22. Dezember: Audrey Rankin (Percy)

1. Audreys Leben war eigentlich immer sehr normal gewesen. Sie wuchs in einem kleinen Dorf im Süden Englands auf. Ihre Mutter unterrichtete in der Grundschule und ihr Vater war Polizist. Das klang im ersten Moment vielleicht sehr aufregend, war es aber gar nicht. Es gab kaum Verbrechen bei ihnen und er verbrachte die meiste Zeit damit, Strafzettel zu schreiben und Betrunkene in die Ausnüchterungszelle zu stecken. Audrey störte das nicht weiter, sie mochte dieses ruhige Leben sehr gerne.

2. Deshalb waren alle umso überraschter, als sie nach der Schule nach London zog, um Schauspielerin zu werden. Sie hatte in einigen Theaterproduktionen in der Schule mitgespielt und viel Spaß daran gehabt. Die anderen waren immer begeistert von ihr gewesen, deshalb hatte Audrey sich entschlossen, etwas absolut verrücktes zu tun und einmal ihrem großen Traum zu folgen. Die Schauspielschulen konnte sie sich leider alle nicht leisten und besuchte deshalb nur ein paar Abendkurse, und so bekam sie nur ein paar kleine Rollen in winzigen Theaterproduktionen und ein paar Werbespots.

3. Einige Jahre hielt sie sich so mühsam mit ein paar Aushilfsjobs über Wasser. Irgendwann sah sie der Tatsache ins Auge, dass sie wohl nie Schauspielerin werden würde und zog wieder zurück in das Dorf, wo ihre Eltern wohnten. Sie begann, bei der Post zu arbeiten, was gar nicht mal so schlecht war. Im Gegensatz zur Schauspielerei war es geordnet und essenziell und Audrey hatte die besondere Gabe, nie aus der Ruhe gebracht zu werden, egal wie nervig ein Kunde auch sein mochte. Nicht jeder war dazu berufen, Schauspieler zu werden und das war auch in Ordnung. Auch wenn sie gehofft hatte, dass sie zu den wenigen Glücklichen gezählt hätte.

4. Der Tag, an dem sie Percy begegnete, fühlte sich an wie ein absurder Fiebertraum. Sie war in London, weil eine ihrer ehemaligen Mitbewohnerinnen sie zu einer Modenschau eingeladen hatte, aber sie konnte den richtigen Ort nicht finden und ihr Handy hatte den Geist aufgegeben. Da war es ein Geschenk des Himmels gewesen, dass sie in der Nähe eine Telefonzelle gefunden hatte. Leider hatte das Telefon nicht funktioniert, deshalb stand sie frustriert vor der Telefonzelle und versuchte, das Geschreibsel ihrer Freundin zu entziffern um herauszufinden, wo sie hinmusste. Plötzlich stand Percy in der Telefonzelle, dessen Eingang sie blockierte und Audrey war im ersten Moment so erleichtert, einem Menschen zu begegnen, der ihr vielleicht helfen konnte, dass sie ihn kaum zu Wort kommen ließ, als er sie erstaunt ansprach. Dann wurde ihr bewusst, dass er einfach so aus dem Nichts aufgetaucht war und sie wollte wissen, was das auf sich hatte und so redete sie so lange auf ihn ein, bis er sie hektisch unterbrach, um sie zu informieren, dass gleich die Delegation vom nigerianischen Zaubereiminister kommen würde.

5. Audrey war zwar sehr erstaunt, erklärte sich aber schnell bereit, ihm den Weg zum nächsten McDonald's zu zeigen, weil die nigerianische Delegation anscheinend dorthin wollte, wenn er sich bereit erklärte ihr zu helfen, ihre Modenschau zu finden. Also brachte sie Percy und alle Leute, die nach und nach plötzlich in der Telefonzelle auftauchten, zu dem McDonalds, der eine Straße weiter war. Dort konnte ihr glücklicherweise jemand den Weg erklären, und weil sie noch unzählige Fragen hatte und Percy ihr sehr sympathisch war, lud sie ihn ein, mitzukommen. Sie hatten viel Spaß zusammen und verbrachten den Rest der Nacht in seiner Wohnung und Audrey war ihrer Freundin bis heute dankbar, dass sie so eine schrecklich unleserliche Schrift hatte.

6. Hätte sie nicht die ganzen Leute in der Telefonzelle gesehen, die einfach so aufgetaucht waren, und wäre Percys Wohnung nicht so magisch gewesen, sie hätte nie im Leben geglaubt, dass er ein Zauberer war. Er wirkte so bodenständig und normal und richtiggehend spießig, so ganz anders als diese vielen exzentrischen Menschen, die ihr in der Schauspielbranche begegnet waren. Die hätte sie alle sehr viel eher für Zauberer gehalten als Percy, aber wenn sie ihm Bilder von einem bescheuerten Regisseur oder einer unmöglichen Schauspielerin zeigte, zuckte er nur mit den Schultern und versicherte ihr, dass er diese Menschen noch nie in der Zauberwelt gesehen hatte. In gewisser Weise waren Hexen und Zauberer wirklich sehr viel normaler als viele Muggel.

7. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, sich irgendwann von Percy zu trennen, nur weil er ein Zauberer war. Sie liebte Percy, er war toll, und sie sagte sich, dass es genauso wäre, wie wenn sie mit einem Italiener oder Argentinier oder Japaner zusammen wäre. Percy kam einfach aus einer anderen Kultur, das war alles. Er war nicht so viel anders als sie. Diese Meinung war etwas schwerer aufrecht zu erhalten, als er sie das erste Mal in den Fuchsbau mitnahm. Seine Wohnung in London war zwar magisch, aber nicht so sehr, dass es einem sofort ins Auge sprang, aber das Haus seiner Eltern war so voller Magie, dass man es unmöglich ignorieren konnte.

8. Percys Familie war toll. Laut, chaotisch und liebenswert, auch wenn sie alle gezeichnet waren durch den Krieg, den sie durchleben mussten. Sie nahmen sie herzlich in ihrer Mitte auf und gaben ihr nie absichtlich das Gefühl, nicht dazu zu gehören. Trotzdem dauerte es eine ganze Weile, bis sie sich daran gewöhnte, dass sie bei einigen Sachen einfach nicht mitreden konnte. Sie kannte Hogwarts nicht und sie brauchte sehr lange, bis sie die Strukturen der Zauberwelt halbwegs begriffen hatte. Es gab so viele Insiderinformationen, die sie nie wissen würde. Sie hätte erwartet, dass sie sich am besten mit Harry und Hermine verstehen würde, die beide ebenfalls in der Muggelwelt aufgewachsen waren, aber überraschenderweise war es Fleur, mit der sie am meisten gemeinsam hatte. Fleur war zwar durch und durch eine Hexe, aber sie war in Frankreich aufgewachsen und längst nicht so integriert in die englische Zauberwelt wie Harry und Hermine. Außerdem konnte Audrey als Einzige Französisch und es machte Spaß, sich mit Fleur zu unterhalten, ohne dass der Rest der Familie wusste, worum es ging. Es war ihre eigene Geheimsprache.

9. In den meisten Fällen machte es ihr nichts aus, dass sie die einzige war, die nicht zaubern konnte. Sie hatte andere Qualitäten und keinen aus der Familie störte es, dass sie keine Hexe war. Ihr Schwiegervater war voller Fragen über die Muggelwelt, über die sie sich ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht hatte und sie verbrachte sehr viel Zeit auf Wikipedia, um seine Fragen beantworten zu können.

Schwierig wurde es erst, als Percy und sie ihre Mädchen bekommen hatten, die beide ausgezeichnete Hexen waren, schon lange bevor sie nach Hogwarts kamen. Sie hasste es, dass es einen Teil ihrer Kinder gab, den sie nie verstehen würde. Für sie war ein gebrochenes Bein eine schreckliche Sache gewesen, die sie mindestens einen Monat davon abgehalten hatte, sich vernünftig zu bewegen, aber für Percy und die Mädchen war es eine Sache von einer halben Stunde im Zauberkrankenhaus und alles war wieder geheilt. Percy tat alles, damit sie sich nicht ausgeschlossen fühlte, aber in dieser Hinsicht konnte auch er nicht zaubern. Manchmal fragte sie sich, ob es mit einem Italiener, Argentinier oder Japaner nicht doch einfacher gewesen wäre, aber sie würde Percy und die Mädchen trotzdem für nichts auf der Welt hergeben.

10. Sie fand es absolut lächerlich, dass Percy sich so darüber aufregte, dass Molly direkt nach der Schule heiraten wollte. Sicher, Molly war jung, aber wenn Audrey es richtig verstanden hatte, war es nicht unüblich, direkt nach der Schule zu heiraten. Und gerade nach dem Abschluss war genau die richtige Zeit, etwas Verrücktes zu tun. Sie war nach London gezogen, um Schauspielerin zu werden. Percy war nach London gezogen, weil er sich mit seiner Familie zerstritten hatte und ein zu sturer Esel war, um sich wieder mit ihnen zu versöhnen. Und Molly war genauso stur wie Percy, sie würde sich ihren Entschluss nicht ausreden lassen. Außerdem war sie sehr verantwortungsbewusst, viel mehr als Audrey in ihrem Alter, und Justin und sie verhielten sich praktisch schon wie ein altes Ehepaar.

Audrey war sich nicht sicher, ob es wirklich gut gehen würde, aber man musste seine Kinder eigene Entscheidungen treffen lassen. Percy würde das schon noch lernen.

TBC…