7. Dezember: Julia Scott (James)
1. Julia war ein großer Quidditchfan und ihr Heimatland, die Vereinigten Staaten von Amerika, war ein wirklich gutes Land dafür. Es gab so viele Ligen und interessante Mannschaften und es war wirklich für jeden etwas dabei. Es gab ein Team voller Ureinwohner, ein Team nur mit Schwulen und Lesben, mehrere Teams nur mit Frauen, und viele Amateurligen. Julia fand das Spiel besser als jede andere Sportart, die die Welt zu bieten hatte, und konnte sich stundenlang damit beschäftigen. Leider hatte sie so starke Höhenangst, dass sie eine Panikattacke bekam, als sie das erste Mal auf einen Besen stieg. Aber das machte nichts, denn man musste das Spiel ja nicht selbst spielen, um es genießen zu können.
2. Ironischerweise arbeitete sie nach dem Schulabschluss bei einer großen internationalen Besenfirma. Aber sie war in der Marketing- und PR-Abteilung und musste glücklicherweise nie selbst fliegen. Und wenn sie etwas konnte, dann war es reden und andere überzeugen. Und sollte ein Gegenüber einmal ihre Qualifikationen anzweifeln, dann bekam er einen einstündigen Vortrag zu hören, in dem sie ihn mit ihrem Wissen sowohl zu den Produkten als auch zu dem Spiel selbst bombardierte. So hatte sie noch jeden Besen an den Mann gebracht.
3. So gut es auch in ihrem Beruf lief, so schlecht war ihr Familienleben. Als Julia noch klein gewesen war, hatte sie eine wunderbare Familie gehabt. Ihre Eltern liebten sich und sie verstand sich super mit ihrem Bruder und ihrer Schwester. Irgendwann ging aber alles den Bach herunter. Sie zerstritt sich mit ihren Eltern als sie nach einigen Monaten ihre Ausbildung als Heilerin wieder hinschmiss, weil sie merkte, dass der Beruf nichts für sie war, und redete immer weniger mit ihrem Bruder, weil der eine Frau heiratete, mit der sich Julia überhaupt nicht verstand. Und dann starb ihre Mutter völlig unerwartet bei einem Autounfall in New York und ihr Vater gab ihr die Schuld, weil sie keine Heilerin war und ihre Mutter nicht hatte retten können. Völlig unbegründet, denn ihre Mutter war sofort tot gewesen und Julia, selbst wenn sie doch Heilerin geworden wäre, wäre trotzdem nicht an Ort und Stelle gewesen, schließlich hatte sie ihre Ausbildung in Austin angefangen und nicht in New York. Anstatt, dass ihre Familie stärker zusammen gewachsen wäre, ließen sie sich in ihrem Schmerz komplett alleine und entfremdeten sich noch mehr als zuvor schon. Sogar ihre Schwester, mit der sie sich immer noch am besten verstanden hatte, war ihr nicht mehr nahe und der Kontakt zu ihr brach völlig ab, als sie als Entwicklungshelferin in den Regenwald ging.
Manchmal fragte sie sich, ob alles anders gekommen wäre, wenn sie doch Heilerin geworden wäre, aber sie wusste, dass sie sich durch solche Gedanken nur noch mehr kaputt machen würde.
4. Sie war außer sich vor Freude, als entschieden wurde, dass die Vereinigten Staaten die Quidditchweltmeisterschaft austragen würden und versuchte, über ihre Firma so viele Karten wie nur möglich zu bekommen. Es war einfacher, als sie dachte, denn es war wirklich der perfekte Ort, um noch weitere Besen an den Mann zu bringen. Vielleicht nicht unter den normalen Fans, aber ganz bestimmt bei den hohen Tieren in der Ehrenloge. Die Spiele waren genauso spannend, wie sie erwartet hatte, menschlich war sie jedoch tief enttäuscht, denn die wenigsten dieser hohen Tiere interessierten sich für das Spiel. Ihnen ging es nur um gute Investments. Julia hoffte inständig, dass es ihr nie so gehen würde und sie einige der spannendsten Quidditchspiele, die sie je gesehen hatte, nur als unbedeutende Hintergrundkulisse abtun würde.
