchen handelte und um nichts anderes. So etwas spürte eine Frau einfach. Es war wie ein Rollenspiel gewesen. In diesem Moment war sie für ihn nur ein Vorgeschmack auf die Hochzeitsnacht gewesen und sie hatte in ihm nur Sirius gesehen. Die Rollen waren klar verteilt, doch was tat Sirius? Aus eben seiner Rolle als Beobachter fallen.
Verdammter Mann!
Wieso hatte er sich so gehen lassen? Nun ja, es war schon schön, festzustellen, dass der Mann den sie begehrte, eifersüchtig werden konnte, dass es einem die Strümpfe auszog.
Carissa schmunzelte in die Nacht und schlang die Arme fester um den Körper. Strümpfe ausziehen erinnerte sie an etwas. Es war so erregend gewesen, Sirius' Hände auf ihren Schenkeln zu spüren. Es hatte ihr beinahe den Verstand geraubt, als er ihr langsam den Strumpf ausgezogen hatte. Und das alles vor den Augen seiner Freunde. Carissa seufzte. Doch die Nacht blieb stumm. Das Klappern ihrer Absätze auf dem Londoner Straßenpflaster war das einzige Geräusch – abgesehen von Moodys Schnaufen - , das in der Nacht zu hören war. Ansonsten war die Nacht wahrlich schweigsam. Zu schweigsam?
Fast hätte Sirius schon in diesem Moment alles ruiniert. Sie hatte ihm noch rechtzeitig ihr Bein entziehen können, sonst hätte er ungeniert mit seinen Lippen ihren Schenkel liebkost. Nachträglich schoss ihr noch die Röte in die kalten Wangen. Eines war mittlerweile so sicher wie Artus Schwert im Stein, sie hätte sich Sirius beinahe vor seinen Freunden hingegeben, wenn es so weit gekommen wäre und natürlich wenn sie auch Alkohol getrunken hätte, was nicht der Fall gewesen war. Zum Glück.
Carissa runzelte die Stirn bei dem Gedanken an das, was danach geschehen war, und beschleunigte ihre Schritte, als wolle sie vor den vergangenen Ereignissen davonlaufen.
Hätte er sich nicht benehmen können? Musste er wie ein Neandertaler seine Leidenschaft und Eifersucht in einem steinzeitlichen Beutezug ausleben? À la "Ich Tarzan, Du Jane! Wir Sex"? Wie antiquiert!
Ihre Hand kribbelte und sie empfand noch immer ein gewisses Maß an Genugtuung, ihn geohrfeigt zu haben. Was machte es schon, dass ihr Finger dabei in seinem Auge gelandet war? Eigentlich war es nicht ihre Art, Gegner die am Boden lagen zu treten und zu piesacken. Dazu war sie selbst zu häufig in der Rolle des am Boden liegenden Opfers gewesen. Allerdings hatte ihr diese Ohrfeige wirklich gut getan, von dem Tritt ganz zu schweigen, obwohl der eher eine instinktive Abwehrmaßnahme gewesen war. Selbstredend hatte Sirius es verdient und natürlich durch sein Verhalten herausgefordert. Er war selbst Schuld. Er hatte sich auf sie gestürzt und dermaßen erschreckt, dass sie froh war, das Herz noch am richtigen Flecken zu spüren. Der Tritt in seinen Black'schen Familienschmuck tat ihr fast schon wieder Leid, aber eben nur fast. Ihre Abwehrreflexe konnte 'Frau' eben nicht zielgerichtet steuern. Sie passierten einfach. Instinktive Sicherheitsvorkehrungen eben.
Carissas stolperte über einen Pflasterstein, der sich strikt weigerte mit den anderen auf einer Eben zu liegen, und wich einem knutschenden Pärchen aus.
"Miss Carissa!", schrie Moody.
Was hatte er denn nun wieder? Sie stöhnte, aber drehte sich brav um und warf ihm einen unmissverständlich entnervten Blick zu, der besagen sollte: "Hoffentlich ist es auch wichtig!"
