Kapitel 3. Das Bündnis
Mittags in der Gilde saßen Lucy und Levy wieder mit Erza zusammen über neuen Kochbüchern. Endlich hatten sie eine Erdbeer – Schokoladengeburtstagstorte gefunden, mit der sie zufrieden zu sein schien.
Da sie die Torte aber sowieso nicht sechs Tage vor Wendys Geburtstagsfeier schon fertig machen konnten, ging es erst mal darum, Mirajane zu informieren und die Zutaten zu besorgen. Zumindest alle Zutaten außer den Erdbeeren, die würden frisch gebraucht werden.
„Da habt ihr euch aber sehr viel Mühe gemacht. Das ist wirklich eine hübsche Torte, da wird sich Wendy bestimmt freuen" Mira lächelte ihr freundliches Lächeln, als Lucy ihr das Rezept präsentierte.
„Könntet ihr dann nach dem Einkauf zu Max und Lisanna stoßen? Die beiden kümmern sich um die restliche Verpflegung und könnten bestimmt Hilfe von ein paar Tortenspezialisten gebrauchen"
Lucy nickte und gähnte. „Ich sage den anderen Bescheid"
Mirajane zwinkerte spielerisch. „Lange Nacht gehabt?"
„Das kannst du wohl laut sagen", murmelte die Stellargeistmagierin verlegen und trottete matt zurück zu ihrer Gruppe, die sich im Anschluss gleich zu Max und Lisanna an den Tisch gesellte. Die beiden waren auch tatsächlich froh über etwas Unterstützung und boten sogar an, den Einkauf der gesamten Lebensmittel gemeinsam zu organisieren.
So verstrich die Zeit, während die Fairy Tail Mitglieder über noch mehr Nahrungsmitteln und Kochbüchern hingen. Am Ende hatten sie einen Plan für ein gesamtes Buffet – inklusive der Torte – erarbeitet und alle Sachen aufgeschrieben, die sie dafür benötigten.
„Ich frage mal Elf – niichan, ob er uns morgen beim Einkaufen hilft. Er trägt uns bestimmt gerne die schwereren Sachen", bot Lisanna an und streckte sich ausgiebig.
„Alles klar, dann war's das für heute, würde ich sagen", gähnte Max. Der Sandmagier sah genauso erledigt aus, wie Lucy und Levy sich fühlten. „Bis morgen dann Leute" Er stand auf und winkte zum Abschied. Lisanna machte sich auf den Weg zu ihrem Bruder und Erza verabschiedete sich ins Wohnheim.
„Dann können wir ja auch langsam", meinte Levy.
„Oh man wenn wir noch eine oder zwei Nächte so durchmachen müssen, dann kann man mich zusammenkehren. Ich bin völlig fertig. Das ist wirklich schlimmer als Natsus Geschnarche", maulte Lucy, als die Mädchen am Kanal entlang in Richtung ihrer Wohnung wanderten.
Endlich drinnen angekommen, klemmten sich die beiden wieder hinter ihre Lektüre. Lucy stand ein paarmal auf, um Kaffee zu besorgen und massenweise Schokolade und Kekse. Hinterher sah ihr Zimmer wie ein leergeräumter Kiosk aus, aber das nahmen die beiden Magierinnen gar nicht wahr.
Wieder saßen sie bis spät in die Nacht völlig vertieft auf Lucys Bett und ackerten im Akkord die andere Hälfte des magischen Werkes durch, bis sie erschöpft über dem noch aufgeschlagenen Buch einschliefen.
Am nächsten Morgen – bzw. am nächsten Nachmittag bekamen die zwei dann gleich ihre Quittung, denn als sie aufwachten war es schon fast drei Uhr. Erschrocken fuhren die beiden hoch, stürmten ins Badezimmer und ließen Buch erst mal Buch sein.
Viel zu spät kamen sie bei der großen Steinburg an. Dort erfuhren sie von Mira, dass die anderen drei mit Elfmann im Schlepptau schon längst losgezogen waren, um einzukaufen. Lucy seufzte und nahm sich fest vor, sich später ordentlich zu entschuldigen.