5. Julia lief James Potter zufällig in einer Bar über den Weg, als England Venezuela im Achtelfinale besiegte. Die Bar war voller grölender Mitglieder der englischen Mannschaft und des Betreuungsteams. Ihr erster Impuls, als sie das sah, war sofort wieder kehrt zu machen. Sie hatte in den letzten Jahren mehr als genug betrunkene Männer erlebt, darauf konnte sie verzichten. Aber es waren auch Quidditchspieler die gerade an der Weltmeisterschaft teilnahmen, und nach diesen desinteressierten Lackaffen, mit denen sie sich das halbe Spiel abgegeben hatte, konnte es nur besser werden. Leider waren die meisten Männer schon viel zu betrunken, um mit ihnen ein vernünftiges Gespräch führen zu können. Doch dann fiel ihr Blick auf James, der alleine an einem Tisch saß, ein halbvolles Glas Feuerwhiskey vor ihm stehend, und der nachdenklich in die Ferne schaute.
James Potter war eine Legende in der Quidditchwelt. Anfangs hatte er das besonders seinen Eltern zu verdanken. Sein Vater hatte nicht nur einen der gefährlichsten Zauberer der Welt besiegt, seine Mutter war auch ein Ausnahmetalent als Jägerin gewesen. Viele hatten es bedauert, als sie ihre Karriere zugunsten ihrer Familie aufgegeben hatte, aber wenigstens war sie für den Sport nicht ganz verloren, denn sie wurde eine sehr gefragte Sportkorrespondentin für den Tagespropheten. Julia konnte sich noch gut daran erinnern, dass es sogar in Amerika große Schlagzeilen machte, als ihr Sohn ebenfalls professionell zu spielen begann. Anfangs waren die Zeitungen sehr zynisch gewesen und hatten spekuliert, dass er nur wegen seines Namens überhaupt eine Chance bekam, aber schon bald strafte er all seine Kritiker Lügen. Mit ihm als Kapitän der Nationalmannschaft hatte England bessere Chancen als in den Jahrzehnten vorher, endlich wieder einmal zu gewinnen.
6. Als Fan von internationalem Quidditch war es kaum möglich, diese Hintergründe zu James' Leben zu ignorieren, schließlich wurden sie in jedem Artikel über James mindestens in einem Nebensatz erwähnt. Und obwohl es eine wirklich interessante und außergewöhnliche Familiengeschichte war, hatte Julia sich doch immer mehr für seine Leistungen im Quidditch interessiert. Und als sie in dieser Bar mit ihm ins Gespräch kam, war seine Familie das uninteressanteste an ihm. Keiner der Artikel hatte sich jemals wirklich mit James beschäftigt, was wirklich schade war, denn James war sehr interessant. Ein bisschen arrogant, besonders was sein Aussehen und seine Fähigkeiten als Jäger betraf, aber er war charmant und es war nicht nur heiße Luft, er war wirklich so gut, deshalb ließ sie es ihm durchgehen. Und im Bett war er sogar noch beeindruckender, und das sollte angesichts seines Quidditchtalents schon etwas heißen.
7. Julia hatte in ihrem Leben nicht viel Glück mit Beziehungen gehabt, deshalb hatte sie die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben. Alle Männer, mit denen sie ausging, waren Idioten. Wenn sie mehr wollte, wollten ihre Partner nur eine flüchtige Affäre, und wenn sie mit gelegentlichem Sex vollauf zufrieden war, dann klammerten die Männer sich so an sie, dass sie beinahe erstickte.
Als sie mit James im Bett landete, hatte sie gedacht, dass es nur bei dieser einen Nacht bleiben würde, und sie war auch vollauf zufrieden damit. Aber der Sex war wirklich gut und sie hatte sowieso vor, sich alle Spiele anzusehen, an denen England beteiligt war, deshalb sprach eigentlich nichts dagegen, auch weiterhin mit James ins Bett zu gehen, solange er in den Staaten war. Mit einem so klar definierten Endpunkt konnte eigentlich nichts schief gehen und keiner von ihnen würde sich unnötige Hoffnungen machen oder die Beziehung als etwas anderes als die lockere Affäre sehen, die sie war. Leider hatten ihre Gefühle etwas völlig anderes im Sinn, auch wenn Julia krampfhaft versuchte, sie zu ignorieren. Doch als James im Finale von einem Klatscher so unglücklich getroffen wurde, dass ein paar Minuten nicht klar war, ob er sich nicht ernsthaft verletzt hatte, musste sie sich widerwillig eingestehen, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Sie machte sich keine großen Hoffnungen, dass es James ähnlich ginge, so verschrien wie er als Playboy war, aber sie wurde eines Besseren belehrt, als er schließlich beinahe schüchtern vor ihr stand und ihr seine Liebe gestand.
