Kapitel 16: Walinsel
Ich saß auf der breiten Holzreling des Schiffes, das uns sicher über den weiten Ozean beförderte und genoss die salzige Brise, die mich streifte. Dicke weiße Wolken zogen über den azurblauen Himmel und die warme Sonne spiegelte sich in den seichten glitzernden Wellen des Meeres. Hier und da sah ich dunkle Schatten unter der Wasseroberfläche und einmal tauchte eine riesige Rückenflosse aus dem Wasser auf. Ich hätte aufgeregt und fasziniert sein müssen, schließlich hatte ich meine Stadt noch nie zuvor für längere Zeit verlassen und war auch nie sonderlich weit gekommen. Eine Schifffahrt war eins von vielen „ersten Malen", die hier draußen in der Realität auf mich warteten, fern ab von der Sicherheit und Geborgenheit meiner Kirche und den Nonnen. Stattdessen tobte weiterhin ein innerer Kampf in mir, wie ein Wirbelsturm.
Seufzend betrachtete ich zwei Möwen, die schon eine Weile neben unseren Segeln herflogen und zog an meinem Oberteil. Das Wetter hatte sich im Vergleich zur Innenstadt jetzt schon verändert. Die sommerliche Wärme empfand ich nun als Hitze, obwohl weiterhin leichter Wind wehte. Allerdings hatte sich die Luftfeuchtigkeit merklich erhöht und ich hatte zunehmend das Gefühl unter einer Glocke zu sitzen. Schweißperlen standen mir auf der Stirn und mein dunkles Shirt war ebenfalls nass. Meine schwarzen Strähnen klebten an meiner Haut fest und ich überlegte mir, dass die lange Armeehose vielleicht doch nicht die richtige Wahl für diese Reise gewesen war.
Überhaupt zweifelte ich immer noch daran, dass es richtig war, mich doch noch breitschlagen zu lassen mit auf die Walinsel zu kommen. Nach dem Kampf mit Hisoka im Wald hatten mich Gon, Killua und Alluka einer gründlichen Inspektion unterzogen und waren sichtlich erleichtert gewesen, dass ich keine großartigen Verletzungen davongetragen hatte. Gon hatte etwas geschmollt, dass er selbst den Clown nicht zu Gesicht bekommen hatte, aber schließlich war es ihm wichtiger gewesen, mit mir über Ging zu sprechen.
Natürlich konnte dieser Kerl die Klappe nicht halten und hatte meinem Bruder und unseren Freunden erzählt, was zwischen uns vorgefallen war. Und ich war immer noch sauer darüber. Schließlich ging es die drei überhaupt nichts an, was ich Ging an den Kopf warf oder nicht. Aber Gon sah das offensichtlich ganz anders, genau wie die Gesamtsituation mit seinem Vater. Er hatte mir nochmal sehr klar zu verstehen gegeben, dass er Ging nichts vorzuwerfen hatte und dass er auch nicht sauer oder traurig war und ich hatte geantwortet, dass mir das von Anfang an sehr wohl klar gewesen war, ich mich aber mit seiner Einstellung selbst überhaupt nicht anfreunden konnte.
Es war dann darauf hinausgelaufen, dass Gon mich an Gings Stelle gebeten hatte, mit ihm „nach Hause" zu kommen und seine Tante kennenzulernen. Killua und Alluka hatten ihr Übriges dazu beigetragen, mich zu überzeugen und letztendlich war am Abend sogar Schwester Rachel bei mir im Zimmer aufgetaucht. Woher diese Frau bloß immer ihr ganzes Wissen bekam, war mir ein Rätsel und manchmal war es sogar ein bisschen unheimlich, wie viel sie von ihren Mitmenschen mitbekam, aber vielleicht gehörte das zur Jobbeschreibung.
Am nächsten Tag hatte ich dann alle meine persönlichen Sachen in einen großen Koffer, eine Reisetasche und meinen alten löchrigen Rucksack gepackt. Gon hatte darauf bestanden, da er fest davon ausging, dass Mito mich mit offenen Armen empfangen würde und Schwester Rachel hatte uns beide moralisch darin unterstützt, dass es eine schöne Sache wäre, wenn ich endlich einen Platz in der Freecss Familie finden würde. Sie hatte mich sogar dafür getadelt, dass ich respektlos mit meinem Vater gesprochen hatte, was ich von ihr gar nicht gewohnt war.
