Kapitel 2. Sternenmagie und Drachen

„Was war denn das?", brachte Levy schließlich irgendwann hervor, als die beiden eine Zeit lang das Buch angestarrt hatten und nichts weiter passiert war.

Die Blondine schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß nur, dass da was über Drachen steht und dass das das erste Mal seit Langem ist, das wir vielleicht ein paar Informationen bekommen könnten"

Die kleine Schriftmagierin nickte nachdenklich. „Aber wir haben schon so oft das gesamte Archiv durchgeackert. Denk nur mal daran, wie oft Natsu uns deswegen schon auf die Nerven gegangen ist…"

„… und wir haben nie auch nur den kleinsten Hinweis erhalten", beendete Lucy den Satz und näherte sich wieder dem geheimnisvollen Buch.

„Die Frage ist, wo das Ding so plötzlich herkommt. Wenn der Master Informationen über die Drachen hätte, dann würde er sie doch nicht hier unten verstecken und niemandem etwas davon sagen" Die Blauhaarige schüttelte ihren schlauen Kopf. „Das ergibt alles überhaupt keinen Sinn"

„Wir müssen es versuchen", beharrte die Stellargeistmagierin stur. „Für Natsu und Wendy und Gajeel. Oder willst du ihnen etwa nicht helfen?"

Bei der Erwähnung des Namens des Eisendragonslayers wurde Levy kirschrot im Gesicht und betrachtete schnell den Boden, als hätte sie dort etwas überaus Interessantes entdeckt.

„Na klar will ich auch helfen", murmelte sie. „Aber, Lu-chan, du weißt doch gar nicht, ob dieses Licht vielleicht gefährlich für dich ist. Immerhin haben wir es hier ganz sicher mit jahrtausendealter Magie zu tun, wenn es um Drachen geht. Damit kenne selbst ich mich nicht genug aus"

Lucy zögerte ängstlich. Ihre beste Freundin hatte natürlich wie immer Recht. Sie wusste nicht, ob das Licht schädlich wirkte. Vielleicht würde sie davon krank werden oder verflucht oder sogar noch Schlimmeres. Dann dachte sie an Natsu, der seinen Drachenvater Igneel schon seit Jahren suchte, an die kleine Wendy, die noch viel früher ihre Grandine verloren hatte und sie schrecklich vermisste und schließlich an Gajeel, der immer so tat, als ob Metallicana ihm total egal wäre. Dabei verstand er doch genauso wenig, warum die Drachen so plötzlich verschwunden waren.

Zitternd machte sie noch einen Schritt nach vorne. „Ich bin sicher, sie würden dasselbe für uns tun" Und noch ein Schritt. Lucy stand jetzt wieder genau in Reichweite des Buches, als sie etwas Warmes an ihrer Hand bemerkte.

Es war die Hand ihrer besten Freundin, die sich um ihre eigene schloss. Levy nickte ermutigend. Sie würde sich zusammen mit Lucy dieser Herausforderung stellen. Lucy drückte dankbar ihre Hand und zusammen gingen sie vor dem Buch in die Hocke.

Die Blondine atmete tief ein und wieder aus und streckte dann ein weiteres Mal ihre Hand nach dem mysteriösen Wälzer aus, der immer noch auf derselben Seite aufgeschlagen da lag.

Und wieder erstrahlte das helle Licht, sobald ihre Finger die Seiten und den Einband berührt hatten, um das Buch aufzuheben. Die zwei Fairy Tail Magierinnen klammerten sich mutig aneinander und wendeten ihre Gesichter ab. Aber Lucy hielt das leuchtende Wunderwerk der magischen Literatur weiter fest, inständig hoffend, dass es sich bei dem Strahlen nicht um einen Schutzzauber handelte, der Unbefugte vom Lesen des Werkes abbringen sollte.

Es dauerte eine Weile, bis Lucy das nur allzu vertraute Gefühl wahrnahm, das von dem Licht ausging. Es fühlte sich freundlich an, warm und gütig. Ihre Angst schmolz und wurde zu Geborgenheit, dann zu Gewissheit.

„Levy", flüsterte sie ihrer Freundin zu und drückte nochmal ihre Hand. „Es ist Sternenmagie"

Überrascht sog die blauhaarige Magierin die Luft ein, aber auch ihre Anspannung löste sich etwas. Mit immer noch geschlossenen Augen bemerkten die beiden bald, wie das Licht immer schwächer wurde und schließlich komplett erlosch.

„Bist du ganz sicher?", fragte Levy mit einiger Verspätung, als die beiden auf dem Fußboden der Bibliothek saßen und endlich das Drachenbuch in den Händen hielten. Von außen sah es relativ schlicht aus mit dem schwarzen Ledereinband und den metallverstärkten Ecken.

Lucy nickte. Sie war selbst überrascht. Warum sollte Sternenmagie auf einem Buch liegen, das eigentlich von Drachen handelte? Das hatte doch gar nichts miteinander zu tun. Selbst Dragonslayermagie hatte mit Stellargeistmagie nichts gemeinsam.

