Kapitel 4: Ukyo & Kaname – Haushaltsführung & Liebesbriefe
Schon seit etwa einer Stunde saß ich über meinen Schreibtisch gebeugt und versuchte in meiner absolut schönsten Handschrift einen ordentlichen Brief zu verfassen. Juli saß auf meinem Bett, knabberte an ein paar Nüssen und regte sich unaufhörlich darüber auf, dass mein `perverser Bruder´ diesen bloß als Liebesbrief verstehen würde.
Zugegeben, ich hatte extra ein hübsches Briefpapier und dazu passende Umschläge besorgt und ich benutzte einen Füller zum Schreiben, aber der Inhalt war schließlich wichtiger.
„Juli, sei doch mal still, ich kann mich gar nicht konzentrieren", mahnte ich irgendwann ziemlich angespannt, weil er nicht aufhörte, irrationales Zeug zu behaupten.
Von Masaomi hatte ich gehört, wie streng die Regeln in Kanames Tempel waren, in dem er sein Training absolvierte. Es gab dort scheinbar keine moderne Technik, sein Handy hatten sie ihm abgenommen, Besucher waren nicht gestattet und selbst die Anzahl an Briefen, die er erhalten oder abschicken durfte, war zahlenmäßig begrenzt. Alles, damit er sich ganz auf sich selbst konzentrieren konnte, ohne irgendwelchen Ablenkungen ausgesetzt zu sein. Deshalb schickte er auch immer ein komplettes dickes Couvert für uns alle und teilte die Briefe nicht extra an jeden einzelnen von uns auf. Und mit der Antwort hielten wir es genauso. Masaomi schickte einen Brief für die gesamte Familie.
Allerdings hatte er mir in einem kurzen Augenblick unter vier Augen einmal gesagt, dass ich ihm gerne auch etwas selbst Geschriebenes geben könnte. Er würde es einfach zu dem Brief dazu stecken und den Umschlag trotzdem als einen Brief abschicken. Manchmal legten wir auch ein paar Fotos bei.
Also saß ich in meinem Zimmer über dem neuen schicken Briefpapier und schüttete dem blonden Mönch quasi mein Herz aus. Naja, eigentlich erzählte ich ihm bloß alles, was während seiner Abwesenheit passiert war. Aber da ich es aus meiner eigenen Sicht schilderte, konnte ich irgendwie auch nicht anders, als meine Gefühle mit einfließen zu lassen. Besonders das Gespräch mit Hikaru hatte mich nun einmal aufgewühlt und ich war immer noch hin und her gerissen, seinen Tipp zu befolgen oder nicht. Aber seitdem war für mich alles sehr gut gelaufen. Meine kleinen Versuche, die anderen glücklich zu machen, wurden wahrgenommen und sie zeigten Wirkung. Und darüber freute ich mich wirklich von ganzem Herzen. Im College lief es auch sehr gut. Meine Noten hatten sich wieder stabilisiert und mein Sozialprojekt machte mir am Ende sogar viel mehr Spaß, als ich geglaubt hatte. Ich hatte das Gefühl, dass ich alles in die richtige Richtung gelenkt hatte.
Ich beschloss, auch ehrlich mit Kaname zu sein und ihm zu schreiben, dass ich ihn wirklich sehr vermisste, genau wie die anderen, die jetzt nicht mehr bei uns wohnten und dass ich hoffte, ihn bald wieder zu sehen. In einem kleinen Nachsatz erwähnte ich noch beiläufig, dass ich ihm auch gerne eine Freude machen würde und ein paar Fotos beilegen würde.
