Kapitel 20: Alluka

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Wir schlugen die Wassermelone und machten ein ausgedehntes Picknick hinterm Haus, ich half Mito und der Oma im Haushalt und die beiden Jungs machten ihr Versprechen wahr und halfen dabei, die Möbel zu transportieren.

Zusammen räumten wir das ganze Zimmer leer und strichen die größte Wand saftig grün. Die anderen Wände wurden weiß und wir zogen gemeinsam einen breiten grünen Balken in der Mitte rundherum. Die rechte Seite bekam Gon, die linke war für mich und der Schreibtisch kam vors Fenster in die Mitte. Wir machten sauber, dekorierten und Gon nutzte die Chance, um auch mal ein paar seiner Sachen und Klamotten auszusortieren. Meine eigenen Kleider konnte ich nun von Mitos Kleiderschrank in meinen frisch aufgebauten umräumen und meine Poster von meinen Lieblingsbands konnte ich auch an die Wand neben meinem Bett hängen.

Erst war es Killua und mir irgendwie noch unangenehm vor Gon, Mito oder der Oma allzu vertraut miteinander umzugehen, aber wie es so üblich war, verlor der Weißhaarige bald jede Scheu und griff öfter nach meiner Hand oder zog mich in eine seiner engen Umarmungen. Wenn er allzu arrogant daher kam, musste ich ihn sogar ab und zu bremsen, aber Mito war sogar richtig begeistert, weil sie uns so süß fand. Sie machte es sich zur Gewohnheit, von uns dreien viele Fotos zu schießen. Erinnerungen, sagte sie, für die Zeit, in der wir wieder unterwegs sein würden.

Die erste Nacht in meinem eigenen Bett war wunderbar. Killua schlief bei Gon, weil wir die Luftmatratze wieder weggeräumt hatten und weil ich mich geweigert hatte, neben ihm zu schlafen. Wir mussten es ja nicht gleich übertreiben. Nicht zu erwähnen, dass ich mit dem Weißhaarigen in meinem Bett wahrscheinlich nicht schlafen könnte. Gon hatte seinen besten Freund ausgelacht, als der sich schmollend zu ihm gesellt hatte, aber es war nicht in einer Prügelei ausgeartet, worüber ich sehr froh war.

Manchmal tief nachts, wenn ich nicht schlafen konnte, meine Vergangenheit in mir aufstieg und die Gedanken kreisten, übermannten mich all die Gefühle, die ich vorher nicht gekannt hatte und die ich teilweise immer noch nicht einzuordnen wusste. Dann flossen Tränen still und heimlich in mein Kissen und ich dankte immer und immer wieder wem auch immer. Demjenigen, der dafür gesorgt hatte, dass ich nicht in irgendeinem Rattenloch geendet war. Gefühllos, mordend und stumpfe Befehle ausführend.

Mir tat diese Insel so gut. Mito, Gon und die Oma waren längst zu meiner Familie geworden und obwohl ich es nicht zugeben wollte, hatte ich auch Ging als einen Teil von mir und dieser Familie akzeptiert. Dass ich auch noch einen echten festen Freund hatte, der mich küsste und mit dem ich auf Dates ging war so unbegreiflich für mich, dass ich es selbst gar nicht recht glauben konnte. Und ich hatte eine beste Freundin. Sie war zufällig die Schwester meines Freundes, aber das spielte keine Rolle. Alluka war ebenso zum Familienmitglied geworden, wie die anderen. Und ich war stolz auf sie, dass sie ihren Weg ging und eisern und mutig ihr Ziel verfolgte, obwohl sie außer von Killua keinen familiären Rückhalt bekam. Wenn sie diesen auch weiterhin nicht bekommen sollte, so schwor ich mir, würde ich ihr Rückhalt werden. Zusammen mit meinem Bruder Gon und natürlich mit ihrem Bruder Killua.

Manchmal bekam ich Angst diese Insel wieder zu verlassen, auf der ich mich so wohl fühlte. Ich lebte. Ich konnte loslassen, mich entspannen, vergessen und einfach glücklich sein. Zum ersten Mal konnte ich wirklich sagen, dass ich alles hatte, was ich mir nur wünschen konnte. Obwohl ich auch meine erste Zuflucht, mein erstes Zuhause vermisste. Ich nahm mir vor, die Schwestern zu besuchen, sollte sich irgendwann die Gelegenheit dazu bieten. Und auf der anderen Seite wusste ich genau, dass ich auch auf Reisen mit Gon und Killua genauso glücklich sein könnte, denn es war nicht der Ort, der zählte, sondern die Menschen, die einen umgaben. Ich wusste, die beiden würde es hier nicht halten und ich war es zwar gewohnt, eingesperrt zu sein aber gemacht war ich dazu ebenso wenig. Vielleicht war jetzt die richtige Zeit gekommen, die Ketten zu lösen, die ich mir jahrelang selbst auferlegt hatte.