„Lu-chan, wir sollten langsam wieder hoch zu den anderen gehen. Lass uns das Buch mitnehmen und später bei dir zu Hause durchgehen. Ich bringe meine magische Schnelllesebrille mit", schlug Levy vor.

„Danke Levy-chan" Froh darüber die ganze Situation nicht alleine meistern zu müssen, lächelte Lucy sie an und die beiden machten sich wieder auf den Weg in die Küche zu Erza und den Vorbereitungen für Wendys Geburtstagsparty.

Später am Abend, als schon niemand mehr Torte, Girlanden und Ballons sehen konnte, verabschiedeten sich die Fairy Tail Mitglieder voneinander.

„Levy, kommst du nicht mit ins Wohnheim?", rief Laki der Blauhaarigen hinterher. Sie hatte schon die Tür nach draußen aufgedrückt und guckte erwartungsvoll über die Schulter.

„Ich gehe noch mit zu Lu-chan", antwortete sie und winkte Laki zum Abschied. „Wir sehen uns dann später"

Wie auf Stichwort platzte Lucy aus der Küchentür heraus mit einer immer noch unzufrieden dreinblickenden Erza im Schlepptau.

„Ich werde noch weiteres Recherchematerial mitbringen müssen", meinte die Rothaarige mürrisch. Lucy und Levy tauschten einen Blick und rollten genervt mit den Augen, ersparten sich aber jeglichen Kommentar zu diesem Thema.

„Ja, vielleicht findest du ja noch irgendwas anderes mit Erdbeeren als die Torten die wir schon gesehen haben" Lucy grinste schief. Manchmal meinte es ihre Freundin einfach zu gut.

„Eine gute Idee Lucy, also bis morgen dann" Und damit stürmte die Kriegerin voller Tatendrang davon.

Levy seufzte. Endlich kamen auch die beiden dazu, den Heimweg anzutreten. Levy hatte aus einer der Schubladen noch schnell die Brillen heraus gekramt, bevor sie sich zu Lucys Wohnung aufmachten.

Wenn die Nacht der Drachen bevorsteht,

blicken wir zu den Sternen hinauf.

Geheiligt sei ihre Magie,

die unsere Seelen mit den Euren verbindet.

Wieder und wieder las Levy sich die kurze Anfangspassage des Buches durch, die direkt auf die erste Seite geschrieben stand. Sie suchte nach Übersetzungsfehlern, fand aber keine.

„Also ich denke die Verbindung von Drachen und Sternenmagie wird hier ziemlich deutlich gemacht, mir ist nur nicht ganz ersichtlich in welcher Art und Weise", murmelte Levy vor sich hin während sie weiter grübelte. „Die Nacht der Drachen ist wahrscheinliche eine ganz besondere Nacht, wie zum Beispiel eine Sonnenfinsternis oder etwas ähnliches, das nur in bestimmten Zeitabständen stattfindet. Und in dieser Nacht gibt es ganz besondere Bedingungen, die für die Drachen anscheinend sehr wichtig waren. Und ich denke auch, dass hier die Verbindung zu den Sternen besteht. Vielleicht haben die Drachen Sternenmagie verehrt oder irgendwie gefeiert. Es könnte sein, dass das sogar nur in diesen bestimmten Nächten passiert ist. Aber das Warum fehlt. Und das mit den Seelen ist mir ein Rätsel. Warum sollte Sternenmagie die Seelen von Drachen mit denen anderer Lebewesen verbinden?"

Lucy lümmelte neben ihrer Freundin auf dem Bett. Beide starrten schon seit einer Weile auf diese erste Seite des Buches.

„Ich denke wir finden nur Antworten, wenn wir das gesamte Buch durchgehen", sagte sie und gähnte herzhaft.

Levy nickte und rieb sich ihre müden Augen. „Ja aber das wird mühselig selbst mit den Brillen. Das Buch ist ewig alt, die Schrift ist an manchen Stellen kaum entzifferbar und außerdem ist es eine sehr alte Sprache. Das heißt, dass wir das alles auch noch übersetzen müssen, um es ordentlich zu verstehen"

Die blonde Stellargeistmagierin setzte sich gerade auf und streckte sich. „Dann sollten wir wohl gleich anfangen"

„Das wollte ich hören", kicherte Levy. „Hab auch nichts anderes erwartet"

Dicht nebeneinander kauernd machten sich die beiden Freundinnen an die Arbeit. Es war genauso schwierig, wie Levy gesagt hatte. Mit den Brillen konnten sie zwar im Schnelldurchlauf lesen, aber verstehen konnten sie dadurch noch lange nicht alles. Also mussten sie auf eine Mischung aus Lesen und gleichzeitig Übersetzen umsteigen, was wesentlich länger dauerte und eine Menge Konzentration in Anspruch nahm.

Bei etwa der Hälfte des Buches gaben die Mädchen schließlich auf, weil die Buchstaben schon anfingen vor ihren Augen umher zu tanzen. Sie hatten bis vier Uhr morgens über den alten Runen gesessen und mittlerweile sah eine genauso aus wie die andere.

Keine zwei Minuten nachdem sie das Recherchieren erst mal vertagt hatten, fielen ihnen auch schon die Augen zu und sie fingen an zu schnarchen.