In Gedanken an meine neuesten Erlebnisse versunken, sah ich meine Fotos durch und suchte ein paar schöne heraus, die ich mitschicken wollte. Eins von Hikaru und mir in der Shoppingmall, eins von Rui und mir in seinem Salon und ich mit meiner neuen Frisur, eins von Yusuke und mir vor dem College, dann eins von den neuen Beeten, die ich für Iori angelegt hatte und eins von dem Blumenstrauß, den er als Antwort zurück geschickt hatte. Nach einigem Überlegen suchte ich noch eins mit Masaomi, den Krankenschwestern von der Kinderstation und den kleinen Patienten, die ich betreute heraus. Mittendrin saß ich und lächelte in die Kamera, die ein befreundeter Doktor geführt hatte. Wataru und ich hatten auch ein Selfie mit seinem neuen Handy gemacht, als wir Fuutos Konzert angesehen hatten. Wir saßen mit dem Rücken vor dem Fernseher, hatten gewartet, bis Fuuto in Großaufnahme eingeblendet wurde und hatten abgedrückt. Auf dem Bild sah es so aus, als würde das Gesicht des Superstars irgendwie zwischen uns schweben. Wataru hatte es lustig gefunden und als neues Hintergrundbild eingerichtet. Als letztes Bild beschloss ich, auch eins von Juli und mir zu schicken. Er mochte Kaname zwar nicht, aber für mich gehörte er eben auch zur Familie. Zu `meiner Seite´ der Familie, wenn man das so unterscheiden wollte.
Schließlich doch noch zufrieden mit meinem Brief und den ausgesuchten Fotos, steckte ich alles zusammen in einen von den hübsch verzierten Briefumschlägen und schrieb ganz groß `Onii-chan´ hinten drauf. Lächelnd betrachtete ich mein Werk und hoffte, dass er sich darüber genauso freuen würde, wie Iori.
Ich begab mich nach unten, um Masaomi zu suchen und ihm meinen Brief für Kaname zu übergeben und traf dabei auf einen gestresst wirkenden Ukyo, der einen vollen Wäschekorb durch die Gegend schleppte. Kurz blieb ich stehen, um ihm meine Hilfe anzubieten, aber er rauschte an mir vorbei, ohne mich wirklich wahrzunehmen. Komisch, so benahm er sich sonst nicht.
Kopfschüttelnd setzte ich meinen Weg in die Küche weiter fort, wo ich Masaomi und Hikaru traf. Der Arzt brühte gerade Kaffee auf und der ausnahmsweise als Mann gekleidete Autor saß an der Theke und trank seinen geliebten Rotwein. Er prostete mir kurz zu, als er mich sah. „Imouto-san"
Auch Masaomi drehte sich zu mir um und ich übergab ihm meinen Brief an Kaname. „Könntest du den mit in den Umschlag an Kaname stecken?" Mein Bruder nickte und ließ ihn in einer Innentasche seines weißen Kittels verschwinden. Er würde sicher bald zu seiner Schicht aufbrechen.
„Du arbeitest hart in letzter Zeit", kommentierte Hikaru von seinem Platz aus. Auch wenn einen Brief zu schreiben für mich keine harte Arbeit war, verstand ich ihn trotzdem besser, als mir lieb war und grinste ihn als Antwort einfach nur ein bisschen schief an.
Tsubaki und Azusa saßen im Wohnzimmer auf der Couch und gingen zusammen ein Skript durch. Um die beiden nicht zu stören, winkte ich ihnen nur kurz zu. Azusa schenkte mir sein ruhiges Lächeln und Tsubaki winkte zurück und grinste wie immer sein freches Grinsen.
Ukyo war gerade damit beschäftigt, einen ganzen Berg an Wäsche zu sortieren und zusammen zu falten. Wortlos gesellte ich mich zu ihm und begann damit, ihm zu helfen.
„Oh, das ist wirklich lieb von dir, danke. Ich frage dich wirklich ungern, aber könnte ich dich damit alleine lassen?" Seine blauen Augen suchten entschuldigend meinen Blick. Ich hatte immer noch das Gefühl, dass er leicht gehetzt war.
Ich lächelte und versuchte so beruhigend wie möglich auf ihn zu wirken. „Natürlich", versicherte ich selbstbewusst. „Ist denn alles in Ordnung mit dir, Ukyo?"
