8. Dezember: Tia Parker (Albus)
1. Tia war Engländerin, aber sie hatte sich England lange nicht zugehörig gefühlt. Als sie fünf Jahre alt war, wanderten ihre Eltern nach Ägypten aus, weil ihr Vater eine gute Stelle beim ägyptischen Ministerium bekommen hatte und ihnen England sowieso viel zu kalt und verregnet war. Tia lernte die dortige Landessprache beeindruckend schnell, wie viele junge Kinder, und sprach sie bis zum Lebensende besser als ihre Eltern, mit denen sie zu Hause immer Englisch sprach. Sie ging auf Schulen in Kairo, auch wenn sie als Engländerin die Möglichkeit hatte, nach Hogwarts zu gehen. Ihre Eltern überließen ihr die Wahl, ob sie lieber in Ägypten bleiben würde oder in die Schule gehen würde, die ihre Eltern geliebt hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte Tia schon absolut keinen Bezug mehr zu dem Heimatland ihrer Eltern gehabt und sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, neun Monate von ihren Eltern getrennt in einem zugigen Internat zu sein, wenn sie auch im sonnigen und aufregenden Kairo in die Schule gehen konnte. Ihre Eltern waren ein bisschen enttäuscht, aber sie waren schließlich auch keine großen Fans von England.
2. Sie besuchte ihren Vater unglaublich gerne bei der Arbeit, vor allem wegen der Vögel. Er arbeitete in der Abteilung zur magischen Zusammenarbeit und bekam immer viel Post von exotischen Vögeln, mit denen sie spielen durfte, solange sie im Ministerium waren. Alle Mitarbeiter in der Abteilung liebten Tia und machten sich einen besonderen Spaß darauf, ihr Schimpfwörter in den unterschiedlichsten Sprachen beizubringen, wenn ihr Vater gerade nicht hinschaute. Das war nützlicher, als sie gedacht hätte, als sie später in Spanien im Urlaub einmal jemand überfallen wollte und sie den Banditen mit einer Fülle von Schimpfwörtern überhäufte, die ihm so eine Angst machten, dass er die Flucht ergriff, bevor sie überhaupt ihren Zauberstab ziehen konnte.
3. Für sie war es selbstverständlich, dass sie später in der gleichen Abteilung wie ihr Vater arbeiten würde. Sie hatte ein Talent für Sprachen und konnte wunderbar mit Menschen umgehen, außerdem kannte sie die Abteilung schon seit Jahren in- und auswendig und der Abteilungsleiter nahm sie mit Kusshand, ohne dass sie sich überhaupt bewerben musste. Das einzig traurige daran, dass sie dort eine feste Stelle bekommen hatte, war, dass sie keine Zeit mehr hatte, mit den Vögeln zu spielen. Die nahmen ihr das so übel, dass sie gerne mal auf ihren Tisch kackten. Sie hätte nie gedacht, dass ihre Vögel sie jemals so betrügen würden.
4. Als Kind hatte Tia sich nie vorstellen können, Ägypten irgendwann wieder zu verlassen. Sie liebte das Land, die Stadt und die Leute und die zwei Mal, die sie mit ihren Eltern Verwandte in England besucht hatte, hatten sie nicht beeindruckt, sondern ihre Meinung nur verstärkt, dass Ägypten viel besser war. Durch ihre Arbeit kam sie dann allerdings viel herum und lernte die anderen Ministerien kennen. Sie arbeitete eng mit der britischen Bank Gringotts zusammen, als eine neue Ausgrabungsstelle eröffnet wurde, und sie war überrascht, wie gut ihr England in den Tagen gefiel, die sie dort war. Es war gar nicht so düster und verregnet, wie sie es in Erinnerung hatte, und die Winkelgasse war ein faszinierender Ort, an den sie ihre Eltern unerklärlicherweise nie mitgenommen hatten. Und Weasleys Zauberhafte Zauberscherze erst, das war ein fantastischer Laden. In Ägypten hatte sie nie so einfallsreiche Scherzartikel gefunden.
