„Glaubst du wirklich, du kannst uns für dumm verkaufen?", raunte eine dunkle Stimme. „Du hast uns lange genug zum Narren gehalten..." Er entsicherte die Pistole in seiner Hand und zielte auf den am Boden liegenden. Er zögerte jedoch für einen Augenblick und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Weißt du, wenn ich es mir so recht überlege, wäre dies hier viel zu einfach. Du wärest tot und man würde dich überall als einen großen Märtyrer feiern. Ist das in meinem Sinne? Ganz und gar nicht." Er ging auf den am Boden liegenden zu und kniete sich neben ihn. Für einen kurzen Augenblick musterte er sein schmerzverzerrtes Gesicht.
„Du hast Glück, heute wirst du nicht sterben. Heute nicht", wiederholte er lachend, „ich dachte, dich umzubringen würde mir Erleichterung verschaffen – all meine Probleme lösen, für die du und dein Vater verantwortlich seid. Doch, so einfach ist es nicht, was? Wärest du tot, wäre da immer noch dein Bruder, nicht wahr? Und dann würde das ganze Spiel wieder von vorne anfangen. Nein. Ich glaube, wenn ich dir Schaden möchte, dann am besten so: Ich werde allen, die dir und deinem Vater etwas bedeuten, große Schmerzen bereiten. Ihr werdet sie leiden sehen... Diese Botschaft darfst du gerne deinem Vater überbringen!" Er drückte ab und der Knall durchschallte das Gebäude.
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„Was ist mit Tsunade-sama los?" Die junge Ärztin mit den pinkfarbenen Haaren lehnte den Kopf leicht zur Seite und sah ihrer Mentorin nach, die wie von Sinnen durch den Gang rannte. Sie runzelte kurz die Stirn. ‚So aufgeregt habe ich sie das letzte Mal gesehen, als sie dabei war zu spät zur Happy Hour zu kommen', dachte sie und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
„Mh, es scheint als sei irgendetwas passiert", antwortete die schwarzhaarige Ärztin neben ihr, „aber sie wollte mir nicht sagen, worum es eigentlich geht." Sie tippte ungeduldig auf dem Tresen herum. „Auch nach all den Jahren, die ich nun für sie arbeite, halte ich sie für unberechenbar - zumindest manchmal."
„Ob Sie in Schwierigkeiten steckt?"
„Ich denke es geht um einen Patienten", kam die Antwort. Die beiden wandten sich um und sahen eine der Schwestern an. „Ich arbeite nun schon seit über drei Jahrzehnten in diesem Krankenhaus und auch wenn mir niemand etwas gesagt hat, aber ich weiß, wenn es wirklich wichtig ist." Schwester Ayumi stemmte die Hände in die Hüften, als sollte es untermalen, dass sie ganz und gar von der Sache überzeugt sei.
„Wirklich wichtig?", fragte die Pinkhaarige, „Jemand mit lebensbedrohlichen Verletzungen, oder nicht? Aber solche..."
„Jemand von hohen Rang", unterbrach sie die schwarzhaarige, „Jemand der sehr viel Einfluss hat. Ein Politiker vielleicht oder ein berühmter Schauspieler. Jemand von dem die Öffentlichkeit nicht wissen darf, dass er oder sie hier ist."
„Verstehe", antwortete die rosahaarige, „Man will keine Aufruhe auslösen." Die anderen beiden nickten nur zustimmend.
„Sakura, bist du nicht schon spät dran?", die schwarzhaarige wandte sich an ihre pinkhaarige Kollegin, „wolltest du nicht bereits vor zehn Minuten gehen?"
„Ahh", entfuhr es Sakura, „du hast Recht, ich komme zu spät!" ‚Verdammt, jetzt werde ich mir gleich etwas von Tenten anhören können...', heulte sie innerlich auf, als sie in die Umkleide lief.
