16. Dezember: Angela, Simon (Hugo und Clara)
1. Angela war fasziniert von Insekten und Spinnen. Als kleines Mädchen sah sie einmal in der Buchhandlung ein großes Buch mit einer Spinne auf dem Cover und bettelte so lange, bis ihre Eltern es ihr kauften. Bis sie lesen lernte, vertrieb sie sich die Zeit damit, die Bilder zu studieren und sich vorzustellen, was die Insekten wohl alles konnten. Und sobald sie schließlich lesen konnte, verbrachte sie Stunden damit, alle Einträge auswendig zu lernen. Diese Tiere waren so spannend und konnten so viel, viel mehr als Menschen und auch viel besser. Und das alles ohne Magie.
Jahrelang bettelte sie ihre Eltern an, dass sie eine Spinne als Haustier bekam. Aber ihr Dad hatte panische Angst vor Spinnen und so musste sie bis nach der Schule darauf warten, bis sie sich endlich eine kaufen konnte. Ihr Dad weigerte sich monatelang, ihre Wohnung auch nur zu betreten.
2. Angela liebte ihren kleinen Bruder Simon. Wirklich. Er war niedlich und er betete sie an. Aber er war auch schrecklich laut. Als Baby schrie er das ganze Haus zusammen und hielt ihre Eltern ständig wach und dann waren sie zu müde, um mit ihr zu spielen. Glücklicherweise hatten sie ein großes Haus und Angela musste sich ihr Zimmer nicht mit ihm teilen. Mit der Zeit gewöhnte sie sich an ihn, und als er älter war konnte man super mit ihm spielen, aber anfangs störte es sie schon sehr, dass sie nicht mehr die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern hatte. Glücklicherweise wohnte Tante Lily direkt nebenan und Angela konnte zu ihr gehen. Ihr Sohn Robert war nur ein Jahr älter als sie und spielte immer gerne mit ihr.
3. Simon vergötterte seine große Schwester. Sie war fast vier Jahre älter als er und so cool. Sie kannte die verrücktesten Fakten über Insekten und Spinnen und erzählte ihm die coolsten Geschichten (manche waren ziemlich gruselig und er bekam Albträume, aber trotzdem, Angela war die Beste). Er wusste, dass er manchmal ziemlich nervig sein konnte, weil er immer mit ihr und Robert und Roberts großer Schwester Elizabeth spielen wollte und er zu klein war für die besten Spiele, aber ihn störte das nicht.
Manchmal wünschte er sich, dass Angela und er sich so gut verstehen würden wie Dad und Tante Rose oder Aiden und Diana, aber die waren auch nicht vier Jahre auseinander. Aber immerhin verstanden sie sich um Klassen besser als seine Mum und deren bescheuerte Schwestern. Es hätte sie also noch viel schlechter treffen können.
4. Angela fand es immer witzig, dass sie das einzige Kind aus der Familie war, dass bei der Hochzeit ihrer eigenen Eltern dabei war. Ihre Mum sah aus wie eine Prinzessin und lächelte mindestens doppelt so strahlend. Sie schaute sich die Fotos oft an, auch wenn sie sich nicht wirklich an die Hochzeit erinnern konnte, weil sie noch so klein gewesen war. Sie konnte gerade so stehen und stand auf knubbeligen Beinchen zwischen ihren Eltern. Sie klammerte sich an den Beinen ihrer Eltern fest und grinste zahnlos in die Kamera. Sie trug ein sehr schönes Kleid, das ihre Mutter selbst gemacht hatte und das immer noch auf dem Dachboden war. Angela schaute es sich sehr gerne an, auch wenn sie nicht fassen konnte, dass sie einmal klein genug gewesen war, dass sie tatsächlich hinein gepasst hatte.
5. Ihre Eltern hatten ihr immer erzählt, dass sie der Grund war, dass sie zusammen waren. Angela hatte das lange nicht verstanden und sich nur gedacht, dass ihre Eltern einfach eine sehr merkwürdige Art hatten, ihr zu sagen, dass sie sie lieb hatten. Erst als sie zwölf war und ihre Mutter sie detailliert über Jungs, Liebe und Sex aufklärte und dauernd betonte, wie wichtig es war, richtig zu verhüten, verstand sie endlich, was ihre Eltern immer gemeint hatten. Es war eigentlich eine ziemlich romantische Geschichte, auch wenn sie ewig brauchte, um sie aus ihren Eltern herauszukriegen: Mum und Dad waren beide deprimiert gewesen, er hatte sie zum Lachen gebracht und sie hatten sich gegenseitig getröstet. Mit Sex. Aber weil Mum schwanger wurde, mussten sie sich wiedersehen und verliebten sich und heirateten schließlich und das war alles nur Angela zu verdanken. Sowas hatte kein anderer aus der Familie geschafft und darauf war sie am Ende richtig stolz. Und mit Simon hatte das nichts zu tun. Hah!
6. Simon war traurig, dass Angela und er nicht im gleichen Haus landeten. Angela war in Gryffindor und ihn schickte der Sprechende Hut ohne zu zögern nach Hufflepuff. Er wusste, dass Angela und er in der Schule sowieso nicht viel Zeit zusammen verbracht hätten, dazu waren sie einfach zu weit auseinander, aber er wäre trotzdem gerne in ihrer Nähe gewesen. Hufflepuff war toll und ganz nahe an der Küche dran und die Leute waren super, aber ihm fehlte seine große Schwester. Doch als er das erste Mal zu Weihnachten nach Hause kam, umarmte seine Mum ihn mit Tränen in den Augen und sagte ihm glücklich, wie schön es war, dass er im gleichen Haus war wie sie früher und sie so etwas gemeinsam hatten, was nur ihnen gehörte, nicht Angela oder seinem Dad. Das war schon ganz cool.