"Ähm, hören Sie Miss Carissa. Ich weiß ja nicht, was zwischen Ihnen und diesem Grünschnabel vorgefallen ist. Beim Merlin, ich dachte ich bin gut im Training und dann hängt mich ein junges Ding wie Sie einfach so ab." Er räusperte sich, strich sich über die rechte Hüfte und ließ dabei sein Handgelenk unangenehm knacken. Nein, er war definitiv nicht angeheitert. Carissa bekam einen leichten Anflug von schlechtem Gewissen. Er war Auror, einer der besten auch noch. Wer wusste schon, was er für Wehwehchen aus jedem seiner Einsätze mitbrachte.
"Eigentlich sind sie ja eine Klasse braut, anders als seine sonstigen Damenbekanntschaften. Gina hätten Sie mal sehen sollen. Aber Sie sollten doch lieber bei ihm zu Hause warten und es mit ihm ausdiskutieren. In diesem Viertel ist es zu gefährlich... Immer wachsam, wie Sie ja wissen."
Er kicherte, ohne den aufmerksamen Zug in seinem Gesicht zu verlieren. Seine Augen huschten hin und her, als vermute er hinter jeder Ecke, in jedem Hauseingang und jeder Straßeneinfahrt einen potentiellen Mörder, der es nur auf sie abgesehen hätte. Carissas Brauen zogen sich zu einem Strich zusammen und ihr Nasenrücken schlug grauenvoll tiefe Falten.
Sonstige Damenbekanntschaften? Gina? Klasse Braut? Wer zum Hippogreif ist Gina? Will ich das eigentlich so genau wissen? Klasse Braut
Carissa schluckte eine sarkastische Bemerkung hinunter. Schließlich konnte Moody nichts für Sirius' ausgeprägtes Sexualleben und außerdem, was ging es sie an? Immerhin war sie erst sein kurzer Zeit wieder in sein Leben getreten und das auch noch durch einen Zufall. Sollte er doch seine Ginas und anderen Damen – wenn das überhaupt Damen waren – behalten und haben und... was auch immer mit ihnen tun. Immerhin galt sie nun offiziell als 'klasse Braut'.
Nachdem sie ein paar Mal tief ein- und ausgeatmet hatte, schaute sie sich um und tat, als würde sie sich Moodys 'Immer wachsam' zu Herzen nehmen. Alles war ruhig und bis auf den aufkommenden Nebel, der um diese Jahres- und Uhrzeit nicht ungewöhnlich war, schien es sogar sehr friedlich zu sein. Nach reiflicher Überlegung fragte sie sich, wieso er nur so betonte, sie möge in Sirius' Wohnung auf ihn warten? Schließlich wollte sie doch genau dahin. Sie wollte zu Sirius nach Hause. Was hatte er denn gedacht, wohin sie wollte? Dieser paranoide Auror konnte doch wohl nicht annehmen, dass der Streit, den sie und Sirius in der Öffentlichkeit ausgetragen hatten, ernste Konsequenzen hätte.
"Ja, und? Was glauben Sie denn, wo ich hin will?", zischte sie leise.
Moody grinste und hatte sie endlich soweit eingeholt, dass er direkt vor ihr stand.
"Uhh sind wir aber gereizt. Offenbar wollen Sie nicht zu Black. Sie sind schon zwei Häuser zu weit gelaufen, Missy."
Carissa stutzte. Ihre Miene wandelte sich von verbissen-verärgert zu verwirrt-irritiert. Sie schluckte und musterte die Häuser. Verdammt! Sie war sich so sicher gewesen, auch allein zu ihm zu finden.
"Oh!", entflutschte ihr nur. "Nun ja, ich brauchte eben noch etwas frische Luft", setzte sie schnippisch hinzu. Moody nickte bedächtig und verkniff sich jeden Kommentar. Sacht ließ sie sich von ihm zum eigentlich Ziel schieben und ohne, dass sie wusste, wie es geschehen konnte, befand sie sich im Fahrstuhl.
"Also, ich an seiner Stelle hätte Sie nicht in diese Lage gebracht! Vor allem hätte ich mich nicht in diese Lage gebracht", brach der Zauberer das Schweigen. Sogar im Fahrstuhl machte er einen nervös wachsamen Eindruck. Wie ein Erdmännchen, das hinter jedem Büschel Gras einen Python vermutete, kam er ihr vor. Dabei war er einer der erfolgreichsten Auroren, die die Zaubererwelt je gesehen hatte, und weit davon entfernt ein Erdmännchen zu sein.
"Ich wollte es", erwiderte sie in einem Tonfall, der keinerlei Einwand zuließ.