Den Nonnen schien auch sehr viel daran zu liegen, dass ich mich dazu entschlossen hatte, mit Ging mitzufahren. Als wir uns am Abend verabschiedet hatten, weinten ein paar von ihnen, die meisten beglückwünschten mich, einige erinnerten mich daran dankbar für meine Familie zu sein und mich gut zu benehmen. Die Mutter Oberin verabschiedete mich mit den Worten, dass ich immer einen Platz haben würde, an den ich zurückkehren konnte und das hatte mir unglaublich viel bedeutet, denn die Schwestern und die Kirche waren immer etwas Ähnliches wie eine Familie für mich gewesen und würden es auch weiterhin bleiben. Sie hatten einen dauerhaften Platz in meinem Herzen eingenommen.
Und nun saß ich hier auf dem Schiff in Richtung Walinsel und Mito und zweifelte an meinem Verstand. Ging ignorierte ich seit dem Vorfall geflissentlich, auch wenn er sich dazu bereit erklärt hatte, mein Gepäck zu tragen und trotz meiner ablehnenden Haltung ihm gegenüber mit uns zu seinem alten Heim zu reisen. Gon sprach viel mit mir und sah zu, dass er sich mindestens zweimal am Tag zu mir gesellte, dabei mied er das Thema Vater, denn unsere Gefühle in diese Richtung unterschieden sich zu grundlegend voneinander. Ich konnte seine Denkweise ja nicht einmal nachvollziehen und er war nicht der Geschickteste, wenn es darum ging, solche Dinge zu erklären. Mein Bruder war ein sehr intuitiver Mensch, der sehr auf Instinkte und Emotionen hörte und das akzeptierte ich, auch wenn ich seine Gefühle nicht teilen oder verstehen konnte.
Wenn er nicht bei mir war, trainierte Gon mit Killua und Alluka an Deck, wo auch Ging meistens in einer Ecke saß, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und schlief oder die drei bei ihren Nen-Übungen beobachtete. Ich selbst zog mich zurück. Mir tat die Ruhe gut und ich konnte meine Gedanken ordnen. Außerdem sah ich es als ein gutes Zeichen, dass ich nicht mehr das Bedürfnis verspürte, Ging anzufallen und eigenhändig zu erwürgen.
Wir waren schon den dritten Tag zusammen unterwegs und hatten gerade auf einer größeren Insel mit einem belebten Handelshafen das Schiff gewechselt. Die Walinsel war nicht gerade ein Ort, der von überall her leicht zu erreichen war und wie ich zu meinem Entsetzen feststellte, lag sie noch viel weiter abseits, als ich erwartet hatte. Außerdem wurde es immer noch wärmer und feuchter, je näher wir Gons Heimat kamen und ich war schon auf Tanktops als Oberteile umgestiegen. Ich hatte es mir wieder auf der Reling gemütlich gemacht und lehnte mit dem Rücken an der Gallionsfigur, als sich ganz plötzlich Ging zu mir gesellte. Eine ganze Weile stand er einfach nur neben mir, die Arme vor der Brust verschränkt und starrte mit mir zusammen in den Himmel.
„Weißt du…", setzte er schließlich an und kratzte sich unbehaglich am Hinterkopf. „Ich hätte ihn auch in einem Waisenhaus, einem Krankenhaus oder bei der Kirche abgeben können. Hab ich aber nicht…"
Überrascht sah ich dem erfahrenen Hunter in die Augen. Ihm war die Situation sichtlich unangenehm, aber er entzog sich mir nicht. „Wenn Gon mir tatsächlich gar nichts bedeutet hätte…" Ging ließ den Satz zwischen uns in der Luft hängen und seufzte gequält. „Ich wusste, dass er es bei Mito gut haben würde. Sie ist eine gutherzige junge Frau und hat keine eigenen Kinder. Außerdem ist die Oma mit im Haus. Die Insel ist vielleicht einsam, aber abgelegen genug, um sicher für ihn zu sein. Ich wusste, er würde eine schöne Kindheit dort haben, wenn er auch nur ein bisschen nach mir kommen würde. Als Kind hab ich diese Insel und ihre wilde Natur geliebt und ich hatte gehofft, dass Gon sie auch lieben würde. Mir war von Anfang an klar, dass man ihn dort sowieso nicht würde halten können. Nicht als Jugendlichen. Aber als Kind war er geschützt"
„Geschützt?", wiederholte ich ungläubig. Geschützt vor was?
Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern. „Mein Job ist gefährlich. Man macht sich nicht nur Freunde. Und einigen Leuten ist es egal, auf welche Art und Weise sie an einen herankommen können"
„Aber du wusstest, dass er nach dir suchen würde", stellte ich trocken fest.
„Die Insel ist gut geeignet, um stark und gesund zu werden. Ich wusste, dass Gon sie verlassen würde, wenn er eigenständig genug wäre. Und ich wusste, dass Mito ihn nur dann gehen lassen würde, wenn er bereit dazu wäre"
Das bestätigte meine Vermutung nicht im Geringsten. „Du hast ihm eine Nachricht hinterlassen, in der du ihm sagst, dass er dich bloß nicht suchen soll, weil du überhaupt nichts mit ihm anfangen kannst und ihn deswegen auch gar nicht sehen willst", warf ich ihm dieses Mal etwas gefasster vor. „Was glaubst du wohl, wie sich ein Kind fühlt, wenn es sowas vom eigenen Vater hört? Wäre es dir echt lieber gewesen, er hätte dich nie gesucht und gefunden?"
Unruhig pendelte der erwachsene Hunter von einem Bein auf das andere und druckste merkwürdig befangen herum. „Komm schon Gwen, wenn ich auf gar keinen Fall gewollt hätte, dass er mich findet, hätte Gon mich auch nicht gefunden", antwortete er ausweichend. „Ich hätte ihm ja gar keine Nachricht hinterlassen brauchen. Genauso gut hätte ich mich auch nicht an der Entstehung von Greed Island beteiligen müssen. Außerdem hat er meine Angel und meinen Ring und die Memorycard von dem Spiel bekommen. Das wäre alles nicht nötig gewesen, hätte ich meine Spuren für immer verwischen wollen"
Ich zog kritisch eine Augenbraue hoch und musterte Ging. Ich betrachtete ihn jetzt auf eine neue Art und Weise. „Und dieser Logik soll man irgendwie folgen können, ja? Du weißt aber trotzdem, dass du dich irgendwie wie ein Arsch aufgeführt hast, oder?"
Der Hunter wand sich und brummte verstimmt. „Sehen wohl ein paar Leute so", stimmte er widerwillig zu. „Ich mag den Kerl, der mir eine geballert hat. Er ist ein guter Freund für Gon, genau wie die anderen zwei da drüben" Er wies mit dem Kopf auf die Zoldycks. „Bin froh, dass er so selbstständig ist. Eigentlich brauch er mich gar nicht"
„Klar, ist ja auch einfacher sich das einzureden", schnaubte ich genervt und verdrehte die Augen. „Nur dass du's weißt, Killua da drüben hat dich faul und verantwortungslos genannt. Also Gons Freunde, die du so magst halten alle nicht besonders viel von dir"
Der Schwarzhaarige fing an, herzlich zu lachen und klopfte mit einer Hand belustigt auf die Reling. „Ja und meine eigene Tochter wohl auch nicht, was?" Er stieß mich mit seinem Ellenbogen an und lehnte sich zu mir an das Holzgeländer.
Ich schnaubte. „Wundert dich das?" Dann seufzte ich und bereute die Schärfe in meinen Worten ein wenig. „Gon scheint das alles allerdings überhaupt nichts auszumachen", sagte ich, um die Atmosphäre wieder etwas zu lindern. „Er erzählt immer nur Gutes über dich und dass er so werden will, wie du"
Ging sah mich an und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass dieser Mann etwas von dem ernst nahm, was ich sagte. „Als Hunter wäre das ja vielleicht gar nicht so schlecht… Aber ich hoffe, er stellt sich mit seiner Familie später mal geschickter an als du" Ein überraschter Ausdruck huschte kurz über das Gesicht des Schwarzhaarigen, dann wurde dieser schnell wieder durch ein Grinsen ersetzt.
„Land in Sicht!", schrie Gon begeistert über das ganze Deck und unterbrach die komische Stimmung, die zwischen uns geherrscht hatte.
„So ist's richtig, Gon!", rief Ging zurück und hob die Hand. „Die Heimat ruft!"
