Kapitel 17: Zeno
Den gesamten Nachmittag verbrachten wir zu viert und Gon führte uns aufgeregt herum, obwohl es außer der unberührten Natur und der wunderbaren Wildheit dieser Insel gar nicht so viel zu sehen gab. Im Wald unter dem dichten grünen Blätterdach wurde es kurzzeitig endlich etwas kühler und ich konnte durchatmen. Selbst die Luft auf dieser Insel schmeckte und roch ganz anders und ich begann tatsächlich mich in dieser Ursprünglichkeit wohl und heimisch zu fühlen. Irgendwie glaubte ich, es würde zu mir passen und zu Gon passte es noch besser. Langsam bekam ich den Eindruck ein wildes Tier einmal in seiner natürlichen Umgebung beobachten zu können und kicherte über meine eigenen merkwürdigen Gedanken.
Als wir schließlich oben auf ein paar zerklüfteten Klippen ankamen und einen genialen Ausblick über einen weißen Sandstrand und noch mehr saftige grüne Baumkronen hatten, konnte mich endgültig nichts mehr halten. Ich sprang, schlitterte und rannte, bis ich direkt vor dem dunkelblauen Ozean stand, in dem am Horizont beinahe schon die Sonne zu versinken drohte. Es war ein atemberaubender Anblick. Die anderen folgten mir in einigem Abstand.
„Wir bekommen bestimmt einen richtig schönen Sonnenuntergang", sagte Alluka und stellte sich neben mich. Ich nickte. Allerdings interessierte mich in diesem Moment das kühle Wasser mehr als die Sonne, unter der ich schon den ganzen Tag brutzelte.
Ich bückte mich und fummelte an den Schnürsenkeln meiner Boots herum, bis sie sich so weit gelockert hatten, dass ich die schweren Treter ausziehen konnte. Lieblos landeten sie neben mir im Sand. Als ich mir dann noch mein Shirt über den Kopf zog, hörte ich hinter mir jemanden nach Luft schnappen und drehte mich um.
Killua starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Was zur Hölle glaubst du denn was du da machst?", fragte er mich total entrüstet, als hätte ich ihn zutiefst beleidigt.
Verständnislos zuckte ich mit den Schultern. „Mir ist schon den ganzen Tag sauheiß, Killua", klärte ich ihn auf. „Und ich will nicht in meinen Klamotten schwimmen gehen" Tatsächlich war ich ziemlich erleichtert, dass ich gern Sportunterwäsche trug. Der schlichte schwarze BH und der dazu passende Slip würden zumindest nicht durchsichtig werden, wenn sie nass wurden. Genauso gut hätte ich einen Bikini tragen können.
Alluka neben mir warf mir einen vielsagenden Blick und ein amüsiertes Lächeln zu und streckte die Hand aus. „Gib mir die Sachen, sonst werden sie ganz sandig"
„Willst du nicht mit?"
Die Braunhaarige schüttelte den Kopf. „Ich lasse mein Kleid lieber an"
Ich drückte ihr Hose und Shirt in die Hand und bedankte mich bei ihr, dann warf ich noch einen Blick über die Schulter. „Gon?"
Der zerrte auch schon an seinem Oberteil. „Bin gleich da!", versicherte er. Der Weißhaarige neben ihm mied allerdings meinen Blick. Er war knallrot angelaufen, stopfte die Hände tief in seine Hosentaschen und versetzte dem Sand unter ihm einen Tritt. „Bescheuert!", motzte er bloß.
„Onii-chan, ehrlich!" Alluka verdrehte die Augen und nahm auch Gons Klamotten gerne an.
„Wer am längsten die Luft anhalten kann!", rief ich meinem Bruder zu und warf mich in die Wellen. Sofort konnte ich die Kühle des Wassers um mich herum spüren und genoss es, wie mein überhitzter Körper sich endlich etwas beruhigte.
„Gwen, warte!", schrie er zurück. Der Schwarzhaarige war noch nicht einmal im Wasser und kam mir hinterher gerannt. „Jetzt komm schon, Killua! Beeil dich!", wies er seinen Freund im Laufen noch an, aber der weißhaarige Attentäter rührte sich keinen Zentimeter.
Ich schwamm ein Stück und ließ mich dann treiben, um auf meinen Bruder zu warten, der auf mich zu gekrault kam.
„Sag mal, was ist denn mit dem los?", fragte ich ratlos und wedelte mit der Hand Richtung Strand, wo immer noch Killua an Ort und Stelle stand. Mittlerweile hatte er unsere Klamotten auf dem Arm und Alluka planschte mit nackten Füßen im flachen Wasser umher.
