5. Dezember: Oliver Sprouce (Roxanne)
1. Als kleiner Junge wollte Oliver immer professioneller Quidditchspieler werden. Sein großer Traum war es, einmal Weltmeister zu werden und er war außer sich vor Freude, als seine Eltern Karten bekamen, als das Finale der Weltmeisterschaft in England war. Er sah sich schon selbst als strahlender Sieger, dem die ganze Welt zujubeln würde. Vor Hogwarts flog er täglich mit seinem Besen im Garten herum. Leider musste er vier Jahre warten, bis endlich ein Platz in der Quidditchmannschaft seines Hauses frei war und er wirklich richtig spielen konnte. Leider traf ihn im letzten Jahr in seinem letzten Spiel ein Klatscher so am Kopf, dass er sich einen Schädelbruch zuzog, der so scheiße zu heilen war, dass er tatsächlich ins Mungos musste. Die Heiler waren zwar ziemlich gut, aber sie sagten ihm, dass er wohl nie professionell Quidditch spielen würde können, ohne sein Leben aufs Spiel zu setzen. Es war einer der schwärzesten Tage seines Lebens.
2. Es traf ihn besonders hart, weil er sich nie eine Alternative zu Quidditch überlegt hatte. Er war so überzeugt davon gewesen, einmal Profi zu werden, dass er nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet hatte, dass es vielleicht nicht klappen würde. Aber er hatte Glück und fand trotzdem noch in der Quidditchbranche einen Platz für sich als Entwickler in einer Rennbesenfirma. Er war sehr gut in Zauberkunst und kannte Besen wie kein Zweiter. Er brauchte zwar lange, bis er die Enttäuschung weggesteckt hatte, dass sich seine größten Träume in Luft aufgelöst hatten, aber er fand Gefallen an seiner Arbeit und wenn man es genau nahm, dann war seine Arbeit essenziell für den Erfolg im Quidditch. Trotzdem dauerte es Jahre, bis er sich ein Quidditchspiel anschauen konnte und einfach nur Spaß dabei hatte.
3. Oliver bekam während seiner ganzen Schulzeit kaum etwas mit von der berühmten Familie Weasley. Er hatte wenig Interesse an Geschichte und wusste deshalb nur grob, was für eine Rolle sie im Krieg gespielt hatte. Außerdem war er in Hufflepuff und das Haus hatte am wenigsten mit den Weasleys zu tun. (Früher war das immer Slytherin gewesen, aber seit Albus Potter in diesem Haus gelandet war, konnte man das nicht mehr sagen.) Am meisten wusste er von Ginny Potter, aber auch nur, was ihre Quidditchkarriere bei den Holyhead Harpies betraf. Er wusste, wie viele Spiele sie bestritten hatte, wie viele Tore sie geschossen hatte und wie einflussreich sie in diesem Sport gewesen war, aber mehr hatte ihn nicht interessiert. Es waren doch alle nur Menschen. Und die Kinder waren noch weniger besonders als ihre Eltern. Er konnte sich nicht erinnern, in seinen sieben Jahren überhaupt einmal ein Wort mit einem Weasley gewechselt zu haben.
4. Witzigerweise arbeitete er jahrelang mit James' Frau Julia in der gleichen Firma, bevor er überhaupt einen Weasley zu Gesicht bekam. Um fair zu sein, er lief Julia nur ein paar Mal über den Weg, schließlich arbeitete er in der Entwicklungsabteilung und sie war im Marketingteam, aber nicht mal bei den Weihnachtsfeiern der Firma lief er James über den Weg und seiner Aussage nach war er bei jeder Feier dabei, seit Julia in England arbeitete. Aber vielleicht war das auch besser so. James konnte schon ziemlich viel sein.
5. Als er das erste Mal Roxanne begegnete, war es sofort um ihn geschehen. Der Sohn einer guten Kollegin hatte Geburtstag und sie bat ihn, zur Feier einen blauen Minimuff mitzubringen, also ging er zu Weasleys Zauberhafte Zauberscherze. Leider hatten die keinen einzigen blauen Minimuff und Oliver hatte explizite Anweisungen, nur einen blauen mitzubringen. (Seine Kollegin gestand ihm später, dass sie nicht in der Lage gewesen war, selbst einen blauen zu finden und gehofft hatte, ihm die Schuld in die Schuhe schieben zu können, wenn ihr Sohn am Ende ohne dastand.) Er vergaß sein Problem jedoch beinahe, als er Roxanne am Tresen stehen sah und sie ihm mit strahlendem Lächeln anbot, ihre Kontakte spielen zu lassen und ihm doch noch einen Minimuff zu besorgen. Es dauerte eine Weile, bis sie zustimmte, mit ihm auszugehen, aber sie war das Warten wert.
6. Er hatte ein schlechtes Gewissen, dass er einen so großen Kinderwunsch hatte, dass er sie damit unter Druck setzte. Aber er konnte sich ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen und er hoffte inständig, dass Roxanne es auch so gehen würde, sobald sie erstmal Kinder hatten. Er wusste, dass sie im Grunde nur zustimmte, schwanger zu werden, weil er es sich so wünschte, aber er brachte es nicht über sich, die ganze Sache abzublasen, auch wenn er sich schrecklich selbstsüchtig dabei vorkam.