Sakura seufzte, beim Öffnen ihres Schrankes. ‚Dieses dämliche Kleid', fluchte sie innerlich, ‚wie konnte ich ihr nur versprechen, dass ich dieses dämliche Kleid anziehe? Wieso habe ich es überhaupt gekauft?' Sakura holte ein rotes Kleid aus ihrem Schrank und breitete es neben sich auf der Bank aus. Sie stöhnte auf. Das Kleid war schön, sonst hätte sie es sicherlich nicht gekauft, doch war es ihr einfach zu freizügig: Kurz geschnitten und eng anliegend waren dabei nicht das Schlimme, vielmehr störte es sie, dass das Kleid viel zu viel von ihrem Brust zur Schau stellte. Sakura konnte nicht leugnen, dass sie sich jedes Mal ein wenig wie eine Schlampe vorkam, wenn sie dieses Kleid anzog. ‚Aber etwas anderes habe ich nicht bei'. Widerwillig zog sie das Kleid an. Zwar hatte Tenten Recht gehabt, als sie sagte, dass Kleid würde ihre Vorzüge hervorheben, doch das schlechte - fast ein wenig beschämende - Gefühl blieb.
„Wir müssen dir einen Mann finden... mit den Klamotten findest du nie einen", äffte Sakura ihre Freundin kurz nach und war froh, dass im Moment niemand außer ihr in der Umkleide war. Als hätte sie den Teufel höchstpersönlich heraufgeschworen, vibrierte ihr Smartphone in der nächsten Sekunde, aber Sakura machte keine Anstalten den Anruf zu beantworten. Stattdessen schrieb sie Tenten eine Nachricht, dass sie sie in der Bar treffen würde. ‚Das sollte sie zumindest für den Moment beruhigen', dachte Sakura sich und stopfte all ihre Habseligkeiten in ihre Handtasche. Sie gähnte kurz. Eigentlich würde sie viel lieber nach Hause fahren, sich etwas zu Essen bestellen und einen Film anschauen. Das wäre sicherlich entspannender als das, was sie im Moment vorhatte.
Sakura fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss und versuchte unauffällig durch den Hintereingang zu verschwinden. Das letzte was sie jetzt noch brauchte, war das ihre Kollegen sie in diesem Aufzug sahen. Die dämlichen Kommentare könnte sie sich auf Ewigkeiten hin anhören.
Während Sakura den Gang zum Hintereingang durchquerte, wühlte sie in ihrer Tasche, auf der Suche nach ihrer Halskette. Sie war sich absolut sicher, dass sie sie zu Beginn ihrer Schicht hinein geworfen hatte. ‚Das war doch als Shizune...', weiter konnte sie den Gedanken nicht mehr führen, denn sie wurde unsanft aus ihren Gedanken gerissen. Sie war gegen etwas geprallt, so hart, dass sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. Sakura schüttelte sich kurz und sah auf. Sie war nicht gegen etwas gerannt, sondern mit Jemandem zusammengestoßen.
„Können Sie nicht aufpassen?", fuhr er sie an und Sakura zuckte leicht zusammen. Sie konnte das Gesicht des Mannes nur schemenhaft erkennen, denn er versteckte sich unter der Kapuze seiner dunkelblauen Sweatshirtjacke. Dennoch fühlte sie seinen starren Blick auf sich. ‚Unheimlich', ging es ihr durch den Kopf.
Sie stand wieder auf und sagte währenddessen, „es tut mir Leid, ich habe sie nicht gesehen."
„Hn", kam nur die kurze Antwort, „sie arbeiten hier?" Er sah auf ihren Mitarbeiterausweis herunter, der vor seinen Füßen lag, machte jedoch keine Anstalten ihn aufzuheben. Sakura bückte sich um den Ausweis aufzuheben, während er jede ihrer Bewegungen beobachtete. ‚Vollidiot', kam ihr in den Sinn, ‚er hätte mir auch helfen können. Nein, jetzt muss ich in diesem Kleid auf dem Boden rumkriechen!'