Alastor zuckte die Achseln und Carissa fühlte sich gemustert. Dieser Blick war anders, als die, die sie sonst über sich ergehen lassen musste. Er hatte etwas Verständnisvolles und – man könnte fast sagen – Väterliches an sich.
"Trotzdem! Ein Mann, der etwas auf seine Ehre hält, hätte eine Frau wie Sie niemals in diese... na ja, Sie wissen schon gebracht. Es erkennt doch ein Blinder mit Holzbein, dass Sie Klasse haben. Egal, was Sie getan haben oder mit Ihnen getan wurde. Ich hätte nie gedacht, dass doch etwas von seinem Vater in ihm steckt."
Carissa zuckte zusammen und konzentrierte sich auf die Fahrstuhltür. Langsam, unendlich langsam glitt sie auf. Kaum, dass sie die Tür zu Sirius' Appartement auch nur im Ansatz sehen konnte, war sie auch schon aus dem Lift gehuscht, um nun vor verschlossener Tür zu stehen.
"Ah, das ist es also!", stellte Moody fest und nickte bedächtig. Mit einem Mal wirkte er nicht länger wie ein nervöses Erdmännchen, sondern wie ein Python, der wusste, wo seine Beute steckte und nur auf den günstigen Augenblick wartete, um zuzuschlagen.
"Sein Vater macht Ihnen Angst! Darum also. Und er hat Angst um Sie. Nein sowas aber auch! Dann hätte ich Sie erst recht nicht...", brach er ab.
Carissa wirkte verstört und ertappt. Seine Wortwahl ließ Sarkasmus erwarten, doch nur ein schlichter neutraler Ton war seiner Aussage, seiner Feststellung, zu entnehmen.
Schließlich trottete Moody ihr hinterher und schloss die Tür auf. Nachdem er Carissa hinter sich in die Wohnung gezogen hatte, inspizierte er diese kurz und war zufrieden.
"Ich kenne seinen Vater und weiß, welche Wirkung er auf junge Dinger zu haben glaubt. Und Sie, Miss Carissa, habe ich sofort erkannt. Als ich das letzte Mal bei ihm war – rein dienstlich, Sie wissen schon, immer wachsam – Schwarzmagier eben, nachdem dieser Idiot seinen Sohn vor die Tür gesetzt hatte, habe ich mich gewundert, wo Sie stecken. Ja, ich hab Sie ein- oder zweimal im Haus der Blacks gesehen. Er hat damit geprahlt, Sie aus der Zaubererwelt entfernt zu haben. Nun, egal, was dieser Bastard Ihnen angedroht hat, er ist nicht in der Lage, dies wahr werden zu lassen. Die Familie Black" – Er setzte sich, klopfte auf den Platz neben sich und Carissa ließ sich verwundert nieder – "mag einmal sehr mächtig gewesen sein, doch das ist lange her. Hat er Ihnen gedroht, Sie in ein Bordell zu sperren, wenn Sie sich nicht fügen?"
Carissa starrte aus dem Fenster und schwieg. Er grapschte nach ihrer Hand und tätschelte sie unbeholfen mit seiner kräftigen Pranke. Er musste ihr Schweigen als Zustimmung gewertet haben, denn er fuhr unbeirrt mit monotoner Stimme fort:
"Die Macht hat er schon lange nicht mehr. Mit dem Tod seines Jüngsten im letzten Frühjahr hat er den letzten Funken Einfluss in der Welt der Schwarzmagier verloren. Voldemort geht mit Mitläufern nicht sehr zimperlich um und mit Feinden erst recht nicht, letztere respektiert er wenigstens, erstere jedoch sind für ihn unfähig zu ihrer Neigung zu stehen. Er ist das unterste Niveau eines Zweigs einer degenerierten Familie, der gezwungen war, eine Vernunftehe um des Blutes willen einzugehen. Daher sind seine Söhne der einzige Lichtblick der Familie und gerade der Älteste wurde zur tiefsten Enttäuschung. Black soll es ruhig versuchen, Hand an Sie zu legen, glauben Sie mir, Sirius wird das nicht zulassen. Sirius' Freunde sind unsere Freunde und seine Feinde unsere Feinde..."
"Sie klingen wie ein Klischee aus einem Indianerfilm!", warf Carissa ein und schniefte laut. Moody hatte genau erfasst, was zwischen ihr und Sirius stand und hatte ihr genau das gegeben, was sie brauchte, eine Versicherung nicht in Gefahr zu sein.
