Yavanna, Tariquendi

Und mit rechtzeitig war nicht gemeint, dass sie zur geplanten Zeit am Berg war, sondern zur richtigen.

Und die war, als sie Melkor aus Vardas und Manwës Gemächern huschen sah.

"MELKOR BAUGLIR?"

Yavannas Stimme durchbrach alle Schallmauern.

Es muss einmal gesagt sein, dass Yavanna gütig und verständnisvoll war, dass sie Probleme im Voraus sah und ihre Kreaturen über alles liebte.

Und als sie Melkor als Problem deutete, war das auch wahr. Als er begann, gegen ihre Erschaffung zu arbeiten, begann sie ihn zu hassen. Sie war es, die die Valar dazu brachten mit ihm Krieg zu führen. Und sie würde es wieder tun, und wenn es das Letzte wäre, was sie täte.

Und das war Melkor bewusst.

"Ach, lass mich doch in Frieden.", fauchte er, aber man erkannte deutlich, dass er eigentlich: "Scheibenkleister, nicht du.", sagten wollte.

"Halt, stopp!" Yavanna packte ihn unsanft am Arm.

"Lass mich los, du eingebildete-" "DAS DU ES WAGST, MICH SO ANZUFAHREN WIE EIN STÖRRISCHES KLEINES KIND! ABER GENAU DAS BIST DU, Melkor, nein, Morgoroth, der dunkle Feind! Genau DAS bist du, genau das!", schrie ihn die Königin der Erde an.

Melkor schreckte zurück, dann zischte er sie giftig an: "Was bist du schon, Yavanna? Allein dein Name ist zu kompliziert für dich, du kannst ihn ja nicht mal buchstabieren, du Missgeschick Erus!"

"Wer ist hier das Missgeschick? Du! Du hast den Allvater enttäuscht, du hast seine Schönheit missachtet und seine Schöpfung getäuscht. Und uns hast du auch getäuscht, du Missgeburt!"

"Korrekt. Ich habe euch getäuscht. Weil ihr einfach zu dumm wart, um es zu durchschauen, Yavanna Kementarí, hochgeschätzte Königin der Erde!"

Yavannas Augen wurden zu Schlitzen und ihre Haare nahmen ein dunkles Rot an. Dornenbesetzte Ranken wuchsen aus ihrem Kleid.

"Och, wurde da jemand verletzt?", witzelte der dunkle Feind.

"Okay, das reicht jetzt. Verschwinde gefälligst! Na los, mach, dass du weg kommst!"

"Das wollte ich zufällig gerade.", sagte Melkor achselzuckend.

"Dann solltest du vielleicht nicht gehen.", sagte eine neue Stimme, die dazugekommen war.

Ein Mann aus Wasser manifestierte sich im Raum.

"Ulmo. Wie nett, das du auch hier bist."

"Wie unpassend, dass du hier bist, am Tag, an dem sich eigentlich die Fürsten und Fürstinnen der Valar treffen wollten. Zu denen du übrigens nicht mehr gehörst."

"Schon klar. Ich empfehle mich."

Melkor drehte sich auf dem Absatz um, erkannte, dass er zurück zu Vardas und ManwësGemächern ging, drehte sich nochmal um und beschloss dann, einfach links abzubiegen.

Yavanna und Ulmo beobachteten das Schauspiel wie einen Spielfilm." Was macht er da?", fragte Yavanna verwirrt.

"Sich nach einer Richtung umsehen.", erwiderte Ulmo stirnrunzelnd.

"Der Typ ist spezieller, als ich ihn in Erinnerung habe."

Sauron, Tariquendi

Ilmarë war schon lange nicht mehr in Sichtweite und Melkor noch immer nicht zurück. Seufzend ordnete Sauron seine Gedanken.

Wo steckte Melkor denn?

Hatte er Ilmarë lange genug abgelenkt?

Was dauerte da oben denn so lange?

Brauchte er Hilfe?

Sauron beschloss nach ihm zu suchen. Er veränderte seine Standart Dunkler-Elben-Herrscher-ohne-Rüstung zu Annatar.

Vor Eonwë, Ilmarë und Olorin würde ihn das nicht tarnen, aber besser als nichts. Oder wussten sie überhaupt von Annatar?

Er beschloss, dass es keinen Unterschied machen würde.

Sofort erklomm er die Stufen zum Tariquendi. Hoffentlich hatte er genug Abstand zu Ilmarë gelassen. Das letzte was er brauchte, war, ihr zu erklären müssen, warum er ihr nachlief.

Lustigerweise war es ihn ihrer Abwesenheit einfacher über sie zu lästern. Wie konnte man nur so leichtgläubig sein? Sie sollte mal nachdenken, bevor sie etwas sagte oder tat.

Sauron lief die Treppen hoch. Warum baute man so viele Treppen?!

Als er endlich ankam, wehte ein kühler Wind, aber nicht unbedingt unangenehm- zumindest fanden das alle diese eingebildeten Inselbewohner. Valinor war eben auch nur ein abgeschotteter Hintergarten!

Ein paar Elben kamen ihm lachend entgegen und blickten ihn freundlich an.

Sauron nickte nur, dann drängte er sich an ihnen vorbei, weiter die letzten Stufen zum Palast hoch.

Dann blieb er im ersten Gang plötzlich stehen.

Wo war noch mal der Weg?

Wo war überhaupt das Ziel?

Melkor, das stand ja schon fest. Aber wo war der denn? Er wollte Varda vergiften, also sollte er vielleicht zuerst zu ihr... Obwohl sie ihn vielleicht durchschauen würde...

Und außerdem wäre Ilmarë auch dort...

Vielleicht wäre es am besten ihn einfach anderswo zu suchen.

Der dunkle Herrscher beschloss, rechts abzubiegen.

Er irrte eine Weile um Palast herum, bis er schließlich erneut eine Kreuzung passierte, die ihn auf einen Hof führte.

Laute Stimmen erlangen von dort aus.

"Eonwë, ein Glück dich hier zu finden. Komm, komm mit uns, deine Hilfe ist von Bedarf!", rief eine tiefe Stimme, entweder Ulmo oder Tulkas. Aber sie klang nicht ganz so tief, also wahrscheinlich Ulmo.

Sauron lief zu der nächstbesten Säule und versteckte sich dahinter.

"Herr Ulmo, habt Ihr meine Schwester gesehen? Ich suche sie schon seit Stunden!", entgegnete Eonwë.

"Ilmarë ist uns nicht begegnet, Eonwë. Aber ein anderer, ihr sozusagener Onkel. Und auch deiner, wenn ich recht überlege."

"Onkel?"

"Melkor."

Sauron jubelte. Natürlich nur pantomimisch.

"Ihr saht Melkor?!"

"Ja, er bog gerade um die Ecke, auf der Flucht. Darum benötigen wir deine Hilfe. Komm mit uns, gemeinsam schnappen wir diesen Verräter.", sagte Yavanna und zog den Heerführer der Valar mit sich. Ulmo folgte ihr.

Um die Ecke? Sauron bog ebenfalls um die Ecke und folgte dem Valar, der Valie und dem Maia auf Abstand.

Wenn sie ihn zu seinem Herren bringen konnten, dann konnte er diesen scheußlichen Ort endlich hinter sich lassen.

Oh, wie er Utummno schon vermisste!