„Lassen sie eigentlich jeden so tief blicken?", fragte er, nachdem sie den Ausweis wieder zurück in ihre Tasche gesteckt hatte. Verwundert blickte Sakura ihn an, worauf sie trotz der Kapuze sehen konnte, dass sein Blick von ihrem Gesicht herunter wanderte zu ihren...
„Sie Perversling", fuhr Sakura ihn, „wie können Sie nur? Haben Sie nichts Besseres zu tun?"
„Doch, das habe ich. Weiß die Leitung, dass ihre Mitarbeiterinnen so herum laufen?"
„Zu Ihrer Information, ich bin nicht mehr im Dienst und was ich in meiner Freizeit mache geht weder Sie noch die Krankenhausleitung etwas an", raunte Sakura und ging an ihm vorbei. ‚Dämlicher Vollidiot', schrie ihre innere Stimme auf, ‚ich sollte das Sicherheitspersonal rufen.'
„Wenn Sie immer so herumlaufen, sollte die Krankenhausleitung sich vielleicht einmal Gedanken machen", er zuckte mit den Schultern. Sakura, die einen kurzen Blick über die Schulter warf, konnte ein Lächeln erkennen. „Ab einem gewissen Punkt sollte es von Interesse sein. Es scheint, als könnte es dem Ruf des Krankenhauses schaden."
„Sie kennen mich nicht", antwortete Sakura, „als verbitte ich mir solche Kommentare." Wenn Sakura ehrlich war, fand sie es ein wenig unheimlich, dass er ihr nun folgte. Den zwei Männern in Anzügen, die hinter ihnen hergingen, hatte sie bisher noch keine sonderliche Beachtung geschenkt. Stattdessen fragte Sakura sich nur, ob der Typ im Kapuzenpullover vielleicht einmal ein Patient von ihr gewesen war und/oder sich einen Scherz mit ihr erlaubte. ‚Wenn das ganze hier ein Scherz sein sollte, ist er nicht witzig.'
„Ich meine nur", entgegnete er, als die beiden durch die Tür ins Freie traten, „für gewöhnlich laufen die anderen Angestellten hier nicht so freizügig herum und ich bezweifele, dass sie es in ihrer Freizeit tun."
Aufgebracht und auch ein wenig peinlich berührt blieb Sakura stehen und wandte sich ihm zu. „Hey Perversling, ich weiß nicht wer Sie sind und was Sie wollen. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Sie sind absolut nicht in der Position über mein Outfit zu lästern. Wieso nehmen Sie diese Kapuze nicht ab und zeigen mir ihr Gesicht? Zu hässlich, als das wir uns der Menschheit zeigen können? Wenn Sie mir noch einmal zu nahe kommen, sorge ich dafür, dass sie Hausverbot bekommen, Shannaro", raunte Sakura ihm zu und stemmte währenddessen die Hände in die Hüften. Sie konnte die Dreistigkeit dieses Mannes einfach nicht fassen. ‚Wer glaubt er zu sein, dass er über mein Auftreten urteilen darf – so wie er hier selbst rumläuft.'
„Tss", gab er von sich, „Sie wollen mir doch nicht etwa drohen, oder?" Erst in diesem Moment bemerkte Sakura, dass die beiden Herren in den Anzügen auch, nur wenige Meter von den beiden entfernt, stehen geblieben waren. ‚Verfolgen Sie mich etwa?', fragte sie sich. Letztlich bemerkte sie, wie die beiden immer wieder zu dem Typen mit dem Kapuzenpullover herüber blickten. Ein Gedanke kam Sakura. Was wenn es sich hierbei um Angehörigen von dem Patienten handelte, den Tsunade-sama gerade versorgte? Dann waren dies seine Bodyguards.
Selbst, wenn es so sein sollte - dieser Typ war Sakura zutiefst unsympathisch. ‚Ich sollte gehen - Hauptsache weg von diesem Typen.'
