23. Dezember: Angelina Johnson (George)

1. Angelina wusste schon als kleines Mädchen, dass sie einmal nach Gryffindor kommen würde. Ihre Mum war in Hufflepuff gewesen, ihr Dad in Ravenclaw, ihre Tante sogar in Slytherin, aber Angelina wusste unweigerlich, dass sie einmal in Gryffindor sein würde. Mit fünf hatte sie eine Phase, in der sie nur rote Sachen tragen würde, so sicher war sie sich. Und sie hatte völlig Recht, der Hut schickte sie ohne zu zögern nach Gryffindor.

2. Angelina war immer zeitgleich genervt von Fred und George und belustigt. Keiner konnte bestreiten, dass sie einen tollen Sinn für Humor hatten. Und ihre Streiche waren wirklich durchdacht und wirksam, und auch wenn die Lehrer sie tadelten, war Angeline sich sicher, dass zumindest Professor McGonagall und Flitwick sie insgeheim sehr lustig fanden, von Professor Dumbledore ganz zu schweigen, aber das wusste jeder. Doch die Zwillinge unterbrachen auch häufig den Unterricht mit ihren Scherzen und Quabbeleien, und was noch viel schlimmer war, sie trieben Oliver Wood mit Vorliebe in den Wahnsinn, was immer zu einer halbstündigen wöchentlichen Rede über die Wichtigkeit von Quidditch und Konzentration führte. In diesen Momenten hätte sie die Zwillinge immer umbringen können.

3. Angelina liebte Quidditch. Vor Hogwarts hatte sie nicht viel Interesse an dem Sport oder Fliegen gehabt. Irgendwie kam es ihr immer dumm vor, dass diese Spiele kein festgesetztes Ende hatten, und um ehrlich zu sein fand sie Fußball viel besser, aber als sie das erste Mal auf einem Besen saß, änderte sie ihre Meinung. Es machte so einen Spaß, durch die Luft zu sausen, sich den Ball zuzuwerfen, Klatschern auszuweichen und dann den Hüter auszutricksen, um ein Tor zu schießen. Sie hatte großes Glück, als Zweitklässlerin in die Mannschaft zu kommen.

4. Angelina hatte immer unterschätzt, wie anstrengend es war, der Kapitän der Mannschaft zu sein, und sie entschuldigte sich im Stillen tausendmal bei Oliver, weil sie sich über ihn lustig gemacht hatte. Es war harte Arbeit, die Taktik auszuarbeiten und die richtigen Leute zu finden, und dann gab es noch diese ganzen zusätzlichen Hindernisse, mit denen sie nie gerechnet hätte. Sie verlor nach dem ersten Spiel Harry, Fred und George und musste (miserablen) Ersatz finden, davor hatte Harry ständig Nachsitzen gehabt, Ron war richtig gut, aber er hatte einfach zu viel Lampenfieber, und das ganze Team war Kollateralschaden in der Privatfehde von Professor McGonagall und Umbridge. Dass sie es trotzdem schaffte, mit ihrem Team die Hausmeisterschaft zu gewinnen war wirklich der größte Triumph und sie rieb das Oliver noch jahrelang unter die Nase. Er hatte als Kapitän nur zweimal mit einem komatösen Harry zu kämpfen gehabt, und das war nun wirklich Pipifax im Vergleich.

5. In Hogwarts hatte sie wenig Interesse an Jungs gehabt. Quidditch war ihre große Liebe, und dann kam Voldemort zurück und der Großteil der Zauberwelt ignorierte das einfach, und wer hatte da schon groß Zeit für Liebe? Sie hätte auch nie sagen können, dass sie Fred oder George sonderlich attraktiv fand. Außerdem waren die beiden immer nur zu zweit anzutreffen und Angelina konnte sie nie auseinanderhalten. Wie hätte man sich da für einen entscheiden können? Trotzdem stimmte sie zu, mit Fred auf den Ball zu gehen, auch wenn sie sonst kein Interesse an ihm hatte. Sie wusste ganz genau, dass es bestimmt einer der spaßigsten Abende ihres Lebens werden würde, wenn sie mit ihm ging, und das ganze klang sonst ehrlich gesagt ziemlich langweilig. George fragte Katie, und die vier saßen den ganzen Abend zusammen und hatten einen riesen Spaß. Sie bekamen kaum mit, dass Hermine mit Viktor Krum ging, und die halbe Schule über sie herzog. Völlig zu Unrecht, Angelinas Meinung nach. Warum sollte Hermine nicht mit ihm ausgehen, wenn sie gerne wollte? Als ob irgendjemand sonst mehr Recht darauf hatte, mit Krum auszugehen.

6. Angelina war tief getroffen, als sie schließlich erfuhr, dass Fred gestorben war. Es dauerte einige Stunden, bis sie im Chaos des letzten Kampfes mitbekam, dass er nicht überlegt hatte. Sie und Katie lagen sich in den Armen und feierten, dass Voldemort endlich tot war, da fiel ihr Blick auf George, der verloren in der Menge stand und tottraurig aussah. Es dauerte einen Moment, bis sie erkannte, was sie an dem Bild störte. Es war nicht das fehlende Ohr, an das hatte sie sich schon gewöhnt. Aber sie hatte George noch nie ohne Fred gesehen, und sie wusste sofort, was passiert war. Sie befreite sich von Katie und umarmte ihn wortlos. Was sollte man schon zu einem Mann sagen, der seinen Zwilling verloren hatte?