Gon grinste verschwörerisch. „Sag du's mir"
Ohne Antwort holte ich tief Luft und tauchte unter. Mein Bruder folgte mir und gemeinsam erkundeten wir ein wenig die Unterwasserwelt vor der Walinsel, bevor wir beide gleichzeitig wieder auftauchten. Egal, wie oft wir es versuchten, es lief jedes Mal auf dasselbe Ergebnis hinaus und bald beschlossen wir, es dabei zu belassen und langsam mit den anderen beiden zu Mitos Haus zurückzukehren.
„So langsam sollte sie irgendwas Essbares aufgetrieben haben oder?", kommentierte ich. Barfuß und mit meiner Hose und den Boots über der Schulter lief ich in meinem T-Shirt neben den anderen her. Gon machte es mir nach. Er hatte nur seine grüne Shorts wieder übergezogen und sich Oberteil und Stiefel über den Arm gehängt. „Ob Ging wohl seinen Kopf noch hat, wenn wir ankommen?" Ich kicherte und meine Freunde fielen mit ein, obwohl Killua es noch immer vermied, mich längere Zeit anzusehen.
„Bestimmt schickt sie uns erst ins Bad", vermutete Gon und er sollte Recht behalten. Sobald wir Mitos Holzhäuschen betraten, wurden die Jungs nach oben ins Badezimmer geschickt und wir Mädchen wurden gebeten, mit dem Essen zu helfen. Aber erst händigte ich meine Klamotten zum Waschen aus und nahm mir eine neue Jogginghose aus meiner Reisetasche.
Ging half doch tatsächlich beim Tischdecken und sah auch nur halb so zerknirscht aus, wie ich vermutet hatte. Seinen Umhang und den merkwürdigen Turban hatte er abgelegt und sah einigermaßen wie ein normaler Mann aus. Trotzdem wollte er nach einer heißen Mahlzeit, etwas Schlaf und einem Bad direkt wieder abreisen, was mich weniger überraschte. Er erzählte uns beim Essen von seinen Vorbereitungen zum dunklen Kontinent zu reisen und ich erlebte zum ersten Mal, wie die Augen des erwachsenen Hunters anfingen zu leuchten. Gon war natürlich ebenso begeistert.
Nach dem Essen ließ ich Alluka im Bad den Vortritt und half Mito mit dem Abwasch, während die Jungs mit Ging im Wohnzimmer immer noch Geschichten austauschten. Nach einer Weile seufzte Gons Tante und schenkte mir ein leicht trauriges Lächeln.
„Ging hat mir die ganze Geschichte erzählt, Gwen", setzte sie an und ich nahm ihr einen nassen Teller aus der Hand, um ihn abzutrocknen und in den Schrank zu räumen. „Wenn es dir nichts ausmacht, dir mit Gon ein Zimmer zu teilen, kannst du sehr gerne bei uns bleiben"
Peinlich berührt rieb ich mir die Nase. „Naja, das ist wirklich sehr lieb gemeint, aber es ist schließlich sein Zimmer und ich will keine Umstände machen. Gon hat zwar darauf bestanden, dass ich mein ganzes Zeug mitschleppe, aber ich bin mir nicht sicher, ob er darüber nachgedacht hat, wo genau ich eigentlich wohnen soll"
Mitos Lächeln hellte sich etwas auf und sie trocknete eine Hand an ihrer Schürze, um sie mir auf die Schulter legen zu können. „Keine Sorge, Gon macht sich viel mehr Gedanken um Kleinigkeiten, als es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Außerdem werdet ihr beide wohl nicht sehr oft zu Hause sein, nicht wahr?"
Tja, was konnte ich dagegen schon sagen? Da war immerhin was dran. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir für die nächsten Jahre auf dieser Insel hocken würden. Gons Tante warf einen wehmütigen Blick auf die Tür zum Wohnzimmer. „Er ist so schnell groß geworden…"
„Noch nicht ganz so groß wie Ging", scherzte ich, um sie aufzuheitern und sie kicherte tatsächlich leise. „Das stimmt wohl, da braucht er noch etwas Zeit"
Als ich die nächste Schüssel in Empfang nehmen wollte, wurde sie mir vor der Nase weggeschnappt und Alluka stand frisch gebadet in der Küche. „Ich löse dich ab", sagte sie zu mir und ich übergab ihr das Handtuch.
