Kapitel 18: Mito

Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerädert. Ich hatte nicht lange schlafen können und war aufgestanden, um die Jungs nicht mit meinem Herumgewälze zu wecken. Ich half Mito beim Vorbereiten des Frühstücks und beim Aufhängen der gewaschenen Wäsche, während ich ihr erzählte, was vorgefallen war, ohne zu viele Details zu verraten. Gon hatte Killua regelrecht von mir wegzerren müssen, sonst hätten wir sicher noch Stunden am Hafen gestanden.

„Gon soll Killua heute mal ohne mich mitnehmen", erklärte ich. „Die beiden brauchen einen Jungstag. Sie müssen sich aussprechen, mal ordentlich prügeln und einen Haufen dumme, gefährliche und unüberlegte Sachen machen. Das bläst den Kopf frei und bringt beide auf andere Gedanken. Wenn sie wiederkommen müssten sie eigentlich so gut wie neu sein"

Mito fing ausgelassen an zu lachen und befestigte zwei blaue Wäscheklammern an einem von Gons Shirts. „Du bist wohl schon lange genug mit den beiden unterwegs", stellte sie fröhlich fest. „Und was wirst du tun, um auf andere Gedanken zu kommen?"

Das hatte ich mir noch gar nicht überlegt. Ich zuckte mit den Schultern. „Dir beim Aufräumen und Saubermachen helfen, denke ich. Aufgaben zu übernehmen und zu arbeiten lenkt auch ab. Oder ich könnte nochmal ins Dorf gehen und nach Möbeln schauen, das haben wir ja gestern nicht mehr auf die Reihe bekommen"

„Hmm", machte die Orangehaarige nachdenklich und zwinkerte mir dann zu wie ein junges Mädchen, das etwas ausgeheckt hatte. „Was hältst du davon, wenn die Jungs einen Männertag und wir Mädchen einen Frauentag machen? So können wir uns auch besser kennenlernen"

Überrascht blinzelte ich Gons Tante an. Die Aussicht, den Tag nicht alleine verbringen zu müssen gefiel mir nach Allukas Abreise eigentlich ganz gut. Außerdem war sie die Frau, die mich in ihrem Haus aufgenommen hatte, obwohl sie mich gar nicht kannte. Also nickte ich und willigte ein. Mito klatschte freudig in die Hände und machte sich mit meiner Hilfe wieder an die Arbeit.

Nach dem Frühstück scheuchte sie die beiden Jungs förmlich aus dem Haus und drückte ihnen Pakete mit Wegproviant in die Hände. Gon und Killua trugen beide Shorts und Shirts ohne Ärmel, also so wenig, wie möglich, wenn man nicht oberkörperfrei rumlaufen wollte. Die beiden hatten es gut, konnten sich bei der Hitze einfach ausziehen, wenn sie wollten. Ich seufzte, denn ich besaß nicht mal kurze Hosen. Noch nie hatte ich Wärme als unangenehm empfunden, auch nicht beim Training.

„Also, meine liebe Gwen", setzte Mito an, als wir endlich allein waren. „Ich habe dir in meinem Kleiderschrank im Schlafzimmer einen abgetrennten kleinen Bereich frei geräumt. Da bringen wir deine Sachen unter, bis wir euer Zimmer neu ausgestattet haben. Außerdem bin ich neugierig auf deine Garderobe. Vielleicht können wir sogar zusammen aussortieren" Gons Tante wirkte tatsächlich froh darüber, ein Mädchen im Haus zu haben, mit dem sie solche Dinge tun konnte und ich hoffte, sie würde von meinen Klamotten nicht allzu enttäuscht sein.

Gemeinsam leerten wir meine Taschen und alles, was keine Klamotten waren, brachte ich in Gons Zimmer oder im Bad unter. Die Kleidung landete auf Mitos Bett, die Schuhe davor. Mein alter Rucksack, der fast schon von selbst auseinander fiel, wurde naserümpfend entsorgt, ohne dass ich Mitspracherecht hatte und der Koffer und die Reisetasche wanderten nach gründlicher Säuberung oben auf den Schrank, wo sie keinen Platz wegnahmen.

