13. Dezember: Jeremy, Michelle, Frank (Molly und Justin)
1. Ihr Zweig der Weasley-Familie galt immer als er ernsteste und seriöseste, der keinen Spaß verstand. Jeremy, Michelle und Frank konnten nie so ganz verstehen, wie sie zu diesem Ruf gekommen waren. Okay, Grandpa Percy konnte schon sehr langweilig sein, wenn er erstmal von seinen Paragraphen und Bestimmungen anfing, aber der Rest? Grandma Audrey hatte Schauspielerin werden wollen und es gab einen Werbespot mit ihr, wo sie mit neunzehn Jahren in einem Bikini auf einem Porsche saß und Orangensaft trank. Sie kannten keine andere Großmutter, die so etwas Verrücktes gemacht hatte. Tante Lucy hatte den besten Humor der ganzen Familie. Und sie arbeitete für Weasleys Zauberhafte Zauberscherze und gab ihnen immer die tollsten Produkte zum Testen.
Und ihre Eltern waren die besten überhaupt. Ihre Mum brachte die schlimmsten Schwerverbrecher ohne mit der Wimper zu zucken nach Askaban. Und ihr Dad konnte die Nationalhymne rülpsen, wenn er betrunken war. Und wenn ihre Eltern keine Zeit zum Kochen hatten, bestellten sie häufig eine große Pizza, breiteten eine Decke vor dem Kamin aus und taten so, als würden sie ein Picknick veranstalten. Niemand hatte coolere Eltern als sie.
2. Ihre Grandma Audrey war keine Hexe, sondern ein Muggel. Als kleine Kinder war ihnen das nie aufgefallen. Sie fanden es nur merkwürdig, dass sie die einzige war, die ihnen keine Geschichten über Hogwarts erzählte, wenn sie danach fragten. Stattdessen zeigte sie ihnen die Werbespots, die sie gedreht hatte, als sie jung war (und das war wirklich merkwürdiges Zeug, die drei konnten sich nicht vorstellen, wie diese Spots jemanden davon überzeugen, die Produkte zu kaufen, für die sie warben). Außerdem liebte Grandma Audrey Shakespeare und spielte mit ihnen die Stücke nach. Sie konnte fantastisch sterben.
3. Sie kamen alle drei nach Ravenclaw. Irgendwie hatten sie das erwartet, schließlich waren ihre Eltern auch beide in dem Haus, aber der Rest ihrer Familien waren fast alle in Gryffindor und Hufflepuff gewesen, und es gab nun wirklich keine Garantie, in welches Haus man am Ende kam. Sie waren alle sehr gerne in Ravenclaw (Michelle und Frank erzählten Jeremy, dass ihre Eltern lautstark gejubelt und sich eine High Five gegeben haben, als sie seinen ersten Brief bekommen hatten), auch wenn der Adler beim Eingang schrecklich nervig war, wenn man nicht sofort auf die richtige Antwort kam. Frank machte einmal alle seine Hausaufgaben direkt vor dem Eingang, während er darauf wartete, dass jemand anderes kam. Alle anderen Häuser benutzten stinknormale Passwörter, aber hier musste man manchmal Philosophie studiert haben, nur um zu seinem Bett zu kommen! Nachdem Frank sich einmal Zuhause beschwert hatte, schenkte Tante Lucy ihm zu Weihnachten das Buch Philosophie für Dummies und Frank hatte nie wieder Probleme damit, in sein Haus zu kommen.
4. Um ehrlich zu sein, fragten Michelle und Frank sich allerdings manchmal, warum Jeremy nach Ravenclaw gekommen war. Er hatte kaum Interesse am Unterricht, er machte seine Hausaufgaben nur sehr schluderig und war einer der am wenigsten Ehrgeizigen im ganzen Haus. Es war ungewöhnlich, aber die Graue Dame versicherte ihnen, dass alle Ravenclaws unterschiedlich waren und sich die wesentlichen Charakterzüge nicht immer so offensichtlich zeigten. Immerhin waren auch Luna Scamander und dieser verrückte Hochstapler Gilderoy Lockhard in dem Haus gewesen. (Michelle hatte einmal eines seiner Bücher gelesen, weil ihre Urgroßmutter so von ihnen schwärmte, aber sie hatte ehrlich nicht verstehen können, warum die Bücher so beliebt waren. Sie waren ja nicht mal gut geschrieben.)