„Sie sind mir zu niveaulos", sagte Sakura schließlich zu ihm, als sie bemerkte, dass er sie von oben bis unten musterte. Auf dem Absatz machte sie kehrt und marschierte quer über den Parkplatz. Innerlich machte sie drei Kreuze, dass keiner von ihnen ihr weiterhin gefolgt war. Als Sakura den Parkplatz verließ konnte sie noch im Augenwinkel sehen, wie die drei in einen Wagen mit getönten Scheiben stiegen. Einen Raunen entfuhr ihr. ‚Er gehört wohl wirklich zu dem prominenten Patienten', fasste sie zusammen und hoffte gleichzeitig inständig, dass sie diesen Typen nicht noch einmal begegnen würde. ‚Wahrscheinlich ein verwöhntes Müttersöhnchen', fluchte Sakura und dachte daran, wie er ihr in den Ausschnitt gestarrt hatte, ‚glaubt wohl er könnte sich alles erlauben. Frauen sind für ihn bestimmt Freiwild.'
Keine fünf Minuten später erreichte Sakura die Bar, in der sie mit Tenten verabredet war. Es brauchte einen Augenblick bis sie ihre Freundin in der Masse wiederfand und während Sakura sich ihren Weg dorthin bahnte, konnte sie förmlich die Blicke der Männer auf sich spüren. Ein kleiner kalter Schauer, rannte ihren Rücken herunter. „Wie konntest du mich nur dazu bringen", raunte sie, als sie den Tisch erreichte, „dieses Kleid anzuziehen?" Tenten grinste über das ganze Gesicht und prostete ihr mit dem Drink in ihrer Hand zu. Erst da bemerkte Sakura, dass dort noch eine weitere Person saß. „Hinata", gab sie überrascht von sich, „ich dachte, du hättest keine Zeit?" Sakura setzte sich neben Hinata an den Tisch, die sie schüchtern anlächelte.
„Ich konnte kurzfristig meine Schicht noch tauschen", antwortete diese und wandte sich dann Tenten zu, „jetzt verstehe ich, was du mit dem Kleid meintest."
„Habt ihr über das Kleid gelästert?", fragte Sakura und zog die Augenbrauen hoch. ‚Ich wusste es', schrie ihre innere Stimme auf, ‚ich sollte das Kleid nur anziehen, damit Tenten heute Abend etwas zu lachen hat.' Sakura zupfte an ihrem Kleid herum, um sicher zu gehen, dass es immer noch richtig saß. Sie wollte hier niemand mehr zeigen, als sie wollte – wobei das heute Abend ja bereits geschehen war.
„Nein", antwortete Tenten, „ich habe Hinata nur erzählt, dass ich dich dazu überredet habe, dieses Kleid anzuziehen und das du damit, jeden Blick auf dich ziehen würdest. Das war nicht negativ gemeint."
Sakura schnaufte kurz und blickte von Tenten zu Hinata und wieder zurück. „Ich sehe nur einen Haufen Kerle, die versuchen mich mit ihren Augen auszuziehen."
„Sieh doch nicht immer alles so negativ. Das Ganze hat auch seine Vorteile", Tenten deutete auf die Kellnerin die gerade an ihren Tisch trat.
„Dieser hier", sagte die Kellnerin und stellte Sakura einen Cocktail vor die Nase, „ist ein Coconut-Kiss und kommt von dem Herren dort drüben." Die Kellnerin deutete auf einen Mann mit schwarzen Haaren an der Bar. Er zwinkerte ihr zu.
„Oh Gott", entfuhr es Sakura, „den möchte ich nicht haben."
„Doch klar", sagte Tenten, während Hinata und die Kellnerin sie fragend ansahen. „Nimm ihn doch ruhig an. Spart Geld und niemand hat gesagt, dass du gleich mit dem Kerl in die Kiste steigen sollst."
„Keine Sorge", sagte die Kellnerin, „er hatte keine Möglichkeit etwas in den Cocktail reinzumischen und er scheint zudem auch ganz nett zu sein."
„Sagen Sie ihm", Tenten wandte sich an die Kellnerin, „vielen Dank, sie weiß es sehr zu schätzen."