„Was ist denn bei euch beiden los? Ihr habt gestern schon nicht so glücklich ausgesehen. Ist etwas passiert?" Mirajane wirkte mitfühlend. Wirklich merkwürdig, dass eine Magierin mit so einem liebenswürdigen Charakter zu einem wahren Dämon werden konnte, wenn sie ihren Takeover anwandte.
„Mädelsabend", antwortete Levy schnell und winkte ab. „Nichts Schlimmes, mach dir keine Gedanken"
Die Verwandlungskünstlerin nickte zwar und machte sich auf zur nächsten Gruppe, die gerade dabei war, hübsche Deko selbst zu basteln, aber wirklich überzeugt wirkte sie nicht gerade.
Lucy ließ sich mit Levy auf eine der freien Holzbänke fallen und atmete tief durch. So eine Hetzjagd direkt nach dem Aufwachen und dann auch noch ganz umsonst! Eine Weile saßen die beiden Mädchen einfach nur da und starrten Löcher in die Luft, bis Levy sich schließlich ein Herz fasste.
„So wie es aussieht ist diese Nacht der Drachen – Sache eine uralte und längst ausgestorbene Tradition. Und dabei spielt eine Priesterin eine ziemlich große Rolle. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, wird mit ihrer Hilfe ein Ritual durchgeführt"
Lucy nickte ernst. „Und diese Priesterin war anscheinend immer eine Stellargeistmagierin. Das heißt die Sternenmagie geht tatsächlich von einem Magier aus. Und sie wird im Zusammenhang mit den Drachen gebraucht. Da liegt auch unsere Gemeinsamkeit, die wir gesucht haben"
„Das Ganze lässt sich bis in die Zeit zurückführen, als Acnologia entstanden ist. Der Stellargeistkönig hat sich mit einem bestimmten Drachen verbündet, um mit Licht Zerefs Dunkelheit zu besiegen. Durch dieses Bündnis sind anscheinend alle Stellargeister zu Mitstreitern aller Drachen geworden. Sie haben sich zusammengetan.", erklärte Levy.
„Und um dieses Bündnis zu feiern braucht man einen Stellargeistmagier. Dieser verbindet mit einem Ritual die Geisterwelt mit den Drachen und eigentlich auch die Menschenwelt mit den beiden anderen. Deshalb ist auch von Verbindung der Seelen die Rede", führte Lucy weiter aus. „Aber das Ganze ist schon vor so vielen Jahren passiert, außerdem sind die Drachen verschwunden. Dieses Ritual ist ganz sicher schon sehr sehr lange in Vergessenheit geraten"
„Aber warum haben uns deine Freunde nie was davon gesagt? Loki müsste sowas doch wissen. Und könnte der Stellargeistkönig denn gar nichts tun, um herauszufinden, was mit den Drachen passiert ist? Immerhin waren sie mal Verbündete" Levy sah auf ihre Finger. Das Ganze war durch das Buch nur noch komplizierter geworden. Keine Erkenntnisse, aber so viele neue Fragen.
Lucy vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich weiß es einfach nicht…" Plötzlich schreckte sie hoch. „Aber wir könnten Loki fragen! Er ist sogar schon hier, um bei der Feier mitzuhelfen"
„Super Idee Lu-chan!", rief Levy begeistert und sprang sofort auf.
Auch Lucy rutschte von ihrer Bank und gemeinsam suchten sie den Stellargeist, der mit Jet und Droy zusammen in einer Ecke hunderte von bunten Ballons mit Helium füllte.
„Loki" Lucy winkte ihrem Kammeraden. „Hast du mal kurz Zeit?"
„Levy-chan!", schrien Jet und Droy aufgeregt und plapperten sofort durcheinander. Levy kicherte.
„Ich löse dich mal kurz ab", bot sie Loki an, der dankend annahm.
Der Löwe begleitete seine Partnerin nach draußen an die frische Luft.
„Was gibt's Lucy?" Als die Blondine unsicher von einem Bein aufs andere trat und herumdruckste, lachte er nur schelmisch. „Etwa doch endlich ein Liebesgeständnis?"