Aber Michelle und Frank hatten vergessen, dass es nicht nur um Intelligenz und Ehrgeiz bei Ravenclaw ging, es ging auch um Individualität und Kreativität (was hundert Prozent erklärte, wie Luna Scamander in diesem Haus gelandet war). Nach der Schule wurde Jeremy zu einem unglaublich gefragten Künstler. Er malte diese abgefahrenen abstrakten Bilder, die bei jedem Blick anders aussahen, und gestaltete völlig verrückte Skulpturen, von denen man nie so genau wusste, was sie machen würden. Er verdiente einen Haufen Kohle damit. Michelle und Frank freuten sich sehr für ihn, aber sie konnten beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum jemand bereit war, so viel Geld für etwas auszugeben.
5. Frank machte nach der Schule auch etwas Kreatives, auch wenn er in eine etwas andere Richtung ging. Er schrieb Geschichten für kleine Kinder, die Jeremy dann für ihn illustrierte. Ursprünglich hatte Frank angenommen, dass er einmal im Ministerium arbeiten würde, so wie seine Eltern und Großeltern. Aber die kleinen Kinder in der Familie waren immer ganz begeistert von den Geschichten, die er sich ausdachte. Und einmal bat ihn Tante Lily, die Geschichte aufzuschreiben, die ihre Tochter Liz so begeistert hatte und fragte ihn später, ob es ihn stören würde, wenn der Tagesprophet sie für eine Sonderausgabe abdrucken würde. Frank wäre verrückt gewesen, wenn er das abgelehnt hätte, und so begann er bereits in der Schule, Geschichten für den Tagespropheten zu schreiben. Später fand er sofort einen Verleger und so wurde er von allen Kindern in der Zauberwelt geliebt. Seinen Namen kannten mehr Kinder als den von Onkel Harry. Darauf war Frank besonders stolz.
6. Die verrückteste Karriere von allen hatte allerdings Michelle, die ein richtiger Rockstar wurde. In der Schule gründete sie mit ihren besten Freundinnen eine Band. Weil sie alle aus verschiedenen Häusern kamen, nannten sie sich The Four Houses. Sie übten mehrmals die Woche im Raum der Wünsche. Nach einer Weile sprach es sich rum, dass es eine Band in Hogwarts gab und immer mehr Leute wollten bei den Proben zuhören, weil es eine tolle Abwechslung zu dem sonst ziemlich langweiligen Schulalltag war. Am Ende gaben sie im Raum der Wünsche sogar richtige Konzerte und der beste Freund von Onkel George, dem ein Radiosender gehörte, sorgte dafür, dass die ganze Zauberwelt sie hören konnte (oder zumindest die, die Radio hörten). Nach der Schule produzierten sie ein Album und gingen auf Tournee und wurden als die neueste Inkarnation der Schwestern des Schicksals gefeiert.
7. Grandpa Percy war ein bisschen entsetzt, dass keines seiner Enkelkinder auch nur ansatzweise in seinen Fußstapfen folgte und eine verantwortungsvolle Tätigkeit im Ministerium fand. Onkel George hingegen kriegte sich gar nicht mehr ein vor Begeisterung, dass sie alle drei so ungewöhnliche Berufe wählten. Jedes Mal, wenn das bei Familienfeiern zur Sprache kam, schlug er seinem Bruder auf die Schulter und sagte grinsend, dass er keine Schauspielerin hätte heiraten dürfen, wenn er die feinen Künste nicht wertschätzte. Grandpa Percy wurde dann immer rot und stammelte, dass er eine Postbeamtin geheiratet hatte, und keine Schauspielerin, aber alle Geschwister hatten ihn schon mal dabei erwischt, wie er sich alleine Grandmas Werbespots angesehen hatte und wussten es besser.