Alastor lachte lauthals und schlug ihr kräftige auf den Schenkel. "Ich wusste, Sie gefallen mir. Ich sags ja, klasse Braut."
Mit einer solchen Wendung des Gespräches hätte sie nie gerechnet. Wie töricht kam sie sich nun vor, so lange Angst vor einem Mann gehabt zu haben, der keinerlei Macht über sie ausüben konnte. Den einzigen Einfluss, den er auf sie hatte, war in seinem eigenen Haus gewesen und nachdem sie das verlassen hatte, war sie nicht länger in Gefahr gewesen. Doch ihre Psyche hatte dies nicht erfassen können. Furcht war eine mächtige Waffe. Ein hysterischen Lachen quälte sich aus ihrem Inneren nach draußen.
Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie sich erholte. Moody hatte ihr irritiert zugesehen, doch nichts unternommen, sie zu beruhigen. Als sie endlich wieder atmen konnte, ohne sich in erneuten Lachsalven auf der Couch zu schütteln, wischte sie sich die Tränen aus den Augen.
"Wie konnte ich nur so dumm sein?"
Moody zwinkerte ihr zu und meinte lakonisch: "Sie waren nicht dumm, Sie hatten Angst und niemandem, mit dem Sie diese Angst teilen konnten. Sie hatten niemanden, der Ihnen diese Angst nehmen konnte. Und nun haben Sie um einiges weniger Angst, nicht wahr? Da soll noch einer sagen, der alte Moody sei nur gut, wenn es darum Schwarzmagier zu jagen!"
Er zwinkerte ihr erneut zu und kniff ihr leicht ins Kinn. Damit erhob er sich und verbeugte sich leicht. Seine rechte Hüfte knackte unüberhörbar.
"Sie sollte hinter mir dennoch die Tür schließen und von mir aus auch verriegeln. Der Kamin ist zur Zeit nicht am Flohpulvernetzwerk. Immer wachsam, wie ich stets zu sagen pflege. So, und nun geh ich mir Lily im Bunnykostüm ansehen. Außerdem will ich nicht verpassen, wie James, wenn er das sieht, Peter ein blaues Auge verpasst. Dummer Bengel, wenn Sie mich fragen."
Schon war er aus der Wohnung gerauscht. Carissa starrte verblüfft auf die Tür und ein leichtes Flirren verriet ihr, dass Alastor 'Super-Auror' Moody in seiner Paranoia offenbar das gesamte Appartement magisch vor Einbruch gesichert hatte.
Carissa schüttelte den Kopf. Noch immer kitzelte es auf ihrem Zwerchfell und so gab sie einfach nach und lachte, bis sie zu erschöpft war, um sich zu entkleiden und ins Schlafzimmer zu gehen, so schlief sie noch in Mantel und Schal auf Sirius' Couch ein.
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Sirius brummte der Schädel und nur mühsam erinnerte er sich an den Spruch, der ihn in sein eigenes Appartement ließ. Sein Haar war verwuschelt, sein Hemd hing ihm in Fetzen vom Körper, seine Lederjacke trug er über dem Arm. Es war ihm zu warm gewesen, sodass er zerlumpt und zerkratzt von dem Versuch einen wütenden James von einem winselnden Peter zu trennen, völlig zerschlagen nach Hause gewankt war.
Was für ein Abend. Die Ohrfeige Carissa hatte den unschönen Nebeneffekt, bereits auf die Hautfärbung um sein rechtes Auge Einfluss zu nehmen und sein Kopfschmerz war das Resultat der einhundertelfzigsten Wiederholung des Hut-Songs. Widerliches Lied! Das nur dazu diente, seine schmutzigen Fantasien hoch kochen zu lassen. Bahhh!
Sirius betrat sein Appartement und stutzte. Das Licht brannte, die Schlafzimmertür stand sperrangelweit auf und auf seiner Couch lag, wie ein Kätzchen zusammengerollt, seine Nemesis des Abends. Wäre sie nicht gewesen, hätte er sich nicht den restlichen Abend grobe Sprüche und dumme Bemerkungen anhören müssen. Er gab ja zu, es selbst herausgefordert zu haben. Was hatte er sich auch wie ein eifersüchtiger Esel aufführen müssen.