7. Angela ging nach der Schule an eine Muggeluni, um Biologie und Insekten zu studieren. Sie hatte im Internet einen sehr interessanten Studiengang gefunden und in der Zauberwelt konnte sie sich einfach nicht gut genug mit Insekten beschäftigen. Den meisten ging es nur darum, wie man sie am besten in Zaubertränken einsetzen konnte, und das war einfach nur barbarisch.
Ihr Großvater mütterlicherseits war einfach nur begeistert davon, dass sie an einer Muggeluni studieren wollte. Er war ein Muggel und das war das erste in ihrem Leben, was er wirklich verstehen konnte. Angela wusste, dass er sie und Simon sehr lieb hatte (was kein Kunststück war, seine anderen Enkelkinder waren allesamt blöde Säcke), und er ging häufig mit ihnen in der Park oder ins Kino, als sie noch klein waren, aber Zauberei verstand er einfach nicht und er fühlte sich immer ausgeschlossen, wenn sie davon anfingen. Aber ihr Studium konnte er verstehen, und er gab für den Rest seines Lebens damit an, dass seine Enkelin eine berühmte Biologin war.
8. Simon hatte keine großen Ambitionen. Er war nicht schlecht in der Schule, aber auch nicht überragend, und er wollte nach der Schule nicht noch Jahre mit einer Ausbildung verbringen. Sicher, es war absolut cool dass sein Grandpa Ron ein Auror und Grandma Hermine vor Gericht absolut gnadenlos war. Tante Rose war Heilerin, einer der wichtigsten Berufe überhaupt, sein Dad war einer der wichtigsten Leute bei Weasleys Zauberhafte Zauberscherze und die Kleider von seiner Mum waren in ganz England beliebt. Von Angelas Besessenheit von Insekten wollte er gar nicht erst anfangen.
Simon arbeitete nach der Schule bei Flourish und Blotts. Er liebte Bücher, auch wenn er leider kein Talent dazu hatte, sie selbst zu schreiben, so wie Frank. Aber er war immer sehr gut darin, für jeden Kunden das passende Buch zu finden und seine Vorlesestunden waren legendär. Er war so gut, dass Remus ihn bat mindestens einmal die Woche speziell in seinem Kindergarten vorzulesen. Besonders gut konnte er Franks Geschichten vorlesen. Franks Geschichten waren so typisch Frank, dass Simon gar nicht anders konnte, als sie gut vorzulesen.
9. Angela heiratete nie und bekam auch keine Kinder. Sie hatte einen langjährigen Freund, den sie auf einer ihrer Forschungsreisen in den Regenwald kennen lernte, und war sehr glücklich mit ihm, aber sie verspürte nie den Wunsch zu heiraten oder Kinder zu kriegen. Kinder waren wunderbar und liebenswert, aber sie machten auch viel Arbeit und verlangten viel Zeit und Angela war nicht bereit, ihre Karriere für Jahre zurückzustellen oder sogar ganz aufzugeben. Nein danke.
10. Simon dagegen hatte sogar vier Kinder und machte es so mehr als wett, dass Angela überhaupt keine hatte. Dabei war es eine wirklich traurige Geschichte. Er begegnete seiner Frau im Eisladen in der Winkelgasse, verliebte sich Hals über Kopf und heiratete sie nach nur fünf Monaten. Innerhalb von zwei Jahren bekamen sie zwei Mädchen (Simon wollte unbedingt, dass seine Kinder nah beieinander lagen und keinen so großen Altersunterschied wie Angela und er hatten). Es war alles wunderbar, bis Tante Rose eines Abends mit steinerner Miene bei ihm vorbeikam, als er den Mädchen gerade Abendessen machte, und ihm sagte, dass seine Frau gestorben war. Sie war einfach zusammengebrochen und keiner hatte ihr helfen können. Anscheinend hatte sie ein Aneurysma im Gehirn gehabt.
Simon fiel in ein tiefes Loch und nur dank seiner Mädchen fand er die Kraft, überhaupt weiterzumachen. Eine Weile war es sogar so schlimm, dass Angela für ein paar Wochen zu ihm zog, um ihm zu helfen. Nie hatte er seine große Schwester mehr geliebt.
Seine zweite Frau traf er in einer Selbsthilfegruppe für Witwer und Witwen. Sie war mit einem Muggel verheiratet gewesen, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Simon und sie verstanden sich auf Anhieb und wurden schnell Freunde. Seine Mädchen waren ganz begeistert von ihr und dachten sich immer neue Wege aus, um sie zusammen zu bringen, weil sie wieder eine Mutter haben wollten. Nach einer Weile gaben Simon und sie sich geschlagen, und nach zwei Jahren Beziehung heirateten sie schließlich, mit Simons Töchtern als Blumenmädchen. Simon war sich nicht sicher, ob er noch mehr Kinder wollte. Zwei waren eigentlich genug und der Altersunterschied war riesig. Aber irgendwann waren sie so schluderig wie Simons Eltern mit der Verhütung und so bekamen sie Zwillingsjungs. Simons Jüngste war acht Jahre älter als ihre kleinen Brüder und Simon hatte sich erst Sorgen gemacht, dass sie mit den neuen Babys nicht zurecht kommen würden, so wie Angela mit ihm, aber das war völlig unnötig. Die beiden Mädchen liebten ihre kleinen Brüder und die vier verstanden sich fantastisch.
TBC…