Lucy wurde rot. „Ach mach dich doch nicht lächerlich", schnauzte sie. „Ich will dich was fragen. Über euren König" Als Loki plötzlich ernst wurde und sie nur noch erwartungsvoll ansah, wurde es ihr etwas mulmig, aber sie sprach trotzdem weiter. „Weiß er wo die Drachen sind?"
Ungläubig guckte ihr Freund sie an. „Wie bitte?"
„Du hast mich schon verstanden. Weiß euer König, wohin die Drachen vor Jahren verschwunden sind, ja oder nein?"
Resigniert schüttelte Loki den Kopf. „Natürlich nicht, Lucy" Er nahm ihre Hand. „Wie kommst du überhaupt auf die Idee? Wenn uns ihr Aufenthaltsort bekannt wäre, hätte ich Natsu längst geholfen seinen Vater zu finden. Immerhin bin ich schon länger als du ein Mitglied von Fairy Tail"
Die Blondine ließ den Kopf hängen. Loki wirkte so bestürzt, dass er es wahrscheinlich wirklich nicht wusste. Das hieß aber noch lange nicht, dass der König der Geisterwelt nicht seine eigenen Geheimnisse hatte. „Weißt du von dem Bündnis?", fragte sie ihn deshalb. Könnte es sein, dass der Stellargeistkönig alles über diese Zeit und die Drachen für sich behielt?
Der Anführer der Stellargeister drückte ihre Hand nun etwas fester. Überrascht schaute Lucy auf. Loki hatte seine Augen zu Schlitzen verengt. „Woher weißt du davon?" Als sie nicht sofort auf die Frage einging, ließ er ihre Hand fallen und fixierte sie mit seinem Blick „Lucy?"
Sie zuckte mit den Schultern, als wäre das kein großes Thema. „Ich habe recherchiert weil ich Natsu, Gajeel und Wendy helfen möchte" Das war grundsätzlich nicht mal gelogen. „Levy-chan hat mir dabei geholfen", setzte sie noch hinzu.
Loki seufzte und schob die Hände in seine Hosentaschen. „Das ist schon Jahrhunderte her, niemand weiß mehr davon. Das Bündnis bestand und würde auch weiterhin bestehen, aber die Drachen sind spurlos verschwunden. Und bevor du fragst, nein unser König hat weder etwas damit zu tun noch weiß er, warum oder wohin sie verschwunden sind. Glaub mir, wir wären froh gewesen, wenn die Drachen an unserer Seite geblieben wären solange Zeref nicht endgültig besiegt wurde"
Lucy nickte schwach. „Aber warum überhaupt ein Bündnis zwischen Stellargeistern und Drachen? Die beiden Magieformen haben doch eigentlich nichts miteinander zu tun oder?"
„Sternenmagie hat nicht mit allen Drachen etwas zu tun, das stimmt", antwortete Loki und grinste leicht. „Aber der König hat das Bündnis damals auch nur mit einem einzigen von ihnen geschlossen. Mit dem Sternendrachen Phönix. Die anderen Drachen folgten seinem Beispiel und schlossen sich dem ursprünglichen Vertrag einfach nur an"
„Es gibt einen Sternendrachen?", hauchte Lucy voller Ehrfurcht und stellte sich das riesige Geschöpf vor, das doch tatsächlich mit ihr etwas gemeinsam hatte.
Der Löwe lachte verschmitzt. „Natürlich. So wie es auch einen Feuerdrachen, einen Winddrachen und einen Eisendrachen gibt. Beinahe für alle Formen der Magie gibt es auch Drachen. Und nur deshalb gibt es ja auch Dragonslayer. Wobei Phönix soweit ich weiß keinen ausgebildet hat, das wäre mal interessant gewesen"
„Und die Priesterin war eine Stellargeistmagierin, weil sie ebenfalls die Geisterwelt erreichen konnte?", fragte Lucy weiter.