„In Ordnung", antwortete die Kellnerin lächelnd und verschwand wieder. Die drei konnten beobachten wie die Kellnerin kurze Zeit später auf dem Mann zuging, etwas zu ihm sagte und kurz in ihre Richtung deutete. Der Mann nickte den dreien zu.
„Siehst du", entgegnete Tenten ihr, „alles halb so schlimm. Es ist doch nichts dabei, sich einen Drink von einem Mann ausgeben zu lassen."
Sakura seufzte, „das ist es nicht. Es ist vielmehr, dass ich mir sicher bin, dass ich diesen Drink nur wegen dem Kleid ausgegeben bekommen habe. Wäre ich hier in normalen Sachen aufgetaucht, wäre dies nicht passiert. Ich komme mir vor, wie ein Flittchen... Zudem, wieso tragt ihr eigentlich nichts Aufreizendes?" Sie malte Anführungszeichen in die Luft und musterte ihre beiden Freundinnen. Hinata trug eine Bluse und einen knielangen Rock, mit flachen Schuhen. ‚Ich habe sie noch nie in einem sexy Outfit gesehen', kam Sakura in den Sinn, ‚sie ist immer das süße, schüchterne Mädchen von Nebenan.' Tenten hingegen trug ein Top, dass jedoch bei weitem nicht so viel Oberweite zeigte, wie Sakuras Kleid, eine lange, enge Hose und High-Heels. ‚Typisch.'
„Ich habe das Outfit heute schon bei der Arbeit getragen", meinte Tenten schulternzuckend, „abgesehen von den Schuhen. Zudem hatte ich keine Zeit mehr nach Hause zu fahren und mir etwas anderes anzuziehen. Und Hinata hier, würde nicht einmal im Traum daran denken, sich so ein Kleid überhaupt zu kaufen – geschweige denn es im Laden anzuprobieren."
Hinata lächelte verlegen, „so etwas steht mir einfach nicht. Zudem wohne ich noch Zuhause und mein Vater ist wirklich streng."
„Dann zieh aus", meinte Tenten locker. „Alt genug bist du ja..."
„Ich... Ich weiß nicht...", Hinata fing an zu stottern und Sakura konnte nicht anders, als zu lächeln. Nicht wegen dem Stottern, sondern vielmehr auf Grund der Tatsache, dass Hinata ihr Leben lang die gute Tochter war, die sich nie hat etwas zu Schulden kommen lassen. Die immer pünktlich Zuhause war und nie Streit mit ihrem Vater anfing. Ganz im Gegensatz zu Sakura, die generell immer eine Stunde zu spät nach Hause gekommen war und sich ständig mit ihrer Mutter stritt.
„Ach Hinata", sagte Sakura und nippte nun endlich an ihrem Drink, „hör endlich auf zu versuchen, es allem Recht zu machen. Das kannst du eh nicht. Du musst auch einmal an dich denken und daran was du vom Leben möchtest."
„Oh Sakura", entfuhr es Hinata plötzlich, „das wird dir nicht gefallen?"
„Wieso sollte mir das nicht gefallen? Ich möchte, dass du glücklich wirst und ...", weiter kam Sakura nicht mehr, denn der Mann von der Bar stand plötzlich an ihrem Tisch. Erst jetzt aus der Nähe nahm Sakura ihn richtig wahr: seine schwarzen Haare trieften nur so vor Gel, der Anzug den er trug war schon vor Jahrzehnten aus der Mode gekommen und seinen leicht geröteten Wangen verrieten ihr, dass er gut angetrunken war.
„Ladies", sagte er laut und prostete den dreien mit dem Bier in seiner Hand zu. „Ich hoffe Sie haben einen sehr schönen Abend?!"
„Danke, er verlief bisher wunderbar", meinte Tenten sarkastisch.
„Freut mich", er nickte ihr zu und lehnte sich dann zu Sakura herunter, „wie ist ihr Name, sie wunderschöner Stern?"