„Selbstverständlich", gab er etwas gelassener zurück. „Bitte entschuldige. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich bearbeite nur im Moment einen sehr wichtigen Fall, der mich auch emotional etwas beschäftigt. Ich versuche die Hausarbeit so schnell wie möglich zu erledigen, damit ich mir die Akten noch einmal ansehen kann. Du bist mir in letzter Zeit wirklich eine große Hilfe"
Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. „Dann ist es ja gut. Geh ruhig an deine Arbeit, ich kümmere mich um den Rest", antwortete ich etwas verspätet.
Dankbar lächelte mir Ukyo noch einmal zu, dann war er schnell verschwunden und ich blieb alleine mit einem riesigen Berg Wäsche zurück. Ich machte mich gleich daran, diesen auch zu bewältigen und überlegte mir dabei, was ich tun könnte. Die logischste Hilfestellung, die ich geben könnte, wäre Ukyo mehr Hausarbeit abzunehmen. Morgen war Sonntag und ich musste nicht ins College, also machte ich mich nach getaner Arbeit wieder auf den Weg in die Küche, um auf unserer Agenda nachzuschauen, wer alles anwesend sein würde und wurde positiv überrascht. Natürlich war Sonntag und niemand außer Masaomi musste auf die Arbeit oder zur Schule. Trotzdem hieß das in unserem Haus nicht viel. Dieses Mal allerdings, waren beinahe alle da. Auch Masaomis Schicht war nur für drei Stunden eingetragen. Bestimmt hatte er einen Patienten, nachdem er unbedingt selbst sehen wollte. Da war er sehr gewissenhaft.
Das bedeutete, ich musste mir etwas Ordentliches für unsere Mahlzeiten einfallen lassen. Es schien auch niemand Pläne für außerhalb gemacht zu haben, zumindest nicht, dass es für mich ersichtlich gewesen wäre, also rechnete ich mit der Anwesenheit von allen.
Ein Blick in den Kühlschrank und in ein paar andere Schränke bestätigte mir, dass noch alles vorhanden war, was man für drei Mahlzeiten mit der ganzen Familie benötigte. Das beruhigte mich schon mal.
Ich ging recht früh ins Bett, weil ich am nächsten Morgen früh aufstehen wollte, um schon ein paar Arbeiten im Voraus zu erledigen. Ich stellte also meinen Wecker und legte mir im Kopf eine Liste mit Dingen zurecht, die ich alle erledigen musste.
Als der Wecker dann tatsächlich klingelte, erschreckte ich mich zwar ziemlich heftig, aber ich sprang trotzdem aus dem Bett und unter die Dusche. Dann zog ich mir ein paar bequeme alte Shorts und ein weites graues Shirt über, band die Haare zu einem festen Knoten nach oben und ging meine Liste durch. Staubwischen, Staubsaugen, nach der Wäsche musste ich sehen, eventuell auch bügeln, die Küche müsste bestimmt gemacht werden und die Bäder und Toiletten auch, davon hatten wir schließlich mehrere. Den Fahrstuhl würde ich auch mal überprüfen, nur zur Sicherheit, weil man den bestimmt leicht vergaß. Natürlich würde ich nicht in die persönlichen Zimmer gehen, dafür war jeder selbst zuständig, aber genug zu tun blieb trotzdem. Der Wohnkomplex hatte schließlich mehrere Etagen und das war schon eine Herausforderung. Frühstück, Mittagessen und Abendessen durfte ich auch nicht vergessen und vielleicht zwischendurch mal einen Tee? Oder lieber Kaffee? Für Hikaru sicher lieber Wein.
Voller Motivation machte ich mich an die Arbeit. Zuerst sammelte ich die schmutzige Wäsche ein und häufte sie neben der Waschmaschine auf. Obwohl Ukyo gestern erst gewaschen hatte, war schon wieder ziemlich viel angefallen und ich warf sofort eine Maschine an. Schnell sah ich auf die Uhr, damit ich nicht vergaß, wann ich die Wäsche herausholen musste.
