Kapitel 12

„Wirklich, du hast also schon Erfahrung als Coach?", fragt Satsuki aufgeregt, als Tally und sie draußen vor der Sporthalle stehen und zusammen auf Daiki warten, der sich doch tatsächlich dazu herabgelassen hat wieder regelmäßig am Training teilzunehmen. Wobei die Rosahaarige ja vermutet, dass das stark an einer gewissen neuen Mitschülerin liegt, aber der Grund warum er wieder mitmacht ist ihr eigentlich ziemlich egal.

Die junge Weißhaarige zuckt bloß mit den Schultern. „Nein, nicht so richtig. Also jedenfalls nicht offiziell in einem Verein oder so. Ich hab mir Alex stark als Vorbild genommen und als ich den Kontakt zu ihr und den Jungs verloren hatte, hab ich in meiner neuen Umgebung ab dem Mittelschulalter angefangen jüngeren Kindern in unserer Nachbarschaft ein bisschen Basketball beizubringen. Ich habe mich immer gerne an meine Zeit mit Tatsu, Tai und mit Alex als unsere Trainerin zurückerinnert und ich wollte anderen Kindern eine ähnliche Freude machen, das war auch schon alles. Ich war ja nie in einem Basketballteam und ich wollte auch nie in eine Mädchenmannschaft, da hab ich meine Freizeit lieber draußen auf der Straße oder mit meinem Vater und seinen Kollegen verbracht."

Als das Wunderass dann endlich aus der Halle kommt, sieht er einigermaßen überrascht aus, als er die zwei Mädchen bemerkt, die auf ihn warten. Damit hätte er wohl nicht gerechnet. „Was macht ihr denn noch hier?" Seine Sandkastenfreundin rollt mit den Augen und seufzt und Tally kichert über ihre Reaktion. „Dai-chan, also wirklich…", schimpft sie nur leise und setzt sich langsam in Bewegung in Richtung Schultor. Allerdings kommen die drei Klassenkameraden nicht sehr weit, als ihnen ein freudestrahlender Blonder winkend entgegenrennt.

„Ist das nicht… Ki-chan?", wundert sich Satsuki und Daiki zieht eine Grimasse. „Ugh, was will der denn hier?!" Aber bevor die beiden auf ihren ehemaligen Teamkollegen reagieren können, hat er auch schon Tally im Arm, die die Umarmung zur Begrüßung fröhlich erwidert. Dem Basketball Ass klappt beinahe die Kinnlade herunter und seine Kindheitsfreundin nebendran ist nicht weniger überrascht.

„Na, Prinzessin, wie läuft's?", fragt Ryota und hält ein zusammengerolltes Magazin in die Höhe. „Unsere gemeinsamen Fotos sind endlich raus, willst du mal sehen? Ich dachte ich komme mal vorbei und zeige sie dir, du hast sie doch bestimmt noch nicht bekommen, oder?" Die goldenen Augen des Blonden leuchten wie die von einem kleinen Kind kurz vor Weihnachten. Tally stellt sich direkt neben ihn, um sich die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Arbeit anzusehen und ihr Modelpartner legt ihr einen Arm um die Schultern während sie zusammen die Zeitschrift aufschlagen.

„Vielen Dank, dass du an mich gedacht hast, Ryo. Ist wirklich schön dich zu sehen!", freut sich die junge Weißhaarige. „Aber sag mal, woher hast du das denn so früh? Du hattest recht, ich hab noch gar nichts bekommen und ich hab Sacchan versprochen, dass sie auch ein Magazin bekommt sobald ich meine ersten Bilder draußen hab."

Erst da scheint dem Blonden aufzufallen, dass seine beiden früheren Kameraden ebenfalls anwesend sind und er grinst breit in ihre Richtung. „Wow, ihr beiden! Das ist ja schon ewig her seit ich euch das letzte Mal gesehen hab! Wollt ihr euch auch mal unsere Fotos angucken? Die sind super spitze geworden!" Langsam scheinen auch Satsuki und Daiki wieder aus ihrer Schockstarre aufzutauen und die Rosahaarige wirft Tally einen verwirrten Seitenblick zu. „Ihr modelt zusammen? Davon weiß ich ja noch gar nichts!"

„Sollte eine Überraschung werden. Eigentlich hatte ich vor dir das Magazin zu schenken, aber Ryo hat es früher von seinem Management bekommen als ich. Er ist eben schon länger im Business und hat bessere Beziehungen. Ich bin hier die Newcomerin.", erklärt die junge Weißhaarige und ihre beiden Klassenkameraden stellen sich hinter sie, um ihr auch über die Schulter gucken zu können während sie die Zeitschrift mit den Modelfotos durchblättern.