Nachdenklich ließ die Orangehaarige ihren Blick über meine recht übersichtliche Garderobe gleiten und nickte ein paarmal, wie um ihre eigenen Gedanken zu bestätigen. Dann griff sie zu meinen Schuhen. Mein Paar schwarze Boots, die schwarzen Ballerinas, die ich bei meinem Date mit Killua getragen hatte und zwei Paar ausgelatschte Sneakers in Dunkelblau und in Schwarz mit weißen Streifen. Da die schwarz-weißen Turnschuhe total schmutzig und schiefgelaufen waren und ein Schuh sogar ein kleines Loch in der Sohle hatte, wanderten die sofort auf den „Müll"-Haufen zu meinem Rucksack. Bei den anderen Schuhen zog Mito die Schnürsenkel raus und versprach mir, sie sauber zu machen und mit Schuhcreme und Imprägnierspray zu behandeln. Aus alt mach neu ohne viel Geld auszugeben. „Einen ganzen Haufen neue Schnürsenkel hab ich noch in meinem Korb mit den Nähsachen", erklärte sie stolz und ich bemerkte, wie viel Spaß sie an der Sache hatte und dass es ihr außerdem wirklich wichtig zu sein schien, dass Gon und ich ordentlich gekleidet waren.

„Sagtest du nicht, du hasst Handtaschen?", fragte Mito und zeigte auf die beiden kleineren Umhängetaschen, die ich besaß. Ich nickte und rümpfte die Nase. „Manchmal geht's leider nicht anders" Gons Tante nahm die Dinger und warf sie auf den Boden. „Doch, das geht schon, vertrau mir. Ich nehm sie dir ab, ab und zu brauch ich mal so eine, wenn ich ins Dorf gehe und eine von meinen ist kaputt gegangen"

Ich starrte sie ungläubig an und sie kicherte. „Du brauchst nichts zu tragen, zu benutzen oder zu behalten, das du nicht magst, Gwen. Das ist der Sinn von alldem hier. Es ist schließlich ein Neuanfang" Allmählich begann ich zu verstehen und lächelte Gons Tante dankbar an. Dann zeigte ich auf den Stapel an Sachen, die ich schon zuvor nie getragen hatte. „Können wir dann damit anfangen?"

Schnell warf ich einen rosa Rock, ein extrem gerüschtes Kleid und ein ziemlich konservatives graues Kostüm auf den Haufen in der Ecke. Es folgten noch ein hippiemäßig geblümtes Sommerkleid, ein viel zu langer Omarock und ein kreischend pinkes Top. Danach war nur noch das dunkelrote Shirtkleid übrig, das mir mittlerweile aber in Kombination mit den schwarzen Leggins und den Ballerinas gut gefiel, also wanderten diese Sachen als erstes in Mitos Kleiderschrank.

Mito sah alle meine Sachen durch und verfrachtete ein paar alte Shirts, die schon total verwaschen waren, Flecken oder Löcher hatten auf unseren Haufen, obwohl ich ihr erklärte, dass ich solche Sachen sowieso nur beim Sport oder zum Schlafen trug.

„Auch beim Sport kann man saubere, ordentliche Klamotten tragen. Was sollen denn die Leute von dir halten?", empörte sie sich. „Und du bekommst einen Schlafanzug!"

Meine Hosen wurden gnädigerweise verschont. Sie hatten sich gut gehalten und waren sauber. Meine nun noch weiter ausgedünnte Garderobe wanderte mit in den Schrank, der Haufen in der Ecke in den Mülleimer und die Schuhe klemmte Mito sich unter den Arm, um sie später zu bearbeiten.

„Sehr gut", freute sich Mito nach getaner Arbeit und musterte mich. Ihr Blick blieb an meinen langen Hosen hängen. „Und jetzt gehen wir shoppen und ein paar Möbel aussuchen. Aber erstmal ziehst du dich um. Auf unserer Insel gehst du ja kaputt mit deinen langen Hosen, ich gebe dir Shorts von Gon. Vielleicht finden wir auch eine schöne Wassermelone"

Tatsächlich musste ich ein Paar grüne Shorts tragen, die Gon schon ausgemustert hatte, weil sie obenrum etwas eng geworden waren. Dafür passten sie mir wirklich gut. Dazu trug ich ein schwarzes Top von mir und geliehene Flip Flops von Gons Tante, die mir leicht zu groß waren, aber das fiel kaum auf. Mito zog ihre Schürze aus, griff sich eine Handtasche und wir machten uns auf den Weg.