7. Es dauerte einige Jahre, bis sie George nach dem Krieg wiedersah. Sie arbeitete mit Percy und Hermine in der Abteilung für magische internationale Zusammenarbeit und erfuhr manchmal von ihnen, wie es ihm ging, aber nach dem Krieg war ihr alter Freundeskreis etwas auseinandergedriftet und sie liefen sich einfach nicht über den Weg. Sie und George begegneten sich erst auf Ron und Hermines Hochzeit wieder, und Angelina würde sich bis an ihr Lebensende daran erinnern, wie überrascht sie war, dass er so erwachsen wirkte.

Egal, wie alt sie auch waren, die Zwillinge wirkten immer wie zu groß geratene Kinder. Das war selbst bei ihrer Ladeneröffnung in der Winkelgasse nicht anders gewesen. Aber jetzt … und es war nicht Georges fehlendes Ohr, das hatte damals im Krieg nichts an seiner Wirkung verändert. Nein, es war Fred, der an seiner Seite fehlte, und dessen Trauer ihm immer noch ins Gesicht geschrieben stand. Er lachte zwar, und er war ein genauso guter Tänzer wie Fred damals, als er sie auf die Tanzfläche zog, aber es war nicht wie früher. Und es zerriss ihr das Herz, wenn er mitten im Satz abbrach, weil er darauf wartete, dass Fred seinen Satz beendete, und wie ein Schatten über sein Gesicht fiel, wenn er sich wieder daran erinnerte, dass das nicht mehr möglich war.

8. Nach der Hochzeit liefen sie sich plötzlich ständig über den Weg, und als er sie schließlich ganz offiziell zum Essen einlud, sagte sie ohne zu zögern ja. Es war schrecklich, dass Freds Tod der Grund gewesen war, aber er war in den letzten Jahren wirklich erwachsen geworden und sie war unglaublich gerne mit ihm zusammen. Er war immer überzeugt davon, dass sein fehlendes Ohr und die Narben drum herum total sexy waren. Schließlich flogen die Mädels früher auch auf Harrys Narbe und Bill zog immer bewundernde Blicke auf sich, auch mit den Narben von Greyback (und Angelina musste zugeben, die hatten schon was, besonders kombiniert mit seinem Giftzahnohrring). Aber um ehrlich zu sein war sein Ohr das letzte, was sie an ihm sexy fand. Es war immer nur eine deprimierende Erinnerung daran gewesen, dass sie die Zwillinge plötzlich unterscheiden konnte, und wie grausam dunkle Magie war.

9. George war ein toller Vater, auch wenn sie seinen verrücktesten Einfällen ständig Einhalt gebieten musste. Es war schlimm genug, dass er so ziemlich jedes Produkt aus dem Laden an sich selbst testete und so begeistert von dem Rest war, dass sie von fast allen Produkten mindestens ein Exemplar Zuhause hatten. George war begeistert, als sie endlich Kinder hatten und er ein paar neue Versuchskaninchen für seine Erfindungen hatte. Seine Geschwister waren verständlicherweise nicht gerade begeistert davon, wenn er nicht fertige Produkte an ihren Kindern ausprobieren wollte (auch wenn Dominique, Lucy, James und Hugo ohne zu zögern ja gesagt hätten). Angelina schaffte es leider nur ungefähr die Hälfte der Zeit, ihn davon abzuhalten, ihre eigenen Kinder so zu missbrauchen, aber es war nie etwas passiert. George hatte seine Produkte schließlich ausführlich an sich selbst getestet (was bei ihm selbst alles schief gegangen war, davon wollte sie gar nicht erst anfangen). Fred und Roxanne liebten es, wenn sie ihrem Dad helfen konnten, und verstanden nie, warum Angelina so eine Spielverderberin sein musste. Aber das war in Ordnung, sie hatte mit nichts anderem gerechnet, als sie George geheiratet hatte.

10. Sie hätte sich gewünscht, dass Fred und Roxanne den Schmerz, den George seit dem Tod seines Bruder mit sich herumtrug, nie selbst erfahren würden, und hätte es ihnen liebend gerne erspart. Aber sie war so machtlos wie alle anderen, Ellen vor dem Tod zu bewahren, und egal, was sie sagte, sie konnte Roxanne auch nicht aus der Depression wegen ihrer Unfruchtbarkeit herausholen. Sie fragte ihre Schwiegermutter Molly, wie die es geschafft hatte, ihre Kinder so leiden zu sehen. Molly hatte nur mit den Schultern gezuckt. „Ich weiß es nicht. Aber irgendwie schaffst du es einfach, weil Aufgeben nie eine Option ist." Angelina versuchte ihren Rat zu befolgen, aber sie wünschte sich für den Rest ihres Lebens, dass sie mehr tun könnte, um ihren Kindern zu helfen.

TBC…