"Klar, schlaf Du nur!", fauchte er leise und beugte sich über die Couch.
Carissa rührte sich nicht. Sie schlief so seelenruhig und sah dabei so unschuldig aus, dass Sirius' Ärger verflog. Ein sanftes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Was immer Moody auch gemacht hatte, was immer die beiden auch beredet hatten, es musste Carissa gut getan haben. Sie wirkte umso vieles entspannter. Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht, das etwas Anrührendes hatte. Sirius verspürte in sich den Wunsch, sie vor allem zu beschützen, was sie erschaudern und Angst haben ließ.
Sein Kopfschmerz war wie weg geblasen. Er schälte sich so leise als möglich aus seinem zerfetzten Hemd und quälte sich aus den Schuhen. So sanft es irgend ging, nahm er Carissa von der Couch und trug sie ins Schlafzimmer. Fast schon bedauerte er, sie aus den Armen auf das Bett legen zu müssen, da sie sich so weich an ihn schmiegte mit einem Vertrauen, dass sie selbst im Liebesakt der vergangenen Nacht nicht offenbart hatte.
Sie kuschelte sich auf dem Bett in die Daunen. Kurz entschlossen benutzte Sirius Magie, um sie zu entkleiden. Sie würde am nächsten Morgen entsetzlich frieren, wenn sie in ihrem Mantel weiter schlief. Ohne sich an ihrer Nacktheit zu ergötzen, ja er zwang sich wegzusehen, um sie im Schlaf nicht zu entehren, deckte er sie mit aller ihm zur Gebote stehenden Zärtlichkeit zu. Er löschte das Licht, entkleidete sich, machte sich zur Nacht zurecht und legte sich zu ihr. Seine Augen gewöhnten sich rasch an die Dunkelheit. Er konnte sie sehen, so nah war er ihrem Gesicht. Er fühlte ihren Atem und musste sich zusammenreißen, sie nicht besitzergreifend an sich zu ziehen.
Doch das brauchte er auch nicht. Wie von selbst, von einer unsichtbaren Hand geschoben, rutschte Carissa näher und schmiegte sich in seine Arme. Eine tiefe Zufriedenheit machte sich in ihm breit. War es das, was er gewollt hatte? Er wagte nicht zu hoffen, endlich die Geborgenheit gefunden zu haben, nach der es sich stets gesehnt hatte. Von Fragen geplagt und doch der Antwort so nah, schlief Sirius, Carissa fest an sich gepresst, endlich ein. Ein zufriedenes Knäuel aus Armen und Beinen.
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"Er lässt sich verdammt viel Zeit!", hörte Sirius James mosern, noch bevor er den langen Gang zum Altar eiligst zurückgelegt hatte.
"Wer lässt sich Zeit?", feixte er und brachte mit elastischem Schritt die letzten Meter hinter sich. Er schlug James, der ganz den Prototyp eines nervösen Bräutigams war, beherzt auf die Schulter.
"Tatze!", klang James entsetzt.
Sirius senkte betreten den Blick und murmelte verlegen: "Ich weiß, es sieht schlimmer aus, als es ist."
"Schlimmer als es ist? Es leuchtet von hier nach Timbuktu. Wieso hast du es nicht weggehext! Ich will meinen besten Freund nicht mit violettem Auge auf dem Hochzeitsfoto haben, verstanden? Mach! Es! Weg!"
Sirius grinste nunmehr und drehte James den Rücken zu. Er suchte mit seinen Augen die letzten Bänke ab und als er gefunden hatte, was er suchte, nahm seinen Gesicht einen verklärten Ausdruck an. Er packte James bei der Krawatte und zog ihn zu sich heran.
"Sie wollte unbedingt, dass ich dir ihre Trophäe zeige!", petzte er. Doch der neckende Ton und das verschmitzte Schmunzeln nahmen seinen Worten die Schärfe.
"Das Kätzchen?", fragte James interessiert und ließ seinen Blick über die letzte Bank schweifen,. Bis er entdeckt hatte, was er suchte. Sirius nickte.