„Krass, was sind das denn für Fummel!", kommentiert Daiki irgendwann mit einem leicht rötlichen Schimmer um die Nase, als er die luxuriöse Abendgarderobe betrachtet, die von den beiden Models auf den Bildern vorgeführt wird und die beiden Mädchen fangen an zu lachen. „Gut, dass es keine Bademode war, was?!", gibt Tally leicht spöttisch und mit einem Zwinkern zurück, was Satsuki nur noch mehr zum Lachen bringt, sodass sie sich den Bauch halten muss.

„S-Sag bloß sowas machst du auch noch?!" Das Gesicht des Basketball Asses wird immer röter, was auch seinem ehemaligen Teammitglied nicht verborgen bleibt. „Aominecchi, geht etwa gerade deine Fantasie mit dir durch?", neckt Ryota ihn mit einem hinterhältigen, wissenden Grinsen im Gesicht und bekommt dafür nur einen bitterbösen Blick als Antwort.

„Darf man mitlachen, oder störe ich gerade bei irgendwas?", unterbricht eine bekannte Stimme die kleine Gruppe, die sich um das bunte Magazin versammelt hat und alle fahren erschrocken herum. Vor ihnen steht Seijuro und lächelt seine Freunde an. „Hallo Tally. Ryota, Daiki, Satsuki, es ist schon wieder viel zu lange her, nicht wahr? Ich freue mich euch alle zu sehen."

„Sei!", ruft die Weißhaarige erfreut und geht zu dem jungen Captain, um auch ihn in den Arm zu nehmen, während die anderen drei Oberschüler vor Schreck erstarren und scharf die Luft einziehen bei ihrer Aktion. „Was machst du denn hier? Wie schön, dass du uns besuchen kommst!" Für einen kurzen Moment ist auch Seijuro selbst ganz überrascht, erwidert dann die freundschaftliche Umarmung aber ebenso fröhlich. „Du hast am Wochenende eine Kleinigkeit bei mir liegen lassen.", erklärt er und übergibt ihr das hellrosa Seidentuch.

„Ach und ich hab mich schon gefragt wo das abgeblieben sein könnte! Ich danke dir! Aber dafür hättest du dich doch nicht den ganzen Weg hierher bemühen müssen." Tally nimmt lächelnd ihr Kleidungsstück entgegen und packt es in ihren Rucksack. Die anderen beobachten den Austausch zwischen den beiden immer noch völlig ungläubig. Wie angewurzelt stehen sie in einer Reihe da und glotzen Seijuro und Tally an.

„So hatte ich eine geeignete Ausrede dich wiederzusehen.", antwortet der junge Captain mit seinem prinzenhaften Lächeln und sieht Tally dabei unverwandt in die Augen. Die junge Weißhaarige errötet verlegen und bedankt sich noch einmal bei ihm. Flirtet er etwa gerade mit ihr oder ist es diese sehr höfliche, charmante Etikette eines reichen Gentlemans? Egal was es ist, es funktioniert.

„Hat er nicht wirklich gerade gesagt, oder…?", murmelt Ryota entgeistert. „A-Akashi-kun…", presst Satsuki nur mühsam hervor, ist aber nicht dazu in der Lage einen korrekten Satz zu formulieren. Daiki ist der einzige von ihnen, der bei dieser unglaublichen Szene still bleibt und seine Hände, die tief in seinen Hosentaschen vergraben sind zu zwei Fäusten zusammenballt. Was zur Hölle geht hier eigentlich gerade ab?!

Und als wäre diese gesamte Situation nicht schon total abgefahren und unwirklich genug, kommen ganz plötzlich wie aus dem Nichts ein großgewachsener, muskulöser Rotschopf und ein kleiner, unscheinbarer Teenager mit hellblauen Haaren und Augen um eine Ecke des Schulgebäudes gebogen. „Woah, Leute!", wundert sich Taiga und bleibt perplex stehen. „Was ist denn das hier für eine verrückte Versammlung?!" Natürlich reagiert Satsuki sofort und wirft sich mit einem verliebten „Tetsu-kun!" auf ihren Angebeteten, was der allerdings gar nicht so klasse zu finden scheint, denn er wehrt sich in ihrem eisernen Griff. „Momoi-san, ich kann nicht atmen!"