8. Sie brauchten alle drei eine ganze Weile, bis sie sich schließlich niederließen. Grandpa Percy freute sich, dass seine Warnungen, zu früh zu heiraten, gefruchtet hatten, aber in Wahrheit hatten sie alle einfach Probleme damit, den Partner fürs Leben zu finden. Jeremy war der erste von ihnen, der heiratete. Mit fünfunddreißig verliebte er sich in seine neue Nachbarin, die einmal um drei Uhr Nachts wutentbrannt an seine Tür hämmerte, weil sie nicht schlafen konnte dank der lauten Musik, die das ganze Haus hören konnte. Jeremy hörte gerne Michelles Band, während er arbeitete, und hatte nicht mitbekommen, dass der Schallschutzzauber nachgelassen hatte. Sie stritten sich so heftig, dass die anderen Nachbarn die Polizei riefen, und beruhigten sich erst, als sie in nebeneinanderliegenden Zellen saßen. Danach schien es irgendwie selbstverständlich, eine Beziehung anzufangen, und nur drei Monate später waren sie verheiratet.
9. Frank heiratete sogar noch später, mit vierzig, obwohl er schon zehn Jahre mit seinem Freund zusammen war. Er wusste, seit er vierzehn war, dass er sich nicht für Mädchen interessierte. Er schwärmte ungemein für den Sucher ihrer Hausmannschaft, der ein Jahr älter war als er, aber leider hatte der eine Freundin, mit der er ständig händchenhaltend durchs Schloss lief, und absolut keine Chance. Er kannte keine anderen schwulen Jungen in Hogwarts. Es gab bestimmt welche, aber er wusste nicht, wer sie waren. Also zuckte er in der Schule immer nur mit den Schultern, wenn ihn jemand fragte, warum er keine Freundin hatte, und murmelte, dass er die Richtige einfach noch nicht gefunden hatte.
Es wurde besser nach Hogwarts. Er kannte ein paar coole Clubs in London, die meisten für Muggel, aber nach einer Weile fand er auch einen für Zauberer, und eine neue Welt eröffnete sich für ihn. Er hatte drei oder vier lockere Beziehungen in den nächsten Jahren, bis er endlich den Mut fand, seiner Familie davon zu erzählen. Und das eigentlich nur, weil Michelle ihn und seinen damaligen Freund im Bett erwischte, als sie unangemeldet bei ihm vorbeischaute und Dora ihre neue Freundin zur Weihnachtsfeier in den Fuchsbau mitbrachte und keiner ein großes Ding daraus machte. Seine Familie war aber sehr cool und die meisten schienen nicht mal überrascht zu sein.
Am Ende heiratete Frank seinen besten Freund Sam. Sie hatten sich nach der Schule aus den Augen verloren und Frank hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, dass Sam etwas anderes als hetero war. Die letzten drei Schuljahre hatte er eine Freundin gehabt, ein wirklich nettes Mädchen, und alle hatten nach dem Abschluss fest mit einer Hochzeitseinladung gerechnet. Stattdessen trennten sich die beiden und Sam ging nach Schweden, weil er irgendein Stipendium für irgendwas bekommen hatte. Frank lief Sam erst wieder Jahre später über den Weg, in einem Club für schwule Zauberer, und traute seinen Augen kaum. Sie verquatschten sich und Sam erzählte ihm, dass er in Schweden entdeckt hatte, dass er bisexuell war, als er sich in seinen Mitbewohner verliebte. Er war schon seit zwei Jahren wieder in England und hatte sich vor einer Weile von seiner letzten Freundin getrennt und war jetzt bereit für etwas Neues. Zu diesem Zeitpunkt waren sie schon beide ziemlich betrunken und landeten im Bett. Es war etwas merkwürdig, mit seinem früheren besten Freund zusammen zu sein, weil Frank ihn nie als jemanden gesehen hatte, in den er sich verlieben konnte, aber er wurde eines Besseren belehrt.
10. Michelle hatte die langweiligste Kennenlerngeschichte von all ihren Geschwistern. Sie heiratete mit siebenunddreißig den Buchhalter ihrer Band. Buchhalter war einer der langweiligsten Berufe, den die anderen sich nur vorstellen konnten, aber wenigstens war er ein cooler Buchhalter für die beste Band in ganz Großbritannien. Er hatte einen guten Sinn für Humor und konnte sich sogar mit Grandpa Percy unterhalten. Er war einer der Wenigen, der nach einer halben Stunde noch ehrliches Interesse vortäuschen konnte, und das war schon beeindruckend. Und Michelle scherzte immer mit einem verliebten Lächeln, dass sie dank ihm einen Haufen steuern sparten und es keinen größeren Liebesbeweis gab als diesen.
TBC…