Da saß sie. Seine Zofe, sein Kätzchen, seine Nemesis, seine Carissa. Sie fiel nicht wesentlich unter den festlich gewandeten Gästen auf. Sie trug eine schlichte Kombination in hellem Blau, das kaum von der Farbe der Vergissmeinnicht zu unterscheiden war, die sie im Haar trug. Sie hatte nichts mehr von der Verführerin des Junggesellenabends, sie machte einfach nur den Eindruck, eine schöne Frau zu sein, die sich darüber im Klaren war, dass es jemanden gab, der sie begehrte. Als Peter, sie ignorierend, die Bänke passierte, wusste Sirius, dass es keinerlei böses Gerede geben würde. Remus kam als Letzter der vier Freunde in die Kirche. Irritiert blieb er neben Carissa stehen, ergriff ihre Hand und küsste sie zuvorkommend.
Er musste sie gerochen haben. Sirius sah, wie die beiden kurz miteinander plauderten. Nichts lag in Remus' Blick, das auf Begehren zurückzuführen gewesen wäre. Sie war als Freundin des Freundes akzeptiert und als James ihm zwinkernd auf die Schultern schlug und meinte: "Lily wird sich freuen, sie kennen zu lernen.", wusste Sirius, dass sie in seinen Reihen akzeptiert war. Der erste Schritt war getan, doch wusste er, dass noch eine Vielzahl kleinerer Schritte vor ihnen lagen.
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Carissa fühlte sich mehr als nur unwohl. Sie fühlte sich beobachtet und gemustert. Das hatte begonnen, als der Pfarrer die ersten Worte der Zeremonie hinuntergeleiert hatte. Nach außen hin versuchte sie diese ungewollte Aufmerksamkeit mit stoischer Gelassenheit zu ertragen und hoffte, ihre Miene drücke wahres Interesse an der Zeremonie, von der sie ohnehin nur die Hälfte verstand, aus. Die Musterung, so wusste sie, rührte einzig und allein daher, dass niemand sie kannte. Die Tatsache, dass sie mit Sirius Black, dem Schürzenjäger, Frauenheld, dem Macho par excellence gekommen war, erhöhte noch die Neugierde der ohnehin schon aufmerksamen Betrachter. Ob man sie nur für ein weiteres Betthäschen hielt und sich fragte, wieso James es zugelassen hatte, dass sein bester Freund, seine Kurtisane mitbrachte? Rasch wischte sie den Gedanken beiseite und konzentrierte sich nun wirklich auf die Vorgänge vor dem Altar.
Sie bewunderte die ernsthafte Ehrfurcht, die Lily Evans und James Potter ausstrahlten. Unbewusst seufzte Carissa. Die Braut war wunderschön. Und als Lily "Ja, ich will" hauchte, suchte sie krampfhaft nach einem Taschentuch, um die aufkommenden Tränen der Ergriffenheit unter Kontrolle zu bekommen.
Einmal nur suchte Sirius während der Hochzeitszeremonie ihren Blick, als er James die Ringe in die Hand drückte. Sein veilchenblaues Auge leuchtete und sie musste ein Grinsen unterdrücken. Er hatte ihr zugezwinkert und sich dann seiner Aufgabe als Trauzeuge gewidmet. Ob ihm die unerwünschte Aufmerksamkeit, die sie erregte, aufgefallen war, vermochte sie nicht zu sagen. Doch nach Moodys Versicherung in der vergangenen Nacht, hielt sie tapfer durch. Wer sich mit diesem Black einließ, musste damit rechnen, im Mittelpunkt zu stehen.
Carissa vermochte der Zeremonie nicht länger zu folgen. Sirius' Auge beschäftigte sie mehr, als sie zu sagen vermochte. Beinahe stahl er den Brautleuten die Show. Der ungnädige Blick, den die zukünftige Mrs. Potter dem armen Mann zugeworfen hatte, war unübersehbar gewesen. Dabei hatte Carissa gar nicht so heftig zuschlagen wollen und es war auch keine Absicht gewesen, dass sich ihr Finger dabei in sein Auge gebohrt hatte. Wenn sie ehrlich war, wusste sie gar nicht mehr, wie ihr Finger überhaupt das Auge hatte treffen können.
Sie erinnerte sich nur an den Schock, als sie am Morgen in seinen Armen erwacht war und dieses Zeugnis ihrer eigenen Brutalität vor Augen geführt bekommen hatte.
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Er blickte sie direkt an. Sein rechtes Auge schimmerte in allen Schattierung von Grün über Blau hin zu ins Schwärzliche verlaufende Violett. Sie wusste, würde das menschliche visuelle Wahrnehmungsvermögen eine Schattierung wie Ultraviolett erkennen, dieses Auge würde auch diese Färbung aufweisen.