„Mito, ich finde es ja lieb von dir, dass du den Tag mit mir verbringen möchtest, aber ich hab nicht allzu viel Geld dabei. Ich hab ein bisschen was gespart, aber…"

„Ach, mach dir darüber keine Gedanken, das übernehmen wir für dich", unterbrach mich die Orangehaarige und irgendein sechster Sinn sagte mir, dass „wir" nicht Gon und Mito bedeutete. Ich zog meine Augenbrauen hoch. „Ging?"

Sie seufzte und rieb sich die Stirn, dann zuckte sie mit den Schultern. „Unterhalt hat er immer bezahlt", erklärte sie. „Sogar zu viel, teilweise. Als Gon ging bestand er darauf, dass ich dieses Geld weiterhin bekam. Ich hab es so wenig wie möglich angerührt und für ihn auf ein Sparbuch gelegt. Wenn er volljährig ist, überschreibe ich es auf ihn. Bei dir wird es wohl ähnlich laufen, aber den ersten Teil können wir für eine neue Grundausstattung benutzen"

Den Rest des Weges schwieg ich und dachte über diesen merkwürdigen Kerl nach, der mein Vater war. Er war für mich furchtbar undurchsichtig und mittlerweile wusste ich gar nicht mehr so wirklich, was ich eigentlich von ihm halten sollte. Auf der einen Seite verhielt er sich, als würde ihn nichts auf der Welt kümmern, als Hunter zu sein und dann erfuhr man über zwölf Ecken, dass er sich irgendwie ja doch Gedanken machte und auf seine eigene verquere Art und Weise einen Teil Verantwortung übernahm. Und scheinbar wollte er auch gar nicht, dass man etwas anderes dachte. Diese Dinge, die er auf dem Schiff zu mir gesagt hatte… Meine ganze Denkweise geriet durcheinander.

Mito nahm mich mit ins Dorf, sprach mit ein paar Leuten, winkte ein paar anderen Leuten und schleifte mich dann in einen Laden, der anderswo wohl ein Baumarkt gewesen wäre. Werkzeuge, Holz, aber auch Haushaltsbedarf. Eigentlich ein Krimskrams Laden. Während ich mich umschaute, sprach die Orangehaarige mit dem Besitzer, danach kam sie zu mir und führte mich in eine Ecke, in der tatsächlich Wandfarben standen.

„Du darfst dir eine aussuchen", ermunterte sie mich und ich fühlte mich unwohl, weil Gon nicht dabei war und nicht mit mir gemeinsam entscheiden durfte. „Er kennt ein älteres Ehepaar dessen Sohn gerade aufs Festland gezogen ist. Sie haben ein paar Möbel abzugeben, weil sie sein Zimmer ausräumen. Er könnte uns auch neue machen lassen, aber ich dachte wir schauen uns die Sachen erstmal an" Ich nickte zustimmend. War bestimmt auch billiger, als extra was anfertigen zu lassen. Langsam betrachtete ich die Wandfarben und blieb an einer Flasche mit einem saftigen Waldgrün hängen.

„Die!", entschied ich. „Und einen Eimer Weiß"

„Oh, die findet Gon ganz sicher auch gut", bestätigte Mito. „Wie hast du dir das Ganze denn gedacht?"

„Eine Wand machen wir in genau dem Ton", sagte ich und deutete auf die Flasche. „Die restlichen drei Wände entweder weiß oder nur in einem ganz hellen Grün. Ich will aber Gon nochmal fragen"

Nach unserem Besuch in dem Baumarkt sahen wir uns die gebrauchten Möbel bei dem netten Ehepaar an und stellten erfreut fest, dass sie vom Farbton gut zu den schon vorhandenen Sachen in Gons Zimmer passen würden. Sie waren etwas anders gemustert und hatten unterschiedliche Schnitzereien und Details, aber ich fand, dass genau das die gebrauchten Möbel liebenswert machte. Wir entschieden uns dafür, das Bett und den Kleiderschrank, der etwas kleiner als der von meinem Bruder war, gegen eine kleine Ablöse zu übernehmen.

Der freundliche ältere Mann wollte uns die Sachen mit Hilfe von ein paar Freunden bald vorbei bringen. Er war sichtlich erleichtert, wenigstens ein paar der Möbel losgeworden zu sein und wir versprachen, Gon und eventuell auch noch Killua als weitere Helfer hinzuschicken.