Der Korb für die Bügelwäsche war auch gut befüllt, also baute ich schon mal das Brett auf und suchte mir das Bügeleisen aus dem Schrank. Den Korb stellte ich mir nebendran. So vertrieb ich mir ein wenig Zeit. Bügeln und zwischendurch die Wäsche aus der Maschine holen, aufhängen und eine neue Maschine anschmeißen. Dabei behielt ich die Uhr im Blick, damit ich rechtzeitig Frühstück vorbereiten konnte.
Als ich die Bügelwäsche fertig sortiert und zusammengelegt hatte, stapelte ich sie für jeden einzeln auf, da ich sie noch nicht in die Zimmer verteilen konnte. Die zweite Waschmaschine lief noch, also begab ich mich schnell ich die Küche und machte mich daran ein üppiges, traditionell japanisches Frühstück zuzubereiten. Darüber würde sich besonders Ukyo bestimmt freuen und meine anderen Brüder hätten sicher auch nichts dagegen. Ich deckte den Tisch mit hübschem Besteck und begann nach und nach auch die Platten und Schüsseln mit dem fertigen Essen aufzutragen.
Der Erste war natürlich Ukyo, dicht gefolgt von Masaomi, der ja nochmal in die Klinik musste. Nach und nach trudelten auch Rui, Hikaru und die Zwillinge ein. Danach schlurfte ein verschlafener Wataru ins Zimmer und der Letzte, wie immer, war Yusuke. Alle machten riesige Augen beim Anblick meines Frühstücks und natürlich wurde ich gefragt, wie lange ich schon auf war.
„Wow, das sieht alles super lecker aus!", rief Yusuke begeistert und setzte sich schnell auf seinen Platz. Dem konnten die anderen nur zustimmen und ich reichte schnell noch Kaffee und Tee herum.
Als ich dann meine Brüder noch etwas verschämt bat, ihre Wäsche einzusammeln, wenn sie fertig waren mit essen, musste ich mich endgültig erklären.
Ich versuchte, möglichst gleichgültig zu klingen. „Ich dachte, ich bin heute mal für die ganze Hausarbeit zuständig. Ich hatte sowieso noch nichts Besseres vor und Ukyo hat einen schwierigen Fall, also muss er sich mit seinen Akten beschäftigen" Ich sagte das, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Naja, für mich war es das irgendwie ja auch. In einer Familie half man sich eben. Und wenn Ukyo andere Arbeit hatte, würde ich seine Pflichten im Haus eben selbst übernehmen. Schnell schob ich mir eine Ladung Reis in den Mund, um nicht mehr dazu sagen zu müssen.
„Ema!", rief Ukyo überrascht aus und ich konnte spüren, wie alle am Tisch mich anstarrten. Ich versuchte wirklich, nicht rot zu werden. Es gab eigentlich keinen Grund, verlegen zu werden. „Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen. Ich werde heute hart daran arbeiten, diesen Fall zu gewinnen"
Glücklich lächelte ich zurück. „Viel Glück dabei", sagte ich etwas gerührt. Es nahm mich immer noch emotional mit, dass meine Bemühungen so gut angenommen wurden und nicht als selbstverständlich erachtet wurden, obwohl ich es selbst als genau das betrachtete. Es war normal. Obwohl ich erst seit kurzer Zeit eine richtige Familie besaß.
„Können wir dir eventuell behilflich sein?", bot Azusa an. Er war einfach ein Gentleman, das musste ich ihm ja lassen. Trotzdem betrachtete ich ihn skeptisch.