Sie war überrascht, als ihr am Ende ihrer Zeit in England ein Posten in der britischen Abteilung zur magischen internationalen Zusammenarbeit angeboten wurde und noch überraschter war sie, als sie nicht sofort ablehnte. England war gar nicht mal so schlecht und es würde eine gute Abwechslung und neue Herausforderung sein. Und die Vögel würden vielleicht endlich aufhören, auf ihren Schreibtisch zu kacken. Sie brauchte eine Weile, bis sie sich endgültig entschieden hatte, aber schließlich stimmte sie zu. Vielleicht war England ja gar nicht so schlecht.
5. Richtig auf ihren neuen Job freute sie sich allerdings erst, als sie in Kairo in einer Bar Albus Potter über den Weg lief. Er war für Gringotts auf der neuen Ausgrabungsstätte, wegen der sie überhaupt erst mit dem britischen Ministerium Kontakt aufgenommen hatte. Sie fand ihn sofort sympathisch und verstand sich auf Anhieb mit ihm. Sie unterhielten sich in der Bar, bis sie schließlich herausgeworfen wurden und verbrachten den Rest der Nacht damit, durch die Straßen von Kairo zu spazieren. Es war selbstverständlich, dass sie sich wiedersehen würden und Al verbrachte jede freie Minute mit ihr. Er kehrte ein paar Wochen früher nach England zurück als sie, und sie konnte es kaum erwarten, ihn dort wiederzusehen.
6. Später schämte sie sich ein bisschen für ihre große Ignoranz, was Als Vater anging. Gleich bei ihrer ersten Begegnung sagte er ihr, dass sein Vater Harry Potter war, aber Tia hatte ihn nur verständnislos ansehen können und sich gewundert, warum in aller Welt er es für wichtig hielt, ihr von seinem Vater zu erzählen, wenn sie doch ihn kennen lernen wollte. In der Schule hatten sie zwar die Kriege in England behandelt, aber sie waren nie besonders ins Detail gegangen. Obwohl Harry Potter eine entscheidende Rolle gespielt hatte, war er doch eher eine Randnotiz in ihrem Unterricht gewesen, der sich mehr auf Voldemort und Dumbledore konzentriert hatte. Als Al ihr seinen Namen gesagt hatte, hatte sie sich zwar dunkel daran erinnern können, ihn schon mal gehört zu haben, aber er hätte genauso gut ein britischer Kollege sein können, mit dem sie flüchtig zusammengearbeitet hatte.
Umso überraschter war Tia, als sie schließlich in England ankam und mitbekam, was für ein großer Trubel um Harry Potter veranstaltet wurde, selbst mehr als fünfundzwanzig Jahre nach Kriegsende. Mindestens einmal pro Woche gab es einen Bericht in irgendeinem Klatschmagazin über die Familie und als herauskam, dass sie und Al zusammen waren, waren die Zeitschriften gar nicht mehr zu halten und untersuchten ihr Privatleben bis ins kleinste Detail. Als sie nichts Aufregendes finden konnten, fingen sie an, sich Geschichten auszudenken. Al war glücklicherweise bestens vertraut mit der Presse in diesem Land und glaubte nie irgendetwas von dem, was sie abdruckten. Er hatte nur Angst, dass sie der ganze Rummel abschrecken würde, aber da hätte er sich keine Sorgen machen müssen. Al war der tollste Mann, den es gab.
7. Mit der Zeit fand Tia sogar Gefallen daran, die Presse an der Nase herumzuführen. Bei den Planungen für ihre Hochzeit kam sie sich vor wie eine Spionin, die eine komplizierte Undercoveraktion vorbereiten musste. Sie trug ihren Verlobungsring nur an einer Kette um den Hals und kaufte sich sogar eine Perücke und einen ausgeflippten Hut, der dem von Nevilles Großmutter ähnelte, um nicht aufzufallen, wenn sie sich mit dem Caterer und dem Floristen traf und ein Brautkleid aussuchte. Außerdem bestellte sie alles auf falschen Namen. Ihre Hochzeit wurde ein wunderschönes Fest und kein Klatschreporter hatte auch nur den Hauch einer Ahnung, dass sie überhaupt stattfand. Die Presse fiel aus allen Worten, als ihnen schließlich die Ringe auffielen, die Al und sie nun trugen, und überboten sich an Spekulationen, die alle nicht mal annähernd stimmten.