Danach schleifte Mito mich in ein etwas größeres Geschäft, das sogar ein Schaufenster hatte und ein kleines Glöckchen über der Tür, das bimmelte, als wir eintraten. „Du hast einen coolen sportlichen Stil, aber eindeutig zu wenig Sachen für nicht alltägliche Anlässe, überhaupt keine geeigneten Unterteile für unser Klima hier und deine Farbpalette könnte auch ein bisschen aufgepeppt werden. Außerdem brauchst du Schuhe. Vorzugsweise auch ein Paar offene, wenn du mal hier bist, sonst erschwitzt du mir noch" Und mit diesen Worten zog sie mich in eine Umkleidekabine und wir probierten gefühlte Stunden alle möglichen Klamotten aus. Das Witzige daran war, dass Mito selbst auch ein paar Teile anprobierte. Bald redeten und diskutierten wir über Mode und Stils, wie die Mädchen, die ich normalerweise auslachte, aber ich musste zugeben, dass Gons Tante eine coole Stilberatung abgab. Obwohl ich mir noch nie Gedanken um meine Klamotten gemacht hatte, außer darüber, ob sie praktisch waren, schaffte sie es, dass ich mich dafür begeistern konnte und plötzlich einige Sachen sogar schön fand.

„Praktisch und modisch zu kombinieren liegt uns Frauen quasi in den Genen", erklärte Mito überzeugt und ich musste darüber lachen.

Sie verpasste mir eine Handvoll luftige Oberteile aus dünnen seidigen Stoffen, knielange und knöchellange Leggins in verschiedenen Farben, zwei neue Kleider und einige Shorts. Manche davon waren Jeans, andere wiederum fühlten sich beim Anprobieren so leicht auf der Haut an, dass ich mich regelrecht nackt fühlte. Wir packten alles in meinen neuen Rucksack, der aus festem olivgrünem Stoff bestand und tatsächlich zu meinen Soldatenhosen passte und steuerten dann ein Schuhgeschäft an. Ich hatte Shoppen immer gehasst, aber scheinbar machte die richtige Begleitung einfach den Unterschied und ehrlich gesagt war ich sogar froh darüber.

Nachdem ich noch ein Paar Sandalen aus braunem Leder bekommen hatte, deren Riemen mit runden bunten Perlen geschmückt waren, hielt Mito mir stolz einen wirklich kleinen Rucksack unter die Nase. Er war schwarz, unauffällig und nur so groß, wie eine Ausgehhandtasche. Die Riemen waren relativ kurz und schmal und nur der obere Teil war mit drei silbern glänzenden Nieten besetzt.

„Siehst du", verkündete Gons Tante mit einem breiten Lächeln. „Den kann man auch benutzen, wenn man mal ausgehen möchte. Man braucht keine Handtaschen, wenn man sie nicht leiden kann"

Später lud mich Mito noch zum Fischessen ein. Es war eine Spezialität der Walinsel und schmeckte wirklich ausgezeichnet. Während wir aßen, erzählte sie mir von Ging und ihrer gemeinsamen Kindheit und ich erkannte so viele Parallelen, dass mir beinahe schwindelig wurde. Selbst als Junge hatte mein Vater schon die Angewohnheit gehabt so zu tun, als wäre die kleine Mito ihm lästig und als wollte er nichts mit ihr zu tun haben. Als sie dann allerdings weglief und sich traurig versteckte, war er derjenige gewesen, der sie gesucht und auch jedes Mal gefunden hatte.

„Dann war er also schon immer so undurchsichtig", seufzte ich. „Ich hab ihn für ein gefühlskaltes Arschloch gehalten und ihm ziemlich schlimme Sachen an den Kopf geworfen, aber nach der Schifffahrt hierher und unserer Unterhaltung bin ich vollkommen verwirrt"

Die Orangehaarige zuckte mit den Schultern. „Ich habe ihm auch schon mehr als nur schlimme Dinge gesagt", gab sie zu. „Gerade, als er Gon bei mir absetzte dachte ich, ich müsste ihn umbringen. Ich habe auch schon Sachen nach ihm geworfen. Und ihn auch getroffen. Im Nachhinein bin ich aber nicht mehr ganz so stolz darauf. Er lässt einen immer so vollkommen unschlüssig zurück, daran habe ich mich gewöhnt" Mito trank einen Schluck Wasser und rieb sich über die Stirn. „Ich liebe ihn. Wir sind zusammen aufgewachsen und er gehört zur Familie. Und Gon liebt ihn auch. Er ist sein Vater und er regelt das auf seine Weise. Ging war nie herzlos, Gwen. Er ist einfach furchtbar schlecht darin, mit seinen eigenen Gefühlen umzugehen und sie auszudrücken. Gon hat die Gabe, dass er das erkennt. Es scheint, als wäre dieses gutherzige Kind der einzige auf der Welt, der diesen komplizierten Mann versteht, der jedem anderen Menschen wie der letzte Rabenvater vorkommt"