"Sirius?", quiekte sie. "Bei Artus' Schwert! Ich war der Ansicht, ihr würdet nur einen Junggesellen in den Hafen der Ehe verabschieden und keinen Boxkampf austragen!"
Sie war wahrhaftig entsetzt und versuchte mit ihren Fingerkuppen sanft über sein zu geschwollenes Auge zu streicheln. Doch noch bevor ihre Haut auch nur eine Wimper berühren konnte, langte er nach ihrem Handgelenk und hielt es eisern gefangen. Alles wehren half nichts, sein Griff war der eines Schraubstocks.
"Komm du mir nicht zu nahe!", begann er schnippisch. "Hätte ich gewusst, wie gemein-gefährlich du bist, hätte ich dich niemals in meine Wohnung gelassen, geschweige denn dir gestattet, mich zu... verführen!"
Sie schnappte nach Luft, doch Sirius hob drohend seinen Zeigefinger, ohne ihre Hand loszulassen. Er fuchtelte vor ihrer Nase herum.
"Widerspruch ist zwecklos! Meine Liebe, du scheinst vergessen zu haben, dass es deine zarte Hand gewesen war, die mir dieses Auge beigebracht hat. Nun weide dich an deinem Weg und dann tue... Buße!"
Sie wollte protestieren, doch ihr fiel nichts ein, was sie zu ihrer Verteidigung hätte sagen können. Dann besaß dieser böse Mann auch noch die Frechheit, geschickt ihre Verwirrung auszunutzen und mit der Zunge kleine Kreise auf ihr Handgelenk zu malen.
"War ich...", hob sie an.
"Nicht reden!", forderte er heiser. "Küssen! Lass mich den Schmerz vergessen, Herzblatt!"
Er verspottete sie? Carissa war fassungslos, wie er sie so hatte hinters Licht führen können. Er war ihr gar nicht böse! Er wollte sie dazu verleiten, in die Rolle der Büßenden zu schlüpfen und den Gefallen tat sie ihm gerne.
"Ich habe wohl Strafe verdient", hauchte sie demütig, schloss die Augen und bot ihm ihre Lippen dar. Seine Lippen verschmolzen mit ihren. Ihre Zungen liebkosten sich. Woher sie die Luft zum Atmen nahmen, vermochte einzig und allein Merlin zu sagen, doch der ruhte seit langer Zeit in einer fernen Welt und vertrieb sich die Zeit mit Nimue, der verruchten kleinen Nimue, dieser nimmersatten kleinen Verführerin. So zumindest erzählte es die Sage.
Binnen kürzester Zeit lag Sirius zwischen ihren Beinen. Er liebte sie zärtlich und hingebungsvoll. Er nippte an ihrem Hals, liebkoste ihre sanften Kurven und konnte nicht genug von ihren Lippen bekommen.
Angenehm erschöpft, anders vermochte sie das Gefühl nicht zu beschreiben, als sie nach dem liebevollen Intermezzo an seine Brust gekuschelt, von starken Armen umfangen, lag.
"Wird es immer so sein?", fragte sie ihn so leise, dass kaum ein Laut an sein Ohr gelangte.
"Ich weiß es nicht. Jeder Moment ist einzigartig. Es kann nur dem jetzigen ähneln oder besser sein."
Seine Antwort kam so ernsthaft, wie Carissa es noch nie bei ihm erlebt hatte. Als er sich aus ihrer Umarmung löste, aufstand und ihr einen scheuen Kuss auf den Haaransatz drückte, glaubte Carissa, ihr Herz stünde still. War das der Abschied?
"Ich muss los, sonst reißt James mir den Kopf ab. Du solltest dich auch beeilen. Schließlich werden wir auf einer Hochzeit erwartet."
Ehe die Worte von ihren Ohren zu ihrem Verstand durchgedrungen waren, war er bereits aus dem Schlafzimmer geeilt. Quiekend sprang sie aus dem Bett, griff nach dem Laken und wickelte sich im Laufen darin ein. Sie platzte ins Bad und erwischte Sirius gerade bevor er unter die Dusche ging.
"Wir?", brachte sie nur hervor.