8. Aber obwohl James und sie sich liebten, war ihre Beziehung alles andere als einfach. Sie lebte in Amerika, er in England, und keiner von ihnen war bereit, so ohne weiteres sein Leben aufzugeben und sich ein völlig neues aufzubauen, besonders, weil sie beide bisher kein Glück mit Beziehungen gehabt hatten. Julias Beziehungen hielten meist nicht länger als ein paar Monate und sie war die erste Frau, der James jemals gesagt hatte, dass er sie liebte. Sie telefonierten mehrmals in der Woche miteinander und sahen sich mindestens einmal pro Monat, aber es war trotzdem scheiße, so oft voneinander getrennt zu sein. Dabei half es auch nicht, dass James unfähig war, über seine Gefühle zu reden und sie keine Ahnung hatte, was er langfristig wollte. Außerdem wurde er immer eifersüchtiger auf jeden Mann, mit dem sie Zeit verbrachte. Sie hätte nie gedacht, dass er so unsicher sein würde. Nach zwei Jahren hatte sie dann die Schnauze voll. So konnte es nicht weitergehen. Eine Weile überlegte sie, ob sie sich von James trennen sollte. Aber er war der erste Mann seit langem, mit dem sie sich eine Zukunft vorstellen konnte und sie wollte das nicht aufs Spiel setzen. Und dann spielte ihr der Zufall in die Hände, als eine Stelle in der englischen Zweigstelle ihrer Firma freiwurde. Sie hatte anfangs ein paar Zweifel, dass James diese Veränderung in ihrer Beziehung wirklich wollen würde, aber die verschwanden, als er ihr einen Heiratsantrag machte.
9. Sie liebte ihre neue Familie. Ganz besonders ihren Schwiegervater, der so völlig anders war als diese Kriegsgeschichten ihn beschrieben. Er erkannte schnell, wie sehr sie eine Familie vermisste, als sie ihm erzählte, dass sie schon seit einem Jahr nicht mehr mit ihren Geschwistern gesprochen hatte und sie sich nicht sicher war, ob sie überhaupt zur Hochzeit kommen konnten oder würden. Sie wusste nicht mal, ob ihr Brief ihre Schwester mitten im Regelwald überhaupt erreichen würde. Harry legte den Arm um sie und tätschelte ihr tröstlich die Schulter. „Die eigene Familie kann manchmal ziemlich scheiße sein", sagte er verständnisvoll. „Aber wenn du willst, die Weasleys waren schon immer eine sehr gute Ersatzfamilie." Und das waren sie wirklich. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie sich nicht mehr so geliebt gefühlt und sie weinte jedes Mal, wenn James' Großmutter ihr zu Weihnachten einen selbstgestrickten Pullover schenkte.
Von ihrer eigenen Familie kam nur ihre Schwester zur Hochzeit. Sie kam gerade noch rechtzeitig und entschuldigte sich dafür, dass sie nicht geantwortet hatte, aber die Eule hatte sich verflogen und es hatte eine Weile gedauert, bis sie einen Portschlüssel bekommen hatte. Sie brachte Schmuck mit von dem Volk, bei dem sie lebte, und freute sich ehrlich für Julia. Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr so gut mit ihr verstanden. Und es amüsierte sie ohne Ende, dass ihre Schwester von all den Onkeln und Tanten, die ihre Tochter hatte, die Liebingstante war.
10. Lange Zeit war Julia nicht sicher, ob sie jemals Mutter werden würde. In den Zwanzigern waren Kinder nur ein sehr abstraktes Konzept für sie. Die meisten Menschen bekamen irgendwann Kinder, aber nach den Erfahrungen ihrer eigenen Familie war sie sich nicht sicher, ob sie das wirklich wollte. Und als sie dann mit James zusammen war, war sie sich nicht sicher, ob er überhaupt Kinder wollte. Er war vernarrt in seine Nichten und Neffen, aber das hieß noch lange nicht, dass er auch gerne eigene Kinder hätte. Als er ihr schließlich sagte, dass er sehr gerne Kinder mit ihr bekommen wollte, entschieden sie sich erst, noch eine Weile zu warten und die Zeit zu zweit erstmal zu genießen, besonders, weil sie so viel Zeit getrennt verbracht hatten. Als sie es dann schließlich doch versuchten, brauchte sie Ewigkeiten, um schwanger zu werden. Sie war schon kurz davor gewesen, einen Termin im Mungos zu machen, um endlich Bescheid zu wissen, ob einer von ihnen unfruchtbar war. Sie wusste, dass sie auch ohne Kinder würde leben können, aber sie war genauso sehr davon überzeugt, dass James ein wunderbarer Vater sein würde und sie wollte nicht Schuld sein, dass er keiner werden würde. Glücklicherweise wurde sie doch noch schwanger, bevor sie den Termin im Mungos hatten. Und sie hatte Recht, James war ein wirklich wunderbarer Vater.
TBC…