In irgendeiner dieser Nächte, in der die Tränen kamen und überquollen, stand plötzlich Gon neben meinem Bett und kam dann wortlos zu mir gekrochen, um mich in den Arm zu nehmen. Wir redeten nicht, er sagte kein Wort und ich musste ihm nichts erklären. Er hielt mich fest und ich schlief in den Armen meines Bruders ein. Am nächsten Morgen konnten wir uns von Killua ganz schön was anhören, aber Gon erwähnte meine Tränen nicht mit einer Silbe.

Wir verbrachten unsere Zeit damit, durch den Wald zu streifen, Fuchsbären zu beobachten, zu Angeln und anschließend Lagerfeuer zu machen oder am Strand schwimmen zu gehen. Es fühlte sich so an, als würden wir endlich mal alle zur Ruhe kommen. Gon ließ Kite und die anderen Amateurhunter wissen, dass er nicht wusste, wann und ob er sich ihnen wieder anschließen würde und damit kam auch der Zeitpunkt, an dem wir beisammensaßen und uns fragten, was wir eigentlich weiterhin anstellen sollten.

Bevor wir allerdings zu einer Entscheidung kommen konnten, bekamen wir endlich den langersehnten Anruf. Mein Handy schrillte los und als ich auf das Display sah, hüpfte mein Herz vor Freude.

„Das ist Alluka!", rief ich und hatte damit sofort die Aufmerksamkeit der beiden Jungs. Ich stellte auf laut und ging ran.

„Alluka, wie geht's dir?"

„Ich bin total erledigt!", jammerte sie. „Opa trainiert Nanika und mich wirklich streng, aber er ist nett zu uns. Er wird mir aber aus Sicherheitsgründen bald das Handy wegnehmen, ich darf euch nur noch Briefe schreiben"

Killua nickte, als hätte er das erwartet. „Also hat er dich akzeptiert", stellte er trocken fest, aber ich konnte trotzdem die Erleichterung in seiner Stimme hören. „Und wie geht's weiter?"

„Wir wechseln öfter den Ort und ich muss ihm erst zeigen und erklären, was Nanika und ich alles können und was wir nicht können. Die ganze Theorie und unsere Vermutungen hab ich ihm schon erzählt, aber er scheint mich wirklich an meine Grenzen bringen zu wollen, bevor wir uns über Hatsu Gedanken machen", antwortet seine Schwester und wir können sie seufzen hören. „Auf jeden Fall will er mir dabei helfen, Regeln aufzustellen und auch mich in die Familie zu integrieren. Ich hab ihm schon gesagt, dass ich ja eigentlich gar keine Killerin werden will und wahrscheinlich werde ich auch nicht wieder zu Hause einziehen. Ich will einfach nur meinen eigenen Weg gehen dürfen, ohne ständig Angst haben zu müssen und ohne jemandem auf die Nerven zu gehen. Sie müssen mich ja auch nicht unbedingt liebhaben, auch wenn ich mich darüber freuen würde. Opa hat gesagt, dass er mit Papa darüber reden wird die Regel aufzustellen, dass ich offiziell als Zoldyck gelte und dass ich nicht mehr getötet werden darf. Alles andere werden wir sehen, wenn es soweit ist. Vielleicht wird er mich sprechen wollen, vielleicht auch nicht. Mit dem Ergebnis werde ich wohl leben müssen"

Auch mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Sie hatte noch einen weiten Weg zu gehen, aber sie würde ihn nicht alleine gehen müssen und mit dem alten Zeno hatte sie jemanden an ihrer Seite, der erfahren und stark genug war und zudem eine gewisse Autorität in ihrer Familie besaß. Eins nach dem Anderen. Erstmal musste sie mit ihrem Opa ihr Training abschließen, danach müsste sie erst noch ihr Hatsu meistern. Erst dann wäre es sicher genug, auch mit ihrer Familie zu sprechen. Aber wie ich Alluka und ihre Verbissenheit kannte, würde sie früher als erwartet an ihr Ziel kommen. Ich hoffte nur, dass Silva klug genug war, seine Tochter nicht erneut zum Abschuss freizugeben, sonst würde er ein großes Problem mit Killua bekommen und somit auch mit Gon und mir. Selbst ich war nicht wirklich scharf darauf, mich mit der gesamten Attentäterfamilie anzulegen.