8. Die Presse wurde erst richtig nervig, als Tia schwanger war. Die Schwangerschaft konnte sie leider nicht mit einer Perücke und einem Hut kaschieren und auf Dauer war es wirklich störend, dass das öffentliche Interesse an ihrem Bauch nicht abnahm. Sie kam sich so schon wie eine fette Kuh vor, da brauchte sie nicht noch detaillierte Analysen darüber in jeder Zeitschrift. Sie würde nie verstehen, wie ihre Schwiegermutter das drei Mal ertragen hatte. Und Harry Potter hin oder her, Tia konnte wirklich nicht nachvollziehen, warum sich das ganze magische England so für ihren Bauch interessierte. Um Himmels Willen, dann bekam sie eben den ersten Enkel von Harry Potter, na und? Es war doch nicht so, als ob das Baby es höchstpersönlich mit Voldemort aufgenommen hatte. Und bei aller Liebe, Al war nun wirklich nicht so interessant, wie die Zeitschriften behaupteten. Er war einfach nur Al, witzig und liebenswert und die Liebe ihres Lebens, aber er war doch nicht die Queen. Harry Potter, bitteschön, der hatte wenigstens eine aufregende Lebensgeschichte, und James konnte sie auch noch verstehen, als Ausnahmequidditchspieler. Aber an Al war das außergewöhnlichste, dass er gerne zwei unterschiedliche Socken trug. Merkwürdigerweise hatte sie davon noch nie etwas gelesen.
9. Tia hatte sich immer eine große Familie gewünscht, gerade weil sie ein Einzelkind war. Sie hätte liebend gerne jemanden zum Spielen gehabt, mit dem sie sich gegen ihre Eltern verbünden konnte, wenn die ihr mal wieder völlig grundlos etwas verboten. Als sie sah, wie nahe Al und seine Geschwister sich waren, war sie richtiggehend neidisch. Auch wenn es manchmal ganz schön nervig war, wenn James unangemeldet bei ihnen reinplatzte, weil er ein Problem hatte und Als Rat brauchte. Mehr als einmal hatte er sie im Bett erwischt. Drei Mal musste sie seine Haare grün färben, bis er sich endlich merkte, anzuklopfen, bevor er ihr Haus betrat.
Deshalb stand es auch außer Frage, bloß ein Kind mit Al zu bekommen. Abgesehen von der Presse und ihrem Ähnlichkeit zu einem Wal, war sie eigentlich sehr gerne schwanger. Und ihre erste Tochter Haley war perfekt. Ihre zweite Tochter Amanda auch. Und weil Al und sie auch gerne einen Jungen hätten, versuchten sie es noch ein drittes Mal und hatten Glück. Aber auch wenn es noch ein Mädchen geworden wäre, wäre nach dem dritten Kind Schluss gewesen. Drei Kinder waren mehr als genug.
10. Auch wenn sie in England mit ihrer Arbeit und ihrer tollen Familie sehr glücklich war, hatte sie doch manchmal Heimweh nach Ägypten, den Leuten, der Sonne, ihren Eltern. Die beiden kamen zwar häufig vorbei, besonders seit ihre Enkelkinder auf der Welt waren, aber das war doch nicht dasselbe. Sie konnte nie mitreden, wenn es um Hogwarts ging und manchmal hing ihr der Regen zum Hals raus. Aber nach all den Jahren war Al sehr gut darin geworden, diese Stimmung zu erkennen und irgendwie schaffte er es jedes Mal, für ein Wochenende mit ihr nach Kairo zu fahren, nachdem sie die Kinder bei einem seiner unzähligen Verwandten abgeladen hatten. Sie war froh, dass er es ihr nie übel nahm, wenn sie unzufrieden war, und alles dafür tat, dass sie glücklich war. Sie hatte wirklich die richtige Wahl getroffen.
TBC…