Schließlich schüttelte ich den Kopf. „Ihr habt euer neues Skript und müsst üben oder nicht? Dieses Mal sprecht ihr die Rollen wieder zusammen, also solltet ihr euch auch gemeinsam vorbereiten. Heute habt ihr den ganzen Tag Zeit, also ist das eine super Gelegenheit"
Tsubaki seufzte und warf mir einen intensiven Blick zu. „Da soll man sich in dieses Mädchen nicht total verknallen", meinte er bloß und schüttelte den Kopf, als sei das eine unmöglich zu bewältigende Herausforderung.
„Tsubaki, was soll denn das?" Azusa warf seinem Zwilling einen bösen Blick zu. „Du bringst sie nur wieder in Verlegenheit"
„M-Masaomi du musst heute ins Krankenhaus, oder?", wechselte ich schnell das Thema, atmete tief ein und aus und schaffte es tatsächlich zum ersten Mal nicht so richtig nervös zu werden.
Der Älteste nickte. „Ich habe mal ungefähr drei Stunden eingeplant, aber du musst mit dem Essen nicht auf mich warten. Es könnte auch etwas länger dauern, je nachdem, wie sich mein Patient heute fühlt"
„Ich denke, ich werde mich heute wohl etwas zurückziehen und ebenfalls arbeiten", ließ Hikaru sich vernehmen. Er trug ein atemberaubendes Kleid. Eigentlich eine Schande, wenn er bloß hierbleiben und schreiben wollte. „Ich habe eine Menge neue Ideen" Unauffällig zwinkerte er mir zu. Und weil ich gerade an mir arbeitete, lächelte ich leicht und zwinkerte zurück, ohne feuerrot zu werden. Selbstbeherrschung war alles! Hikaru kicherte bloß, aber es klang nicht höhnisch.
„Na, aber ich könnte dir auf jeden Fall helfen", platzte Yusuke in die entstandene Stille hinein, was mich auch nur milde lächeln ließ. Ihre Angebote ehrten mich ja sehr, aber…
„Yusuke, mir wäre es lieber, wenn du für deinen Wiederholungstest in Mathe lernen würdest, weißt du", murmelte ich unbehaglich, weil ich das eigentlich nicht gerne vor allen anderen ansprach. Er war nach langer Zeit mal wieder durch eine Klausur gefallen und musste nachschreiben und ich wusste, dass es ihn deprimierte. „Ich bin sicher, wenn du dir ordentlich Mühe gibst, schaffst du es diesmal", fügte ich deshalb mit ganz viel Überzeugungskraft hinzu. Trotzdem sank er in seinem Stuhl zusammen.
„Hör auf sie, schließlich ist sie die Einzige, die noch an dich glaubt", stichelte Tsubaki. Azusa seufzte bloß. Bei seinem Bruder waren Hopfen und Malz verloren.
„Chii-chan, es ist wirklich lieb von dir, wie du an uns alle denkst, aber überanstrenge dich bitte nicht", sagte Rui und sah von seinem Frühstück auf. Er hatte bisher geschwiegen und sich alles scheinbar unbeteiligt angehört. „Wenn du Hilfe brauchst, kannst du es ruhig zugeben. Keiner von uns würde seine persönlichen Angelegenheiten als wichtiger betrachten. Ein paar Stunden am Tag kann man immer erübrigen" Die anderen nickten und murmelten Zustimmung.
„Onee-chan, ich helfe auch mit", rief Wataru begeistert. Es war wirklich erstaunlich, wie sich ein kleiner Junge für Hausarbeit so motivieren konnte.
Mir war es schon ein bisschen peinlich, aber bei Rui und Wataru fielen mir beim besten Willen keine Argumente ein, warum ich ihre Hilfe ablehnen sollte. Also nickte ich ergeben und lächelte dankbar.
Während meine anderen Brüder sich also zurückzogen, um ihren Aktivitäten nachzugehen, wies ich Rui und Wataru an, wie sie mir helfen konnten. Auch Juli bequemte sich schließlich aus meinem Zimmer zu uns und saß die meiste Zeit auf Ruis Schulter.