Als sie es mehrere Monate lang versuchten, dachte Oliver, dass es vielleicht psychosomatische Gründe hatte, dass Roxanne nicht schwanger wurde. Sie wollte es nicht wirklich, deshalb weigerte ihr Körper sich, es geschehen zu lassen. Er überredete sie schließlich, sich zusammen mit ihm im Mungos durchchecken zu lassen, um zu sehen, ob es einen bestimmten Grund dafür gab, dass sie nicht schwanger wurden, aber im Grunde glaubte er nicht wirklich daran, dass etwas mit ihnen nicht stimmte.
Er fiel aus allen Wolken, als die Heiler ihnen eröffneten, dass Roxanne niemals schwanger werden würde und sie keine eigenen Kinder haben könnten. Roxanne verfiel in eine so tiefe Depression, dass Oliver Angst bekam, dass sie sich irgendetwas antun würde. Seine Schuldgefühle stiegen ins unermessliche. Hätte er das Thema Kinder doch bloß nie angeschnitten! Von alleine wäre Roxanne nie auf die Idee gekommen, schwanger zu werden und sie hätte ihr Leben glücklich und zufrieden weitergelebt, ohne je zu erfahren, dass sie überhaupt keine Kinder bekommen konnte.
7. Es dauerte Monate, bis es Roxanne wieder einigermaßen gut ging, auch wenn ihr Lächeln nicht mehr so strahlend war wie früher und ihr Lachen nicht mehr so unbeschwert. Oliver wartete eine Weile, bis er ihr einen Vorschlag machte, der ihr Problem lösen würde, aber wieder einmal war Roxanne unberechenbar. Statt sich darüber zu freuen und Adoption in Erwägung zu ziehen, zog sie sich sosehr zurück wie nach der Nachricht ihrer Unfruchtbarkeit. Mittlerweile wollte sie Kinder zwar genauso sehr wie er, aber sie wollte ihre eigenen Kinder und nicht irgendwelche fremden.
Oliver war kurz davor, sich damit abzufinden, dass Roxanne und er wohl für den Rest ihres Lebens zu zweit bleiben würden, als sie schließlich doch noch auf ihn zuging und ihm zögerlich vorschlug, sich wenigstens einmal darüber zu informieren, wie eine Adoption ablaufen würde. Als sie schließlich ein Waisenhaus besuchten, das ihr Onkel Harry und Victoires Mann Ted regelmäßig durch Spenden unterstützten, verliebten sich beide auf Anhieb in die kleine Maggie, die ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hatte. Für sie stand außer Frage, dass sie ihre Tochter gefunden hatten.
8. Ihre ganze Familie war vernarrt in die kleine Maggie. Oliver hatte zuerst Angst, dass die Kleine nicht so angenommen würde wie die anderen Kinder, aber er hatte vergessen, dass er es mit der Familie Weasley zu tun hatte. Diese Familie hatte noch jeden Streuner aufgenommen, der jemanden gebraucht hatte, und würden damit auch nicht aufhören.
9. Natürlich war es nicht nur einfach, ein adoptiertes Kind zu haben. Auch wenn Roxanne und er die Kleine über alles liebten, sie hatte nun mal völlig andere Gene und reagierte auf manche Sachen völlig anders als Oliver oder Roxanne es tun würden. Zum Beispiel hatte Maggie kein Interesse an Quidditch. Und sie war überzeugte Vegetarierin. Und sie verstand sich erschreckend gut mit Percy und war wahrscheinlich die Einzige aus der Familie, die ihm wirklich interessiert zuhörte, wenn er über seine Arbeit sprach. Aber trotz allem war sie ein fantastisches Kind und Oliver und Roxanne sahen in ihr nie etwas anderes als ihre eigene Tochter, ein wunderbares Geschenk ohne das ihr Leben sehr viel weniger erfüllt war.
10. Er hatte den tollsten Schwiegervater auf der ganzen Welt. Ihre erste Begegnung war ziemlich merkwürdig. Roxanne lud ihn zu einer großen Familienfeier ein und kaum war er zehn Minuten um Fuchsbau, führte George ihn in einen kleinen Nebenraum, wo ihn alle von Roxannes Onkel mit verschränkten Armen erwarteten. George schaute ihn streng an und zog seinen Zauberstab, bevor er ihn in drohendem Tonfall fragte, was er für Absichten gegenüber seiner kleinen Prinzessin hatte. Oliver schluckte verängstigt und hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Er wusste, dass Roxanne die Richtige war, aber er wusste nicht, was George hören wollte. Sie waren erst ein paar Wochen zusammen. Sollte er sagen, dass er vorhatte, sie zu heiraten, sobald der richtige Zeitpunkt gekommen war, oder sollte er seine Gefühle herunterspielen und so tun, als wäre es nichts allzu ernstes zwischen ihnen? Es wurde noch schlimmer, als George sein Stottern unterbrach und ihn fragte, ob er sich darauf verlassen konnte, dass Oliver Roxannes Jungfräulichkeit in der nächsten Zeit nicht rauben würde. Oliver konnte ihn nur ungläubig anstarren und fragen, ob er ernsthaft glaubte, dass seine dreißigjährige Tochter noch so unberührt war wie frischgefallener Schnee. Ron konnte ein Schnauben nicht unterdrücken und George schlug ihm grinsend auf die Schulter. „Du bist gar nicht so übel. Da hätte Roxy es schlechter treffen können." Es war das größte Kompliment, das George ihm je gemacht hatte.
TBC…