Mein Bruder kletterte wie ein Affe den Mast hoch und verschwand im Ausguck. Unser Vater sah ihm hinterher.
„Ich wollte wirklich, dass du Mito kennenlernst", platzte er plötzlich hervor. „Ich bin sicher, du kannst bei ihr wohnen, wenn du das willst. Genau, wie Gon. Sie wird dich genauso liebhaben, wie ihn"
Sprachlos blinzelte ich. Sie würde mich genauso liebhaben? Wie Gon? Es ratterte kurz im Oberstübchen, dann machte es klick. Dieser Kerl war sowas von kompliziert. Er hätte Gon nicht zu Mito gebracht, wenn er Ging nichts bedeutet hätte, also würde er mich auch nicht zu ihr bringen, wenn ich ihm egal wäre. Aber da sollte erstmal jemand dermaßen zwischen den Zeilen lesen können…
Ich stieß ein Lachen aus und es klang ungezwungen. „Mensch, da soll mal einer drauf kommen…" Ich kicherte und schüttelte den Kopf. „Du bist noch viel schlechter mit Menschen und Emotionen als ich", stellte ich fest.
„Oi...", erwiderte er empört. „Wo kommt die Erkenntnis denn so plötzlich her?"
„Ging! Gwen! Kommt schon, wir müssen unser Zeug holen", rief Gon zu uns rüber. Er war wieder runter geklettert und zerrte aufgekratzt meinen Koffer hinter sich her, obwohl wir noch gar nicht angelegt hatten.
Ich zuckte mit den Schultern, sprang von meinem Sitzplatz und setzte mich in Bewegung, bevor mein gesamter Besitz im Ozean landete. „Er ist besser als wir beide" Mit dem Daumen zeigte ich auf Gon und Ging nickte ernst. „Das ist er" Seine große Hand landete auf meinem Kopf und verwuschelte mein Haar, als er zu mir aufschloss. „Und ich hab nicht vor ihm oder dir wehzutun", murmelte er so leise, dass nur ich es hören konnte. Ich erstarrte. Meine Worte hatten wohl doch etwas in ihm ausgelöst.
„Ah, Ging…!", rief ich ihm hinterher, als er einfach an mir vorbeilief, aber er hob bloß die Hand und nahm seinem Sohn das Gepäck ab, damit wir von Bord gehen konnten.
Auf dem Weg zu Mitos Haus gingen Gon und Killua voraus und erzählten Alluka vom ersten Aufenthalt ihres Bruders bei Gons Tante. Damals hatten die beiden die ersten Spuren von Greed Island entdeckt. Ging und ich liefen in einvernehmlichen Schweigen hinter den dreien her. Der Hunter hatte eine entspannte Körperhaltung und ein leichtes Grinsen im Gesicht, während er Gon und seine Freunde im Auge behielt. Für ihn schien sich alles geklärt zu haben. Ich selbst war total verwirrt. Einerseits konnte ich ihn einfach nicht mehr unausstehlich finden, aber andererseits stellte ich Gings Charakter immer noch infrage. Allerdings, wer war ich schon, um das beurteilen zu können? Schließlich hatte jeder Mensch irgendwelche Charakterschwächen, niemand war perfekt.
Sobald das einfache, aber wirklich niedliche Blockhäuschen in Sicht kam und ich von Weitem schon die weibliche Silhouette erkennen konnte, die große weiße Laken ausschüttelte und auf Wäscheleinen fixierte, rannte mein Bruder dicht gefolgt von den Zoldycks los und schrie sich die Lunge aus dem Hals.
„Mito-san!", rief er immer wieder, bis er endlich in Hörweite der Frau gelangte und sie sich erstaunt zu ihm umdrehte. „Mito-san!" Kopfschüttelnd beobachtete ich Gon, wie er sich seiner mehr als überraschten Tante in die Arme warf und die beiden sich herzlich begrüßten. Die Ärmste verstand überhaupt nicht, was eigentlich los war.
Ging und ich hatten unser Tempo beibehalten und näherten uns der Szene vorsichtiger. Mito begrüßte auch Killua, den sie ja schon kannte und die beiden stellten ihr Alluka vor.
„Ach, wie schön. Das Mädchen vom letzten Foto, das du mir geschickt hast", erwiderte Mito freundlich, schüttelte Alluka die Hand und strich ihr mütterlich über den Kopf. „Aber Gon, hör mal, ich habe dir doch gesagt, dass du mir schreiben sollst, bevor du wieder Besuch mitbringst. Ich bin ja gar nicht vorbereitet, was sollen denn deine Freunde von mir denken?"