Aber auch Tallys schöne, zweifarbige Augen weiten sich merklich und fangen an zu leuchten. Dazu breitet sich noch ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus, als sie Taiga mit seinem kleineren Freund im Schlepptau entdeckt. Als Daiki ihre Reaktion bemerkt, zieht sich aus heiterem Himmel überraschend sein Herz schmerzhaft zusammen und er hat das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Was…?! Und dann rennt die Weißhaarige plötzlich los und wirft sich mit einem Freudensprung in die Arme des Feuermelders, der sie lachend auffängt und fest an sich drückt. „Tai!", quietscht sie, wie ein kleines Mädchen. „Ich hab dich so vermisst!" Der rothaarige Riese setzt sie wieder auf dem Boden ab und wuschelt mit einer seiner großen Hände über ihren Kopf. „Na und ich dich erst, deswegen sind wir ja hier. Wie geht's dir, Kleines? Und was machen die denn alle hier?" Er gestikuliert mit einer Hand in Richtung der anderen Oberschüler, die alle genauso verblüfft aussehen.

„Meine Güte, was für ein Durcheinander. Hey, Kagamicchi, Kurokocchi, lang nicht gesehen!", kommentiert Ryota als er seine Stimme endlich wiedergefunden hat und winkt den beiden Neuankömmlingen und auch Taiga hebt die Hand. „Yo! Kise, Akashi, Aomine, Momoi!" Er nickt den anderen knapp zu, wobei Satsuki immer noch an Tetsuya hängt und der sich deshalb kein bisschen bewegen kann. „Hallo zusammen.", seufzt der Blauhaarige deshalb bloß, was Seijuro leicht zum Schmunzeln bringt. „Nun, ich muss gestehen, auch ich bin leicht verwirrt. Mit so einer… lebhaften Entwicklung hätte ich nicht gerechnet."

„Oh, sieh dir doch nur mal die beiden an, sind sie nicht süß zusammen?", schwärmt Tally und zupft Taiga dabei am Ärmel als sie Satsuki und Tetsuya zusammen sieht, aber ihr rothaariger Kumpel kratzt sich nur leicht am Kopf. „Hat sie dir etwa auch erzählt, dass er ihr Freund ist?"

Die junge Weißhaarige nickt verständnislos. „Ja, hat sie. Warum denn auch nicht?" Taiga stöhnt ungläubig auf und schüttelt seinen Kopf. „Weils nicht stimmt. Die beiden sind kein offizielles Paar. Kuroko betrachtet sich nicht als ihren Freund, aber trotzdem scheint sie so verliebt in ihn zu sein, dass sie es überall so rumerzählt." Für ein paar Sekunden weiß die Weißhaarige nicht so recht, ob sie darüber lachen oder einfach nur verwirrt sein soll. „Naja, also… irgendwie tut mir das ja auch leid für sie…"

Währenddessen steht Daiki immer noch wie angenagelt am selben Platz und weiß nicht, was er machen oder wie er auf diese absurde Situation reagieren soll. Woher kennt Tally plötzlich die anderen und was haben die alle hier an seiner Schule verloren? Die Tatsache, dass scheinbar alle alleine ihretwegen hier angerückt sind, trifft ihn sehr viel härter als erwartet und er kann sich nicht erklären, wieso. Das plötzliche Bedürfnis sich einfach beleidigt umzudrehen und alleine nach Hause zu gehen überwältigt ihn fast, aber er hält sich zurück. Wenn er jetzt geht, lässt er die junge Weißhaarige alleine mit diesen ganzen Typen zurück, die ihr ja scheinbar nahe genug stehen um sie zu umarmen und so zum Kotzen vertraut mit ihr umzugehen als würden sie sich alle schon ein halbes Leben lang kennen und das geht ja mal gar nicht! Wer weiß, was die sich noch mit ihr einfallen lassen würden, wenn er nicht mehr da wäre und dann würde er es nicht einmal mehr mitbekommen!

Nach und nach stellen sich dann schließlich alle zusammen und klären die ganze Situation untereinander auf. Tally erzählt, woher sie die Jungs und auch die anderen aus der Wundergeneration kennt, die nicht anwesend sind, alle schauen sich zusammen die Modelbilder von ihr und Ryota an, wobei der Blonde die ganze Zeit furchtbar angibt, wie gut sie geworden sind und Taiga und Tetsuya erklären, dass der Rotschopf seine „kleine Schwester" von der Schule abholen wollte, um nach ihrem unverhofften Wiedersehen nach dem Trainingsspiel mit Shintaros Mannschaft ein bisschen Zeit mit ihr zu verbringen.