„Das stimmt", bestätigte ich. „Gon lobt ihn in den Himmel. Von Anfang an. Und er nimmt ihm überhaupt nichts übel. Wahrscheinlich kann er schon immer so gut zwischen den Zeilen lesen. Ging hat versucht auf dem Schiff mal mit mir zu sprechen, aber ich glaub ich hab erst drei Stunden später verstanden, was er mir eigentlich versucht hat zu sagen. Das alles lässt mich glauben…" Ich stockte. „Also ich denke ich hab keine Abneigung mehr gegen ihn. Aber er ist immer noch… kompliziert"

Mito begann zu lachen. Ein schönes, helles Lachen. „Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts", sagte sie und wischte sich amüsiert die Augen. „Aber ich weiß zu schätzen, dass du versuchst, es… nett auszudrücken"

Als wir uns auf den Rückweg machten, spürte ich, wie ich mir zum ersten Mal erlaubte, mich rundum wohl mit der neuen Situation zu fühlen. Ging war gar nicht so ein Idiot, wie ich zunächst gedacht hatte, Mito hatte mich voll und ganz akzeptiert und ich würde in meinem neuen zu Hause ein Zimmer mit meinem Bruder teilen und neu einrichten. Gon freute sich auch, wie ein Schneekönig, dass er mich dazu überredet hatte, mit ihm zu kommen und so traurig es war, dass Alluka uns verlassen musste, sie hatte endlich ihre Chance auf ein selbstbestimmtes Leben und auf eine Aussprache mit ihrer Familie bekommen. Ein kleines bisschen vermisste ich die Schwestern und die Kirche, aber der Abschied war herzlich und nicht für immer gewesen. Und dann war da ja noch diese unbestimmte Sache mit Killua. Da ich allerdings sofort Herzklopfen bekam, als ich daran dachte, dass da zwischen uns etwas war oder sein könnte in naher Zukunft, blendete ich das schnell wieder aus und konzentrierte mich darauf, eine Wassermelone mit Mito auszusuchen.

Zuhause schlüpfte ich nach meinem Bad direkt in eine luftige Kombination aus cremefarbenem seidigem Stoff. Kurze Shorts und ein Trägertop, die sich sofort perfekt an meine Konturen anpassten. Als ich so barfuß und mit noch nassen offenen Haaren die Treppe hinunter lief, war die Hitze endlich erträglich geworden. Ich fühlte mich, als hätte ich praktisch nichts an, es war ein Traum! Die helle Farbe an mir zu sehen war vor dem Spiegel noch etwas gewöhnungsbedürftig gewesen, aber Mito meinte es würde zu meinen Augen passen.

„Soll ich dir helfen?", fragte ich die Orangehaarige, die wieder ihre Schürze angelegt hatte und nachdenklich vor dem Ofen stand. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, jetzt heißt es warten. Auf den Auflauf und auf unsere beiden Jungs. Aber danke. Oh, soll ich dir die Haare machen?"

Bei einer Tasse Tee saßen wir auf dem Sofa und Mito frisierte meine Haare, während die Oma Kreuzworträtsel machte. Sie nahm rechts und links die seitlichen Strähnen, die mir immer im Gesicht hingen und begann sie nach hinten zu flechten. In der Mitte des Hinterkopfes steckte sie alles fest und ließ den Rest meiner Haare offen.

„So, hoffentlich stören sie dich jetzt nicht mehr zu sehr", sagte sie zufrieden. Ich verstand so gut, warum Gon Mito als seine Mutter betrachtete.

„Vielen Dank, Mito", antwortete ich. „Für alles, meine ich", setzte ich schnell noch hinzu und wurde prompt in eine feste Umarmung gezogen.

So saßen wir eine Weile schweigend auf der Couch, Mito hatte die Arme um mich geschlungen und streichelte mir über den Kopf, während sie mir versprach, dass alles gut werden würde und vielleicht, nur vielleicht verdrückte ich ein paar Tränen an ihrer Schulter, während wir darauf warteten, dass Gon und Killua von ihrer Spritztour zurückkehrten.