Nach meinem Bad, das ich so lange wie nur irgend möglich hinausgezögert und in vollen Zügen genossen hatte, verabschiedeten wir uns unten von Ging. Wenn wir am nächsten Morgen aus dem Bett kriechen würden, wäre er schon lange wieder verschwunden. Er tätschelte Gon kurz den Kopf. „Pass auf deine Schwester auf", wies er knapp an und Gon nickte feierlich. Um den Moment nicht zu zerstören sparte ich mir den Kommentar, dass man nicht auf mich aufpassen musste und rollte stattdessen nur unauffällig mit den Augen.
Mito gesellte sich zu Ging auf das Sofa und die Oma servierte noch einen späten Tee, während wir die Treppe hoch gingen. Bevor wir uns endgültig in Gons Zimmer zurückzogen, hörten wir unten die Erwachsenen leise miteinander sprechen. Gon und Killua überließen uns Mädchen das Bett und verzogen sich auf die dicke Luftmatratze, die auf dem Boden aufgebaut war.
„Hey, Gon", murmelte ich, während wir es uns alle bequem machten und wartete, bis ich seine Aufmerksamkeit hatte. „Mito hat gesagt, wir müssten uns dein Zimmer teilen, wenn ich bleiben will. Wäre das für dich okay?"
„Klar, wir haben schließlich kein anderes. Das wusste ich doch", antwortete er frei heraus. Dann sah er sich prüfend um. „Aber renovieren müssen wir dann ein bisschen. Wir brauchen ein zweites Bett und du brauchst deinen eigenen Kleiderschrank…"
Ich hielt eine Hand hoch. „Schon gut, wir werden doch eh nicht oft hier sein" Mir war es unangenehm, dass er jetzt auch noch neue Möbel für mich besorgen wollte.
„Trotzdem soll es ein zu Hause für dich sein, Gwen. Wenn du jedes Mal auf dem Gästebett schlafen musst, wenn du hier bist und nur aus dem Koffer lebst, dann fühlst du dich doch immer nur als Gast. Wir gestalten das Zimmer neu, das macht bestimmt Spaß. Und du kannst deine Poster aufhängen. Vielleicht kann ich mir sogar eine neue Wandfarbe aussuchen" Mein Bruder war euphorischer, als ich selbst und ich vergrub mein Gesicht in einem der weißen Kissen.
„Du willst einfach nur mal renovieren und streichen und so n Zeug, oder?", schnaubte Killua schließlich und Gon rieb sich ertappt den Hinterkopf. „Naja… auch…" Er lachte verlegen.
Ich seufzte und wusste jetzt schon, dass ich nicht darum herum kommen würde, mit Gon dieses Zimmer neu einzurichten. „Sag mal, störts dich eigentlich, wenn ich bei `Gon´ bleibe?"
„Hä?" mein Bruder legte den Kopf schief und mir schoss die Röte ins Gesicht. „Naja, ähh… Ich bin nicht so der Typ für `Onii-chan´ oder sowas", erklärte ich möglichst neutral. „Also ich meine… vielleicht könnte ich mich mit `Aniki´ anfreunden, weißt du"
Gons Augen weiteten sich und zum ersten Mal bekamen auch seine Wangen einen leichten rosa Schimmer, als er mir ein breites Lächeln schenkte. „`Gon´ ist schon in Ordnung"
„Na dann ist ja gut", murmelte ich und schloss die Augen.
Am nächsten Morgen war Ging tatsächlich ausgeflogen und Mito servierte uns Frühstück. Gon erzählte ihr begeistert von seinen Plänen mit seinem Zimmer und seine Tante zählte ein paar Leute auf, durch die sie eventuell an neue Möbel und Farbe kommen konnte. Schließlich war die Insel ziemlich klein und es gab kein großes Möbelhaus oder Einrichtungsmärkte.
„Wir könnten auch einfach nochmal aufs Festland fahren", schlug Killua vor, aber Mito versicherte ihm, dass wir auf der Walinsel alles bekommen würden, was wir brauchten und Gon nickte bestätigend.
„Da müsst ihr nicht extra die lange Schiffsreise auf euch nehmen", sagte sie und räumte die leeren Teller ab.
Wir wollten uns gerade auf den Weg ins Dorf machen und uns ein bisschen umsehen, als ich einen ungewöhnlichen Laut wahrnahm und den Kopf schieflegte. Es hörte sich an, wie ein großer Raubvogel, aber soweit ich wusste, gab es die hier gar nicht. „Hörst du das?", fragte ich Gon.
Er konzentrierte sich und nickte dann. „Das ist aber komisch. Solche Vögel gibt's hier normalerweise nicht" Mein Bruder suchte mit den Augen den Himmel ab und ich tat es ihm gleich. Killua und Alluka gesellten sich zu uns.
„Was für ein Vogel?", fragte die Braunhaarige.