Wir beglückwünschten Alluka und sprachen ihr Mut zu. Gleichzeitig bedauerten wir es, dass es das vorerst letzte Mal sein würde, dass wir ihre Stimme hören durften. Sie versprach uns, regelmäßig Briefe zu schreiben und verabschiedete sich damit quasi ein zweites Mal von uns. Dieses Mal fühlte es sich noch ein bisschen endgültiger an und die beiden Jungs griffen rechts und links nach meinen Händen.

„Ich würde dich gerne Leorio und Kurapika vorstellen", sagte Gon nach einer Weile zu mir, in der wir betreten geschwiegen hatten. „Außerdem will ich die beiden wiedersehen"

Überrascht blinzelte ich meinen Bruder an, dann überlegte ich kurz, was ich davon hielt. „Also bei Leorio wird das wohl weniger ein Problem werden, der lernt ja bloß die ganze Zeit. Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir Kurapika tatsächlich besuchen sollten. Die Gefahr ist ziemlich groß, dass wir ihn irgendwie gefährden oder auffliegen lassen. Ich finde wir sollten ihn bei seinen Plänen nicht behindern und erst eingreifen, wenn er wirklich unsere Hilfe gebrauchen kann"

Killua nickte. „Er hat ziemlich gefährliche Beziehungen geknüpft und er ist fest entschlossen die Sache durchzuziehen. Bisher ist er gut zurechtgekommen. Ich denke auch, wir sollten seine Bewegungen lieber aus sicherem Abstand im Auge behalten"

„Ehh?", schmollte Gon beleidigt und sah uns vorwurfsvoll an. „Aber er hat sich schon so lange nicht gemeldet und keiner kann ihn erreichen…"

„Das wird seinen Grund haben, Idiot! In der Szene, in der er da unterwegs ist muss man vorsichtig sein", unterbrach ihn der Weißhaarige sofort.

„Killua hat Recht, Gon", schloss ich mich ebenfalls an. „Stell dir mal vor wir gehen zu ihm und er fliegt als Hunter oder schlimmer noch als Kurta auf. Willst du ihn in Schwierigkeiten bringen? Du weißt doch, dass ihm diese Geschichte mit den Augen so wichtig ist"

„Genau deswegen will ich ihm ja auch helfen!", protestierte mein Bruder hartnäckig, aber ich schüttelte bloß den Kopf. „Manchmal hilft man jemandem auch, wenn man einfach bloß Vertrauen hat und denjenigen einfach machen lässt. Ich glaube, Kurapika ist stark genug, um alleine klarzukommen"

„Klar ist er das!", bestätigte Gon sofort, ließ aber gleich darauf die Schultern hängen. Ich tauschte einen Blick mit Killua, aber der seufzte bloß genervt.

„Vielleicht können wir ihm ja eine Nachricht zukommen lassen, wenn es dir wichtig ist, dass er etwas über mich erfährt. Wir dürfen eben bloß keine Antwort erwarten", schlug ich in dem Versuch vor, den Schwarzhaarigen wieder aufzuheitern.

„Ja, gut", brummte der bloß, aber ich war froh, dass er wenigstens davon abgekommen war, Kurapika ausfindig machen zu wollen. „Aber Leorio können wir besuchen!"

Killua grinste. „Wies dem alten Mann wohl so geht?"

„Das letzte Mal, als ich ihn gesehen hab, wirkte er gestresst. Er hängt Tag und Nacht über Büchern und schläft kaum und wenn ihm das Geld ausgeht, nimmt er Aufträge als Hunter an. Außerdem hat er auch angefangen Nen zu trainieren, sonst hätte er Ging auf dieser Versammlung nicht dermaßen eine brettern können", erklärte ich sachlich und erntete dafür von beiden Jungs erstaunte Blicke. „Was? Ich hab euch doch gesagt, dass ich Gons Freunde gestalkt hab" Die beiden lachten los und ich wurde rot im Gesicht.

„Also wärst du einverstanden, ihn zu treffen?", fragte mein Bruder noch einmal nach. Ich nickte und zuckte mit den Schultern. „Klar, ihn offiziell mal kennenzulernen wär bestimmt ganz nett"

„Dann haben wir ja zumindest mal ein vorläufiges Ziel. Aber was dann?" Killua verschränkte die Arme hinter dem Kopf und ließ sich ins saftige Gras sinken.