„Tut mir leid, Mito-san", entschuldigte sich Gon kleinlaut. „Aber weißt du, es gibt da noch jemanden, den ich dir unbedingt vorstellen möchte, außerdem ging alles so schnell, da konnte ich gar nicht vorher schreiben…" Der Schwarzhaarige drehte sich zu uns um und wedelte mit einem Arm in unsere Richtung, dass wir noch näher kommen sollten. Trotzdem hielt ich mich lieber etwas hinter Ging, nur für alle Fälle.
„Ach was, noch mehr Besu…?" Die Frage blieb der Brünetten im Hals stecken, als sie zu uns aufblickte. Mich schien sie zum Glück nicht gleich zu bemerken. Ihr Blick war starr auf meinen Vater fixiert. „Gi… Ging?!"
Der Schwarzhaarige gab ein halbherziges Lachen von sich und hob eine Hand. „Hey Mito, lang nicht gesehen"
Ich verbarg mein Gesicht in den Händen. Wirklich? Lang nicht gesehen? Und da verstand er nicht, wenn Geschirr nach ihm geworfen wurde oder Schlimmeres?
Mito blieb der Mund offen stehen. Zu meiner Verwunderung bemerkte ich, dass ihr kurzes zurückgekämmtes Haar im starken Sonnenlicht eher einen Orangestich hatte, als wirklich braun zu sein, aber vielleicht versuchte ich mich auch nur abzulenken. Über ihrem cremefarbenem Rock, der bis zu den Knöcheln reichte und dem roten Oberteil mit Stehkragen trug sie eine Schürze, die wohl schon ein paar Flecken abbekommen hatte. Sie musterte Ging, als würde er jeden Moment vor ihren Augen wieder verpuffen. Als ihr Blick an ihm hoch und runter glitt, blieb er irgendwann an mir hängen.
Mitos Augen, die ebenfalls einen hellen Bernsteinton hatten, weiteten sich vor Schreck oder vor Erkenntnis, ich konnte es nicht genau bestimmen. Sie schnappte nach Luft und schlug sich mit einem gequälten Gesichtsausdruck die Hand vor den Mund, während ihr starrer Blick von mir zu Ging und zurück schnellte und schließlich auf Gon ruhte.
„Gon, Liebes. Geh bitte und zeig den Mädchen ein bisschen die Insel. Ich brauche etwas Zeit um…" Die Frau rang mit ihrer Beherrschung. „… um Essen für so viele Personen auf den Tisch zu bekommen. Lasst euch ruhig etwas Zeit, ich werde eine ganze Weile brauchen"
Mein Bruder betrachtete seine Tante mit einem zweifelnden Stirnrunzeln, aber als Mito ihm ein liebenswürdiges Lächeln schenkte und dann zu mir kam, um sich ordentlich vorzustellen, nickte er bloß. „Okay, gut"
Ich gab Mito die Hand und nannte ihr meinen Vornamen, dann strich sie mir, wie Alluka vorher kurz durchs Haar und bat mich, mit Gon und den anderen zu gehen, um mir die Insel genauer anzusehen. Auch ich erklärte mich einverstanden.
Dann wandte sich diese liebevolle mütterliche Frau um und verwandelte sich recht erfolgreich in einen feuerspeienden Dämon, als sie Ging mit einem Blick bedachte, der ihn augenblicklich in einen Haufen Asche verbrannt haben müsste. „Und du…", sagte sie mit gefährlich ruhiger und beherrschter Stimme und zeigte mit einer Hand auf ihr Haus. „… ab ins Haus! Du hast mir wirklich einiges zu erklären, Ging Freecss!"
Oh man, in seiner Haut wollte ich wirklich nicht stecken. Ich erschauerte trotz der Hitze und schloss mich lieber schnell meinem Bruder und unseren Freunden an, um so schnell wie möglich abhauen zu können.
„Viel Glück", murmelte ich leise neben Ging und er warf mir einen Blick zu, der tatsächlich Mitleid in mir erregte. Wie ein gehorsamer Hund schlich er hinter Gons Tante her ins Haus, immer noch beladen mit meinem Gepäck.