Hilfesuchend sah Sakura ihre beiden Freundinnen an. Diese zuckte nur mit den Schultern. „Wie ist denn ihr Name?"
„Ah, natürlich, natürlich", raunte er und Sakura konnte seine Fahne riechen, was sie ziemlich anwiderte. „Mein Name, meine Hübsche, ist Lee. Rock Lee. Verrätst du mir nun deinen Namen?"
„Ihr Name ist Sakura", antwortete Tenten und erntete dafür einen bösen Blick von Sakura.
„Ein überaus treffender Name, wenn Sie mich fragen", raunte er in ihr Ohr und ein kalter Schauer lief Sakura den Rücken herunter, „sagen Sie, Sakura, hat Ihnen der Cocktail geschmeckt?"
„Ja, sehr lecker", antwortete Sakura säuerlich und fragte sich, ob der Typ nicht bemerkte, dass sie gar nichts von ihm wollte. „Wie kann ich Ihnen helfen, Lee?"
„Ich sah nichts ahnend an der Bar, als die wunderschönste Frau den Raum betrat, die ich jemals gesehen habe", raunte er erneut, „ich musste einfach hierher kommen und mich selbst davon überzeugen, dass meine Augen mich nicht getrübt haben. Als sie mich dann noch so verführerisch angesehen haben, nachdem ich Ihnen diesen Cocktail schickte, war mich absolut klar, dass sie die Frau sind, die mich für den Rest meines Lebens glücklich machen würde."
„Ugh", entfuhr es Sakura, „nein, danke."
Lee blickte sie verwundert an, „was, nein danke?"
„Nein, danke. Ich möchte Sie nicht für den Rest Ihres Lebens glücklich machen", antwortete sie und schüttelte leicht den Kopf.
„Aber meine Liebe", Lee kniete sich vor ihr hin, „Sie kennen mich doch noch gar nicht. Wenn Sie mich kennenlernen werden Sie verstehen, dass ich ein ganz wunderbarer Mensch bin, der auch Sie für den Rest Ihres Lebens glücklich machen kann." Lee griff nach ihrer Hand.
„Tut mir Leid", antwortete Sakura und löste ihre Hand aus seinem festen Griff, „aber ich denke nicht, dass das zwischen uns etwas wird. Vielen Dank für den Cocktail, aber von meiner Seite aus besteht kein Interesse." Sakura konnte förmlich sehen, wie sie Lee das Herz brach. Auch wenn sich in ihr in diesem Moment etwas Mitleid breitmachte, so blieb sie rational: Sie konnte ihm keine falschen Hoffnungen machen, dann würde er womöglich für den Rest des Abends vor ihrem Tisch knien. Als Sakura sich umsah, musste sie feststellen, dass sie die Blicke einiger anderer Gäste auf sich gezogen hatte. Und dieses Mal lag das sicherlich nicht an dem Kleid.
„Lee, ich denke Sie sind ein guter Mensch, aber das zwischen uns wird nichts. Es tut mir Leid", sagte sie und versuchte die ganze Situation zu beschwichtigen. Es reichte ihr schon, das sie aussah wie ein Flittchen, da wollte sie sich nicht auf noch wie eines benehmen. Zu ihrer Erleichterung stand Lee auf, winkte ab und murmelte „schon gut" vor sich hin. Erleichterung machte sich in Sakura breit, als Lee sich von dem Tisch abwandte und sich scheinbar auf den Rückweg zur Bar machte. Plötzlich jedoch hielt er inne.
„Nein, kampflos werde ich nicht aufgeben!", verkündete er und unzählige Gäste der Bar wandten sich ihm zu. Sakuras Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Du meine Liebe Sakura, wirst eines Tages mir gehören! Ich werde dafür sorgen, dass du dich in mich verliebst und..." Weiter kam Lee nicht mehr, denn einer der Rausschmeißer der Bar klopfte ihm erst auf den Rücken und flüsterte ihm dann etwas zu. Lee hob ihm gegenüber Hände, als wollte er sich ergeben und folgte diesem dann zum Ausgang.