„Gon und ich haben einen relativ großen Raubvogel rufen hören, aber auf der Walinsel gibt es die eigentlich nicht", erklärte ich.
Killua war der Erste, der in den Himmel zeigte. Im gleichen Moment entdeckte ich den Umriss des Tieres. Er kniff seine saphirblauen Augen zu Schlitzen zusammen. „Ich fürchte, der ist nicht ohne Grund hier" Laut pfiff er durch die Finger. Der Vogel reagierte sofort und kam in erstaunlicher Geschwindigkeit immer näher. Kurz bevor er uns erreichte, bremste er seinen Flug und ließ sich auf Killuas ausgestrecktem Arm nieder. Der Weißhaarige streichelte und lobte das Tier, dann löste er ein zusammengerolltes Stück Papier von dessen metallenem Fußring und schickte es wieder fort. Der Vogel steuerte sofort den Horizont an und war bald aus unserem Blickfeld verschwunden, während der Attentäter das Blatt Papier entwirrte und mit den Augen überflog. Dann seufzte er und sah seine Schwester an. „Der ist von Großvater"
Alluka riss die Augen auf. „Ich wusste nicht, dass du ihm schon geschrieben hattest" Ich tauschte einen Blick mit Gon, aber der schüttelte nur den Kopf. Scheinbar hatte es Killua nicht für nötig gehalten, irgendjemanden von uns darüber zu informieren. „Was schreibt Opa Zeno denn?"
Der Weißhaarige ließ die Schultern hängen. „Er ist dazu bereit, uns zu helfen, aber er stellt ein paar Bedingungen" Er sah nicht sonderlich erfreut aus, aber auch nicht sonderlich überrascht.
„Das war wohl zu erwarten bei der Lage der Dinge", sagte ich vorsichtig. Alluka nickte. „Was sind das für Bedingungen?"
„Du sollst dich alleine mit ihm treffen und ihm alles, was wir wissen oder vermuten erzählen. Dann will er deine Trainingsfortschritte beurteilen. Anhand dessen, was du ihm sagen und zeigen kannst, will er beurteilen, ob er dich als Schülerin akzeptiert. Sollte er dich akzeptieren, wird er sich mit dir zusammen einen Weg einfallen lassen, dir Hatsu beizubringen und sich Regeln überlegen, die man aufstellen muss, um niemanden zu gefährden. Vor dem Rest der Familie wird er es solange geheim halten, wie er es für nötig hält, aber er ist prinzipiell daran interessiert, dich als Familienmitglied akzeptieren zu lassen, damit das Gesetz, dass man dich nicht töten darf gilt" Killua holte tief Luft und ballte seine freie Hand zur Faust. „Während des gesamten Trainings wärst du mit ihm allein. Ich darf nicht dabei sein, das ist die Bedingung"
Ich nickte. Etwas in der Art hatte ich mir gedacht. Außerdem ließ sich nur vermuten, was passieren würde, sollte dieser Zeno Alluka nicht als Schülerin akzeptieren. Ein ernüchtertes Schweigen machte sich breit, bis die Braunhaarige sich schließlich räusperte. „Eigentlich ist das doch gar nicht so schlecht. Immerhin will er uns überhaupt helfen. Und ich wollte schließlich eigenständiger werden, ohne dass ständig einer auf mich aufpasst. Wann und wo will er sich denn mit mir treffen?"
„Alluka…" Ihr Bruder warf ihr einen skeptischen Blick zu, aber sie schüttelte den Kopf und er seufzte erneut. „Er gibt dir Bedenkzeit. Großvater wird eine Woche lang auf dem Festland in der nächstgelegenen Hafenstadt auf dich warten. Du bräuchtest nur auf ein Schiff zu steigen und dorthin zu fahren. Er hat sich ein Zimmer genommen und mir die Adresse aufgeschrieben"
Ein entschlossener Gesichtsausdruck breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Dann gehe ich meine Sachen packen und Mito-san tschüss sagen" In ihrer Stimme lag so viel Bestimmtheit, dass ihre Aussage nicht den geringsten Wiederspruch duldete, trotzdem machte Killua den Mund auf und wollte sie zurückhalten. Es war Gon, der ihm eine Hand auf die Schulter legte und den Kopf schüttelte.