Sirius nickte und murmelte: "Ohne meine bessere Hälfte darf ich nicht aufkreuzen." Dann schnellte seine Hand vor und bedeckte sein Herz.
"Sag bloß, du willst mich den geifernden altjüngferlichen Hühnern überlassen, die bereits darauf warten, den Hochzeitsstrauß der Braut zu fangen, um sicher zu gehen, doch noch in den Hafen der Ehe einzulaufen. Ich bitte dich, erbarme dich meiner" – er fiel auf die Knie und umschlang ihren Leib. Er drückte seine Lippen auf das Laken über ihrem Bauch und suchte mit den Fingern einen Zugang, um nackte Haut zu fühlen – "Du darfst mich mit diesen Frauen nicht alleine lassen. Komm mit, ich bitte dich. Wenn du nicht mitkommst, dann tut mir Lily weh, das weiß ich genau. Du ahnst ja nicht, wie gnadenlos sie sein kann und wenn Lily mir wehtut, dann tut James mir auch weh und dann habe ich zwei blaue Augen. Es geht nicht anders, du musst mit."
Carissa lachte bereits aus vollem Hals, noch bevor er vor ihr auf die Knie gegangen war, hatte es sie arge Mühe gekostet, nicht los zu prusten. Die Bilder, die er vor ihrem geistigen Auge kreiert hatte, waren zu obskur gewesen. Ein von festlich gekleideten Damen verfolgter Sirius, der sich verzweifelt bemühte, sich ihrer Avancen zu erwehren, war das nicht ein Bild, welches das Zwerchfell eines jeden in Vibrationen zu versetzten vermochte?
"Ich habe eine Schwäche für Vertreter des starken Geschlechts in schwierigen Situationen. Diesem Szenario werden wir uns gemeinsam stellen!", orakelte sie daraufhin im gleichen Ton.
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Einige Stunden später hatte er sie in die Kirche geführt und sie gebeten in einer der hinteren Bänke, die für Nicht-Familienmitglieder vorgesehen waren, Platz zu nehmen. Er hatte ihr die Hand geküsst und sie erneut 'sein Herzblatt' genannt. Einige der vor ihr sitzenden Gäste hatten es vernommen und sie aufmerksam gemustert. Carissa hatte es einige Mühe gekostet, die neugierigen Begrüßungen und Blicke zu ertragen und mit höflicher Gelassenheit zu erwidern.
Doch eines war sicher, sie war endlich dort, wo sie hingehörte. Heimat war nicht nur ein Ort, Heimat konnte auch ein anderer Mensch sein, jemand, der es vermochte Geborgenheit und Vertrauen zu schenken und vor allem beides auch anzunehmen.
Als die Glocken zu läuten begannen, wusste Carissa, dass sie den Mann, der seinem Freund die Hand schüttelte und der frisch angetrauten Ehefrau die Wangen küsste, in aufrichtiger Liebe zugetan war. Doch sie hütete sich, dieses Gefühl in banale Worte zu hüllen. Sie wusste, dass er es spüren würde, so wie sie spürte, wie wichtig sie ihm war.
Niemand konnte ahnen, wie begrenzt die Zeit sein würde, die ihnen miteinander vergönnt sein würde. Niemand konnte die Schwierigkeiten voraussagen. Niemand. Doch für den Bruchteil einer Zeit waren sie das glücklichste Paar, das die Zaubererwelt je gesehen hatte.
°
° Ende (?) °
AN:
Ein Ende wie es im Buche steht und ein Ende, wie es wünschenswert gewesen wäre. Doch nicht immer geschieht es so, wie wir es uns in unserer Vorstellung wünschen. Nicht immer wird unserem Drang, Harmonie zwischen den Leuten zu sehen und schaffen zu wollen, nachgegeben. Denn das Schicksal richtet sich nur äußerst selten nach den Wünschen des Einzelnen. Ich, als Autorin, die die große Ehre hatte, Dir, geneigtem Leser, diese Geschichte zu erzählen, bin jedoch zur schonungslosen Ehrlichkeit verpflichtet. So, wie es jetzt dasteht, ist es ein Wunschtraum. Was wirklich geschah, wird das definitiv letzte Kapitel zeigen. Ich darf es Dir, geneigter Leser, nicht vorenthalten. Doch mach Dich darauf gefasst, nichts an diesem Ende wird von rosa Wolken getragen sein.