„Wow, das ist ja schnell eskaliert", meinte Tenten und sah Lee nach.
„Ich hatte das Gefühl", sagte Jemand, „dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollen." Die drei Freundinnen wandten sich um und sahen einem rothaarigen Mann an. Dieser saß alleine am Nebentisch und war Sakura bisher noch gar nicht aufgefallen. „Ich habe die Kellnerin gebeten, das Sicherheitspersonal zu informieren."
„Vielen Dank", antwortete Sakura, „das haben Sie gut beobachtet."
„Ihr Name ist Haruno Sakura, nicht wahr?", fragte er darauf. Sakura hob erneut überrascht die Augenbrauen. Sie hätte es verstehen können, wenn der Fremde ihren Vornamen gewusst hätte, aber auch noch ihren Nachnamen? ‚Oh Gott, bitte lass es nicht den nächsten verrückten Kerl sein', flehte sie innerlich, ‚ich hatte heute schon zwei von der Sorte.' Sakura musterte ihn für einen Augenblick. Abgesehen von seinen wilden, roten Haaren und den grünen Augen, trug er ein weißes Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Ein dunkelblaues Jackett hing über der Stuhllehne. Sakura nickte nun irritiert.
„Sie arbeiten für Senju Tsunade, nicht wahr? Entschuldigen Sie, ich hätte mich vorstellen sollen. Mein Name ist Dr. Gaara Shukaku, vom Amegakure Central Hospital", er stand auf und reichte Sakura die Hand, die perplex sofort einschlug.
„Ahh", entfuhr es ihr plötzlich, „richtig. Tsunade-sama hatte erwähnt, dass uns Leute aus Amegakure besuchen würden. Ein gemeinsames Forschungsprojekt, nicht wahr?"
Gaara nickte kurz, „richtig. Ich habe schon einiges von Ihnen gehört, Haruno. Nur gutes versteht sich natürlich."
„Danke", antwortete Sakura und wurde leicht rot. Sie konnte nicht sagen, ob das an dem Kompliment lag oder daran, dass sie bereits eine Menge getrunken hatte. ‚Möglicherweise nimmt der Abend doch noch eine gute Wendung', dachte sie sich, ‚alles ist besser als dieser Lee.' „Setzten Sie sich, Dr. Shukaku." Sakura bot ihm den letzten freien Platz, gegenüber von ihr und neben Tenten, an.
„Sie können mich gerne Gaara nennen", antwortete er, „zudem muss ich leider das nette Angebot ablehnen. Ich habe eine ziemlich lange Reise hinter mir und wollte lediglich einen kleinen Schlummertrunk zu mir nehmen. Dennoch hoffe ich, dass wir uns in den nächsten Tagen noch einmal begegnen werden. Guten Abend, die Damen." Mit diesen Worten verließ er die Bar.
„Also heute bekommt Sakura wirklich alle Typen ab", lachte Tenten auf und auch Hinata kicherte, „die schlechten und die guten."
„Er ist ein Kollege", entgegnete Sakura ihr und verdrehte die Augen.
„Er schien beeindruckt zu sein von dir", sagte Hinata, „er wusste scheinbar sofort wer du bist."
„Zufall", schnaufte Sakura, „möglicherweise hat er sich mit Tsunade unterhalten oder mich zuvor im Krankenhaus gesehen." ‚Haben die beiden etwa Recht?', fragte Sakura sich, ‚war er tatsächlich von mir beeindruckt? Oder wollte er einfach nur höflich sein?' Sie verwarf den Gedanken jedoch wieder relativ schnell. Sie war hier um ein wenig Zeit mit ihren Freundinnen zu verbringen und nicht um sich über irgendwelche Männer, die sie nicht kannte, den Kopf zu zerbrechen. Letztlich fasste sie jedoch einen Entschluss, das Kleid würde sie beim nächsten Mal nicht noch einmal anziehen.