Ich atmete geräuschvoll aus, steckte die Hände in die Hosentaschen und ging ihr hinterher ins Haus, während Gon Killua noch ein bisschen fester an Ort und Stelle hielt. Wortlos gesellte ich mich zu seiner kleinen Schwester und half ihr, ihre Sachen aus Gons Zimmer und dem Badezimmer wieder einzusammeln.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich die Erste sein würde, die unsere Gruppe verlässt", sagte Alluka fröhlich und lächelte. „Irgendwie bin ich stolz darauf, dass ich jetzt einen eigenen Weg und ein festes Ziel habe"
„Und hast du gar keine Angst oder bist traurig, dass du uns verlassen musst?", fragte ich ehrlich interessiert.
Die Braunhaarige senkte den Kopf. „Doch, schon. Aber das ist normal, oder? Ein bisschen fühlt es sich so an, als würde ich von zu Hause ausziehen. Ich hoffe nur, dass ich Opa Zeno überzeugen kann"
Zufrieden mit ihrer Antwort und ihrer seelischen Verfassung, half ich Alluka dabei, sich überzeugend von Mito zu verabschieden. Die fand es furchtbar schade, dass die kleine Zoldyck schon gehen musste, aber als wir ihr erzählten, dass ihr Opa geschrieben hatte, er würde sie gerne abholen, war sie milde gestimmt und umarmte die Braunhaarige herzlich zum Abschied.
Als wir das Haus wieder verließen, sprach mein Bruder gerade leise mit Killua, dem die Sorge und das Misstrauen übers ganze Gesicht geschrieben standen. Trotzdem machten wir uns auf Richtung Hafen. Wir hätten eh ins Dorf gewollt, also war es keine große Planänderung. Auf dem Weg informierte ich die Jungs leise und knapp über mein kurzes Gespräch mit Alluka und über meinen Eindruck, dass sie völlig okay war und nicht ihre Tränen zurückhielt oder etwas in der Art. Die beiden wirkten erleichtert, aber Killua immer noch nicht sehr überzeugt. Es ging ihm zu schnell, das konnte ich ihm an der Nasenspitze ansehen. Er hätte es lieber gesehen, wenn seine Schwester noch eine Nacht darüber geschlafen hätte.
„Sie ist wie du", raunte ich ihm zu. „Ein riesen Dickschädel. Wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat, zieht sie es auch durch. Du stimmst sie nicht mehr um" Er warf mir einen bösen Blick zu, aber Gon kicherte und nickte.
Zum Abschied aßen wir im Dorf noch ein großes Eis und achteten auf die Uhrzeit, damit Alluka ihr Schiff nicht verpasste. Killua sprach noch einmal lange mit ihr, aber sie versicherte ihm mit einem Lächeln auf den Lippen, dass sie wüsste, was sie tat und dass sie sich eigentlich auch freute. Sie versprach regelmäßig anzurufen und zu schreiben und es sich nicht verbieten zu lassen.
„Ich gehe jetzt meinen eigenen Weg, Onii-chan", sagte sie, als wir auf dem Steg standen, an dem das Schiff angelegt hatte, auf das sie steigen musste. „Wenn wir uns wiedersehen, bin ich viel stärker geworden und Nanika auch. Vielleicht werde ich sogar auch Hunter, die Prüfung ist ein gutes Training" Killua nickte gequält, aber brachte keine Antwort fertig. Seine Kiefer waren fest aufeinander gepresst. „Jetzt guck nicht so!", schimpfte Alluka und knuffte ihren Bruder in die Schulter. „Wünsch mir lieber Glück und halt mir die Daumen, dass ich Schülerin werden kann"
Der Weißhaarige riss sich zusammen. „Das mach ich", versprach er fest. „Und wenn du wiederkommst, fordere ich dich zu einem Kampf auf, also trainierst du besser ordentlich und machst mir keine Schande" Alluka strahlte und warf sich ihm in die Arme, dann umarmte sie auch Gon und mich, bevor sie an Bord des Schiffes ging.
Wir standen auf dem Steg und winkten Alluka hinterher, bis das Schiff am Horizont verschwunden war und wir es nicht mehr sehen konnten. Eine Weile standen wir noch da und starrten auf das weite Meer hinaus. Irgendwie fühlte ich mich seltsam leer, obwohl keiner von uns geweint hatte, nicht einmal Alluka, die ja diejenige gewesen war, die uns verlassen musste. Ich schielte hinüber zu den beiden Jungs. Gon wirkte sehr nachdenklich, während Killua sich wieder verkrampft hatte. Ich wusste, dass er es hasste, Schwäche zu zeigen.
Ich drehte mich zu dem Attentäter um und schlang ihm die Arme um den Hals. Es dauerte einen Augenblick, bis er die Umarmung erwiderte und mich so fest an seinen Körper presste, dass ich Mühe hatte zu atmen. Einen Moment später kam auch Gon zu uns und wir hielten uns lange umklammert.