„Ich will endlich Hisoka schlagen!", verkündete Gon leidenschaftlich. „Ich bin viel stärker geworden seit unserem letzten Kampf"

„Dabei kann ich behilflich sein, wenn du willst" Ich zog ebenfalls die Beine an und setzte mich etwas bequemer hin. „Also, beim Training"

„Gute Idee!" Der Schwarzhaarige war begeistert. „Wir haben uns ja auch noch gar nicht miteinander gemessen"

„Mich würde ja auch mal interessieren, was du alles so drauf hast" Killua warf mir einen neugierigen Blick aus seinen blauen Augen zu. „Man bekommt immer nur so kleine Bruchstücke von dir mit"

Ich lachte verlegen und rieb mir die Nase. Das war ja irgendwie auch Absicht…

„Also, Leorio besuchen, Kurapika eine Nachricht schicken und Training. Das ist erstmal der Plan?" Die Jungs nickten. Das war zwar nicht besonders viel, aber wir hatten erstmal was zu tun und man wusste ja nie so genau was einen auf so einer Reise alles erwartete, wenn man erstmal unterwegs war. Vielleicht würde alles glatt gehen, vielleicht auch nicht, aber darüber wollte ich mir erst Gedanken machen müssen, wenn es soweit war.

Den Rest des Tages verbrachten wir zusammen im weichen Gras liegend und beschlossen am Abend relativ früh zurück zu Mitos Haus zu gehen, um ihr von unseren Plänen zu berichten. Gons Tante fand die Idee schön, alte Freunde zu besuchen, aber gleichzeitig war sie auch etwas traurig darüber, dass wir vorhatten, sie schon so bald wieder zu verlassen.

„Wir kommen bestimmt mal wieder, Mito-san", erklärte Gon ihr freundlich, um sie aufzumuntern und die Orangehaarige nahm ihren Schützling in den Arm, obwohl wir noch die Nacht bleiben würden. Wahrscheinlich bereitete sie sich innerlich schon auf den Abschied vor.

Da es meine letzten Stunden in meinem neuen Zuhause sein würden, beschloss ich, alles noch einmal so richtig zu genießen. Ich badete lang und ausgiebig und aß so viel von Mitos leckerer Kochkunst, wie es mir möglich war, obwohl mir hinterher schlecht davon wurde. Nach dem Essen half ich Mito beim Spülen und unterhielt mich mit ihr über belanglose Dinge, einfach nur, um noch etwas Zeit mit ihr zu haben. Und schließlich saßen wir alle zusammen im Wohnzimmer, tranken Tee und hörten uns von der Oma Geschichten aus Gings und Mitos Kindheit an, die Gons Tante mehr als nur ein Mal in Verlegenheit brachten. Dabei lehnte ich mich an Killua und legte meinen Kopf auf seine Schulter, was er wortlos über sich ergehen ließ.

Erst als uns schon beinahe die Augen zu fielen, schickte Mito uns drei schließlich nach oben ins Bett und erklärte uns, dass wir schließlich einen anstrengenden Tag vor uns haben würden, wenn wir noch packen und auf ein Schiff kommen wollten. Wir gehorchten ohne große Wiederrede.

Zwar schlief ich in dieser Nacht relativ schnell ein, schreckte aber wie vom Donner gerührt aus meiner Tiefschlafphase auf, als ich von jemandem berührt wurde.

„Shht", machte Killua nur und legte mir seinen Zeigefinger auf die Lippen. „Sonst weckst du den Volltrottel da drüben" Dabei lag er wie selbstverständlich schon halb mit mir zusammen unter meiner Decke.

„Blödmann!", schimpfte ich im Flüsterton zurück. „Was machst du denn da?" Ärgerlich versuchte ich ihn wieder aus meinem Bett zu schubsen, aber er fing eine Rangelei mit mir an. „Ich hab dir gesagt, ich schlaf nicht mit dir in einem Bett!"

Aber der Weißhaarige kämpfte meine Proteste einfach nieder, indem er mich an sich zog, mich ganz fest hielt und dann meine Decke über uns beiden ausbreitete. Ich war ihm so nah, dass ich seinen Atem über mein Ohr streifen spürte und erschauerte.

Der Attentäter seufzte zufrieden und ich konnte deutlich fühlen, wie seine gesamte Körperspannung nachließ, als er die Luft ausstieß. Er entspannte sich komplett, aber sein Griff wurde dadurch kein bisschen lockerer. „Viel besser", entschied er und mein Herz begann zu klopfen. „Gons Geschnarche wird mir manchmal echt zu viel, außerdem macht er sich so breit. Da dachte ich, komm ich lieber zu dir rüber" Sein Ton war selbst wenn er flüsterte total selbstzufrieden.

