Earel:

Ich lief, lief so schnell ich konnte. Würde ich nicht entkommen, so wäre ich des Todes. Morgoth hatte mich aufgespürt, hatte meine Fährte nach all den Jahren wieder erfasst und jagte mich nun wieder durch die Gestade Beleriands.

Wieso hatte ich damals nur von seinen Plänen erfahren? Wieso nur?

Wäre ich doch niemals in den Moment an diesem Ort gewesen. Oh wie ich mich und mein Glück verfluchte! Als ich zurücksah erblickte ich mit Grauen und Entsetzen die Flammenwesen hinter mir. Feuerpeitschen knallten in der Luft und wurden immer treffsicherer. Jeden Moment konnte sich eine dieser brennenden Schnüre um meinen Knöchel wickeln und mich zu Fall bringen.

Panische Angst ergriff mich und ich lief noch schneller. Wie sollte ich, eine Elbin von dem Blute der Noldor und Teleri jemals gegen einen Maia ankommen?

Meine Mutter nannte sie Valaraucar, Vater hatte sie Balrogs genannt. Feuergeister waren sie. Ehemalige Maiar, die Morgoth verdorben hatte, nachdem er sie auf seine Seite gezogen hatte.

Die Bäume hinter mir gingen in Flammen auf, ich hörte es an dem Knistern des Feuers und am Wehklagen und Schreien der Pflanzen. Das Kreischen der Vögel, das Brüllen der Hirsche, Raubtiere und Pflanzenfresser trieb mich noch mehr an. Die Angst erwischt zu werden war groß, die Wahrscheinlickeit hoch. Ich war zu Fuß unterwegs, nicht zu Pferd, was mir einen riesigen Nachteil verschaffte.

Neben meinem Ohr war plötzlich ein so lautes Schnalzen, dass ich verängstigt in eine andere Richtung rannte. Meine Sinne waren überempfindlich geworden, so geschärft wie noch nie.

Und dann sah ich ihn.

Der Sirion, meine Rettung, zog sich gleich einem silbernen Band durch die Ebene, teilte die Landschaft. Die restlichen Bäume hinter mir lassend, spurtete ich zu dem Strom. Meine Angst verlieh mir Flügel.

Doch ein Brennen hinderte mich daran, das letzte Stück in die Freiheit zurückzulegen. Mit einem schmerzhaften Laut fiel ich und wurde wieder in Richtung Wald gezogen. Das Brennen wurde zu einem flammenden Schmerz, verbrannte meinen Fuß und lähmte meinen Körper.

Panik überfiel mich, schüttelte mich durch und mein Kopf wurde wieder klar. Mit einem Aufbäumen versuchte ich mich lozureißen, krallte meine Hände in die Erde und das Gras und schrie meine Gebete den Sternen zu.

So durfte es nicht enden! So würde ich nicht enden, ich durfte nur nicht aufgeben. Mit einer Hand zog ich einen Dolch, krallte mich noch fester in die Erde, stemmte meinen freien Fuß in den Boden, nur um ein wenig Halt zu finden.

Meine Hoffnungen lagen auf dieser Waffe. Ich hatte einen Wurf, eine Chance frei. Würde ich nicht treffen, so Gnade mir Iluvatar!

Meine Augen visierten einen Punkt an und ich warf meine Hoffnung auf die Peitsche dieses Scheusals. Erstarrt wartete ich ab, betete zu Elbereth, zu Manwe Sulimo und all denen die man die Valar nannte.

Die Zeit verann langsamer, der Dolch kam auf die Schnur zu. Drehte sich um sich selbst. Silbern blitzte die Klinge auf und das Geräusch durchschnittener Luft hallte in meinen Ohren wider.

Mit aufgerissenen Augen folgte ich Waffe, auf dem alle Hoffnung lag, die ich hatte.

Ein Geräusch von gespannten Stahl, der zerbrach hallte in der Luft und das Ziehen, das meinen Körper vorher noch gefangen hielt, war verschwunden.

Schnell sprang ich auf, rannte, humpelte mehr, zum Strom. Nur mehr wenige Meter, dann hatte ich es geschafft.

Ein Brüllen hinter mehr zerschnitt die Luft als ich mit einem erleichterten Aufschrei in die kühlen Fluten eintauchte. Das kalte Wasser kühlte meine Verletzung durch die Peitsche und ließ mich klar denken.

Doch plötzlich war da dieses gleißende Licht. Angst kroch wieder in mir hoch. Angst, dass sie mich doch noch erwischten. Aber keine Hitze umfing mich, sondern Wärme und etwas, was ich als Liebe bezeichnen würde.

Dann war da diese Stimme die „Du bist in Sicherheit! Fürchte dich nicht!" in mein Ohr flüsterte. Mir wurde schwarz vor Augen, alles wurde in meinem Kopf in ein buntes Chaos getaucht.

Als ich aufwachte, war etwas anders. Über mir waren die Sterne, um mich herum die Geräusche von Wasser, einem Wald und die meines Atems. Doch Erinnerungen an Personen, Orte und Dinge sah ich, die nicht von mir waren. Ich spürte ein anderes Wesen in mir, so fremd und doch so vertraut.

Trauer verspürte ich als ich die Kindheit des Mädchens, denn als das stellte sich das Wesen heraus, sah. Als ich ihr Wissen über Mittelerde und die Zukunft las, wurde mir direkt schwindlig. Doch sie war wie ich, ich fühlte es. So als wären sie und ich ein und dieselbe Person. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie mir freiwillig alles zeigte, mich freiwillig alles über sie herausfinden ließ. Verzweiflung schien ein ewiger Begleiter von ihr zu sein, wenn ich alles richtig deutete.

Bereitwillig ließ ich sie vieles aus meinem Leben sehen, doch nicht alles, dafür schien sie mir noch zu verletzlich und noch nicht bereit. Freude durchflutete mich, die nicht von mir sondern von ihr kam.

Ich verband mich mit ihr, um ihr Trost zu spenden. Sie hatte ihr Vertrauen auf mich gelegt, hatte mich alles über sie herausfinden lassen. Ich spürte, dass sie sich sofort zurückziehen würde, wenn ich meinen Körper für mich beanspruchen sollte. Doch das hatte sie nicht verdient, nicht nachdem sie mir gezeigt hatte, dass sie mir voll und ganz vertraute. Lieber wollte ich mit ihr ein und dieselbe Seele werden, als dass ich sie verletzte.

Es war eine willkommene Abwechslung für mich wie auch für sie. Es wäre meine Chance ein neues Leben zu beginnen ohne die ständige Angst. Denn Morgoth konnte mich nur über meine Seele aufspüren, über meine Aura. Jetzt würde diese sich verändern und unerkennbar für meine Feinde werden.

Natürlich war es etwas eigennützig, doch sie schien mir sogar zu zustimmen. Ich spürte wieder einen Wirbel in meinem Kopf. Die Valar verschmolzen unsere Seelen, ließen sie eins werden.

Dann verspürte ich diesen Schmerz an meinem Bauch. Heiß und stechend machte sich diese Wunde bemerkbar. Doch ich wurde abgelenkt von dem Geräusch eines Aufpralls und einem herzhaften Fluchen in meiner Muttersprache. Muttersprache? Ach ja, das musste die des Mädchen, also von nun an auch meine sein. Doch als sie aufstand, stolperte sie über mich und ich musste vor Schmerz aufschreien.