„Deshalb und weil Stellargeister wie auch Drachen Menschen und Magier beschützt haben. Drachen haben ihre Dragonslayer, die sie wie eigene Kinder behandeln und Stellargeister haben Magier als Partner, die sie im Kampf und bei Aufträgen unterstützten. Phönix hätte bei dem Ritual keine Unterstützung von der Priesterin benötigt, aber es war ein Zeichen der Freundschaft und des Bündnisses zwischen allen drei Parteien. Das jeweilige Mädchen hat den Titel Drachenpriesterin und Stellargeistmagierin gleichzeitig getragen. Aber wie schon erwähnt, mittlerweile weiß niemand mehr etwas davon. Und du solltest das eigentlich auch nicht"
„Trotzdem Danke", murmelte Lucy. „Du hast mir wirklich weitergeholfen"
Sie wandte sich zum Gehen, wurde aber noch einmal zurückgehalten. In Lokis Blick lag etwas zutiefst Besorgtes und sein eiserner Griff um ihren Arm, der gleichzeitig so sanft war, ließ sie automatisch erschauern.
„Noch etwas" Er seufzte tief. „Die Priesterin ist nach bestimmten Voraussetzungen gewählt worden und zwar von Phönix persönlich. Damals gab es noch einige Stellargeistmagier, sie waren noch nicht vom Aussterben bedroht, wie heute. Und Phönix hat immer ein Mädchen gewählt. Das Stärkste, um genau zu sein. Ein Mädchen mit viel magischer Kraft und großem Talent, das auch dazu in der Lage war, die ultimative Sternenmagie zu meistern"
Vor Erstaunen blieb Lucy der Mund offen stehen. „Um das Ritual durchführen zu können musste sie in der Lage sein Urano Meteria heraufzubeschwören? Dann konnte sie auch sicher zwei Geister gleichzeitig rufen" Sie verfiel in Grübeln. Urano Meteria war ihr nur ein einziges Mal mit Hibikis Hilfe alleine gelungen. Ansonsten hatte sie Geminis oder Yukinos zusätzliche Kraft benötigt. Und zwei Stellargeister auf einmal konnte sie erst nach der Aktivierung ihres Second Origin rufen. Irgendwie ein hoffnungsloser Fall. Von Stärke war da bisher also nicht viel zu sehen gewesen.
Die stärkste Stellargeistmagierin… Mittlerweile gab es ja nur noch drei, beziehungsweise vier, wenn man bedachte, dass Angel von Oraccion Seis auch mal eine gewesen war. Vor diesem Engelsquatsch. Auch sie hatte Lucy damals nur mit Mühe besiegen können. Yukino hatte die Kontrolle über den dreizehnten Schlüssel und konnte ebenfalls zwei Geister rufen. Und wer ganz sicher sehr stark war, war Prinzessin Hisui. Mit ihrer Hilfe war es möglich gewesen die uralte Magie Gottfried durchzuführen, um Liberum aufzuhalten. Lucy seufzte. Jede von ihnen wäre wohl geeigneter als sie selbst. Und da war sie so versessen darauf gewesen, einen Weg zu finden, um ihren Freunden zu helfen.
Den Tränen nahe drehte sie sich um und machte sich von Loki los. Vielleicht hätte sie ihn lieber doch nicht gefragt. Jetzt bezweifelte Lucy, dass sie jemals dazu in der Lage sein würde, das Geheimnis der Drachen zu lüften.
„Danke Loki", brachte sie mühsam hervor und ließ ihn einfach stehen. Sie wollte ihm nicht das Gefühl geben, er wäre schuld daran, dass sie jetzt so niedergeschlagen war.
Loki seinerseits hatte dennoch ein schlechtes Gewissen. Natürlich hatte er gemerkt, wie groß der Hoffnungsschimmer in Lucys rehbraunen Augen gewesen war. Und ihr diesen zu nehmen war furchtbar genug für ihn gewesen. Dass sie jetzt auch noch versuchte, sich vor ihm nichts anmerken zu lassen, machte es noch schlimmer. Aber worauf seine Partnerin da gestoßen war, wäre für sie gefährlich. Die Vergangenheit sollte sie lieber ruhen lassen.
Nicht, dass er sie für schwach gehalten hätte. Im Gegenteil. Loki wusste sehr wohl, dass Lucy dazu in der Lage wäre. Genau deshalb aber musste er sie davon abhalten. Denn wenn sie es auch wüsste, würde sie es mit Sicherheit versuchen und dabei ihr Leben aufs Spiel setzen.