„Killua!", beschwerte ich mich leise. „So kann ich nie im Leben schlafen! Geh wieder zurück"

Ich konnte ihn leise lachen hören und spürte die leichten Bewegungen seines Oberkörpers dicht an meinem. „Keine Angst, ich hatte eigentlich nicht vor, dich die ganze Nacht wach zu halten. Wo auch noch Gon neben uns schläft und so…"

Mein Herzschlag beschleunigte sich nochmal und ich schnappte total entsetzt nach Luft. Was glaubte der Kerl eigentlich wer er war? „Selbst wenn nicht, so weit sind wir ja wohl noch lange nicht!"

„Aber ich mache dich nervös", schnurrte der Weißhaarige samtig weich und ließ wie um es beweisen zu müssen seine Hände über meinen Rücken nach unten und wieder hoch gleiten.

Trotzig gab ich keine Antwort und versuchte stattdessen ein wenig von ihm abzurücken, was er allerdings nicht zuließ. Seine Umarmung war wie ein Schraubstock. Ich konzentrierte mein Gehör und grinste meinerseits. „Dein Herzschlag ist auch viel zu schnell. Ich kann es deutlich hören!"

„Du kannst meinen Herzschlag hören?"

Ich nickte. „Wenn ich mich darauf konzentriere schon"

Und wenn ich ganz ehrlich war, freute ich mich darüber, dass Killua auch auf mich reagierte, obwohl er versuchte immer so gelassen zu wirken. Auch er bekam Herzklopfen und war schon mehr als einmal rot geworden. Es machte mich glücklich, denn das zeigte mir, dass ich auch etwas in ihm auslösen konnte.

„Hmm. Du bist wirklich interessant" Ich bemerkte, wie seine Stimme träge wurde. Wahrscheinlich würde es für ihn trotz des Herzklopfens kein Problem werden zu schlafen. „Dann konzentrier dich eben weiter auf mich und schlaf"

Ich musste lächeln. Es gefiel ihm. Killua mochte es tatsächlich, wenn ich ihm sagte, dass ich auf ihn fokussiert war und er konnte meine Nähe genießen, obwohl sein Körper auf diese Art und Weise reagierte. Wie es aussah hatte ich noch ganz schön viel zu lernen. Aber ich hörte auf seinen Rat und lauschte auf seinen Herzschlag, als ich die Augen schloss. Es dauerte eine ganze Weile, aber dann beruhigte er sich und auch Killuas Atmung wurde langsamer und tiefer, was auch auf mich eine beruhigende Wirkung hatte. Schließlich wurde es doch noch dunkel um mich herum und ich schlief tatsächlich in den Armen meines Freundes ein.

Am nächsten Morgen packten wir unsere Rucksäcke mit Wechselklamotten, Proviant und allem Weiteren, was für unsere Reise nötig war. Gon trug seine übliche grüne Kluft, Killua hatte sich für navyblaue, knielange Hosen und ein weißes Shirt entschieden und ich selbst hatte meinen Look auch etwas verändert und trug jetzt Jeansshorts, ein orangenes Top mit Kapuze und meine schwarzen Boots, die Mito saubergemacht und eingesprüht hatte, damit sie wasserfest wurden.

Gons Tante begleitete uns bis hinunter zum Hafen und verabschiedete sich mit langen Umarmungen und vielen guten Wünschen von uns. Als wir an Bord des Schiffes gingen, stellten wir uns an die Reling und winkten Mito so lange zu, bis sie immer kleiner wurde und das Schiff an Fahrt aufnahm.

Dieses Mal würden wir das Schiff nicht wechseln müssen. Die Stadt, in der Leorio in einem kleinen Apartment hockte und pausenlos übte, war günstiger zur Walinsel gelegen, als meine Heimatstadt und wir würden sie auch schneller erreicht haben.

„Man, bin ich gespannt, was Leorio so alles zu erzählen hat. Ich freu mich richtig, ihn zu sehen" Gon hielt die Nase in den Wind und seine Augen leuchteten vor Aufregung.

Killua dagegen lehnte lässig an einer der Schiffswände und zuckte bloß mit den Schultern. „Was soll der alte Mann schon zu erzählen haben? Wie viele Motten er von seinen Büchern ferngehalten hat?"

Wir alle lachten ausgelassen und genossen die Aufbruchsstimmung. Es war kein echtes Abenteuer, einen guten Freund besuchen zu gehen, aber ich konnte spüren, dass die beiden Jungs froh darüber waren, wieder gemeinsam unterwegs zu sein. Und wer wusste schon so genau, was mich erwarten würde? Mit diesen beiden Chaoten an meiner Seite konnte wirklich jede Reise zu einem Abenteuer werden.