Die Zeit verflog sehr schnell und ich staunte nicht schlecht, wie der Tag plötzlich schon zur Hälfte vorbei war, obwohl wir noch nicht einmal mit all unseren Pflichten fertig waren. Mit dem Mittagessen musste ich mich ziemlich beeilen, weil ich die Zeit total vergessen hatte. Und danach ging es immer munter weiter. Vielleicht war ich auch etwas zu perfektionistisch, aber ich dachte mir, wenn ich heute alles schön fertig bekam, hätte Ukyo für die nächsten Tage auch nicht mehr so viel zu tun.
Als es draußen schließlich schon dämmerte, ließ ich mich total erschöpft neben Rui auf die Couch fallen. Der saß in aller Seelenruhe da und nähte. Wataru schlief neben ihm und schnarchte leise und Juli hatte sich auf seinem Schoß zusammengerollt. Ich lächelte die beiden an. Sie sahen wirklich niedlich aus. Rui lächelte ebenfalls und strich Juli kurz übers Fell.
„Ich hätte nicht gedacht, dass wir so lange brauchen würden. Aber wir haben wirklich alles gemacht, selbst die Sachen, die man nicht regelmäßig machen muss. Ich muss mich wirklich nochmal für die Hilfe bedanken, alleine hätte ich nicht alles fertig bekommen", seufzte ich.
„Chii-chan, du musst dich nicht bedanken. Wir haben dir gerne geholfen", antwortete Rui, legte das fertig genähte Hemd zusammen und sortierte es dem richtigen Stapel zu. Nachdem wir alles komplett gewaschen und getrocknet hatten, sahen die Stapel selbst ohne die Bügelwäsche wieder riesig aus. Und Rui hatte ein Nähtalent.
„Der arme Ukyo tut mir schon leid. Aber ich habe auch ziemlichen Respekt vor ihm. Er schafft das alles immer sehr souverän und das, obwohl er noch einen stressigen Job hat", sagte ich und zog die Beine an.
„Es wird ihn freuen, das zu hören", meinte Rui bloß. „Er hält sehr viel von dir und schätzt deine Hilfe wirklich sehr. Ich glaube, du hast ihm heute einen großen Gefallen getan"
Ich grinste breit und glücklich. „Das war der Plan. Aber jetzt muss ich Abendessen fertig machen"
Nach dem Essen, bei dem mich alle noch einmal lobten, was mir sehr unangenehm war, schließlich hatte ich die Arbeit nicht alleine gemacht, und einer heißen Dusche fühlte ich mich gleich wieder wie ein normaler, nicht total verschwitzter Mensch und wuselte in meinem Zimmer umher, um mich auf den nächsten Schultag vorzubereiten.
Es war schon recht spät, deshalb wunderte es mich, dass es plötzlich an meiner Tür klingelte. Trotzdem ließ ich alles liegen und öffnete. Draußen stand Ukyo und schenkte mir ein nettes Lächeln. Er sah ein bisschen müde aus, so wie ich ganz sicher auch.
„Ich wollte mich noch einmal ganz herzlich bei dir für deine Hilfe bedanken", sagt er und streckte mir ein kleines Kästchen mit Pralinen entgegen. „Sie sind nicht selbstgemacht, aber ich hoffe, du nimmst sie trotzdem an"
Überrascht und wirklich berührt nahm ich es entgegen. „Vielen Dank, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Außerdem haben Rui und Wataru mir auch geholfen" Und Juli, fügte ich in Gedanken hinzu. Er würde eine von den Schokoperlen abbekommen.
„Bei ihnen habe ich mich auch schon bedankt. Ich wünsche dir eine gute Nacht", antwortete der Blonde und wendete sich zum Gehen. Ich wünschte ihm auch noch eine gute Nacht und schloss die Tür hinter mir. Mit einem Lächeln stellte ich das Pralinenkästchen auf meinem Schreibtisch ab.
