Kapitel 13

- eine Woche später -

Seit Toyas Verschwinden wandelte ich wie betäubt durch meine Welt. Anfangs hatte mich noch das Entsetzen wach gehalten. Die Frage „Warum hat er mich einfach so verlassen?" war allgegenwärtig gewesen und hatte mich gequält. Bis ich schließlich begriffen hatte, dass ich selbst daran schuld gewesen war. Ich hatte es selbst gesagt. Du hast meinen Wunsch erfüllt. Ganz ohne vorher darüber nachzudenken hatte ich das ausgesprochen, was für Toya die sichere Rückreise in seine eigene Dimension bedeutet hatte.

Es hatte sich angefühlt als hätte ich heißes Gold getrunken. Erst hatte es mich innerlich glühend heiß zerrissen. Verzweifelt und weinend hatte ich versucht, ihn zurückzuwünschen. Dieses Mal sogar mit dem eindeutigen Vorsatz, meine Erinnerungen dafür herzugeben, dass er für immer bei mir bleiben konnte, denn er würde sich für uns beide erinnern. Als das aber nicht funktioniert hatte, war das glühend heiße Gold schlagartig abgekühlt. Eiskalt und steinhart war es geworden und hatte wie ein riesiger Klumpen in meinem Magen gelegen.

Mittlerweile war ich einfach nur noch taub und leer. Ich fühlte gar nichts. Ich dachte gar nichts. Ich tat den ganzen Tag gar nichts. Nicht einmal die bevorstehende Ausstellung bewirkte irgendwas in mir. Außer dass ich einen kurzen Moment damit verschwendet hatte, darüber nachzudenken, sie einfach wieder abzusagen.

Meine drei besten Freundinnen besuchten mich oft und versuchten mir gut zuzureden. So eine Art von Liebeskummer hätte wohl jede von ihnen schon einmal durchmachen müssen. Wenn die wüssten, was sie da von sich gaben! Schließlich waren deren Freunde nicht einfach so vor ihren Augen verpufft und hatten sich in Luft aufgelöst.

Auf dem absoluten Tiefpunkt meines bisherigen Lebens angekommen, wusste ich nichts mehr mit mir selbst anzufangen, außer auf der schicken Couch zu sitzen, die ich für meine tolle neue Wohnung gekauft hatte und in die Röhre zu gucken. Lustlos und wie ferngesteuert zappte ich von Programm zu Programm im fünf Minuten Takt und das schon seit drei Stunden. Bis mir plötzlich ein Bild so intensiv ins Auge sprang, als hätte man es mir um die Ohren gehauen. Völlig unfähig auch nur zu atmen, geschweige denn meinen immer noch ausgestreckten Arm mit der Fernbedienung in der Hand wieder sinken zu lassen, starrte ich das Foto an, das hinter einer korrekt zurechtgemachten Nachrichtensprecherin eingeblendet wurde.

„…Anfang letzter Woche wurde dieser junge Mann nackt in einem Park aufgefunden, der sich in der Nähe eines Einkaufszentrums und einem dicht besiedelten Wohngebiet befindet. Das Alter des Aufgefundenen wird auf Mitte zwanzig geschätzt. Da er keinerlei Erinnerungen zu haben schien, lieferte ihn die Polizei zunächst in der städtischen Klinik ein, wo die Ärzte zurzeit seine Amnesie genauer untersuchen. Bisher sind noch keine weiteren Details über den Patienten bekannt, außer dass er behauptet sein Vorname laute Toya. Den Ärzten zufolge könnte diese Information allerdings falsch sein, da es der einzige Name sei, an den der junge Mann sich erinnern könne. Die Öffentlichkeit wird in diesem sonderbaren Fall um dringende Mithilfe gebeten. Sollten sie Informationen über diesen Mann haben, so wenden sie sich bitte an…"

Eine Großaufnahme von Toya in einem Krankenhaushemd wurde gezeigt, seine strahlende Aura war verschwunden, aber seine wunderschönen Augen hatten immer noch ihren typischen Glanz. Ich brach in Tränen aus, denn ich wusste sofort, was er für mich getan hatte.