Die ganze Zeit über presst Daiki fest seine Kiefer aufeinander und hört sich die Geschichten ohne einen Kommentar an, aber seine Laune bessert das Ganze überraschenderweise so gar nicht. Im Gegenteil er bekommt immer größere Lust mal jemandem ordentlich eine reinzuhauen und zu seinem Erstaunen ist ihm in diesem Moment sogar relativ egal wem. Hauptsache diesen angestauten Frust irgendwo loswerden. Aber wieso ist er so dermaßen angepisst? Woher kommt das bloß?

„Was ziehst du eigentlich schon die ganze Zeit für ein Gesicht, Aomine?", fragt Taiga irgendwann spöttisch und haut ihm kräftig auf die Schulter, was Daiki aus seinen trüben Gedanken reißt. „Du siehst ja aus als hättest du in eine Zitrone gebissen!" Ryota nickt und steigt in die Neckerei natürlich sofort mit ein. „Ja, genau, recht hat er! Wir haben uns doch alle so lange schon wieder nicht gesehen. Freu dich doch wenigstens mal!"

„Tch. Nicht lange genug, wenn du mich fragst!", brummt das Ass stattdessen und dreht seinen Kopf beleidigt weg. „Auf so ein Theater hätte ich auch verzichten können!" Sein Blick landet ausgerechnet auf Tally, die ihre perfekt gezupften Augenbrauen anhebt. „Du solltest wirklich dringend an deiner Sozialkompetenz arbeiten, weißt du…"

Nachdem bei ihrem trockenen Kommentar alle in herzhaftes Gelächter ausgebrochen sind, außer natürlich Daiki selbst, beschließen die Teenager diese einmalige Gelegenheit wenigstens zu nutzen und noch etwas zusammen zu unternehmen, wenn schon mal alle an einem Platz so versammelt sind. Natürlich ist es ein bisschen schade, dass Atsushi, Tatsuya und Shintaro nicht dabei sind, aber die kleine Gruppe entscheidet sich trotzdem dafür, zusammen essen zu gehen und danach noch ein paar Videospiele in einem Gamecenter auszuprobieren.

Die Stimmung ist den ganzen Abend über ausgelassen und fröhlich und mit der Zeit taut auch Daiki wieder etwas auf und wird von seiner miesen Laune erfolgreich abgelenkt, trotzdem grübelt er später auf dem Heimweg mit Satsuki ernsthaft darüber nach, was sie verursacht haben könnte. Unzufrieden zieht er die Augenbrauen zusammen und runzelt unter wiederholtem Seufzen die Stirn, bis es seiner Sandkastenfreundin schließlich zu blöd wird.

„Wenn es dich so sehr stört, dass Ri-chan sich mit den anderen Jungs so gut versteht, dann unternimm doch endlich mal was! Wie oft muss ich dir das denn noch sagen?!", motzt sie empört und wirft dramatisch die Arme in die Luft. Aber Daiki legt nur sichtlich verwirrt den Kopf schief. „Huh?!" Die Rosahaarige greift sich resignierend an die Stirn. Wenn das so weitergeht wird sie noch furchtbare Migräne bekommen!

„Es ist doch total offensichtlich, dass du mega eifersüchtig bist!", stellt sie klar und ihr bester Freund bleibt plötzlich einfach stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gerannt. Bevor er allerdings wütend protestieren kann, hält Satsuki ihre Hand hoch und bringt ihn zum Schweigen. „Wenn du jetzt wieder anfängst alles abzustreiten, schwöre ich, helfe ich dir nie wieder!", droht sie ihm und er schließt langsam, aber sichtlich verärgert seinen Mund. „Gesteh es dir doch wenigstens selbst ein, wenn du es schon nicht einmal vor mir laut aussprechen kannst. Es ist doch keine Schande jemanden zu mögen!"

Eine Schande ist es vielleicht nicht, aber es ist nervig und aufwendig und es bringt einen so dermaßen durcheinander, dass man selbst gar nicht mehr weiß, was man anstellen soll. Außerdem ist diese Eifersuchtsgeschichte echt ätzend! Verdirbt einem die ganze Stimmung! Wenn es sich tatsächlich so anfühlt jemanden gern zu haben, würde Daiki wohl eher darauf verzichten, aber scheinbar kann man es sich ja nicht einmal aussuchen.

„Satsuki…", murmelt das Basketball Ass leise und meidet ihren Blick, als seine Sandkastenfreundin sich wieder zu ihm umdreht. „Ich würde sie lieber nicht so mögen…"