Zwei Stunden und einige Drinks später, verließen die drei Freundinnen zusammen die Bar. Die kühle Sommernacht sorgte dafür, dass sie etwas ausnüchterten. Langsam gingen die drei den Gehweg entlang und steuerten auf eine Bushaltestelle zu. Während Sakura und Hinata Arm in Arm gingen, lief Tenten voran. „Was ist dein Problem?", rief Sakura ihr zu.
„Mein Problem? Ich habe kein Problem?", antwortete diese und grinste sie an, wie ein Honigkuchenpferd. Sakura und Hinata tauschen unterdessen einen belustigten Blick aus.
Hinata flüsterte Sakura leise zu, „ich habe Neji gefragt, ob er uns abholt."
„Ah", gab Sakura nur von sich. Neji, der Hinatas Cousin war und an der Universität lehrte, war schon seit langer Zeit Tentens heimlicher Schwarm. Jedoch würde Tenten dies nie zugeben, nicht das Sakura sie ja bereits darauf angesprochen hatte. Sie leugnete es immer vehement, doch die Zeichen waren unübersehbar. So taff Tentens Auftreten auch sonst war, sobald Neji auftauchte, benahm sie sich wie eine verliebte vierzehnjährige die ständig rot anlief. ‚Es ist so offensichtlich', dachte Sakura sich, ‚aber der arme Neji bemerkt es einfach nicht. Wo man vom Teufel spricht...' Ein grauer Wagen hielt an der Bushaltestelle und eines der Fenster fuhr herunter.
„Ich bin hier um euch abzuholen", Neji beugte sich hervor und musterte die drei Frauen. „Hast du getrunken?" Diese Frage richtete sich an Hinata, die darauf noch roter im Gesicht wurde, als sie es eh schon war.
„Nur ein wenig", stammelte sie, „danke, dass du uns abholst."
„Ja, vielen Dank, Neji. Du bist wirklich der Beste. Was würden wir nur ohne dich tun?", Tenten war förmlich direkt vor das Fenster gesprungen, worauf Neji zusammengezuckt war.
„Du hast scheinbar etwas mehr getrunken, oder?"
„Nein, ich hatte genauso viel, wie deine liebe Cousine...", antwortete Tenten und verschränkte die Arme. ‚Eher das doppelte', dachte Sakura sich und konnte ein Grinsen nicht verkneifen. ‚Arme Tenten, das wird heute Abend wohl auch nichts.'
„Steigt ein", sagte Neji und entriegelte die Türen, „ihr solltet nicht in so einer Gegend herum laufen." Während Tenten und Hinata einstiegen, blieb Sakura wie angewurzelt stehen. Worauf Neji ihr einen fragenden Blick zuwarf, aber ansonsten nichts weiter sagte.
„Ihr müsst in die andere Richtung", erklärte Sakura, „zudem müsste in zwei Minuten ein Bus kommen, der drei Häuser von mir entfernt hält. Ich bin schon groß, ich schaffe das."
„Bist du dir sicher?", hakte er nach, „wie gesagt, hier treiben sich eine Menge merkwürdiger Typen rum."
Sakura winkte ab, „viel Spaß mit den beiden auf der Heimfahrt. Und lass dich nicht von Tenten begrabschen..." Sakura lachte auf, worauf Neji ihr lediglich einen verständnislosen Blick zuwarf. ‚Der Typ hat echt keine Ahnung', dachte Sakura sich und beobachtete wie die drei davon fuhren. Sie ließ sich auf der Bank an der Bushaltestelle nieder und atmete die frische, klare Luft ein paar Mal tief ein. In Revue lief der Tag noch einmal in ihrem Kopf ab. Sie hatte schlimmere Tage gehabt und wenn man in Betracht zog, dass dafür alleinig dieses Kleid Schuld war, dann hatte sie zumindest etwas für das nächste Mal gelernt. Sakura schmunzelte. Recht musste sie Tenten ja geben: Die Aufmerksamkeit (fast) aller Männer war ihr in diesem Kleid sicher.
